Protocol of the Session on January 24, 2007

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Und wer hat sich daran gehalten?)

dass man in der 13. Klasse im Leistungskurs Englisch American Dream, American Nightmare machen muss. Ob man das mit Madonna und „Bravo“ lesen oder mit „Guardian“ und „Independent“ lesen macht oder sich als Lehrer eine „New York Times“ kauft, das ist egal, aber die Inhalte sind festgelegt, und daran halten sich auch, denke ich, fast 99 Prozent aller Bremer Lehrerinnen und Lehrer. Solche Zustände, die Sie hier schildern, haben wir einfach nicht an den Schulen.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Das ha- ben die Schulen auch nicht verdient, so über sie zu reden!)

Über die Qualität von Unterricht muss man streiten. Bremen ist bei Pisa, das sind dann ja die Leistungen, die wir bei den 15-Jährigen vergleichen, nicht auf einem Spitzenplatz, sondern im Tabellenkeller. Darüber muss man natürlich reden, wie man diese Leistung verbessern kann. Bei dem, was Sie jetzt gesagt haben, Kollege Rohmeyer, die SPD hat es in die Grütze geritten, würden wir uns auch vielleicht noch irgendwo treffen, dass hier etwas in die Grütze geritten worden ist.

(Beifall der CDU)

Dass Sie jetzt sagen, seitdem die CDU dabei ist, ist hier alles super, das ist auch mitnichten so.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das hat keiner gesagt! Besser!)

Dann hätten wir auch nicht die 8,9 Prozent Jugendlichen, die Herr Lemke heute Morgen erwähnt hat, die ohne Schulabschluss abgehen. Sie regieren doch auch schon seit zehn Jahren. Man muss sich doch einmal an die eigene Nase fassen, was man hier im Bundesland macht. Ein bisschen Selbstreflexion, ein bis

schen Selbstkritik stünde auch der CDU an dieser Stelle gut zu Gesicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich finde, was wichtig ist an den Schulen: Sie machen ja jetzt Schulbesuche. Die Bremer Abgeordneten nehmen an der Aktion des Zentralelternbeirats teil. Da kann man Zeitungsartikel lesen, Kollege Bensch hat einen Zeitungsartikel in der „Norddeutschen“ gehabt. Da konnten Sie nachlesen, was seine Persönlichkeit gebildet hat. Kollege Bensch, war es der Englischunterricht, oder war es vielleicht die Aktion, die Sie mit dem Auto Ihrer Lehrerin gemacht haben, und das Gespräch, das Sie anschließend in der Schulleitung hatten? Was hat Ihre Persönlichkeit mehr gebildet?

Damit will ich sagen, ich habe einen Physiklehrer gehabt, der gesagt hat, Mädchen könnten keine Physik. Das habe ich mir nicht gefallen lassen. Wir als Mädchen haben uns gewehrt und haben gesagt, der spinnt wohl, dass der zu uns mit 15 Jahren sagt, Mädchen sind schlechter in Physik als Jungen.

Also die Bildung einer Persönlichkeit von Jugendlichen auch voranbringen! Das ist doch nicht das stumpfe Auswendiglernen von Pythagoras und von der gesamten binomischen Formeln, das bildet doch nicht die Persönlichkeit. Das ist die Mitarbeit in der Schülerzeitung, das ist die Mitarbeit in der Theater AG, das sind Auftritte, die man mit seiner Klasse hat, das sind Referate, die man hält, und dass man selbständig losgeht und Leute interviewt. Das sind die Sachen, bei denen die Schulen die Jugendlichen unterstützen können, ihre Persönlichkeit und ihre Neigungen und Talente zu fördern.

Die Schulen sind aber nicht allein verantwortlich dafür, die Bildung der Persönlichkeit von Jugendlichen voranzubringen, sondern auch die Eltern, finde ich, darf man hier nicht vergessen, haben einen großen Teil an Verantwortung. Wir müssen es einfach schaffen, dass alle Eltern mit Kindern und Jugendlichen auch lesen, bevor sie in den Kindergarten kommen. Ulrike Hövelmann macht immer noch ganz engagiert die Aktion Leselust. Dass wir in der Grundschule lesen, solche Sache sind wichtig, dass wir Eltern mit einbeziehen und dass wir mit den Eltern diskutieren, Herr Rohmeyer, und nicht mit Scheuklappen sagen, der einzig wahre Weg ist das Durchdefinieren und Durchdeklinieren von Werken, die man gelesen haben muss.

Warum gehört Frank Zappa nicht in Ihren Bildungskanon im Gymnasium? Ich finde, den muss man unbedingt gehört haben, und das fand mein Musiklehrer auch in der Oberstufe, dass man ihn kennen muss, dass man Jimi Hendrix gesehen haben muss, wie er mit seinen zehn Digitamsaiten spielt. Das steht alles

nicht im Bildungskanon der Konrad-Adenauer-Stiftung. Das ist nicht mein Bildungskanon!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich wünsche mir einfach darüber eine Diskussion, was sind die Inhalte. Jeder Mensch braucht einen anderen Inhalt, der eine bekommt den Kick durch die Schulband, und andere Personen bekommen ihn eben dadurch, dass sie bei einem Vorlesewettbewerb Stadtsieger werden, nach Frankfurt fahren, einen Preis bekommen vom deutschen Buchhandel. Darüber bilden sich Persönlichkeiten, aber nicht durch das Herunterbeten Goethe, Schiller, Kleist. Dadurch passiert nichts mit Persönlichkeiten! – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kauertz.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man muss sich tatsächlich etwas erholen, zumindest ging es mir so. Herr Rohmeyer, was Sie sich da eben – ich möchte fast sagen – geleistet haben in Ihrer Beschreibung der Zustände in unseren bremischen Schulen, das hat mich wirklich außerordentlich schockiert, weil es erst einmal nicht richtig ist, was Sie sagen.

Wir haben hier an mehreren Stellen gehört, abgesehen davon, dass es Vorgaben gibt, Bildungs- und Erziehungsziele, gibt es natürlich auch Rahmenpläne, Lehrpläne, und es hat sich unheimlich viel an unseren Schulen entwickelt. Dass Sie das hier so verschweigen und dass Sie hier den Eindruck erwecken, dass das die letzten Lehranstalten sind, bei denen jetzt ganz dringend die CDU aufgefordert ist, hier ganz konkrete Pläne zu fordern, damit unsere Kinder nicht völlig untergehen und noch Lebenschancen haben, das hat mich dann doch wirklich sehr empört, und da sollten Sie auch wirklich einmal genauer hinsehen!

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich brauchte mir nichts aufschreiben zu lassen, da es das Meiste schon gedruckt gibt. Sie wissen doch, wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Probieren Sie es einmal selbst!

(Beifall bei der SPD)

Gehen Sie hinein in die Schulen, und sehen Sie sich einmal an, was da passiert! Da gibt es nämlich eine riesige Vielfalt, und da entwickelt sich wirklich etwas von Persönlichkeit. Das, was mit Persönlichkeit ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

zu tun hat, finde ich bei Ihnen relativ gering ausgeprägt, das kann man auch anders beschreiben. Da kann man einfach einmal hinsehen, was ein Schüler braucht, um einen halbwegs akzeptablen Ausbildungsplatz zu bekommen, und dann beschränken wir uns vielleicht auf Deutsch, Mathematik und Englisch. Wir haben hier eigentlich feststellen können, dass Bildung mehr ist und dass sich Persönlichkeit aus viel mehr Dingen zusammensetzt.

(Beifall bei der SPD)

Ich empfehle Ihnen da ein paar Nachhilfestunden, die können Sie sicherlich noch in der Bremer Erwachsenenbildung bekommen. In diesem Sinne schließe ich hier!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Senator Lemke.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute fällt es mir ein wenig schwer, die Position des Senats nach so einer kontroversen Debatte zusammenzufassen. Ich will es dennoch versuchen, weil ich bei einigen Redebeiträgen den Eindruck hatte, der Wahltermin stünde im Vordergrund einer inhaltlichen Debatte und nicht der Schüler, um den es hier eigentlich zu gehen hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich versuche einmal einen ganz anderen Ansatz. Es gab schon in der Antike, und Pestalozzi hat das dann noch einmal sehr schön festgeschrieben und definiert, die Begrifflichkeit, die Karin Kauertz in ihrem letzten Satz, bevor Sie hier ihren ersten Redebeitrag beendet hat, zum Ausdruck gebracht hat. Sie hat den Begriff des Vorbilds genannt. Vorbild und Liebe sind die entscheidenden Dinge in der Erziehung, in der Persönlichkeitsbildung von Menschen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie das nicht erfahren, Vorbild und Liebe, und zwar vom ersten Tag Ihrer Geburt an, dann werden Sie unendlich viele Schwierigkeiten haben, im Leben später klarzukommen. Deshalb ist es das, worauf ich immer sehr achte, wie bekommen wir es hin in der Familie. Ich glaube, ich habe 1999 hier im Haus schon gesagt, Erziehung fängt bitte nicht im Kindergarten an oder in der Grundschule, sondern Erziehung fängt als Erstes einmal im Elternhaus an. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen, und das wissen wir Bremerinnen und Bremer besonders schmerzlich in den letzten Wochen und Monaten, dass es nicht ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

in jeder Familie so klappt. Deshalb müssen wir gerade als Landesregierung darauf achten, dass wir die Kinder in bedrohten Lebenssituationen so früh wie möglich erreichen und annehmen und ihnen das geben, was sie in den Familien nicht bekommen, Vorbild und Liebe.

Wie sollen Eltern, die bis mittags schlafen, den Kindern Vorbild sein, dass die Kinder lernen, morgens pünktlich um acht Uhr in der Schule zu sein? Und wenn sie keine Liebe erfahren, wie sollen sie dann Vertrauen in ihren Mitschüler, in ihre Nachbarn, in ihre Freundeskreise bekommen oder auch in ihre Lehrer? Oder wenn die Lehrer auch nicht so das Vorbild darstellen, wie sollen sie dann in ihrem Leben klarkommen?

Was wollen wir denn gemeinsam als Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker? Wir wollen vom Kindergarten an – möglichst schon vorher – bis hin zum Schulabschluss und dann bis in die Ausbildung als Zielsetzung erreichen, dass diese jungen Menschen sich im Leben zurechtfinden. Das ist schwer genug, sich im Leben zurechtzufinden. Es gibt eine weite Facette von Dingen, die wir zu beachten haben. Aber ich will sie auch in eine Gesellschaft integrieren – und ich sage das ganz deutlich –, ich habe ein großes Interesse daran, dass wir sie auch dazu motivieren, Familien zu gründen.

Ich halte die Familie für einen ganz wesentlichen Faktor in unserer Gesellschaft, gerade auch angesichts der Entwicklung unserer Bevölkerung. Ganz viele Frauen, gerade auch mit akademischem Hintergrund,

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: 40 Prozent!)

42 Prozent – bekommen in Deutschland keinen Nachwuchs mehr, ein dramatisches Signal für unsere Gesellschaft! Wir müssen versuchen, alles daran zu tun, um den Frauen in Gesellschaft und Beruf einen Platz zu sichern und zu garantieren und gleichzeitig zu ermöglichen, dass diese Frauen den natürlichen Kinderwunsch sich auch weiterhin erfüllen können. Das ist ein ganz wesentliches Thema, und das will ich nicht etwa beiseite schieben, sondern das ist auch ein Bildungsauftrag in unserer Gesellschaft und ein nicht ganz unwichtiger Bildungsauftrag!

(Beifall bei der SPD)

Ich will einen dritten Bereich noch ganz wichtig nennen. Ich möchte diese jungen Menschen zu wehrhaften Demokraten erziehen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen])

Ich weiß nicht, wer es gesagt hat. Ich glaube, Frau Stahmann, Sie haben gesagt: Und in Klasse 7 und 8

kein Politikunterricht. Wissen Sie was? Wir machen so unglaublich gute Dinge in diesem Bereich, und ich sage Ihnen eines, wenn unsere Schülerinnen und Schüler nach Sachsenhausen fahren und dort sieben Tage in Sachsenhausen arbeiten, ist das für mich zehnmal besser als fünf Jahre Politikunterricht in einer Schule. Ohne Wenn und Aber sage ich Ihnen das, und ich wünschte mir, dass wir noch mehr derartige positive Dinge erarbeiten würden.

Frau Stahmann, dazu muss ich auch noch einmal etwas sagen. Aber das ist natürlich ganz klar, am 13. Mai sind hier Wahlen, und deshalb müssen Sie die Stimmung draußen aufnehmen und sagen, unser Senat hat kein Interesse an Sport, wie kommt es denn dazu? Der Bildungssenator ist ausgebildeter Sportlehrer, der hat dafür gesorgt, dass wir an vielen Schulen – das wissen Sie übrigens – nicht nur zwei oder drei Stunden Sport haben, sondern mittlerweile unseren Kindern an einigen Schulen mit Sportprofil fünf Stunden Sport angeboten werden, was wir vorher nie gehabt haben. Also bitte sagen Sie nicht solche populistischen Dinge hier im Haus, weil Ihnen das hoffentlich niemand draußen abnimmt!

Wir sorgen für guten Sportunterricht, und wenn wir heute über 1000 Sportstudentinnen und Sportstudenten ausbilden, von denen wir etwa 70 bis zum Jahre 2011, 2012, 2013 benötigen, dann müssen wir doch die Entscheidung der Universität, nicht des Senats, die Entscheidung der Universität, diesen Sportstudiengang in Frage zu stellen, zumindest ernsthaft prüfen und können nicht sagen, das, was die Universität in ihrer Autonomie dem Senat vorschlägt, wischen wir vom Tisch und machen nur eine ganz einfache, schlichte, populistische Wahlkampfstimmung. Das kann ich überhaupt nicht akzeptieren!

(Beifall bei der SPD – Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will das zusammenfassen. Ich glaube, dass es falsch ist, hier im Haus in dem zweiten Redebeitrag den Eindruck entstehen zu lassen, der mir auch ein bisschen zu emotional erschien, lieber Herr Rohmeyer, den kann ich nicht akzeptieren, Sie haben so getan, als würden wir heute gerade die Pisa-Ergebnisse zur Kenntnis nehmen und sagen, jetzt müssen wir die Ärmel aufkrempeln.