Herr Senator Lemke, ich hoffe, Sie sind mit mir der Meinung, dass es nicht in das Belieben eines Klassenlehrers gestellt sein kann, wenn Verstöße gegen das Strafgesetzbuch im Dialog oder der Klimapflege wegen nicht gemeldet werden, sondern dass dies selbstverständlich von jedem Lehrer normalerweise gemeldet werden müsste, da es klare Verstöße gegen Straftatbestände wären.
Da gibt es überhaupt keinen Dissens, Herr Rohmeyer. Es gibt Gesetze, und die werden überall und selbstverständlich auch in Schulen eingehalten. Ich habe aber gerade versucht, Ihnen zu erklären, wie ich mir Schule vorstelle, und das darf nicht der Kasernenhof sein, sondern das muss eine Schule sein, das habe ich, glaube ich, hier schon einmal gesagt, über der stehen muss, ihr seid herzlich willkommen.
Ihr Lehrerinnen und Lehrer, ihr Schülerinnen und Schüler, ihr seid willkommen, und ihr könnt euch auf uns verlassen, und wir wollen euch mit Freude etwas beibringen. Das ist meine Position. Selbstverständlich, wenn dort Gesetze verletzt werden, dann gibt es dafür entsprechende Regeln, und die müssen eingehalten werden. Aber von dieser Anordnungspädagogik oder der Meldepflicht in Niedersachsen halte ich persönlich nichts, und ich glaube, das ist bei uns auch nicht mehrheitsfähig.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen noch abschließend ganz kurz erzählen, wie es weitergehen soll. Wir haben jetzt Herrn Professor Dr. Leithäuser, der diese Untersuchung geleitet hat, gebeten, in den direkten Dialog mit den 14 betroffenen Schulen zu gehen, damit diese merken, wo haben wir erfolgreich gearbeitet, welche Projekte sind gut gelaufen und welche sollten wir möglicherweise für andere Schulen dann entsprechend kopieren. Es gibt zwei Schulen, die in benachteiligten Stadtteilen liegen, die exzellente Werte haben, erheblich bessere Angaben der Schülerinnen und Schüler haben. Dafür muss es eine Begründung geben, wenn die Schulen ansonsten vergleichbar sind.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir dort die vielen Projekte – wir haben ja nicht drei oder vier Jahre geschlafen, sondern wir haben fast 30 bis 40 gute Projekte, Sie haben eben auch mehrere geschildert, Herr Rohmeyer, wir sind da überhaupt nicht
auseinander –, die guten Beispiele nutzen sollten, wie wir in der Praxis präventiv auf die Kinder einwirken können, dass sie Grenzen erkennen und nicht sagen, alles ist beliebig, und wir können machen, was wir wollen. Nein, ihr könnt es nicht machen! Man muss von Beginn an den Kindern im Kindergarten, zu Hause natürlich sowieso, aber auch in der Schule sagen, hier sind die Grenzen, und die Grenzen habt ihr einzuhalten.
Wir dürfen nicht akzeptieren, deshalb ändern wir auch das Schulgesetz, dass erst Monate später, nach Verhandlungen, nach Papierkram, nach Bürokratie, eine pädagogische Maßnahme erfolgt. Diese Maßnahmen, das sagt jeder Erziehungswissenschaftler, müssen sofort kommen. Nur dann haben sie einen direkten Einfluss auf das Verhalten von Jugendlichen, die diese Grenzen überschreiten. Darauf müssen wir achten, und da müssen wir das Schulgesetz auch verändern, dass wir hier diese Konsequenzen schneller wirksam werden lassen.
Wir haben die Schulen, übrigens alle Schulen, aufgefordert, sich mit dieser Untersuchung auseinander zu setzen. Wir sagen, wir ordnen nicht an, das und das muss jetzt gemacht werden, sondern wir sagen, setzt ihr euch damit auseinander. Wir kennen Schulen, die haben diese Gewaltprobleme nicht in der Form. Für diese ist es kein Thema, dann freuen wir uns. Aber es gibt Schulen, die massive Probleme haben. Denen müssen wir Unterstützung anbieten, denen müssen wir helfen, damit wir bei der nächsten Untersuchung, die wir machen, erkennen, dass die Vorbildfunktion von Eltern, von Lehrerinnen und Lehrern, von Bildungspolitikern und von Weltpolitikern dazu führt, dass weniger Gewalt an unseren Schulen und mehr dieses Gefühl herrscht, dass wir willkommen sind und dass wir gemeinsam an einer guten Zukunft, an einer guten Ausbildung arbeiten. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte jetzt noch einmal kurz auf die vorangegangenen Redebeiträge eingehen, auch auf den von Frau Böschen vor der Mittagspause. Bevor ich inhaltlich einsteige, möchte ich einfach noch einmal zu Herrn Tittmann sagen, dass ich diese platte Kritik mit den Altachtundsechzigern ganz scheußlich finde! Ich kann mir den Schuh nicht anziehen, ich war da ein Jahr alt, und ich sage, als Mutter von zwei Kindern meine ich, in Anspruch nehmen zu können, dass ich mit beiden Beinen im Leben stehe und auch weiß, wo––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Außerdem kann es ja auch nicht schaden, wenn Leute Bücher lesen, die auch von einem Karl Marx geschrieben sind. Ich finde, das gehört zur Allgemeinbildung dazu, dass man weiß, was auch in solchen Büchern steht. Das fand ich eben ziemlich platt von Ihnen!
Ich finde es sehr gut, dass wir uns hier bei dem Punkt einigen können, dass wir sagen, wenn Gewalt an Schulen auftritt, wenn Straftaten an Schulen auftreten, dann muss es rasche Konsequenzen geben, auch bei Übergriffen, und auch, dass die Lehrer das Gefühl haben, dass sie nicht wegschauen sollen, sondern dass sie handeln müssen. Ich sage aber, die Polizei kann die pädagogische Bearbeitung von Konflikten nicht leisten. Das ist doch Aufgabe der Lehrer, und das hat der Bildungssenator ja auch noch einmal ganz deutlich gesagt. Die Rolle der Polizei ist eine andere Rolle als die der Lehrer. Ich finde es richtig, dass die Schulen das thematisieren, aber dass die Lehrer auch ganz offensiv diese erzieherische Rolle annehmen und mit den Jugendlichen da in die Diskussion einsteigen und auch zur Debatte herausfordern: Warum passiert das, und was können wir dagegen tun?
Es muss von Anfang an einen Kodex geben, wenn die Kinder in die Schule kommen, dass man weiß: Was sind die Regeln, was darf man machen, was darf man nicht machen? Die Schule an der Bergiusstraße hat ganz eindrucksvoll in ihren Klassenräumen Klassenregeln hängen. Darin steht: Man darf sich nicht über Schwächere lustig machen, wenn jemand die deutsche Sprache nicht richtig beherrscht, muss man ihm helfen. Das sind Klassenregeln, die von den Jugendlichen und von den Kindern selbst erarbeitet worden sind. Ich finde, das ist ein sehr guter Ansatz, und wenn Schulen sich in dieser Richtung auf den Weg machen, muss man sie auch unterstützen.
Der Bildungssenator hat ganz richtig gesagt, die Schulen bekommen die Kinder, und ich erwarte auch von den Lehrern und von den Kollegien, dass sie die Kinder annehmen, egal, aus welchen Elternhäusern die Kinder kommen. Momentan ist aber zu beobachten, wenn Jugendliche Probleme machen, dass, wenn es zu Auseinandersetzungen und zu Gewalttaten kommt, sie der Schule fernbleiben, dass auch in den Kollegien die Tendenz besteht wegzuschau
en und die Jugendlichen dann auch auszugrenzen. Die Lehrer sind teilweise ja geradezu froh, wenn die Jugendlichen nicht mehr in den Unterricht kommen, und ich finde, auch das muss thematisiert werden, und da muss entgegengesteuert werden. Es ist wichtig, dass die Lehrer auch sagen, ich bin verantwortlich für jeden einzelnen Schüler in meiner Klasse, der mir anvertraut worden ist, und es muss auch ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden. Herr Lemke hat ja angesprochen, dass die Schulen, die das in den benachteiligten Gebieten machen – und ich denke, das macht auch ihre besondere Qualität aus –, nämlich nicht so ins Feld gehen, sondern offen gegenüber den Schülern sind und den Kindern auch das Gefühl geben, dass sie ernst genommen werden und dass es nicht nur mit Moral und übergestülpten Regeln geht. Die Schüler werden dort ganz konkret einbezogen in die Ausgestaltung des Schulalltags, sie werden gefragt, wie stellt ihr euch eure Schule vor, und die Schüler machen Vorschläge, und das wird auch dort umgesetzt. Herr Rohmeyer, Sie haben gesagt, Sie freuen sich, dass wir jetzt auch endlich diesen Ansatz sehen, dass man in der Familie früh anfangen soll, dass man dort auch gegensteuern soll. Das ist immer unsere Politik gewesen. Wir haben von Anfang an gesagt, Familien brauchen Unterstützung, wir haben hier in der letzten Legislaturperiode lange zum Thema Ächtung der Gewalt in der Erziehung debattiert, wir haben hier über Kinderrechte gesprochen. Ich erinnere Sie an die vielen Anträge, die ich hier eingebracht habe zum Thema Stärkung der Kindergärten, Verbesserung der Erzieherinnenausbildung und auch zur besseren personellen Ausstattung der Kindergärten und Grundschulen. Ich glaube, dass eine bessere Ausbildung, also auch eine Sensibilisierung gerade der pädagogischen Kräfte, egal ob jetzt in Kindergarten, Hauptschule und Realschule, wirklich auch ein Schlüssel sein kann, um dort Gewalt konsequent entgegenzutreten, indem das eben nicht tabuisiert wird. Ich sage noch einmal abschließend: Wenn sich fünf Prozent aller Schülerinnen und Schüler vorstellen können, ohne Grund gewalttätig zu agieren, gibt es einen Riesenauftrag an uns alle, und ich glaube, den nehmen wir auch alle so wahr. Konflikte lassen sich nicht vermeiden, aber ich denke, Gewalt lässt sich vermeiden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der letzte Beitrag des Bildungssenators hat mich dann doch noch einmal hier nach vorn geholt. Herr Senator, Sie haben es gemacht wie ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
so oft im ersten Teil: den bürgerlichen Part etwas vertreten und zum Schluss dann noch einmal versuchen, die eigene Fraktion einzufangen!
Das geht so nicht, Herr Senator Lemke, und ich will Ihnen auch noch einmal deutlich sagen: Es kann nicht ins Belieben einzelner Lehrer und es kann nicht ins Belieben einzelner Schulen gestellt werden, was Straftatbestände sind und was nicht. Das muss klar geregelt werden.
Es ist im Übrigen gesetzlich sowieso schon klar geregelt, nur, meine Damen und Herren, Herr Senator Lemke, ich erwarte von den Lehrerinnen und Lehrern, dass, wenn solche Verstöße auftreten, diese auch gemeldet werden und dass nicht in irgendwelchen pädagogischen Runden erst einmal debattiert wird, ob es dem Schüler zumutbar ist, dass das gemeldet wird oder nicht. Das ist dann Teil dessen, was wir in Deutschland auch Rechtswesen nennen und wo wir eigentlich ein ziemlich gut ausgebautes Verfahren haben. Das kann aber nicht ins Belieben einzelner Lehrerinnen und Lehrer gestellt werden, meine Damen und Herren!
Niedersachsen hat, und ich will noch einmal einzelne Punkte nennen, hier ganz klar einen Katalog aufgestellt: Straftaten gegen das Leben, Sexualdelikte, Raubdelikte, Körperverletzung, besonders schwere Fälle von Bedrohung, Sachbeschädigung, politisch motivierte Straftaten, Verstöße gegen das Waffengesetz, Einbruchdiebstähle, gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr und der Besitz, der Handel und die sonstige Weitergabe von Betäubungsmitteln!
Das ist für mich kein Belieben von Lehrerinnen und Lehrern, ob etwas gemeldet wird oder nicht, Herr Senator Lemke! Von daher bitte ich Sie noch einmal herzlich, sich das niedersächsische Modell anzuschauen, denn ich denke schon, dass auch das, was Sie im Sommer in den großen Schlagzeilen in einer großen überregionalen Tageszeitung in Deutschland verbreitet haben, hier hineinfällt, Herr Senator Lemke. Wir brauchen klare Richtlinien, wir brauchen auch Werte, und dazu gehört auch, dass die, die gegen diese Werte verstoßen, die, die sich ausgrenzen dadurch, dass sie Gewalt gegen andere verüben, erst einmal bestraft und dann entsprechend wieder resozialisiert werden. Der Justizsenator ist ja auch da, ich wäre gespannt, was er davon hält.
Meine Damen und Herren, ein ganz wichtiger Bereich ist in diesem Zusammenhang wirklich, dass wir die Lehrerinnen und Lehrer hier an Bord bekommen, und, was völlig untergegangen ist, auch bei Ihnen, Herr Senator, ist natürlich auch, dass Lehrer Opfer solcher Gewalt werden. Davon hat heute noch keiner geredet. Frau Böschen hat davon geredet, dass Lehrer verbale Gewalt gegen Schüler ausüben.
Dass Lehrer mittlerweile schon in der Grundschule Opfer von Gewalt sind, dürfen wir dabei auch nicht vergessen. Von daher dürfen wir sie nicht allein lassen, wir müssen ihnen solche Kriterien und solch einen Katalog an die Hand geben, damit ein Lehrer damit gar nicht mehr irgendwo allein steht, auch wenn über der Schule steht: „Herzlich willkommen“, Herr Senator. Das Phänomen des Schlechtseins in der Gesellschaft, das Phänomen der Gewalt werden wir auch durch solch ein Schild, fürchte ich, leider nicht verhindern können. – Vielen Dank!
Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und der CDU mit der DrucksachenNummer 16/53, Neufassung der Drucksache 16/37, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!