Protocol of the Session on March 22, 2007

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Karl Uwe Oppermann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, liebe Kollegen! Die Bertelsmann Stiftung fördert unter vielen Dingen auch eine Expertenkommission, die sich mit den Zielen der Altenpolitik neue Ziele formuliert und erarbeitet; ich sage, ganz neue Ziele, das Bild, das das Bild des Alters in einem neuen Licht zeigt. Sie beleuchtet und hinterfragt den gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Umgang zu Fragen des Alters.

Diese Kommission wird von Professorin Süssmuth und von Professor Kruse geleitet. Die Bremer Universitäten sind mit zwei Professoren in dieser hochrangig und international anerkannten Kommission vertreten, nämlich mit Frau Professor Staudinger von der Jacobs University Bremen und mit Professor Schmähl von der Universität. Das spricht auch für die Qualität unserer Hochschulen, dass drei Professoren aus Bremen in dieser Kommission vertreten sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Diese Kommission hat zu den verschiedenen Aspekten des Alters Berichte veröffentlicht. Einer dieser Berichte trägt den Titel „Perspektiven der gesundheitlichen Vorsorge älterer Menschen“. Uns allen sei gesagt, und das ist eine wissenschaftliche Definition, Alter ist ein von der Geburt bis zum Tod andauernder Prozess, der kontinuierlich verläuft und sowohl biologische und psychologische als auch soziale Veränderungen umfasst. Wir alle in diesem Haus sind also mitten im Prozess des Alterns, und vielleicht ist es auch ganz gut, dass wir heute unter den Zuschauern mehrere Generationen haben, die sich mit diesem

Thema dann vielleicht anschließend auch noch einmal kurz befassen können.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, mit der Teildokumentation „Gesundheit im Alter“ habe ich mich deshalb ausführlich beschäftigt, weil sie erstmals neue Ziele formuliert. Es sei vorweggenommen: Der gute und umfangreiche Altenplan für Bremen steht nicht, Frau Senatorin, im Widerspruch zu den Berichten der Bertelsmann Stiftung, sondern er ist eine Ist-Dokumentation: Was haben wir in Bremen, was liegt vor, was sind die Fakten? Er listet Daten auf, gibt Orientierungen, die zu Zielsetzungen führen können und sollten. Allen Beteiligten, die diesen sehr umfangreichen Plan erarbeitet haben – und er ist ja auf breiter Ebene erarbeitet worden und nicht in einem stillen Kämmerlein eines Büros, sondern mit den Seniorenverbänden beraten worden –, herzlichen Dank für diese Arbeit! Die Kollegen, die in der 17. Legislaturperiode hier tätig werden, werden genügend Material haben, aufgrund dieses Altenplans arbeiten zu können.

(Beifall bei der CDU)

Das heute vorherrschende Altenbild will uns glauben machen, das Alter würde von gesundheitlichen Einschränkungen und Hilfsbedürftigkeit dominiert. Das ist falsch, stellte die Expertenkommission fest. Sie beschreibt das Alter als eine Lebensphase, die den Menschen ganz besondere Entwicklungsmöglichkeiten für ein kreatives und selbstverantwortliches Leben bietet, und wenn es auch einmal ein Besuch im Parlament ist. Diese Möglichkeit bietet sich jedem Menschen, er muss sie aber nutzen und die Möglichkeiten nicht an sich vorbeiziehen lassen.

Durch die gestiegene Lebenserwartung bietet sich für uns eine höhere Zahl an Jahren, die wir dieses Leben genießen können, ganz anders als in den Generationen zuvor. Viele, damit meine ich die Jahrgänge 1944 und davor, sind durch Kriegs- und Nachkriegsjahre geschädigt. Diese Schädigungen wirken sich bis ins Alter aus. Hätten wir Menschen so etwas wie Baumringe, könnten wir dort nachsehen – bei Bäumen kann man das, wenn man sie gefällt hat, sehen –, wo die Mangeljahre waren. Bei mir wären es mehrere Unfälle, ein paar Bypässe, Jahrgang 1944, an die Nachkriegszeit, kann ich mich zwar nicht erinnern, aber immer satt geworden bin ich da sicherlich auch nicht, meine Damen und Herren.

Allerdings ist jeder Mensch seines Glückes Schmied, um es mit einfachen Worten auszudrücken. Mit Glück ist in diesem Falle die Gesundheit und geistige Frische bis ins hohe Alter gemeint. Wer seinen Körper während des Alterns zu viel mit den wunderbaren Verführungen, die diese Welt in Form von Alkohol,

Nikotin und gutem Essen überstrapaziert, wird diese Konsequenzen auch im Alter ausbaden müssen.

(Zurufe)

Man soll, nein, ich will euch doch die Mittagspause nicht vermiesen, aber nur einmal darauf achten! Liebe Kolleginnen und Kollegen, treiben Sie Prävention auch mit Ihrem eigenen Körper!

(Beifall bei der CDU)

Die Fachleute nennen das – das ist ein ganz neues Wort für mich gewesen – Salutogenese und meinen damit, eigene Kräfte für die Gesundheit zu mobilisieren. Dabei können Bildungsträger und Medien mithelfen. Die Bildungsträger machen das, Sie haben das alle nachgelesen. Wir haben ein vielfältiges Angebot in Bremen, wo man sich darüber informieren kann, wie man gesund altern kann, und die Medien haben es doch schon längst erkannt, dass die ältere Generation eine enorme Marktnachfrage hat.

Was fragt sie nach? Ganz oben bei der Nachfrage stehen Gesundheitsprodukte, Reisen, um die körperliche und geistige Fitness zu erhalten, und auch Produkte, um die körperliche Fitness so lange wie möglich zu erhalten, damit man von seiner Rente, die man sich schwer verdient hat, auch etwas hat. Ich mag mir gar nicht ausmalen – und das ist jetzt an die Jüngeren gerichtet –, was passieren würde, wenn die Erkenntnisse der Bertelsmann-Kommission und die Erkenntnisse, die Herr Schirrmacher in seinem Buch „Das Methusalem-Komplott“ niedergeschrieben hat, Philosophie der älteren Generation werden.

Meine Damen und Herren, über die Wichtigkeit der Wohnberatung und altengerechter, sprich barrierefreier Wohnungen haben wir hier schon des Öfteren diskutiert, und alles, was wir hier gemeinsam gesagt haben, bleibt nach wie vor gültig. Das gilt auch für das Wohnen mit altersbedingten Einschränkungen und Behinderten.

Ein Problem scheint mir aber noch nicht so sehr im Blickpunkt der Kommission gestanden zu haben, das ist die zunehmende Zahl von Personen, die in Singlehaushalten lebt. Diese Singlehaushalte werden zunehmen.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident! Ich habe mehrere Altersringe, ich kann nicht mehr so schnell!

(Heiterkeit)

Diese Singlehaushalte werden zunehmen, und deswegen erfinden die Menschen alternative Wohnformen neu oder lassen sie wieder aufleben. Bürgermeister Scherf ist ein populärer Zeuge dafür. Mög

licherweise hat er den Bericht der Bertelsmann-Kommission sorgfältig gelesen, denn in seinem Buch „Grau ist bunt, Was im Alter möglich ist“ setzt er sich mit alternativen Lebensformen und neuen Chancen, die das Alter bietet, auseinander.

Wer das Alter nicht ehrt, ist des Alters nicht wert. Dieser alte deutsche Spruch hat auch nichts von seiner Gültigkeit verloren. Wir haben in den letzten Jahren hier im Haus viel dafür getan, dass auch in dem Bereich, wenn es den älteren Menschen nicht mehr so gut geht, sich Dinge verbessert haben. Die nächste Bürgerschaft kann an diesen Punkten deutlich weiterarbeiten, die Aufgaben hören nicht auf.

Achten Sie auf Ihre persönliche Salutogenese, auch beim Mittagessen anschließend! Dies wird voraussichtlich meine letzte Debatte in diesem Hause sein. Ich bedanke mich beim Präsidium, und ich bedanke mich auch beim Protokoll, dass es Ihnen gelungen ist, in den letzten 12 Jahren aus meinen Debatten immer nachlesbare Protokolle zu verfassen. – Herzlichen Dank!

(Anhaltender Beifall)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Brumma.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Oppermann, schade, dass wir nicht weiterhin debattieren können. Es war immer sehr schön, mit Ihnen

(Heiterkeit)

zu debattieren. Es war immer fair, und von daher wird es schon ein gewisser Verlust für uns sein.

(Beifall)

Wir reden heute über den demografischen Wandel in unserem Bundesland. Wie gesagt, demografischer Wandel ist inzwischen in unserer Sprache ein fester Bestandteil. Es trifft jeden Einzelnen von uns, es gibt aber alle Möglichkeiten, dem zu begegnen und damit auch die Zukunft in unserer Stadt zu beeinflussen. Wenn wir das Thema heute sehen, ist es sinnvoll, einmal über die Perspektiven der gesundheitlichen Versorgung von älteren Menschen in unserem Bundesland zu sprechen. Wir müssen noch viel weiter von der Reaktion auf Prävention umstellen, denn sie ist ein Leitbild für eine moderne Gesellschaft.

Wir als SPD-Fraktion unterstützen deshalb wie der Bremer Senat die Ziele der Expertenkommission, die hier zur Altenpolitik dargelegt wurden. Für uns ist im hohen Alter Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation ein sinnvolles Instrument, wie es auch die Kommission formuliert. Hier gilt es, die eigenen Kräfte für die Gesundung zu mobilisieren, ich mei

ne, das wurde in der Vergangenheit viel zu sehr unterschätzt.

Wir als Fraktion hoffen, dass es bald zur Verabschiedung eines Präventionsgesetzes auf Bundesebene kommt, denn dieses Gesetz verfolgt das Ziel des sogenannten Setting-Ansatzes, das heißt, insbesondere sozial benachteiligte Menschen sollen präventiv erreicht werden.

Doch wie können wir diese Menschen erreichen? Das ist die größte Herausforderung, denn deren Mediennutzung und Freizeitverhalten unterschiedet sich doch deutlich von anderen Zielgruppen. Hier ist also die richtige und motivierende zielgenaue Ansprache der entscheidende Faktor. Wir haben Beispiele in Bremen, den Gesundheitstreffpunkt West oder den Frauengesundheitstreffpunkt Tenever. Hier gibt es Ansätze in vorbildlicher Art und Weise, was wir unterstützen. Hier gilt es, über die ganze Stadt weiter vernetzte Angebote zu schaffen, Herr Oppermann hat es schon gesagt, über Bildungseinrichtungen und Träger. Das ist ein wichtiges Moment.

Ein weiteres großes Problem ist die Wohnberatung. Viele Ältere wollen in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben und wollen neue Wohnformen annehmen. Hier, glaube ich, müssen wir noch mehr Fahrt aufnehmen, denn hier besteht ein großer Bedarf, wenn man die Umfragen sieht.

Bei unseren Zielgruppengesprächen werden wir häufig angesprochen, wie die Nachsorge nach Krankenhausaufenthalten ist. Vor allen Dingen unter den Bedingungen der jetzigen Fallpauschalen und der immer größer werdenden Zahl an Singlehaushalten ist das ein gravierendes Problem. Hier müssen die finanziellen Fragen geklärt sein. Aus unserer Sicht hätte deshalb die Kommission auch zur Finanzierung bei Krankheiten im Alter und bei der Pflege einige Worte sagen sollen. Dann wäre es nicht passiert wie bei der Gesundheitsreformdebatte, dass vonseiten der CDU eine private Unfallversicherung für Unfälle gefordert wurde. Bekannt ist doch, dass die meisten Unfälle im Alter geschehen, ich spreche hier nur den Oberschenkelhalsbruch an. Das Unfallrisiko sollte privatisiert werden. Ich meine, hier hätte die Kommission nützlich sein können, wenn sie hierzu auch etwas gesagt hätte.

Weiterhin werden wir auch bei der Finanzierung der Pflegeversicherung bald eine Debatte bekommen, wie Ungereimtheiten und Lücken in der Pflegeversorgung geschlossen werden. Wir wollen weiterhin als SPD-Fraktion eine einkommensabhängige Versicherung, wir wollen keine zusätzliche Kopfpauschale von 6 Euro im Monat. Für uns muss eine Pflegereform zwei Ansätze beinhalten: die Menschen fit machen für ein höheres Alter und dabei die Belastungen gerecht verteilen.

Für uns in Bremen sind die Thesen der BertelsmannKommission eine sinnvolle Ergänzung unserer gesundheitlichen Altenpolitik. Wie es im Bericht formu

liert wurde, hat der Altenplan aber eine andere Funktion. Er soll Praktikern, Planern und Bürgern in Bremen eine Orientierung geben. Also, wir begrüßen ausdrücklich die Expertise der Bertelsmann-Kommission und werden diese Anregungen weiterhin in die Altenpolitik mit einbeziehen, und ich meine, dann sind wir für die Zukunft in Bremen auch gerüstet.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

(Zuruf des Abg. P f l u g r a d t [CDU])

Aber man wird mich hören, Herr Pflugradt!

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Das be- fürchte ich allerdings auch!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Oppermann, ich möchte Ihnen sagen, was mir besonders fehlen wird. Mir wird besonders fehlen, wenn Sie sagen, ich mache hier gleich Schluss, ich komme gleich wieder, und Sie kommen nicht wieder.

(Beifall bei der SPD)