Protocol of the Session on January 24, 2007

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das stimmt doch gar nicht!)

Moment, ich komme gleich darauf! Der Bundesentwurf, so wie er jetzt ist, hören Sie genau zu, bedeutet in wichtigen Teilen, einen Schlussstrich über grausame Verbrechen verantwortlicher Stasi-Spitzel zu ziehen. Im Übrigen möchte ich Sie darauf hinweisen, dass in der sogenannten Gauck-Behörde nachweislich über 50 ehemalige Stasi-Spitzel – sogar in der Gauck-Behörde – mitgearbeitet haben. Da können Sie sich ja vorstellen, was unter solchen Voraus

setzungen an effektiver Aufklärung herauskommt. Ich mag es mir lieber nicht vorstellen. Das aber ist eine weitere unerträgliche Demütigung für die ehemaligen Stasi-Opfer.

Ich aber sage Ihnen im Namen der Deutschen Volksunion, für menschliches Unrecht, für menschliche Grausamkeiten und Gemeinheiten, für organisierte Freude am Mord und grausame etliche Morde darf es auch nach 15 Jahren keinen Schlussstrich geben. Es gibt nur die Angst vor der Wahrheit, und diese Angst sollen verantwortliche Stasi-Spitzel auch nach 15 Jahren noch fürchten. Sie sehen, es ist noch lange nicht an der Zeit für einen Schlussstrich. Es gibt noch viel aufzuarbeiten und aufzuklären, darum sollte die Regelanfrage auch weiterhin und uneingeschränkt – ich betone uneingeschränkt – fortgesetzt werden. Nach Auskunft von Frau Birthler, Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, arbeiten sage und schreibe 1800 Ex-Stasi-Leute, also Spitzel, bei der Polizei und der Bundespolizei in den neuen Bundesländern, und das nur bei der Polizei in den neuen Bundesländern! Das aber ist nur die Spitze des Eisbergs. Wenn sogar die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Frau Birthler, schon sagt, es darf keinen Schlussstrich unter der Stasi-Vergangenheit geben, dann ist es wirklich nur die Spitze des Eisbergs.

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Man weiß es immer nicht so ganz genau bei Herrn Tittmann, ob es nun Unkenntnis ist oder ob es in Kenntnis der anderen Tatsachen ist, dass er hier einen solchen Stuss – sage ich jetzt einmal – erzählt. Vielleicht sollte man es ihm zur Kenntnis geben, dass der Bundestag im Dezember und die Bremische Bürgerschaft, wir alle waren dabei, auch im Dezember die entsprechenden Gesetze geändert haben, dass der Bundestag die Fristen verlängert hat, dass die Bremische Bürgerschaft bis 2011 die Fristen verlängert hat. Was Sie von Schlussstrich hier geredet haben und was Sie uns hier eigentlich sagen wollten,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie bekommen noch nicht einmal die rudimentäre Gesetzgebung weder dieses Hauses noch des Bundestages, noch scheinbar von sonst irgendjemand mit und empfehlen uns, stattdessen die Presseerklärung der „National-Zeitung“ zu lesen. Wahrscheinlich stammt Ihre Unkenntnis genau von daher.

Bundestag und Bremische Bürgerschaft haben das Problem erkannt, haben im Dezember 2006 einvernehmlich gehandelt, die entsprechenden Gesetze beschlossen und verlängert. Ihr Antrag ist obsolet, und ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

dazu gibt es auch sonst weiter nichts zu sagen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Güldner, von Ihnen habe ich nun wirklich nichts anderes erwartet. Für diese Rede sollten Sie sich bei allen Stasi-Opfern schnellstens reumütig entschuldigen. Tatsache ist doch, es ist nicht ausreichend gehandelt worden. Tatsache ist auch, dass es heute, 15 Jahre nach Inkrafttreten des Stasi-Unterlagen-Gesetzes, noch immer keine vollständige Aufklärung gibt, welche Personen als Lehrer, Richter, Polizeibeamte oder andere Beamte für den früheren MSMVS tätig gewesen sind. Bis heute sind nämlich nur sage und schreibe 60 Prozent der Stasi-Akten aufbereitet worden. Zwar haben die StasiSchergen in ihren letzten untergehenden Tagen unzählige belastende Akten und Unterlagen wochenlang durch den Reißwolf gejagt, trotzdem werden heute noch unzählige Aktenschnipsel zusammengefügt.

Es wird nicht ausreichend recherchiert, trotz Ihrer großartigen, großspurigen Rede hier. Die Mitarbeiter dieser Behörde entdecken täglich immer neue Fälle, erschreckende Zusammenhänge und Verbindungen, neue verantwortliche Täter und somit selbstverständlich auch immer mehr Verbrechen, die aufgeklärt werden müssen, bis heute, meine Damen und Herren. Darum ist die Zeit einer Aufklärung noch lange nicht vorbei, ganz im Gegenteil.

Im Übrigen wundere ich mich doch sehr über das sehr geringe Strafmaß für den ehemaligen DDR-Geheimdienstchef Markus Wolf. Es stellt sich mir natürlich unweigerlich die Frage: Was wusste der ehemalige DDR-Geheimdienstchef wirklich über die nahen Positionen und die Anzahl der westlichen StasiMitarbeiter, vielleicht auch von den Grünen, und was und welche Namen hat er verschwiegen, vielleicht auch von den Grünen, und ob nachweislich aufgedeckte ehemalige Stasi-Spitzel, in der Mehrheit PDSMitglieder, auch nur die Spitze des Eisbergs sind? Darum stimmen Sie dem Antrag der Deutschen Volksunion zum Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und Rechtstaatlichkeit vor linksextremistischer, linksfaschistischer, antidemokratischer Infiltration überparteilich zu! Dass Bündnis 90/ Die Grünen diesem Antrag vielleicht aus wehmütiger, ideologischer Vergangenheitsverblendung nicht zustimmen wird, ist mir schon klar, aber das wird sich ja gleich zeigen.

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag des Abgeordneten Tittmann, DVU, mit der Drucksachen-Nummer 16/1211 seine Zustimmung geben möchte, bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU und Bündnis 90/ Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit wären wir an das Ende unserer heutigen Sitzung gekommen. Ich bedanke mich, wünsche Ihnen einen angenehmen Abend mit nicht allzu vielen Terminen.

Ich schließe die Sitzung.