Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr für die insgesamt freundliche Aufnahme dieses Gesetzentwurfs. Ich darf noch einmal erwähnen, das ist ein Gesetzentwurf, der nicht hinter den verschlossenen Türen des Justizressorts entstanden ist, sondern in ganz breiter Beteiligung aller Akteure entwickelt worden ist, nämlich der Akteure aus Wissenschaft, Politik und Praxis. Es ist schon erwähnt worden, wir haben in zwei Anhörungen am 31. Oktober 2006 und am 4. Dezember 2006 darüber diskutiert. Eingeladen waren die Mitglieder des Rechtsausschusses, Vertreter aller Fraktionen, die Fachressorts, Polizei, Amt für Soziale Dienste, Fachverbände, die Interessenvertretung der Beamten und Angestellten, die Staatsanwaltschaft, Anstaltsbeirat, Jugendgerichtshilfe, Universität Bremen und so weiter.
Ich möchte mich bei allen ganz herzlich bedanken, die sich an diesem Verfahren beteiligt haben, insbesondere auch bedanken für die Motivation, die ich dort erlebt habe, an diesem wichtigen Gesetzeswerk mitzuarbeiten. Ich denke, das ist ein Beispiel, wie man Gesetze erarbeiten kann, und ich möchte das gern fortsetzen und möchte das auch als Vorbild für weitere Gesetzesvorhaben sehen.
Warum legen wir ein solches Gesetz vor? Ich darf es noch einmal in Erinnerung rufen, das Bundesverfassungsgericht hat den derzeitigen Zustand für verfassungswidrig erklärt. Für die mit dem Vollzug verbundenen Grundrechtseingriffe bedarf es einer gesetzlichen Grundlage, und deswegen ist der Gesetzgeber aufgefordert worden, ein solches Gesetz zu schaffen. Aber nicht nur das! Das Bundesverfassungsgericht hat auch in seiner Entscheidung die Mindeststandards definiert, die ein solches Gesetz enthalten muss.
Diese Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts war im Mai 2006 noch an den Bundesgesetzgeber gerichtet, hier ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass durch die am 1. September 2006 in Kraft getretene Föderalismusreform der Adressat dieser Aufforderung nun der Landesgesetzgeber ist und damit die Bremische Bürgerschaft darüber zu entscheiden hat. Wir sind, auch das darf man einmal erwähnen, dieser Aufforderung richtig zeitnah, zeitgerecht gerecht geworden, denn wir werden es natürlich, davon gehen wir alle aus, ohne Probleme erreichen, noch in dieser Legislaturperiode und damit weit vor Ablauf des Jahres 2007 diese gesetzliche Grundlage zu schaffen.
Grundlage für den vorliegenden Entwurf ist das Ergebnis einer Arbeitsgruppe von 9 Bundesländern: Bremen, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, SachsenAnhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Unser Ziel war, mein konkretes und persönliches Ziel auch immer, wir wollen nach Möglichkeit keinen Flickenteppich in Deutschland schaffen, sondern ausgehend von den Mindeststandards, die das Bundesverfassungsgericht genannt hat, versuchen, die Einheitlichkeit des Vollzugs in Deutschland zu wahren, was auch einer der Gründe war, die uns bewogen hatten, seinerzeit bei der Föderalismusreform nicht begeistert dabei gewesen zu sein, bei der die Übertragung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder.
Wir haben gesagt, so viel Einheitlichkeit wie möglich, aber wir wollen natürlich als bremischer Gesetzgeber das, was wir hier für richtig halten, auch verantworten, und deswegen gibt es Abweichungen, bremische Abweichungen. Frau Winther hat erwähnt, Niedersachsen, Bayern, Hamburg haben sich auf einen anderen Weg gemacht, sie wollen insgesamt die Fragen des Untersuchungshaftvollzugs, des Erwachsenenstrafvollzugs und des Jugendstrafvollzugs in einem Gesetz regeln. Ich möchte jetzt im Einzelnen nicht darauf eingehen, ich halte diesen Weg nicht für so überzeugend, deswegen machen wir ihn auch nicht mit.
Wichtig ist mir zu sagen, dass dieser unterschiedliche Weg, den Niedersachsen geht, nicht dazu führen wird, dass es irgendwelche Probleme in der Zusammenarbeit zwischen Bremen und Niedersachsen gibt. Diese gibt es nicht, weil wir an den maßgeblichen Regelungen und an den Vereinbarungen nichts ändern. Die Zusammenarbeit, um das noch einmal deutlich zu sagen, zwischen Bremen und Niedersachsen im Bereich des Vollzugs wird unverändert und unbeeinträchtigt fortgeführt werden können. Das ist richtig so!
Meine Damen und Herren, ich würde Ihnen gern noch einmal ein paar Zahlen liefern, worüber wir eigentlich reden. Was ist der Jugendstrafvollzug in
Bremen? Die Durchschnittsbelegung im bremischen Jugendvollzug sah 2006 folgendermaßen aus: 48 Strafgefangene, davon 8 aus Niedersachsen, und 27 Untersuchungsgefangene. Der der Bürgerschaft jetzt vorgelegte Gesetzentwurf bezieht sich ausschließlich auf die Gruppe der Strafgefangenen, nicht auf die der Untersuchungsgefangenen.
Ich möchte Ihnen etwas zu der Altersgruppe bei den jugendlichen Strafgefangenen sagen. 48 Strafgefangene, sagte ich, davon in der Altersgruppe 16 bis 18 Jahre 8, 18 bis 21 Jahre 23 und 21 bis 24 Jahre 17. Wenn wir uns die Straf- und die Untersuchungshäftlinge in diesem Bereich ansehen, dann beträgt das Durchschnittsalter der Gefangenen hier 20 Jahre. Das Durchschnittsalter der ersten Verurteilung liegt bei 17 Jahren. Über 40 Prozent sind bereits mehr als einmal inhaftiert. Die gleiche Anzahl der Insassen gilt als Intensivtäter. 50 Prozent der Insassen wurden wegen Eigentumsdelikten verurteilt, mehr als 40 Prozent wegen Gewaltdelikten, und jetzt kommt eine Zahl, die uns die Aufgabe des Jugendstrafvollzugs klarmacht, knapp 80 Prozent haben keinen Schulabschluss.
Wenn man das sieht, deswegen trage ich Ihnen das vor, dann wissen wir, was das Kernelement unserer Aufgabe ist. Da bitte ich sehr, dass wir nicht in eine scheinideologische Debatte verfallen, was ist eigentlich wichtiger, der Schutz der Allgemeinheit, die Sicherheit der Allgemeinheit oder die Resozialisierung? Nein! Beides gehört zusammen!
Der Schwerpunkt ist die Resozialisierung, und natürlich in erster Linie mit Blick auf das, was für die Wiedereingliederung in die Gesellschaft am wichtigsten und am erfolgreichsten ist, das ist die Aus- und Weiterbildung! Deswegen normiert der Gesetzentwurf die Ausbildung mit absolutem Vorrang. Diese Schwerpunktsetzung, Ausbildung im Jugendvollzug, durchzieht wie ein roter Faden das ganze Gesetz. Die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen ist, natürlich bei entsprechender Eignung der Gefangenen, obligatorisch, darauf ist schon einmal hingewiesen worden, obligatorisch!
Damit die Gefangenen ihrer Teilnahmepflicht nachkommen können, muss die Jugendstrafvollzugsanstalt die erforderlichen Einrichtungen zur schulischen und beruflichen Bildung oder der anderweitigen Beschäftigung vorhalten. Auch dies berücksichtigt der Gesetzentwurf. Zurzeit, meine Damen und Herren, werden im Jugendvollzug 4 Schulklassen angeboten. Wenn 80 Prozent der Insassen bei Haftantritt nicht über einen Schulabschluss verfügen, dann, noch einmal gesagt, ist das die Kernaufgabe, die wir angehen müssen.
Ich möchte hier noch auf ein paar andere angesprochene Dinge kurz eingehen. Strukturierte Tages- und Freizeitgestaltung, ein ganz wichtiger Punkt! Die jungen Gefangenen müssen lernen, sich in eine Gemeinschaft straffrei einzugliedern und sich an feste Regeln zu halten. Besuchszeiten sind auch ein wichtiger Punkt. Die Bedeutung der Familienbeziehung und die Möglichkeit, sie aus der Haft zu pflegen, ist für Gefangene im Jugendstrafvollzug altersbedingt besonders groß, und deswegen wird sie auch konkret geregelt.
Die Einbeziehung von Eltern und Personensorgeberechtigten während des Vollzugs, während der gesamten Dauer des Vollzugs wird vorgeschrieben. Die Entlassungsvorbereitung und die Nachsorge, die rechtzeitige Organisation von angemessenen Hilfen für die Phase nach der Entlassung, auch das ist ein ganz wichtiger Punkt!
Bei der Frage Wohngruppe, Frau Wargalla, ich glaube, da sollten Sie das, was Frau Winther Ihnen vorgetragen hat, noch einmal bedenken. Wir reden nicht mehr, eigentlich schon seit Jahrzehnten nicht mehr über die Frage Regel/Ausnahme, sondern, das ist hier im Gesetz auch eindeutig zum Ausdruck gebracht worden, wir reden über zwei gleichberechtigte Formen und fragen: Was ist das Angemessene für den jeweiligen Gefangenen? Das ist die Frage, die sich stellt! Bitte keine ideologischen Debatten darüber, sondern was ist das Angemessene, was ist das Richtige in der Situation, und danach haben wir unsere Entscheidungen zu treffen!
Wir werden vonseiten des Justizressorts prüfen, ob wir im Jugendvollzug, das muss in Bremen immer mit hinzugefügt werden, eine kostengünstige Abtrennung von Bereichen vornehmen können, die eine flexible Einrichtung kleinerer Einheiten je nach Bedarf ermöglichen.
Bei der Kleidung haben wir eine bremische Abweichung. Ich weiß nicht, ob hier darüber gesprochen worden ist, wir sagen nämlich, die Regel soll nicht die Anstaltskleidung sein, aber in Ausnahmefällen kann sie auch angeordnet werden. Das Bonussystem ist angesprochen worden, ich finde, es ist eine Bereicherung und auch eine gute Möglichkeit, um auf die Gefangenen einzuwirken.
Meine Damen und Herren, mein Fazit lautet aber – ich habe den Eindruck, es ist unser gemeinsames Fazit –, wir haben hier nicht nur den Maßstäben des Bundesverfassungsgericht Rechnung getragen, sondern wir haben hier mit diesem Gesetz auch die Grundlage für einen modernen Jugendstrafvollzug im Lande Bremen geschaffen. Noch einmal, ich danke allen, die sich daran beteiligt haben!
Wer das Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe im Lande Bremen mit der Drucksachen-Nummer 16/1283 in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Es ist ferner Einigung darüber erzielt worden, nach der ersten Lesung das Gesetz zur Beratung und Berichterstattung an den Rechtsausschuss zu überweisen.
Wer mit der Überweisung des Gesetzes über den Vollzug der Jugendstrafe im Lande Bremen an den Rechtsausschuss seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Wer dieser Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an den Rechtsausschuss seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Neunter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Neunter Rundfunkänderungsstaatsvertrag)