Protocol of the Session on February 21, 2007

Bitte, Herr Senator!

Wir sind immer recht aufgeschlossen,

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Das ist aber neu!)

wenn der Rechnungshof uns Vorschläge macht, und wir haben auch schon gegenüber dem Rechnungshof dokumentiert, dass der Senat und der Senator für Finanzen die Anmerkungen, die der Rechnungshof getan hat, im Wesentlichen oder grundsatznah akzeptieren. Die Frage, wie weit man jetzt geht, ob man gleich beim ersten Schritt auch Hochschulen und andere Betriebe mit einbezieht, lasse ich erst einmal dahingestellt sein, aber für uns ist ganz klar, dass wir hier zentralisieren müssen. Dass man in der Dezentralität hier keine Vorteile hat, das gilt im Übrigen auch für das gesamte Beschaffungswesen, wo wir auch zentraler werden müssen, denn die Softwarelizenzen sind nur ein Teil der Beschaffung. Auch hier müssen wir weiterkommen.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die dritte Anfrage trägt den Titel „Kein Baumaterial aus menschenrechtswidriger Produktion“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Holthuis, Dr. Sieling und Fraktion der SPD.

Bitte, Herr Kollege Holthuis!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Ist es dem Senat bekannt, dass in Indien, China und anderen Ländern Baustoffe, insbesondere

Natursteine, häufig unter Nutzung von Kinderarbeit und unter menschenrechtswidrigen Arbeitsbedingungen zum Beispiel für Strafgefangene hergestellt werden?

Zweitens: In welchem Umfang sind im Land Bremen bei öffentlichen Bauvorhaben in den vergangenen zehn Jahren Natursteine eingesetzt worden, bei denen nicht auszuschließen ist, dass sie unter menschenrechtswidrigen Arbeitsbedingungen produziert wurden?

Drittens: Wie bewertet der Senat die Chance, beispielsweise über das Vergabegesetz oder eine Selbstverpflichtung sicherzustellen, dass bei öffentlich finanzierten oder geförderten Baumaßnahmen nur Material eingesetzt wird, das nachweislich ohne Verstöße gegen Menschenrechte hergestellt wurde?

Die Anfrage wird beantwortet von Frau Staatsrätin Kramer.

Herr Präsident, Herr Abgeordneter, meine Herren und Damen Abgeordneten! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Vorab stellt der Senat fest, dass er jedwede Form der Menschenrechtsverletzung scharf verurteilt. Dies gilt in besonderer Weise, wenn Kinder als Opfer betroffen sind.

Zu Frage 1: Dem Senat sind Berichte bekannt, wonach in vielen Ländern der Dritten Welt Produkte für den Welthandel auch unter inhumanen und menschenrechtswidrigen Bedingungen hergestellt werden. Hierzu zählt auch die Produktion von Baustoffen. Derartige Missstände werden in letzter Zeit besonders häufig aus Indien und China berichtet, die beide verstärkt als Anbieter von Natursteinmaterialien auf dem Weltmarkt auftreten.

Zu Frage 2: Eine quantitative Aussage über die bei öffentlichen Bauten in Bremen verwendeten Natursteinmaterialien ist nicht möglich, weil solche Daten nicht erhoben worden sind. Grundsätzlich kann bei keinem der hier verwendeten Natursteine eine gesicherte Aussage getroffen werden, weil die Vertriebswege für die genannten Baustoffe bis zum Verwender nicht lückenlos nachvollziehbar sind.

Zu Frage 3: Mit der Unterzeichnung der ILO-Konvention 182 hat sich die Bundesrepublik verpflichtet, gegen ausbeuterische Kinderarbeit einzutreten. Die Europäische Union hat mit der in 2004 erlassenen Vergabeverfahrenskoordinierungsrichtlinie nun erstmalig eingeräumt, dass zur Vergabe öffentlicher Aufträge grundsätzlich auch soziale Kriterien herangezogen werden dürfen. Die Bundesregierung bereitet zurzeit die Anpassung des deutschen Vergaberechts auf der Grundlage dieser EU-Richtlinie vor. Der Senat geht davon aus, dass dabei auch die Umsetzung des Beschlusses der Bundesregierung zur ILO-Konvention 182 entsprechenden Eingang in das

deutsche Vergaberecht finden wird. Hierfür wird sich der Senat aktiv einsetzen.

Das Einfordern einer Herkunftserklärung zu angebotenen Natursteinmaterialien von den Bietern in einem Vergabeverfahren wäre nach Auffassung des Senats derzeit keine ausreichende Maßnahme, um den Einbau von Materialien zweifelhafter Herkunft effektiv zu unterbinden. Eine Zertifizierung von Natursteinmaterialien aus indischer Produktion ist in einem sehr geringen Umfang gerade erst im Aufbau befindlich, für China und die übrigen Länder der Dritten Welt existieren solche Zertifikate nach Wissen des Senats noch nicht.

Herr Kollege, haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Frau Staatsrätin, stimmen Sie mir zu, dass aus der Feststellung, dass grundsätzlich bei keinem der auch in Bremen verwendeten Natursteine eine gesicherte Aussage getroffen werden kann, weil die Betriebswege und weiteres nicht lückenlos nachvollziehbar sind, im Umkehrschluss geschlossen werden kann, dass möglicherweise auch in Bremen Natursteinpflaster aus menschenverachtender Kinderarbeit verlegt worden sind?

Bitte, Frau Staatsrätin!

Ich kann dies nicht mit letzter Sicherheit ausschließen!

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Können und wollen Sie ausschließen, dass bei weiterem Ausbau der Schlachte zum Beispiel Steine aus eben solcher Herkunft in Zukunft verlegt werden könnten?

Bitte, Frau Staatsrätin!

Ich wäre froh, wenn ich diesem gemeinsamen Interesse in gesicherter Weise Rechnung tragen könnte. Aufgrund der in der Beantwortung des Senats dargestellten derzeitigen Sachlage sehe ich mich außerstande, dazu eine hundertprozentig sichere Erklärung abzugeben.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ist dem Senat bekannt, dass soziale Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Bauvorhaben schon jetzt ohne Bundesregelung unterhalb der Grenze von 5,278 Millionen Euro im Baubereich Anwendung finden können und dass in mindestens

60 Städten der Bundesrepublik dies inzwischen umgesetzt worden ist in Form einer Selbstverpflichtung?

Bitte, Frau Staatsrätin!

Dem Senat ist bekannt, dass unterhalb der bundesrechtlich geregelten Vergabegrenzen auch landesrechtliche Regelungen möglich sind, und davon hat der Senat Gebrauch gemacht, beziehungsweise dieses Haus hat solche Regelungen verabschiedet. Was die generelle Selbstverpflichtung in anderen Kommunen anbelangt, ist auch dies dem Senat bekannt. Der Senat steht dem allerdings aus folgendem Grund zurückhaltend gegenüber: Diese Selbstverpflichtung bedeutet letzten Endes, dass der öffentliche Auftraggeber von den Auftragnehmern verlangt, dass sie entweder, soweit überhaupt möglich – ich habe gerade dargestellt, dass dies erst in den Anfängen der Fall ist – eine entsprechende Zertifizierung beibringen oder sie sich selbst verpflichten.

Aufgrund der gerade dargestellten schwer überschaubaren Vertriebswege solcher Materialien würde damit den Auftragnehmern eine kaum zu erfüllende Verpflichtung auferlegt werden. Der öffentliche Auftraggeber macht sich damit, mit Verlaub gesagt, einen weißen Fuß, weil er die Verantwortung dann dem Auftragnehmer auferlegt. Sollte ein solcher mittelständischer Auftragnehmer durch einen leider immer noch nur Zufall dann eines Tages auffallen, dass er eben doch entgegen seiner Erklärung unwissentlich Materialien aus solch sehr fragwürdiger und zu verurteilender Herkunft verwendet hat, würden ihm im Rahmen weiterer Vergabeverfahren extrem nachteilige und für kleine und mittlere Unternehmen kaum tragbare Konsequenzen drohen. Dies alles gilt es, in diesem Zusammenhang angemessen zu berücksichtigen. Daher setzen wir darauf, dass dieses weltweite Problem auch in angemessenen größeren Zusammenhängen behandelt und bekämpft werden muss.

(Beifall bei der CDU)

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Wenn denn schon jetzt klar ist, dass in absehbarer Zeit für Natursteine aus chinesischer Herkunft keine Zertifizierung zu erwarten ist, wäre es dann nicht folgerichtig im Sinne dessen, was Sie als unsere gemeinsame Ansicht in der Frage der Kinderarbeit vorhin so eindrücklich klargemacht haben, dass in Bremen auf Steine aus chinesischer Herkunft schon jetzt verzichtet werden sollte?

Bitte, Frau Staatsrätin!

Dies würde dazu führen, dass wir auch Produkte der Volksrepublik China, deren Herstellung oder Gewinnung gerade nicht mit fragwürdigen Bedingungen verbunden ist, mit einem Ausschluss belegten. Ich bitte Sie zu überlegen, ob wir diese Konsequenz gemeinsam tragen wollen, wobei ich mir hinsichtlich der rechtlichen Durchsetzbarkeit im Moment auch nicht zu 100 Prozent im Klaren bin.

Herr Kollege, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Frau Staatsrätin, ist Ihnen bekannt, dass außer den von Ihnen zitierten ILO-Konventionsrichtlinien der Nummer 182 noch weitere ILOKriterien in diesem Zusammenhang Anwendung finden müssten, zum Beispiel die Konventionen 29 und 105 „Abschaffung der Zwangsarbeit und Arbeit aus Schuldknechtschaft“, und dass es notwendig wäre, in einem Bundesvergabegesetz ebenfalls diese Konventionen hineinzubringen und dann auch, wie Sie gesagt haben, dies aktiv von Bremen betrieben werden sollte?

Bitte, Frau Staatsrätin!

Ich hatte eingangs betont, dass der Senat jedwede Produktion inhumaner oder menschenrechtsverletzender Art ablehnt. Das bedeutet, dass in den weiteren Beratungen der Novellierung des Bundesrechts auf der Basis der EU-Richtlinie, an denen sich Bremen aktiv beteiligen wird, Bremen umfassend seinen Einfluss geltend machen wird, um dies durchzusetzen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ist der Senat bereit, diese Kriterien in das Bremer Vergabegesetz aufzunehmen?

Bitte, Frau Staatsrätin!

Der Senat wird sich infolge der Novellierung des Bundesrechts – und das heißt zum Teil auch schon parallel dazu – selbstverständlich mit einer angemessenen Novellierung befassen, um im Einklang mit dem Bundesrecht diesen Kriterien, soweit es nur irgend geht, aber auch vor dem Hintergrund der von mir geschilderten Probleme insbesondere für das mittelständische Gewerb, angemessen Rechnung zu tragen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Eine letzte Zusatzfrage! Wie soll denn die Anwendung solcher sozialer Kriterien

in Bremen in Zukunft kontrolliert werden? Gibt es da bereits Vorstellungen, soll da eine Stelle eingerichtet werden für die Kontrolle, oder welche Vorstellungen dazu gibt es im Senat?

Bitte, Frau Staatsrätin!