Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade in Zeiten knapper öffentlicher Mittel ist es besonders wichtig, erstens verlässliche finanzpolitische Instrumentarien zu haben, die die begrenzten Mittel zielorientiert einsetzen können, zweitens zu überprüfen, ob mit den Geldern auch politische Ziele, die wir vorgegeben haben, erreicht werden, und drittens, welchen Nutzen sie gebracht haben. Viele Informationen für unsere Entscheidungen können den Controllingberichten, die uns regelmäßig vorgelegt werden, entnommen werden. Dennoch ist es notwendig, das Berichtssystem so weiterzuentwickeln, dass auch neue Prozesse hier ihren Niederschlag finden können.
So stellt sich für uns die Frage, welche Konsequenzen das vom Senat im Mai dieses Jahres beschlossene Konzept zur Implementierung des Gender Mainstreaming in die öffentliche Verwaltung, zum Beispiel auf die Aufstellung der Haushalte, auf das Berichtswesen der Finanzverwaltung und das Berichtswesen der Ressorts hat. Öffentliche Haushalte können geschlechterblind oder geschlechtersensibel aufgestellt werden. Die Umsetzung des Gender Mainstreaming in die Haushaltspolitik verlangt aber eine geschlechtersensible Haushaltsaufstellung und darauf aufbauend entsprechende Analyseinstrumente.
Die Strategie, mit der dies zu erreichen ist, heißt Gender-Budgeting. Budget steht hier für den öffentlichen Haushalt, den es aus der Geschlechter-Perspektive zu durchforsten, neu zu verteilen und zu kontrollieren gilt. Das heißt, es geht beim GenderBudgeting nicht darum, separate Frauenbudgets zu erstellen, sondern um die Frage, wie die Aufstellung öffentlicher Haushalte sich auf die Situation von Männern und Frauen auswirkt und wie die vorhandenen Mittel geschlechtergerecht verteilt werden können.
Die europäischen Finanzminister haben im Herbst 2001 auf einer Tagung von UNIFEM in Brüssel beschlossen, Gender-Budgeting europaweit bis 2015 einzuführen, das heißt, es handelt sich beim GenderBudgeting um ein relativ neues, junges, finanzpolitisches Instrumentarium. Deshalb möchte ich hier einige Beispiele anführen, um unser Anliegen etwas transparent zu machen für alle diejenigen, die noch nicht so sehr mit der Materie vertraut sind.
Mit Gender-Budgeting kann die Frage geklärt werden, ob Männer und Frauen aus der staatlichen Wirtschaftsförderung gleichen Nutzen ziehen, und dies, so denke ich mir, wenn uns Zahlen vorliegen, wird uns zu der Erkenntnis gelangen lassen, dass die Förderprogramme, die wir in Bremen haben, wahrscheinlich verändert werden müssen. Ein Besuch beim Netzwerk Selbsthilfe in Bremen machte deutlich, dass 73 Prozent aller Beratungen von Frauen wahrgenommen werden. Das heißt, Kürzungen bei Beratungsangeboten treffen vor allen Dingen Frauen, aber anders herum gesagt, wir wollen ja unbedingt Selbsthilfe fördern, weil wir diese Selbsthilfe für sehr sinnvoll und zweckvoll halten: Wie können wir es schaffen, dass diese Beratungsangebote zukünftig auch verstärkt von Männern wahrgenommen werden?
Gleichstellungspolitik an den Hochschulen bedeutet neben der personellen Förderung von Geschlechtern auch eine geschlechtergerechte Analyse bei der Vergabe von Fördermitteln. Gender-Budgeting soll uns aber auch Auskunft darüber geben, wie sich die unbezahlte Arbeit in unserer Gesellschaft verteilt und wie diese Arbeit, die den Staat ja entlastet, zu bewerten ist. Das ist eine sehr, sehr komplizierte Frage.
Mit der Aufzählung dieser Beispiele wird deutlich, dass es keinen geschlechterneutralen Haushalt gibt. Haushaltsentscheidungen, die auf den ersten Blick geschlechterneutral erscheinen, erhalten bei der genaueren Analyse ein Geschlecht. Die Informationen, die aus diesen Analysedaten gewonnen werden, können uns alle, und dabei bin ich mir ganz sicher, für eine neue Haushaltsaufstellung sehr sensibel machen und genauer darauf schauen lassen, wie diese Haushaltsmittel zukünftig zu vergeben sind.
Für die Umsetzung des Gender-Budgeting müssen Indikatoren neu entwickelt und viele Informationen statistisch erfasst und ausgewertet werden. Dies erfordert noch einige Anstrengungen und vor allen Dingen noch Zeit. Es ist deswegen gut nachzuvollziehen, dass der Prozess nicht von heute auf morgen von der Verwaltung umgesetzt werden kann. Eine schrittweise Implementierung ist auch deswegen sinnvoll, da die bis dahin gewonnenen Erfahrungen in die nachfolgenden Prozesse einbezogen werden können.
Ich freue mich sehr über die Aussage des Senats, der Bürgerschaft erstmals im Sommer nächsten Jahres einen Umsetzungsbericht zu geben und ausgewählte Projekte hier vorzustellen. Ich darf doch davon ausgehen, dass sich alle Ressorts an diesen Pilotprojekten beteiligen und sich nicht einige Ressorts drücken.
Ich bin ganz gespannt auf diesen Bericht. Heute haben wir mit diesem Thema hier in der Bürgerschaft einen Einstieg in diese Diskussion gefunden, und ich hoffe, wir setzen sie dann mit der Berichterstattung über diese Pilotprojekte im Sommer nächsten Jahres fort. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gender-Budgeting – was ist das? Angefangen hat alles ziemlich weit weg, in Australien. Dort ist 1984 auf Initiative der Ökonomieprofessorin Rhonda Sharp versucht worden, den Staatshaushalt gerechter zwischen Männern und Frauen aufzuteilen. Inzwischen gibt es weltweit zirka 40 weitere Initiativen, die meisten in Afrika, Asien und Lateinamerika.
Meine Damen und Herren, das englische Wort Gender steht für Geschlechterkonstruktion und verweist darauf, dass gesellschaftliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen gemacht werden, so auch bei der Verteilung öffentlicher Mittel. Budget steht für den öffentlichen Haushalt, den es beim Gender-Budgeting aus einer Geschlechterperspektive zu analysieren und gerecht zu verteilen gilt. Dies betrifft den Haushalt der Länder und des Bundes. Gender-Budgeting-Analysen stellen zum Beispiel Fragen wie: Wie verteilt sich die für jede Gesellschaft notwendige, aber dennoch unbezahlte Arbeit zwischen Männern und Frauen? Vor diesem Hintergrund ist zu fragen: Ziehen eher Männer oder Frauen aus staatlichen Ausgaben einen Nutzen? Treffen Einsparungen des Staates eher Männer oder Frauen? Vergrößern oder verkleinern bestimmte Politikstrategien Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht durch Finanzpolitik?
(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Dann sagt das einmal eurem Wirt- schaftssenator!) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
denn selbst Politikbereiche wie Wirtschafts- und Verkehrspolitik und innere Sicherheit haben unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf die Ungleichheit der Geschlechter.
Meine Damen und Herren, in der Europäischen Union fließen die Gelder aus den europäischen Strukturfonds nur, wenn das Prinzip des Gender Mainstreaming beachtet wird, was wiederum zu einem zumindest in Ansätzen erkennbaren Gender-Budgeting bei den für diese EU-Gelder jeweils rechenschaftspflichtigen Länderministerien geführt haben dürfte.
Meine Damen und Herren, die öffentlichen Haushalte der Kommunen haben derzeit eine Gemeinsamkeit: Die Kassen sind leer. An Einsparvorschlägen mangelt es nicht. Es sollte aber gerade in Zeiten knapper Kassen selbstverständlich sein zu überprüfen, ob die bisher eingesetzten Gelder die politisch erstrebten Ziele überhaupt erreicht haben, beziehungsweise diese aktuell noch so verfolgt werden können. Was wäre hierfür haushaltspolitisch geeigneter als die konsequente Anwendung des Gender-Mainstreaming-Konzepts?
Haushaltsentscheidungen, die auf den ersten Blick neutral erscheinen, erhalten bei genauerer Betrachtung somit ein Geschlecht. Gender-Wissen, das somit erlangt wird, sensibilisiert für zu treffende Haushaltsentscheidungen. Ein unter Beachtung des Gender-Mainstreaming-Konzepts aufgestellter Haushalt, das Gender-Budgeting, trägt also dazu bei, den Einsatz öffentlicher Gelder zielorientiert vorzunehmen. Damit werden Effektivität, Qualität staatlichen Handelns gesteigert, die Mitarbeiterzufriedenheit erhöht, der Krankenstand gesenkt und schließlich die Effizienz staatlichen Verwaltungshandelns erhöht.
Meine Damen und Herren, der Senat hat am 19. Februar 2002 beschlossen, die Perspektive des Gender Mainstreaming aktiv zu unterstützen, und am 6. Mai 2003 hat der Senat das Konzept zur Implementierung des Gender Mainstreaming in der bremischen Verwaltung beschlossen. Wir debattieren heute die Große Anfrage der Fraktion der SPD vom 30. 10. 2003. Wir als CDU-Fraktion meinen, dass diese Große Anfrage der SPD-Fraktion zu früh gestellt worden ist und noch keine verwertbaren Ergebnisse vorliegen können. Die Antwort des Senats vom 9. 12. 2003 hat unsere Annahme voll bestätigt. Im Implementierungskonzept ist vorgesehen, dass der Bremischen Bürgerschaft über den erreichten Stand der Umsetzung erstmals in Sommer 2004 berichtet wird. Dieser Zeitpunkt ist nach Auffassung der CDUFraktion realistisch. Wir werden auch darauf achten, dass er eingehalten wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei dem Motto „Frauen ran an die Töpfe“ ging es vor einigen Jahren nicht um kulinarische Genüsse, sondern gemeint war mehr Geld für die Frauenpolitik. Doch um mehr Geld für Frauenpolitik geht es heute nicht in der Debatte. Mehr Einmischung von Frauen in die Haushaltspolitik, das ist das Thema. Gender-Budgeting ist ein Instrument des Gender Mainstreaming in der Haushaltspolitik. Gender-Budgeting ist ein Begriff, der international gebräuchlich und auch definiert ist, falls jemand wieder auf die Idee kommen sollte, hier wieder über Begrifflichkeiten zu streiten. Ausgehend von Beschlüssen der Weltfrauenkonferenz in Peking haben sich Ende der neunziger Jahre in vielen Ländern Initiativen gebildet, das wurde vorhin schon erwähnt, Initiativen zur Einführung von Gender-Budgeting auf parlamentarischer und zivilgesellschaftlicher Ebene.
Das Ziel ist, diskriminierende Auswirkungen von Haushaltsentscheidungen auf Frauen, aber auch auf andere soziale Gruppen aufzudecken. Mittlerweile gibt es in 40 Staaten solche Initiativen, Initiativen zum Gender-Budgeting. Der Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass kein Haushalt geschlechtsneutral ist und dass Geschlechterungleichheit ökonomisch ineffizient ist, denn große Status- und Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern sind nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Diskriminierung zu beanstanden, nein, es entstehen dadurch auch gesamtgesellschaftliche Kosten, die ebenfalls mitgerechnet werden müssen, meine Damen und Herren!
In Europa ist derzeit die Schweiz hier führend. Die Kantonsregierungen in Basel und in Zürich lassen geschlechtsspezifische Budget-Analysen durchführen. In Deutschland steht Berlin an der Spitze dieser Bewegung. Berlin ist das erste deutsche Bundesland, das Gender-Budgeting im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat. Jetzt könnte man auf den Gedanken kommen, für Berlin ist das kein Problem, die sind sowieso pleite, die haben sowieso nichts zu verteilen. Dazu sage ich: völlig falsch, denn gerade im Hinblick auf Kürzungen muss auf Geschlechtergerechtigkeit geachtet werden! Es ist nicht hinzunehmen, dass Haushalte einseitig zu Lasten von Frauen saniert werden, meine Damen und Herren!
Das muss unser Ziel sein, dies vorrangig zu verhindern. Lassen Sie mich das an einem Beispiel hier in Bremen deutlich machen, dann haben wir etwas zum Anfassen! Nämlich die Kürzungen bei den Frauenberatungsprojekten im Arbeitsmarktbereich wurden von der großen Koalition in der letzten Deputationssitzung beschlossen. Auch die monatlichen Abschlagszahlungen bis zum Frühjahr des nächsten ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Fakt ist, dass die veränderten Rahmenbedingungen und Gesetzgebungsverfahren zu einem tendenziell höheren Beratungsbedarf von Frauen führen werden. Die große Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, dass die Anzahl der zu beratenden Frauen auch bei reduziertem finanziellen Aufwand mindestens konstant bleiben sollte, und das unter Gender-Aspekten. Das ist rundweg falsch. Abgesehen davon, wie soll das gehen? Weniger Geld, aber mindestens gleiche Anzahl zu beratender Frauen! Schneller beraten ist wohl kaum möglich. Hier müssen Gender Mainstreaming und Gender-Budgeting greifen.
Alle Maßnahmen am Arbeitsmarkt müssen in der Auswahl und in der Umsetzung hinterfragt werden. Werden dadurch geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der Arbeitsmarktstruktur langfristig abgebaut? Das ist die Frage, die gestellt werden muss. Der Gedanke des Gender-Budgeting muss bei jeder Kürzung beachtet werden. Vorhandene Ungerechtigkeiten dürfen nicht vergrößert werden, die Schere darf einfach nicht weiter auseinander gehen.
Außerdem muss auch der ökonomische Aspekt immer mitgedacht werden. Wie ich schon vorhin sagte, die Schweiz ist darin führend. Die Stadt Zürich, meine Damen und Herren, hat in einer Studie belegt, dass der volkswirtschaftliche Nutzen einer umfassenden Kinderbetreuung die Kosten dieser Kinderbetreuung bei weitem übersteigt, vor allem deshalb, weil das Familieneinkommen steigt und damit auch die Kaufkraft, und es wird mehr in die Sozialversicherung eingezahlt. Frauen bauen sich eine eigene Altersversicherung auf, gut ausgebildete Frauen an den Herd zu schicken, verringert die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft und damit natürlich auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb ist es richtig, Gender-Budgeting als finanzpolitisches Instrument einzusetzen.
Die Frage ist jedoch, meine Damen und Herren, wie wir hier in Bremen schnell und zielgerichtet Gender-Budgeting auf den Weg bringen können. Wenn wir diese Frage beantworten wollen oder ihr uns nähern wollen, dann ist es sinnvoll zu sehen, wie es andere gemacht haben, wie andere es machen und was wir davon lernen können. In NordrheinWestfalen gibt es einen ersten Versuch, so ist er auch betitelt, den Landeshaushalt einer geschlechtsspezifischen Bewertung zu unterziehen. Grundsätzlich wurde nach zwei Auswirkungen gefragt: erstens, welche direkten Auswirkungen es durch den Landeshaushalt auf betroffene Frauen gibt. Zweitens wurde nach den indirekten Wirkungen gefragt, also einerseits nach dem Nutzen, den Frauen und Männer vor allem von Zuwendungen und Zuschüssen aus dem Landeshaushalt haben, andererseits aber
auch nach dem Schaden, den Männer und Frauen verursachen, der durch Landeshaushaltsausgaben verringert oder auch verhindert werden muss.
Nehmen wir zum Beispiel vor diesem Hintergrund Frauenhäuser! Wenn wir die Frauenhäuser zu 100 Prozent den Frauen zuschreiben und sagen würden, sie profitieren zu 100 Prozent davon, dann ist das nicht richtig. Frauen fliehen in die Frauenhäuser, weil sie meistens häusliche Gewalt erfahren. Deshalb ist es nicht allein den Frauen zuzurechnen. Ziel des Gender-Budgeting ist es nicht, eine Quote von 50 Prozent zu 50 Prozent zu erreichen. Das möchte ich hier auch noch einmal deutlich sagen. Nehmen wir zum Beispiel den Haushalt Inneres! Da wird ein Löwenanteil von Männern aufgebraucht. Ich denke, hier ein Verhältnis von 50 zu 50 anzustreben, wäre wohl auch nicht sinnvoll und soll auch nicht Ziel sein. Gender-Budgeting ist ein Analyseinstrument, um dann natürlich die richtigen Entscheidungen zu fällen. Diese hat immer noch das Parlament zu fällen und sich dann auch dafür zu verantworten.
Gender Mainstreaming ist hier in Bremen erst am Anfang, das haben wir gehört, so stand es auch in der Antwort des Senats, und die, das muss ich sagen, ist sehr dürftig ausgefallen. Ich hoffe, dass uns der Bericht mehr Auskunft darüber geben wird, denn ich denke, auch wenn hier Gender-Budgeting genannt und darauf hingewiesen wird, dass Kennziffern in Controllingberichten dazu dienen, ist es nicht der richtige Schritt. Ich denke, ich habe hier deutlich gemacht, welche Fragen gestellt werden müssen, um Gender-Budgeting durchzuführen. GenderBudgeting läuft nicht automatisch mit, wenn man Gender Mainstreaming macht. Ich glaube, da gibt es inhaltlich noch eine große Kluft, die geklärt werden muss.
Wir wollen diese Diskussion weiterführen. Wir holen Sie auch da ab, wo Sie sind, das machen wir gern. Wie wir vorhin schon gesagt haben, wir führen diese Diskussion weiter. Wir finden, das ist ein sinnvolles Instrument, und ich freue mich auf die weiteren Debatten. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema ist in der Tat sperrig. Es ist auch erstaunlich, dass ich für den Senat als Mann dieses Thema vertretend behandle.