Protocol of the Session on March 23, 2006

Es werden immer weniger CDs verkauft, habe ich gelesen, aber da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen: Die bekommen die Schülerinnen und Schüler umsonst!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir sind kein Werbesender!)

Meine Damen und Herren, Sie schreiben in Ihrem Antrag zu Recht: „Junge Menschen unter 18 Jahren sind bereits mit einer Vielzahl wichtiger Entscheidungen konfrontiert und müssen auch dafür die Verantwortung tragen.“ Genau das ist der Punkt! Weil eben unsere Jugend die Zukunft unseres Landes ist und ein Recht auf Durchsetzung ihrer Interessen hat, nimmt die Jugendpolitik einen vorrangigen Stellenwert für die Deutsche Volksunion ein. Diese Tatsache erkennen immer mehr Jugendliche an. Daraus resultieren die steigenden Umfragerekordergebnisse für die Deutsche Volksunion unter Jugendlichen.

Meine Damen und Herren, durch eine unsoziale, asoziale Politik der Altparteien sind die Deutschen seit vielen Jahren das kinderärmste Volk. Es fehlt nur noch, dass der Vatikan uns übertrifft! Daraus können Sie erkennen, dass die Politiker der Altparteien nur sehr wenig Rücksicht auf die Sorgen und Interessen der Jugendlichen nehmen. Die Deutsche Volksunion tut das schon seit Jahren mit einem eigenen Jugendparteiprogramm, wie Sie sehen können, namens „Jung, deutsch, deutlich“. Nicht, dass Sie der Mein ng sind, ich würde Ihnen etwas suggerieren, das nicht stimmt!

(Abg. Frau W i e d e m e y e r [SPD]: Ist das erlaubt, Parteienwerbung?)

Ja, ich weiß, das nervt Sie! Das weiß ich! Ich weiß es ja!

(Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das ist hier kein Wahlkampfstand, Herr Tittmann!)

Nein, nein! Nein, da bin ich noch besser, da können Sie sicher sein!

Meine Damen und Herren, da ich der festen Überzeugung bin, dass dieser Dringlichkeitsantrag der Grünen aus den von mir eben genannten Gründen von der großen Koalition gleich abgelehnt wird, kann ich der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nur dringend empfehlen und raten: Anstatt das Wahlalter auf 16 Jahre herabsenken zu wollen, sollten Sie lieber dafür sorgen, dass unsere Jugendlichen endlich wieder einen ihnen zustehenden gesunden Nationalstolz zurückbekommen,

(Abg. Frau B e r k [SPD]: Ach Gott, wie furchtbar!)

anstatt in einem angewachsenen ewigen Sühne-undBuße-Gewand und mit dem Rückgrat eines Regenwurms umherlaufen zu müssen. Das wäre viel wichtiger als Ihr scheinheiliger Dringlichkeitsantrag!

Meine Damen und Herren vom Bündnis 90/Die Grünen, da Sie bei meiner Rede zu Kürzungen in Altenpflegeheimen über das traurige und grausame Schicksal älterer Menschen in Pflegeheimen schäbig gelacht haben –

(Widerspruch beim Bündnis 90/ Die Grünen)

nicht alle von Ihnen und Ihrer Fraktion, das muss ich fairerweise sagen, da waren auch Abgeordnete der anderen Parteien darunter –, stellt sich mir natürlich unweigerlich die Frage: Wenn schon maßgebliche parlamentarische politische Verantwortliche, quasi die Vorbilder einer Partei, über solche traurigen Schicksale lachen können, wie verdorben, charakterlos und kaputt muss man eigentlich sein und welche gewalttätige Putztruppenvergangenheit muss man eigentlich haben, um bei Ihnen in der Partei Bündnis 90/ Die Grünen Mitglied werden zu dürfen, um politische Verantwortung zu missbrauchen?

(Zurufe von der SPD und von der CDU)

Nach Ihrem Verhalten und Ihren Zwischenrufen müssen diese Voraussetzungen und Ansprüche bei Ihnen besonders hoch sein. – Ich danke Ihnen!

(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen: Nicht ein Satz zum Thema!)

Frau Hövelmann, regen Sie sich doch nicht auf!

(Zuruf von der SPD: Frau Hövelmann ist gar nicht da!)

Als Nächsten rufe ich auf den Abgeordneten Ehmke.

(Zuruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ihre Redezeit ist beendet, Herr Tittmann!

Herr Ehmke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, wir sollten zurück zur Sache kommen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nur so viel zu den Tiraden von Herrn Tittmann: Erstens ist es nachweislich falsch, dass sich das Wahlverhalten von Erstwählerinnen und Erstwählern im Alter von 16 Jahren – das kann man an den Kommunalwahlen nachvollziehen – eklatant vom Wahlverhalten der Achtzehnjährigen unterscheidet. Zweitens: Diese Rede hat wie viele andere gezeigt, dass es eine gemeinsame Aufgabe aller Demokraten sein muss, bei den Jungen wie bei den Alten dafür zu werben: Keine Stimme für die Nazis! Demokratisch wählen!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn wir uns der Frage des Wahlalters nähern, hat Herr Crueger schon ausgeführt, warum er glaubt, dass unsere Fraktionen diesen Antrag hier ablehnen werden. Es ist ja in Ordnung, das zu vermuten. Ich will es dann nur noch einmal für uns erklären: In der Tat, wir werden den Antrag ablehnen, allerdings, Herr Crueger, nicht, weil wir inhaltliche Bedenken hätten, auch nicht, weil wir rechtliche Bedenken haben, sondern weil der Koalitionsvertrag uns an dieser Stelle bindet. Wir haben dort kein Übereinkommen mit dem Koalitionspartner. Darum können wir heute nicht zustimmen. Wir hätten es in der Sache gern getan.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben bereits am Dienstag die Frage beraten: Warum wollen wir junge Menschen an demokratischen Entscheidungsprozessen mehr beteiligen? Wir haben gesagt, wir wollen sie einbeziehen. Wir haben gesagt, wir erreichen eine Stärkung des politischen Interesses nur durch politische Beteiligung, und wir haben gesagt, wir wollen dem Anliegen junger Menschen auch mit Stimmrecht eine Lobby geben.

Dieser Argumentation ist auch die CDU gefolgt. Das ist eine Neuerung und Weiterentwicklung, die wir auch begrüßen, und Herr Röwekamp hat bereits in der Debatte am Dienstag darauf hingewiesen, dass die CDU nun rechtliche Bedenken ins Feld führt, was die Senkung des Wahlalters auf Landesebene anbelangt. Wir finden es schade, dass das jetzt kommt, dass die CDU sich vor dem Hintergrund diesem Antrag verschließt, weil man natürlich in dem Ausschuss über ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

rechtliche Bedenken hätte reden können. Man hätte sich damit auseinander setzen können, denn wir glauben schon, dass wir in der Lage gewesen wären, den rechtlichen Bedenken der CDU entgegentreten zu können.

(Beifall bei der SPD)

Ich will das begründen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Gegner einer Senkung des Wahlalters führen häufig den Zusammenhang mit der vollen Strafrechtsmündigkeit und mit der Volljährigkeit ins Feld. Meine sehr verehrten Damen und Herren, meines Erachtens besteht nicht nur kein inhaltlicher und nicht nur kein rechtlicher Zusammenhang zwischen diesen beiden Gruppen, sondern er ist auch historisch nicht haltbar. Herr Crueger hat auf die Debatte der Senkung des Wahlalters hingewiesen. Die Debatte ist in den siebziger Jahren geführt worden. 1970 hat der Deutsche Bundestag durch Grundgesetzänderung das Wahlalter auf 18 Jahre gesenkt. Die Volljährigkeit, genauso wie die volle Strafmündigkeit, folgte erst 1975.

Fünf Jahre lang stand also die Republik sozusagen im verfassungsrechtlichen Notstand, weil das Wahlrecht und die Volljährigkeit voneinander entkoppelt worden sind. Da das nicht einleuchtend ist, weil es keinen verfassungsrechtlichen Notstand gab, da das damals offensichtlich rechtlich möglich war, gibt es überhaupt keinen Grund, davon auszugehen, warum heute eine Entkopplung von Volljährigkeit und Wahlalter nicht möglich sein soll.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Im Gegenteil kennt unser Rechtssystem verschiedene Altersgrenzen. Mit 14 Jahren werden wir religionsmündig, mit 16 Jahren haben wir die Testierfähigkeit und die Eidesfähigkeit erreicht, begleitetes Fahren mit 17, kleinere Fahrzeuge zum Teil schon mit 16, den Führerschein dann erst mit 18. Es gibt eine ganze Reihe von unterschiedlichen Altersgrenzen. Wir differenzieren bei jungen Menschen zwischen den Kindern bis 14 und den Jugendlichen von 14 bis 18 Jahren. Wir kennen also eine Vielzahl von verschiedenen rechtlichen Normen. Keine bindet das Wahlrecht an eine der jeweils anderen. Das Bundesverfassungsgericht hat das Gegenteil festgestellt genauso wie bei anderen Gesetzen.

Wir haben in Deutschland einen Wahlrechtsgrundsatz, und zwar den der allgemeinen Wahl. Wir haben die Verfassungsbestimmung einer Staatsfundamentalnorm in Artikel 20 des Grundgesetzes, dass alle Macht vom Volke ausgeht. Damit ist erst einmal geregelt, dass wir diese Staatsgewalt des Volkes in allgemeinen, freien und gleichen Wahlen ausüben müssen. Dann hat das Bundesverfassungsgericht weiter festgestellt, dass in der Tat aber eine Wahlalters

grenze zulässig und gegebenenfalls auch geboten ist, nämlich dann, wenn junge Menschen nicht die nötige Einsichtsfähigkeit besitzen, am Wahlakt teilzuhaben. Allerdings deutet das darauf hin, dass wir die Wahlaltersgrenze als eigenständige Altersbegrenzung auch eigenständig prüfen müssen.

Die Wahlaltersgrenze verleiht nicht nur den jungen Menschen ab 18 Jahren das Privileg, endlich auch wählen zu dürfen, nein, die Wahlaltersgrenze schließt die unter Achtzehnjährigen vom Wahlakt aus, und darum müssen wir begründen können, warum die unter Achtzehnjährigen nicht am Wahlakt teilnehmen können. Entwicklungspsychologisch gibt es keinen Hinweis darauf, warum Sechzehnjährige vom Wahlrecht ausgeschlossen werden sollten und warum man Sechzehnjährigen nicht das gleiche Recht zugestehen sollte wie Achtzehnjährigen. Alle Studien belegen: Die Sechzehn- und Siebzehnjährigen sind in der Lage, an Wahlen teilzunehmen. Darum müssten wir eigentlich den Schritt gehen und ihnen das Wahlrecht gewähren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Jetzt will ich nicht verhehlen: Die CDU hat sich einmal bewegt, und wir geben die Hoffnung nicht auf, denn vielleicht bewegt sie sich auch noch ein zweites Mal. Sollte sie es nicht tun, wird die Veränderung des Wahlrechts – der Druck wird bestehen bleiben – vermutlich anderen politischen Mehrheiten obliegen.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Winther.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihr Dringlichkeitsantrag, Herr Crueger, ist ein Schnellschuss, der sich daraus ergibt, dass wir vorgestern den Antrag „Wahlrecht für Sechzehnjährige in den Beiräten“ eingebracht haben

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Den haben wir schon 1999 einge- bracht!)

und Sie nun darauf in irgendeiner Form reagieren mussten. Außerdem ist Ihr Antrag in der Formulierung ungenau. Sie sagen in dem Antrag nicht, was Sie eigentlich konkret wollen. Sie haben das jetzt vielleicht in der Debatte getan, aber nicht im Antrag. Sie benennen dort nur, das Wahlalter zu senken, aber nicht für was: Für Landtagswahlen, für Kommunalwahlen, für beides, oder wie meinen Sie das?

(Glocke)

Frau Kollegin, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Kollegen Crueger entgegenzunehmen?

Ja, bitte!

Bitte, Herr Crueger!