Protocol of the Session on October 8, 2003

Insofern hoffe ich, dass beispielsweise auch die CDU mit ihren bekanntlich guten Kontakten zur Wirtschaft da für die Kinder vielleicht etwas Lobbyarbeit leisten kann, und ich habe auch nichts dagegen, wenn die Unternehmen in die Bresche springen. Es geht eben nur darum, wir haben ein Problem, wir laufen ja sozusagen sehenden Auges in unser eigenes Unheil, und wir müssen rechtzeitig schauen, dass wir da eine Lösung finden, damit wir betriebsnahe Kindergärten als ein Modell für die Zukunft tragfähig machen können.

Damit will ich auch schließen, nur noch ein letzter Satz, der vorhin untergegangen ist! Unter den Fraktionen haben wir uns geeinigt, eine Überweisung mit einer Frist bis Januar nächsten Jahres, und dann schauen wir einmal, was sich bis dahin getan hat. Vielleicht hat ja die neue niedersächsische Landesregierung, ich mag es kaum glauben, da andere Ansätze. Mitunter kommt aus B-Ländern ja auch einmal etwas ganz Sinnvolles. Insofern bedanke ich mich!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Zu diesem Themenkomplex ist Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Jugend, Senioren und Auslän

derintegration vorgesehen, und zwar terminiert bis zum Januar 2004.

Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 16/38 zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Jugend, Senioren und Ausländerintegration seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist entsprechend.

(Einstimmig)

Erhalt von gentechnikfreiem Saatgut

Antrag (Entschließung) der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vom 23. September 2003 (Drucksache 16/39)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Röpke.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ziel unseres grünen Entschließungsantrags ist es auch, daran mitzuwirken, dass es weiterhin gentechnikfreie Lebensmittel gibt. Am Anfang steht hier bekanntlich das Saatgut. Die Verabschiedung der so genannten Saatgutrichtlinie, die den Anteil erlaubter gentechnischer Veränderungen im Saatgut regelt, läuft zurzeit auf Hochtouren. Bis spätestens Ende dieses Jahres will die Europäische Kommission eine entsprechende Regelung getroffen haben. Das heißt, wenn jetzt nicht gehandelt wird, wenn jetzt hier nicht gegengesteuert wird, dann wird morgen ganz legal das Saatgut in Europa gentechnisch verändert sein. Es wird mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigt sein.

Ich möchte an dieser Stelle, um auf die Bedeutung noch einmal hinzuweisen, Cary Fowler und Pat Mooney zitieren. Sie sind Träger des alternativen Nobelpreises und haben 1990 geäußert: „Während viel über die Konsequenzen des Klimawandels diskutiert wird, geschieht die vielleicht größte Umweltkatastrophe der Menschheit auf dem Feld: der Verlust genetischer Vielfalt in der Landwirtschaft, still, schnell und unerbittlich.“ Soweit das Zitat!

Meine Damen und Herren, die hier beabsichtigten Eingriffe in die Umwelt, der beabsichtigte Schwellenwert für die zulässigen Verunreinigungen von

Saatgut mit gentechnisch verändertem Saatgut, dies kann für die Umwelt, für die Gesundheit und für die Ernährung enorme Konsequenzen haben, und, das sage ich an der Stelle auch ganz klar, das ist unverantwortlich. Die enorme Dimension der möglichen Veränderungen der biologischen Vielfalt, der Umwelt und der Ernährung sind nämlich Konsequenz der Tatsache, dass sich Saatgut vermehrt und am Anfang der Nahrungskette steht. Fast alles, was wir essen, stammt direkt oder indirekt aus Saatgut. Es ist die Grundlage der Ernährung zukünftiger Generationen, und es bestimmt die Qualität der Nahrungsmittel von heute.

Meine Damen und Herren, machen Sie sich bitte hier an der Stelle wirklich einmal die enorme Risikodimension bewusst, denn wenn wir hier einen Fehler machen, wenn wir hier gentechnisch veränderte Organismen in die Umwelt entlassen und es nicht so ist, wie man gedacht hat, und sie sich vielleicht doch anders verhalten, dann heißt das, dass sich diese in die Umwelt entlassene Pflanze unkontrolliert weiter fortpflanzt! Im Vergleich, um sich das einmal bewusst zu machen, mit den Problemen, die wir in die Welt gesetzt haben auch aufgrund einer nicht hinreichenden Technikfolgenabschätzung bei Chemikalien oder Atomkraft, Radioaktivität!

Radioaktivität und Chemikalien bauen sich ab, wenn auch nur, und das ist ja auch das Problem der Nutzung der Atomenergie, über sehr lange Zeiträume. Das Problem aber bei gentechnisch veränderten Organismen, die man in die freie Natur entlässt, setzt sich fort. Das heißt, hier gemachte Fehler sind nicht rückholbar und vermehren sich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dennoch und aktuell will die Europäische Kommission bis spätestens Ende dieses Jahres die Voraussetzung dafür schaffen, dass gentechnische Saatgutverunreinigungen zwischen 0,3 und 0,7 Prozent ohne Kennzeichnung erlaubt sind. Das würde nach vorsichtigen Schätzungen bedeuten, dass dann in Europa sieben Milliarden gentechnisch veränderte Pflanzen von Mais und Raps wachsen würden, und zwar ohne dass die Landwirte wüssten, dass sie auf ihren Feldern stehen, ohne dass die Verbraucher wüssten, dass sie dann in ihren Lebensmitteln landen.

Das muss hier noch einmal ganz deutlich gesagt werden: Mit einem solchen Schwellenwert für Verunreinigung mit gentechnisch manipulierten Sorten wird die gentechnikfreie Lebensmittelproduktion aufs Spiel gesetzt. Das kann und darf man nicht zulassen. Gentechnikfreie Lebensmittel und eine Landwirtschaft ohne gentechnisch veränderte Organismen sollen jetzt ohne Not und gegen den mehrheitlichen Willen der EU-Bürgerinnen und -Bürger aufgegeben werden. Ich denke, hier muss eine breite Mehrheit gefunden werden, um dies zu verhindern.

Ich möchte an zwei Beispielen deutlich machen, was passieren kann. Erstes Beispiel: Ein solcher Fehler, der sich eben fortpflanzen kann in einer Form, dass eine gentechnisch veränderte Pflanze produziert wird, die sich dann in der Folge in der Langzeitwirkung als umwelt- oder gesundheitsschädlich erweist, wäre nicht mehr aus der Umwelt zu entfernen.

Ein zweiter Punkt betrifft die biologische Landwirtschaft, die per se gentechnikfrei ist, das heißt, die Prinzipien der biologischen und ökologischen Landwirtschaft verbieten grundsätzlich den Einsatz von Gentechnik. Diese biologische ökologische Landwirtschaft wäre in ihrer Existenz bedroht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, bitten wir Sie, sich unserem Entschließungsantrag anzuschließen und dafür einzutreten, dass die Reinheit des Saatgutes oberstes Prinzip politischen Handelns ist. Wir erwarten, dass der Verbraucherwunsch, nämlich selbst wählen zu können, ob sie gentechnisch veränderte Lebensmittel essen wollen oder nicht, uneingeschränkt akzeptiert wird. Wir erwarten auch, dass mit gentechnisch veränderten Sorten verunreinigtes Saatgut nicht auf den Markt kommt im Rahmen wenigstens des Machbaren. Des Machbaren bedeutet, dass man einen Schwellenwert an der Nachweisgrenze zulassen muss und nicht darüber, wie jetzt beabsichtigt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir Grünen appellieren eindringlich an Sie, meine Damen und Herren, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, und ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass jeder einzelne Bürger und jede einzelne Bürgerin die Möglichkeit hat, hier aktiv zu werden, um letztendlich diesen Wahnsinn, der da geplant ist, zu verhindern. Es gibt ein breites Aktionsbündnis, das unter dem Namen „Save our Seeds“, also „Rettet unser Saatgut“ läuft. Dies hat auch initiiert, dass eine Petition an die Europäische Kommission eingereicht wird. Ich bitte jeden Abgeordneten und jede Abgeordnete, diese zu unterschreiben, sie liegt an unserem Fraktionstisch aus, um hiermit beizutragen, wie gesagt, dass wir keinen Weg beschreiten, dessen Konsequenzen in keiner Weise überschaubar sind und eben auch zu unvorhergesehenen Ereignissen führen können.

Die Sache steht jetzt Spitz auf Knopf, wie gesagt, die EU-Kommission will noch dieses Jahr entscheiden. Wir Grünen, ob es die Verbraucherministerin Renate Künast ist oder ob es der für uns Grüne in Europa zuständige Abgeordnete Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf ist, alle laufen gegen diese beabsichtigte Saatgutrichtlinie Sturm. Wir bitten Sie

auch, mit uns gemeinsam dafür einzutreten, die Ernährung ohne Gentechnik zu sichern. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Imhoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren hier heute über den Antrag der Grünen über den Erhalt von gentechnikfreiem Saatgut. Warum wir diesen Antrag ablehnen und ich ihn für mehr als unseriös halte, werde ich später noch erklären.

Es geht bei der Frage, ob und wie viel gentechnikfreies Saatgut im Umlauf sein darf, ja nicht nur um das Saatgut selbst, sondern auch vielmehr darum, dass man sich schon eine Meinung bilden muss, ob man die so genannte grüne Gentechnik, die für das Anwendungsfeld Pflanzen, Tier und Lebensmittel steht, befürwortet oder nicht, denn es gibt viele Für und Wider, wobei die einen es als Fluch und die anderen es als Segen bezeichnen.

Die Gentechnik, so lautet eine Argumentationskette, entwickelt Pflanzen, die sowohl ein Maximum an nutzbaren Rohstoffen produzieren als auch umweltfreundlicher sind, weil sie weniger Raum benötigen. Die Landwirte werden gleich mehrfacher Nutznießer, so klingt die Zukunftsmusik der Befürworter. Pflanzensorten werden kreiert, die ohne Düngung, Herbizide und Insektizide auskommen und selbst in extrem unwirtlichen Regionen kultiviert werden können, ein Beitrag zum Kampf gegen Hunger und Krankheit in der Dritten Welt.

Viele Gegner haben dagegen folgende Argumentation: Genetisch manipulierte Pflanzen bergen möglicherweise ein Risikopotential, dessen Konsequenzen bislang noch viel zu wenig erforscht sind. Manch einem Ernährungs- und Agrarwissenschaftler mag auch nicht so recht einleuchten, dass diese grüne Gentechnik der Schlüssel zur Lösung der Welternährungsprobleme sein soll. Die Warner sehen durch solche schwerwiegenden Eingriffe in das pflanzliche Erbgut das Gleichgewicht der Natur wegen der unkontrollierbaren Risiken in höchster Gefahr.

Kurz zusammengefasst liegen die Chancen der grünen Gentechnik bei Herbizidtoleranz, Insektenresistenz, Virenresistenz, Resistenz gegen abiotischen Stress, Verbesserung der Nahrungsqualität, Verbesserung der Nährstoffeffizienz, Bodensanierung, Biokunststoffe und in sozialökonomischen Vorteilen. Die Risiken liegen dabei im Auskreuzen, unkontrollierbarer Ausbreitung, toxischen Effekten auf Nichtzielorganismen, verringerter Artenvielfalt, Bildung neuer Viren, Antibiotikaresistenzgenen als Selektionsmarker, unerwarteten Effekten und ethischen Problemen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Meine Damen und Herren, warum erzähle ich Ihnen das alles? Ich möchte nur auf die Diskussion hinweisen, die momentan sehr kontrovers geführt wird. Genau diese Diskussion zeigt uns auch, dass wir die Chancen nutzen müssen, aber mit Kontrollen und Grenzen, um Missbrauch zu verhindern. Die Transparenz für den Verbraucher muss dabei immer gewährleistet sein, damit er letzten Endes wählen kann, was er essen möchte und was nicht.

Wie sieht es jetzt in Deutschland und der EU aus? Futtermittel aus genetisch veränderten Pflanzen werden in der EU lediglich zu Versuchszwecken erzeugt, nicht aber zum konventionellen Anbau erlaubt. Das Problem ist nur, dass genetisch veränderte Pflanzen in Form von Futtermitteln schon importiert werden. Da die Hauptanbaufläche von genetisch veränderten Pflanzen in Nord- und Lateinamerika liegt, Tiermehl hier in Deutschland nicht mehr verfüttert werden darf und das wiederum zur Konsequenz hat, dass Soja aus diesen Ländern importiert wird, haben wir doch damit schon lange eine schwache Form von genetisch verändertem Material auf dem europäischen Markt und bei uns auf dem Tisch. In Bremen haben wir erst vor kurzem Mittel zur Verfügung gestellt, um eine Kontrolle in unseren Häfen durchzuführen, die auf genetisch verändertes Saatgut abzielt und Unregelmäßigkeiten, wenn es sie denn gibt, aufspüren soll. Damit haben wir zurzeit unsere Aufsichtspflicht hier auch erfüllt.

Meine Damen und Herren, in der Lebensmittelbranche gilt der Satz, dass Futtermittel auch gleich Lebensmittel sind. Deswegen wurde auch im Juli dieses Jahres in Brüssel die Verordnung zur Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit für Futtermittel beschlossen, mit der man einen lückenlosen Nachweis der Herkunft sicherstellen will und die Landwirte auch wissen, was sie auf ihren Höfen verfüttern. Ich denke, diese Maßnahme kam viel zu spät, doch sie ist sinnvoll und wichtig, um die gläserne Produktion für den Verbraucher so gut es geht aufrechtzuerhalten.

Für mich ist aber die Frage der Koexistenz der zentrale Aspekt in der jetzigen Diskussion der grünen Gentechnik. Es muss gelingen, das Neben- und Miteinander von konventionellem Ackerbau unter Einsatz von genetisch veränderten Pflanzen und ökologischem Anbau ohne Verwendung von Genetik zu gewährleisten. Damit kann man die Wahlfreiheit von Erzeugern und Verbrauchern sicherstellen, was ich für sehr wichtig halte. Koexistenz beinhaltet das möglichst konfliktfreie Nebeneinander verschiedener Produktionsformen, ohne dass die eine oder andere Form ausgeschlossen wird. Das gilt vor allem für die Landwirtschaft, aber auch für die weiteren Verarbeitungs- und Handelsstufen. Der Verbraucher, also der Markt, kann dann entscheiden, was sich zukünftig durchsetzt.

Angesichts der internationalen Handelsverflechtungen, der zunehmenden Importe von genetisch

veränderten Lebens- und Futtermitteln, der Freisetzungsversuche und der voraussichtlich anstehenden Zulassung von genetisch veränderten Sorten ist es für die Verarbeitung und Vermarktung genetisch veränderter Organismen unabdingbar, klare und praktikable Regelungen zu treffen, die die Bedingungen der Koexistenz für Landwirtschaft und Vermarktung mit und ohne Verwendung von genetisch veränderten Organismen regeln.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Ja, da haben wir eben Meinungsunterschiede! Ich möchte eben einmal zu Ende vortragen, und dann können Sie noch einmal die Koexistenz von Ihrer Seite aus erklären!

(Beifall bei der CDU)