Protocol of the Session on March 20, 2007

beitsplätzen unterstützt. Die derzeitige Spreizung, und das ist ein wichtiger Punkt, von nominalen und damit theoretisch gerechneten Steuersätzen und den realen und somit wirklich gezahlten Steuern fällt für Unternehmen in Deutschland extrem auseinander.

Um Jahr für Jahr zu erreichen, dass die reale Steuer, die gezahlt wird, niedriger liegt als das, was der immer zitierte Steuersatz ist, beschäftigen die großen Firmen mittlerweile ganze Finanzabteilungen, nur um Vermeidungsstrategien herauszufinden, statt sich mit Investitionsentscheidungen zu befassen. Sie beschäftigen Heerscharen an Steuerberatern und nicht zuletzt auch unsere Finanzämter. Dieser Unsinn, darum geht es bei der Steuerreform, muss beseitigt und beendet werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

In der politischen Debatte darum, wie sie aufzubauen ist, gehen allerdings die Fakten munter durcheinander, beziehungsweise es werden auch wichtige Tatsachen unterschlagen. Ich will das an zwei Punkten festmachen: Die Unternehmenseinkünfte in Deutschland sind seit dem Jahr 2000 steuerlich erheblich entlastet worden. Das sind jetzt die Früchte, die die neue Koalition auf Bundesebene ernten kann. Das ist das Ergebnis der Politik der rot-grünen Bundesregierung,

(Beifall bei der SPD)

die die mit der Steuerreform im Jahre 2000 verschiedene Maßnahmen ergriffen hat, unter anderem die Senkung des Spitzensteuersatzes. Das allerdings ist durchaus schon kritisch diskutiert worden!

Ich will auf einen wichtigen Fakt hinweisen, den wir bei dieser Debatte brauchen. Diese Steuerreform hatte nämlich ein Ergebnis: In dem Zeitraum von 2001 bis 2005 sind die Unternehmens- und Vermögenseinkommen insgesamt um 106 Milliarden Euro gestiegen, das ist ein Plus von 25 Prozent. Die darauf gezahlten Steuern sanken allerdings um 16 Milliarden Euro, das sind 13 Prozent weniger. Fazit: Es hat also in den letzten Jahren schon eine kräftige Nettoentlastung des Unternehmenssektors stattgefunden, das muss man bitte würdigen.

Darauf baut auch der zweite Fakt auf, meine Damen und Herren. Im europäischen Vergleich stehen wir nicht so schlecht dar wie behauptet und wie auch gerade Kollege Pflugradt wieder dargelegt hat. Man darf nämlich nicht auf die nominalen Steuersätze schauen und von den 38,65 Prozent reden, sondern man muss die effektive Gesamtsteuerbelastung betrachten. Hier hat Deutschland eine eher mittlere Position. Dafür gibt es auch gute Belege: Wir sind seit Jahrzehnten Exportweltmeister. Ich frage: Wie will man das schaffen, wenn man ein wirtschaftlich geknebelter Standort wäre?

Der weitere Beleg ist die aktuelle wirtschaftliche Lage. Wir haben natürlich eine gute Konjunktur und

erstmalig seit langem wieder eine Schaffung echter Arbeitsplätze in Deutschland. Wenn die Steuerlast für die Unternehmen so wäre, dass sie alle zusammenbrechen würden, wäre das nicht passiert. Von daher ist diese Überlastung der Unternehmen ein Ammenmärchen. Das alles, Herr Pflugradt, passiert vor dieser Unternehmenssteuerreform, das heißt, der Standort Deutschland sollte auch steuerpolitisch bitte nicht schlechtgeredet werden, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Vor dem Hintergrund der vorgelegten Pläne zur Steuerreform ist es umso wichtiger, und ich warne angesichts dessen davor, dass jetzt mit Forderungen einzelner Teilgruppen versucht wird zu überziehen. Ich finde, über kluge Änderungen können wir immer reden. Aber ich verweise darauf, und, Herr Pflugradt, Sie wiesen darauf hin, dass diese Steuerreform vor allem den Mittelstand entlasten soll. Das höre ich hier gern! Im Bundeskabinett allerdings hat der CSUBundeswirtschaftsminister Glos gesagt, er sehe eine Mittelstandslücke, und auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion redet so daher und will noch etwas darauf legen und will weitere Entlastungen für den schon entlasteten Unternehmenssektor haben. Das geht nicht, meine Damen und Herren. Das wäre eine falsche Politik und eine Gefährdung dieser Reform und dieser Reformvorschläge.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin der Auffassung, wir sollten weiter über die Ziele der Schaffung von Wachstum und Arbeit sprechen. Wir sollten aufpassen, dass wir kluge Vorschläge machen und nicht nur Vorschläge, die am Ende, auch in dem vorgelegten Entwurf, nur dazu führen, dass Leute wie der Automobilrennfahrer Schumacher, aber auch der Tennisspieler Becker, aber auch Firmen wie Müller-Milch ins Ausland gehen. Um dies bei den Firmen zu begrenzen, hat Bundesfinanzminister Steinbrück den Vorschlag unterbreitet, gerade mit einer Besteuerung der Schuldzinsen und damit bei den Gegenfinanzierungsmaßnahmen einen wichtigen Punkt anzugehen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Pflugradt, ich möchte einmal ein klares Wort von Ihnen hören. Das ist ein richtiger Vorschlag, der wird von CDU/CSU auf Bundesebene bekämpft, und das, sage ich noch einmal, gefährdet die Reform im Kern, wenn eine solche Diskussion geführt wird, meine Damen und Herren.

Das waren jetzt die wirtschafts-, arbeitsmarkt- und steuerpolitischen Seiten des ganzen Themas. Wir haben aber auch, und ich finde, das muss gleichgerichtet betrachtet werden, neben diesen Anforderungen an eine politisch tragfähige Unternehmenssteuerreform zu klären, wie die Wirkungen auf die öffentlichen Fi

nanzen und insbesondere die Staatseinnahmen sind. Ich verweise darauf, dass hier noch ein riesiges Problem besteht, weil die bisher vorgelegten Vorstellungen eine Einnahmelücke auf Bundesebene für den gesamten Staatsapparat von wahrscheinlich 8 Milliarden Euro, einige reden neuerdings von 6,5 Milliarden Euro pro Jahr, bedeuten. Es gibt auch andere Untersuchungen und Gutachten, die von 10 bis 14 Milliarden Euro ausgehen. Also, hier stehen wir vor einem Problem, welches so nicht gehen kann. Ich sage hier und habe das gemeinsam mit Bürgermeister Böhrnsen verschiedentlich und von Beginn an gesagt: Bremen, meine Damen und Herren, kann sich solche Steuerausfälle nicht leisten.

(Beifall bei der SPD)

Wir können einem solchen Gesetz als Bundesland nur zustimmen, wenn es keine Einkommensrückgänge erzeugt, das heißt also, wenn es, wie die Fachleute es nennen, aufkommensneutral ist. Der jährliche, und ich betone es noch einmal, jährliche Einnahmeausfall würde, wenn man auf Bundesebene nur von 6,5 Milliarden Euro ausgeht, das ist die niedrigste Zahl, die da genannt wird, man kann auch die 5 Milliarden Euro nehmen, die ursprünglich einmal vorgesehen waren, dann würde dies Bremen wahrscheinlich mit 30 bis 60 Millionen Euro pro Jahr negativ betreffen. Dazu sage ich: Einen solchen Verlust kann sich Bremen nicht leisten!

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Bei den 5 bis 6 Milliarden Euro, die Sie nennen, ist die Hälfte Bundessteuer! Seit wann übernehmen wir den Anteil des Bundes?)

Nein, nein!

(Zuruf des Abg. P f l u g r a d t [CDU])

Nein, nein! Diese Punkte können ja noch genauer betrachtet werden. Aber ich sage hier, Herr Pflugradt,

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Dann müssen Sie einmal die Papiere richtig lesen, Herr Kol- lege!)

auch wenn Sie mir erzählen wollen, es seien nicht 30 bis 60 Millionen Euro pro Jahr,

(Abg. F o c k e [CDU]: Was falsch ist, ist falsch!)

sondern nur die Hälfte, 15 bis 30 Millionen Euro, Jahr für Jahr können wir uns das als Sanierungsland auch nicht erlauben.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, das müssen wir endlich einmal lernen! Ich lerne dies auch aus der Steuerreform des Jahres 2000, der wir als Bundesland zugestimmt haben, und hinterher hatten wir mit den Einnahmeausfällen zu tun. Ich appelliere nur an Sie: Wenn Sie für die Selbstständigkeit Bremens stehen, stehen Sie auch an der Stelle deutlich und aufrecht und sagen, dass wir hier nachbessern müssen, dass es eine stabile Einnahmelage geben muss! Dies sind wir unserem Land und den Menschen hier schuldig.

(Beifall bei der SPD)

Unter Aufkommensneutralität darf ich auch auf einen zweiten Aspekt verweisen: Es ist Tatsache, dass wir die Lasten in unserem Lande gerecht verteilen müssen. Sie sprachen an, und das ist richtig, dass sich die Steuereinnahmen ausgesprochen positiv entwickeln. Das hat mit den steigenden Einnahmen aus der Mehrwertsteuer und aus der Lohnsteuer zu tun, das sind Arbeitnehmereinkommen. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass es diesem Land guttäte, weder uns in Bremen noch Deutschland insgesamt, wenn wir eine Politik betrieben, in der Maßnahmen beschlossen werden müssten, die die Arbeitnehmer, die Rentner, die Familien und Studenten belasten, um eine Unternehmenssteuerreform zu finanzieren,

(Beifall bei der SPD)

durch die die Unternehmen schon in den letzten Jahren entlastet worden sind. Das wäre eine unsoziale Politik. Ich hoffe, wir haben hier in Bremen eine gemeinsame Haltung, dass wir dies ablehnen.

Drittens darf ich sagen: Wir haben die große Aufgabe, die Staatshaushalte wieder ins Lot zu bringen, und auch deshalb müssen wir auf die Aufkommensneutralität schauen.

Wir haben die Maastricht-Kriterien in Deutschland insgesamt zu beachten und hier in Bremen die Aufgabe, uns und den Haushalt zu sanieren. Dazu reicht es nicht immer, nur „Sparen, Sparen“ zu rufen. Wir müssen uns um die Einnahmensituation kümmern und die Einnahmen stärken. Wir wollen in unserem Bundesland auch etwas für Kinder und für mehr Bildung tun, auch hierfür benötigen wir entsprechende Finanzen. Deshalb bin ich strikt dafür, dass wir uns für Aufkommensneutralität einsetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss einen Bezug herstellen. Ich war sehr verwundert, als der Antrag der CDU kam, hier die Unternehmenssteuer zu diskutieren gerade vor dem Hintergrund der Debatte, die wir in diesem Haus vor einem Monat in der Aktuellen Stunde über den UNICEF-Bericht hatten, meine Damen und Herren. Wir haben damals diesen Bericht und die Vorschläge von

Frau von der Leyen diskutiert. Ich hatte Befürchtungen, dass das alles am Ende nicht ordentlich finanziert wird. Die Entwicklung allein der letzten vier Wochen, meine Damen und Herren, gibt mir recht. Die Glaubwürdigkeit ist da doch verloren gegangen, nicht für uns, wir als Sozialdemokraten haben Finanzierungsvorschläge vorgelegt,

(Abg. B a r t e l s [CDU]: Das ist doch Unsinn!)

aber man muss das auch im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform so diskutieren. Wer die Versorgung für Kinder besser darstellen will, muss dafür auch das Geld besorgen. Ansonsten formuliert er Wunschträume oder, wenn ich mir das erlauben darf zu sagen, das Wahlprogramm der CDU hier im Land Bremen ist ja so etwas wie eine moderne CDUWundertüte in der vorösterlichen Zeit. Wenn ich mir das anschaue, dann wird ein Eindruck erweckt, man könne Wohltaten ausschütten, ohne sich um die Finanzierung zu kümmern, meine Damen und Herren. Das kann nicht die richtige Politik sein. Uns geht es um die Unternehmenssteuerreform für Wachstum und Arbeitsplätze,

(Glocke)

aber auch für stabile Staatseinnahmen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist einmal ein interessanter Vorstoß der Großen Koalition. Ich habe mich gefreut, als ich das Thema für die Aktuelle Stunde gesehen habe, und dachte, Sie sind aus Schaden klug geworden und wollen nicht denselben Fehler begehen wie bei der Zustimmung zur Steuerreform 2000, als Sie sich mit einem Kanzlerbrief zufrieden gaben, über dessen Werthaltigkeit Sie dann jahrelang die Öffentlichkeit getäuscht haben!

Nach dem Debattenverlauf habe ich gelernt, damals gab es eine Zustimmung für einen nichtwerthaltigen Brief, und heute gibt es wahrscheinlich eine Enthaltung im Bundesrat, aber dafür keinen Brief. Der Fortschritt ist eine Schnecke!

Bremen wird bis zu 60 Millionen Euro Einnahmen verlieren, das ist auch die grüne Auffassung, zumal, darauf werde ich gleich noch einmal eingehen, die Kalkulation aus dem Hause Steinbrück eher risikobehaftet ist. Sie haben aber die Zahlen nach Karlsruhe gemeldet, und ich bin der Auffassung, dass solche Einnahmeverluste existenzgefährdend sind für Bremen, weil die Frage, ob es uns in absehbarer Zeit gelingen wird, einen ausgeglichenen Primärsaldo vor

zulegen, also einen Haushalt, aus dem die Zinsen herausgerechnet und die Einnahmen und Ausgaben in Deckung gebracht werden, das entscheidende Argument für die Existenzfähigkeit Bremens ist.

Alle weiteren Einbrüche bei den Einnahmen gefährden das massiv. Ich glaube, auch noch einmal in die Richtung der CDU, Sie sollten sich das noch einmal genau überlegen, ob nicht wenigstens jetzt endlich der Zeitpunkt wäre, an dem Sie sich einmal anschauen, welches die Interessen dieses Bundeslandes sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)