Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte gern mit dem Antrag zur Existenzgründungsförderung für die Ich-AGs anfangen. Ich kann mich meinem Vorredner und meiner Vorrednerin anschließen, dass auch ich entgegen manchen negativen Vorhersagen glaube, dass sich die Gründungsförderung aus der Arbeitslosigkeit als unerwartet erfolgreich erwiesen hat. Es gibt nicht nur auf der Bundesebene zahlreiche Untersuchungsergebnisse. Interessant finde ich eine Untersuchung des Lehrstuhls für Mittelstands- und Existenzgründungsforschung an der Universität Bremen, der insbesondere Existenzgründungen und Ich-AGs hier in Bremen untersucht und festgestellt hat, dass diese Gründungen sehr erfolgreich sind, dass die Gründer großenteils qualifiziert sind, dass die Gründer großenteils Berufserfahrung haben und dass insofern auch gute Grundlagen geboten werden.
Ich möchte aber gleich zu Beginn sagen, dass wir Ihren Antrag anlehnen, weil ich ehrlich gesagt nach der Diskussion, die es ja teilweise um die Ich-AGs gegeben hat, froh bin, dass letzten Endes eine Entscheidung gefallen ist, weiter diese Förderung der Gründung aus der Arbeitslosigkeit fortzusetzen. Das finde ich gut. Ich glaube auch, dass die Gründungs
förderung so ausgestattet ist, dass sie weiterhin Erfolg versprechend ist. Ich habe aus den Untersuchungen, die es gibt, allerdings auch gelernt, dass es notwendig ist, die Gründerinnen und Gründer aus der Arbeitslosigkeit noch besser zu beraten und zu unterstützen, als dies bisher schon der Fall gewesen ist. Insofern finde ich es sinnvoll, dass es noch eine obligatorische Überprüfung des Gründungsvorhabens gibt. Ich würde auch anregen, dass wir hier in Bremen noch eine stärkere Unterstützung, vor allem in Bezug auf Marktzugang und in Bezug auf Finanzierung, Steuerrecht, machen, weil sich gezeigt hat, dass es da doch große Defizite bei den Gründerinnen und Gründern gibt.
Nun komme ich zu dem weiteren Antrag über die Änderung bei den Hartz-IV-Gesetzen! Ich kann mich in der Einschätzung auch vielem anschließen, was meine beiden Vorredner gesagt haben. Ansatzpunkt für diese Weiterentwicklung ist ja die Diskussion über die Kostenentwicklung bei Hartz IV gewesen. Frau Schön, Sie haben ja gesagt, was die wirklichen Gründe für diese Kostenexplosion sind. Ich möchte darauf hinweisen, dass man insgesamt gesehen nicht sagen kann, dass die Kosten der Arbeitslosigkeit durch die Arbeitsmarktreform gestiegen sind, aber wir haben eine Verschiebung weg von der Bundesagentur für Arbeit, wir haben mittlerweile nur noch 30 Prozent der Arbeitslosen im Bereich SGB III, und hin zu den Kostenträgern des SGB II und damit eben dann auch unmittelbar zu den öffentlichen Haushalten. Das ist eine Entwicklung, die wahrscheinlich weiter anhalten wird, weil eine nachhaltige Besserung der Arbeitssituation nicht in Sicht ist. Ich denke schon, dass man sich da auch weiter Gedanken über eine Weiterentwicklung der Arbeitsmarktpolitik machen muss.
Ich möchte schon einmal kurz eine Sache ansprechen. Ein ganz wesentlicher Faktor, den man bei der Berechnung der Kosten nicht bedacht hat, ist ja der gewesen, dass ein ganz großer Teil der ALG-II-Empfänger nicht arbeitslos ist, sondern dass er durchaus einer bezahlten Beschäftigung nachgeht. 20 Prozent der ALG-II-Empfänger arbeiten und sind trotzdem auf solche Unterstützungsleistungen angewiesen. In Bremen sind es etwa 10 000 Haushalte, die trotz Arbeit ALG II empfangen, und davon 5000 mit Vollzeitarbeit.
Hier haben wir mittlerweile schon einen Kombilohn im großen Stil angelegt. Ich weiß nicht, ob Herr Wulff, der ja nun den Niedersachsenkombi propagiert hat, sich nicht verrechnen wird, wenn er meint, dass damit zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Ich denke nur, wir werden hier auch wieder einen Verdrängungseffekt bekommen. Im Grunde genommen ist ein solches aus der Taufe gehobenes Modell wie von Herrn Wulff als Kombilohnmodell in Niedersachsen eigentlich geradezu eine Einladung an die Arbeitgeber zur Lohnsenkung. Ich habe gestern einen Kommentar gehört, nach dem es zwei Modelle für den Kombilohn gibt. Entweder sie kosten nicht
allzu viel und sind wirkungslos, und dafür hat sich Herr Wulff entschieden, oder sie sind ein Milliardengrab für die öffentlichen Haushalte.
Natürlich muss Missbrauch von Sozialleistungen, Herr Peters, verfolgt werden. Sie haben das dankenswerterweise auch relativiert. Ich möchte übrigens einmal sagen, Missbrauch von Sozialleistungen, Sozialbetrug, muss genauso verfolgt werden wie Subventionsbetrug oder wie Steuerhinterziehung.
Mir wäre es lieb, wenn man diese beiden Letzteren auch so ausführlich diskutieren würde, weil sie, glaube ich, sogar mehr Schäden verursachen, als das durch Sozialbetrug geschieht. Ich wende mich aber auch dagegen, und den Eindruck hatte ich in der Diskussion der letzten Wochen doch in sehr starkem Maße und bin dankbar, dass das jetzt hier auch durch die Diskussion in der Bürgerschaft abgemildert worden ist, dass hier ein Generalverdacht gegenüber den ALG-II-Beziehern formuliert wird. Ich sage dagegen, der eigentliche Skandal und der eigentliche Sprengsatz für unsere Gesellschaft ist ja nicht, dass immer mehr Menschen Leistungen beziehen und Leistungen beziehen müssen, sondern dass immer mehr Menschen ihren Unterhalt nicht durch ihre eigene Arbeit verdienen können, obwohl sie arbeitsfähig sind und arbeiten wollen. Das und nicht das Herumdoktern an den Symptomen, finde ich, muss unser Ziel sein.
Da komme ich zu meiner Kritik, die ich auch an diesen Nachbesserungsvorschlägen habe. Ich befürchte ehrlich gesagt nicht so sehr die Auswirkungen, die Sie jetzt genannt haben, Frau Schön, dass wir nun zuwenig kleine Wohnungen haben oder dass gar Obdachlosigkeit droht. Ich glaube eher, dass sich die Betroffenen dann entsprechend auf die Situation einstellen werden, aber das wird dann auch bedeuten, dass diese Einsparungen überhaupt nicht eintreten werden.
Was ich aber befürchte, ist, dass durch solche bürokratischen neuen Auflagen die Träger des SGB II, die Bagis und die BAG, noch mehr davon abgehalten werden, ihren eigentlichen Aufgaben nachzukommen, nämlich einer zielgerichteten und zielgenauen Betreuung und Vermittlung der Arbeitslosen, um für sie die Möglichkeit zu schaffen, in diesem engen Arbeitsmarkt dann doch noch Arbeitsmöglichkeiten zu finden. Ich finde, das müsste das Ziel einer notwendigen Reform und Nachbesserung der Arbeitsmarktreform sein, und das sollte verbessert und nicht erschwert werden.
Ich komme noch einmal kurz zur Abstimmung! Frau Schön, wie ich schon gesagt habe, ich teile zwar auch die Tendenz Ihres Antrags, aber ich sehe die Auswirkungen schwerpunktmäßig wirklich nicht in den Bereichen, die Sie genannt haben. Ich will aber nicht verhehlen, dass wir als SPD versucht haben, hier noch einen eigenen Antrag in Richtung dessen, was ich gesagt habe, als unsere Zielsetzung für die Bürgerschaft vorzubereiten. Wir sind da nicht zu der nötigen Einigkeit mit unserem Koalitionspartner gekommen und werden deswegen Ihren Antrag ablehnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was das Fortentwicklungsgesetz betrifft, so möchte ich an dieser Stelle auch sagen, dass mich die öffentliche Begleitmusik zu diesem Gesetz doch an vielen Stellen sehr geärgert hat. Einige haben offensichtlich sehr schnell vergessen, dass sie an diesem Gesetz maßgeblich beteiligt waren. Die Debatte hat auch leider wieder einen Beitrag dazu geleistet, Arbeitslosigkeit und arbeitslose Menschen zu stigmatisieren. Es ist doch erschreckend, dass dieser Satz „Wer wirklich arbeiten will, der findet auch Arbeit“ immer noch in dieser Gesellschaft einen Platz findet und Menschen es wirklich glauben. Es begegnet mir häufig, dass Menschen mir sagen: Das kann doch nicht sein, wer arbeiten will, der findet auch etwas,
Ich nenne Ihnen dazu nur eine Zahl: Wir haben in Bremen im Arbeitsagenturbezirk 41 871 arbeitslos gemeldete Menschen und dagegen 4673 offene Stellen. Ich weiß auch, dass nicht alle gemeldet sind. Trotzdem ist dieses Auseinanderdriften der beiden Zahlen, des Arbeitsplatzangebots und der Menschen, die arbeiten wollen, eklatant. Da stimme ich Frau Ziegert zu, das ist ja der eigentliche Skandal unserer Gesellschaft, dass wir nicht in der Lage sind, den Menschen Arbeitsplätze zu geben, und sie ausgrenzen.
Mich hat auch diese Missbrauchsdebatte geärgert – das finde ich besonders perfide –, dass als Missbrauch deklariert wird, dass Menschen eine gesetzliche Regelung in Anspruch nehmen, das habe ich bis jetzt noch nicht erlebt, und dass es ausgerechnet in die
ser Situation, bei der es um Arbeitslose geht, die Menschen vorgeführt werden und ihnen vorgeworfen wird, sie betrieben Missbrauch, obwohl sie nur ein Recht wahrnehmen.
Das ist kein Missbrauch! Da mögen Fehler passiert sein, aber das sind die Fehler derjenigen, die das Gesetz gemacht haben. Da muss man dies an der Stelle auch noch einmal ganz klarstellen. Ich finde es gut, dass es in dieser Debatte so gesehen wird.
Gleichwohl ist natürlich nach eineinhalb Jahren Praxis mit dem neuen Recht eine Bilanz zu ziehen und eine Anpassung an die Praxis erforderlich. Mit diesem Gesetz soll geleistet werden – wenn ich jetzt wieder beim Missbrauch bin –, dass in den Fällen, in denen wirklich Leistungsmissbrauch betrieben wird, dieser auch effektiv bekämpft werden muss. In diesen Fällen bin auch auf jeden Fall dafür. An dieser Stelle will das Gesetz flexibler damit umgehen und die Sanktionsregelungen auch einfacher, eindeutiger und praxisgerechter gestalten. Ob es sich nachher so bewahrheitet, müssen wir einmal abwarten.
Ein Punkt ist nach der jetzigen Praxis zum Beispiel, dass Menschen, die immer wieder Missbrauch betreiben, weil sie zum Beispiel ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen, diesen sozusagen addieren, ohne dass sie auch in der Sanktion addiert werden. Das ist ein Problem. Es kann ja nicht sein, dass diese Sanktion immer wieder von vorn anfängt. Wer das also bewusst betreibt, muss sich dann auch gefallen lassen, dass die Sanktionen aufaddiert werden. Allerdings bin ich, was die Einspareffekte betrifft, auch nicht so optimistisch. Die Zielzahlen, die da erwartet werden, sind aus meiner Sicht eine sehr optimistische Einschätzung. Die Erfahrungen, die wir in der Sozialhilfe mit Missbrauchsfällen hatten, zeigen ganz andere Wirkungen. Wir haben ja trotz Hausbesuchen und Datenabgleich et cetera die Erfahrung gemacht, dass es immer nur ein minimaler Prozentsatz war, wo tatsächlich Missbrauch betrieben wurde. Wir müssen dem aber effektiv begegnen.
Ein anderer Punkt ist der rasante Anstieg der Bedarfsgemeinschaften. Das ist ein bundesweites Problem und ist auch in Bremen zu verzeichnen. Wir haben jetzt zirka 42 000 Bedarfsgemeinschaften. Das hat viele Gründe, einige sind hier schon genannt worden. Besonders in der Kritik hat ja auch immer gestanden, dass wir die jungen Menschen unter 25 Jahren jetzt in die Situation bringen, dass sie keine eigene Wohnung mehr anmieten können. Aber ich bitte Sie: Das war in der alten Sozialhilferegelung auch schon der Fall, wir übernehmen im Grunde nur die alte Regelung! Dann bitte ich auch noch einmal zu bedenken: Welche Familie, die vielleicht auch hart an der Kante mit ihren Mitteln wirtschaftet, ist dann
auch schon in der Lage, ihrem Sohn oder ihrer Tochter eine eigene Wohnung ab 18 Jahren zu finanzieren? Das sind für mich Gründe, die es möglich machen müssen, dass wir diese Regelung mittragen.
Wir brauchen dringend einen Datenabgleich, wir brauchen dazu eine gesetzlich valide Grundlage, die mit dem Gesetz geschaffen wird. Ferner wird mit diesem Gesetz klargestellt, dass die berufliche Rehabilitation eine Aufgabe der Bundesagentur ist. Auch das ist jetzt gesetzlich deutlich geregelt. Was ich auch sehr gut finde, ist, dass es mit diesem Gesetz möglich wird, dass in den Fällen, in denen klar ist, dass der Empfänger in absehbarer Zeit nicht arbeitsfähig ist, ALGII-Leistungen länger als sechs Monate gewährt werden können. Das heißt, die Klienten werden in diesen Einzelfällen tatsächlich auch von dem Druck entlastet, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich auf die Menschen konzentrieren, die tatsächlich auch aktiviert werden können.
Es ist leider nicht ganz gelungen, das Bafög existenzsichernd auszugestalten, aber immerhin ansatzweise ist es gelungen, dass den Klienten dann ein Zuschuss ergänzend zum Bafög gewährt werden kann, um die Kosten der Unterkunft zu finanzieren, so dass wir damit Ausbildungsabbrüche vermeiden können. Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt. Ich habe gerade gesagt, er ist nicht zufrieden stellend geregelt. Das gilt auch für andere Punkte in diesem Gesetz. Aus meiner Sicht sind zum Beispiel die Sofortangebote wenig praxisgerecht gestaltet und sicherlich vielleicht auch ein bisschen aktionistisch ausgefallen.
Es gibt noch viele andere kleine Punkte, die ich jetzt hier nicht vortragen will. Insgesamt denke ich aber, wenn man das bewertet, ist dieses Gesetz tragfähig. Wir haben versucht, eine Ländermehrheit für den Vermittlungsausschuss hinzubekommen, das ist leider nicht gelungen. Insofern müssen wir als Fazit sagen, das Gesetz wird so das Licht der Welt erblicken. Wir sollten uns dann auf die Debatte, die ja für den Herbst angekündigt ist, konzentrieren und dort unsere Schwerpunkte einbringen.
Ich möchte noch kurz etwas zur Ich-AG sagen! Ich finde den Antrag der Grünen an der Stelle richtig, wo die Erfolge der Ich-AG noch einmal ausdrücklich betont werden. Es war ja in der Tat die Situation, Frau Ziegert hat es ja beschrieben, dass das Gesetz kurz vor dem Auslaufen war, und wenn es nicht gelungen wäre, ein Folgeinstrument zu schaffen, dann wäre jetzt gar kein Instrumentarium mehr da, und die IchAG wäre ausgelaufen, obwohl sie so erfolgreich war. Das hätte ich auch sehr tragisch gefunden. Insofern bin ich froh, dass wir jetzt überhaupt dieses neue Instrument hinbekommen haben, was ja ein Kompromiss der Regierungskoalition war.
Es sollen mit diesem Gesetz die positiven Erfahrungen, die mit der Ich-AG gemacht worden sind, genutzt werden, und das ist an einigen Stellen, wie
ich finde, auch gelungen. Der sechsmonatige Bezug des Übergangsgeldes wird verlängert, bleibt allerdings deutlich, das muss man feststellen, hinter der dreijährigen Förderdauer des Existenzgründungszuschusses zurück. Allerdings ist gleichzeitig das Förderniveau deutlich höher angesetzt worden als bei der Ich-AG und beim Überbrückungsgeld, damit wird die Existenzgründung in den ersten Monaten massiver unterstützt. Das hat aber auch den Nachteil, dass sie dann auch rascher ihre Marktfähigkeit beweisen muss.
Was ich gut finde, ist, dass die für die Existenzgründung eher hinderliche Einkommensgrenze von 25 000 Euro pro Jahr und Gründer vermieden wird. Ich finde es auch gut, dass die Anforderungen an das Gründungskonzept eindeutiger formuliert sind. Ob sie dann auch tatsächlich so umgesetzt werden, muss sich in der Geschäftspolitik der BA erweisen. Insgesamt finde ich das Gesetz in der Bewertung akzeptabel, und ich bin froh, dass es überhaupt zu einem solchen Gesetz gekommen ist. – Danke schön!
Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 16/1019 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!