schen Bestreben, den Wettbewerbsföderalismus in Deutschland stärker auszubauen, als Schritt, dem näher zu treten. Im Jahr 2002 folgte dann die Erklärung der Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage und 2003 der Konvent in Lübeck, in dem die Forderung der Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage erhoben wurde, die Bedeutung der Landtage im Föderalismus zu erhöhen. Problemanalyse war, dass ein so großer Teil von Gesetzen, die in den Landtagen verabschiedet werden, letztendlich EURecht nachvollzieht und dass fast der ganze Rest im Bundesrat über die Ministerpräsidenten geregelt wird und es auf diese Art und Weise zu einer Entmachtung der Landtage kommt, die auch, das sehe ich selbst heute noch so, verfassungswidrige Ausmaße annimmt.
Damals haben wir uns vorgenommen, mittlerweile ist es ja umgesetzt, dass es auch bei uns in Bremen zu einer Verfassungsänderung kommen soll. Ich habe gehört, dass gerade daran gearbeitet wird, wie die Regularien verändert werden sollen, wie in Zukunft die Bremische Bürgerschaft mehr Mitbestimmungsrechte bei der Frage hat, wie sich der Senat auf EUEbene und im Bundesrat verhält.
Nachdem die Föderalismuskommission getagt hat, vor allen Dingen die Vertreter der großen Länder, ist es dann kurz vor der Bundestagswahl zu einem Scheitern der bis dahin von Herrn Stoiber und Herrn Müntefering ausgehandelten Paketlösung gekommen. Meiner Meinung nach war es so, dass die Akteure vielleicht im Hinblick auf die Bundestagswahl, aber letztendlich vor allem in der Bildungsfrage dann doch der Mut verlassen hat. Jetzt soll ein neuer Anlauf gemacht werden, das identische, damals schon gescheiterte Paket wieder neu auf die Agenda zu setzen und in fast unveränderter Form jetzt vor dem Hintergrund der großen Koalition, die auf Bundesebene regiert, durchzusetzen.
Jetzt hat der Senat in einer Regierungserklärung, die sich im Wesentlichen auf zutreffende und von den Grünen geteilte Sachverhaltsbeschreibungen erstreckt, Begründungen abgegeben, warum wir im Bundesrat diesem Gesetzesvorhaben, dieser Föderalismusreform zustimmen sollen, und in einem letzten kleinen Teil seiner Rede hat Bürgermeister Böhrnsen sich dazu geäußert, wie die weitere Strategie Bremens sein soll, die letztendlich auf einer Zustimmung zur ersten Stufe der Föderalismusreform aufsetzen soll.
Meine Damen und Herren, Ihnen liegt ein Antrag der Grünen vor, der Sie auffordert, hier in diesem Parlament heute Nein zu sagen zu der Föderalismusreform, wie sie heute vorliegt, und zu all den Problembereichen, die Bürgermeister Böhrnsen hier zutreffend festgeschrieben hat, und ich werde im Folgenden auch begründen, warum.
Ich lade hier einmal zu einem Praxistest ein, damit Sie in die Lage versetzt werden, sich mit mir ge
meinsam zusammen vorzustellen, was aus den einzelnen Regelungen, die jetzt kritisiert werden – es gibt auch eine Reihe, die die Grünen teilen, das werde ich am Ende der Rede noch einmal sagen –, und in diesen einzelnen Bereichen jetzt letztendlich in den nächsten Jahren passieren wird.
Ich fange mit dem Bereich an, der für die Grünen am schwierigsten, problematischsten und ärgerlichsten ist, nämlich dem Bereich der Bildung, der in Zukunft ausschließlich reine Sache der Länder sein wird. Wenn Sie sich heute anschauen, wie der UNBeauftragte Muñoz das deutsche Bildungswesen beurteilt, wenn Sie sich überlegen, was der Pisa-Schock bewirkt hat, und dann überlegen, dass es in Zukunft keine Bundesprogramme mehr für die Verbesserung der Bedingungen in Ganztagsschulen geben soll, keine Modellversuche für die Verbesserung der Lage von Migrantenkindern, keine Programme für eine bessere Schulspeisung oder auch keine Investitionen, um vielleicht einmal die Turnhallen zu verbessern, weil man sich überlegt, dass es im deutschen Interesse ist, dass die Kinder sich regelmäßig bewegen können, oder Modellprogramme zur Verbesserung des Unterrichts, nichts mehr darf es davon auf Bundesebene geben. Das ist so. Das haben die Länder gewollt. Wer kann so etwas eigentlich wirklich wollen?
In keinem anderen europäischen Land außer Österreich ist man einen solchen Weg der Kleinstaaterei im Bildungswesen gegangen. Letztendlich werden es doch die Kinder und die Jugendlichen in Deutschland ausbaden müssen. Diese Regelung allein ist Grund genug, das ganze Reformpaket abzulehnen. Diese Strategie trägt den Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, in keiner Art und Weise Rechnung. Sie ist rückwärtsgewandt und armselig. Entweder ist denjenigen, die das vereinbart haben, immer noch nicht klar gewesen, was das Bildungsund Wissenschaftsthema für Deutschland bedeutet, oder, und das ist mindestens genauso schlimm, die reichen Bundesländer haben die weniger reichen schlicht und einfach über den Tisch gezogen, weil sie die Folgen dieser unsinnigen Entscheidung in ihren eigenen Bundesländern werden abfedern können.
Ich halte fest: Diese Vereinbarung zur Kleinstaaterei im Bildungswesen ist weder im Interesse der Menschen in ganz Deutschland noch im Interesse Bremens noch im Interesse des Standorts Deutschland.
Hochschulfinanzierung und Forschungsförderung! Ist Ihnen eigentlich entgangen, dass es heute schon massive Wettbewerbsnachteile der nördlichen Universitäten im Bundesvergleich gibt? Wissen Sie eigentlich, wie wichtig es ist, einen integrierten For
schungsstandort in Deutschland hinzubekommen, wo sich Universitäten miteinander absprechen, wo man über Bundesprogramme, Bundesförderprogramme und Investitionsprogramme zielgenaue Ausrichtungen der Universitäten und Hochschulen hinbekommt? Ist es Ihnen eigentlich entgangen, dass man in modernen Zeiten mehr Kooperation und Durchlässigkeit, halten zu Gnaden, über die Grenzen von Bundesländern hinaus braucht? Die EU-Finanzierung – der Haushalts- und Finanzausschuss war ja gerade in Brüssel und hat sich das angeschaut – in dem Bereich wollen wir gern nehmen, aber das Geld der eigenen Bundesregierung wollen wir nicht mehr, und das wollen wir jetzt auch noch beschließen und als Fortschritt verkaufen? Das kann ja wohl nicht wahr sein!
Auch hier dient der Rückfall in die Kleinstaaterei nur und ausschließlich den finanziell besser gestellten südlichen Bundesländern. Sie werden jetzt einwenden, bis 2013 ist die Hochschulbauförderungsfinanzierung festgeschrieben, ja, und Bremen macht da auch einen vergleichsweise guten Schnitt. Ich sage Ihnen aber, den CT IV finanzieren Sie locker bis 2047, ohne dass Sie da größere Bedenken irgendwelcher Art gezeigt haben, aber bei der Hochschulbauförderung wollen Sie nicht weiterdenken als bis zum Jahr 2013. Schon einigermaßen armselig, da hört das Denken ab 2014 auf!
Sie wissen ganz genau, es ist nicht abzusehen, dass wir im Jahr 2014 in einer Finanzlage sind, in der wir so locker das an Hochschulbauförderung finanzieren können, was uns da jetzt entgeht. Auch diese Regelung ist nicht im Interesse Bremens und nicht im Interesse Deutschlands. Das Umweltrecht! Wollen Sie wirklich unter Druck geraten, im Bereich Wasserrecht oder Naturschutz die Standards zu senken nach dem Motto, diesen übertriebenen Umweltschutz können wir uns nicht mehr leisten? Dann dient jeder, der den Standard senkt – das kennen wir im Sozialbereich, davon kann ich lange ein Lied singen – und diesen Dumpingwettbewerb beginnt, auch noch als Vorbild für eine neue Dumpingrunde. Wirtschaftsminister Glos, auf den berufe ich mich eigentlich nicht so oft, spricht von sich ständig widersprechenden gesetzlichen Regelungen, die zu erheblichen Hemmnissen für die deutsche Wirtschaft führen. Recht hat er! Man darf das nicht machen, es ist ökologisch nicht sinnvoll, und es ist wirtschaftspolitisch nicht sinnvoll. Was sollen denn die Firmen von einem Standort denken, an dem man sich von Bundesland zu Bundesland neu informieren muss, was gerade im Umwelt- und Naturschutzrecht angesagt ist?
Sehen Sie sich doch einmal an, was im Moment im Bereich der Vogelgrippe geschieht! Ist es nicht eine Posse? Ist es nicht in Wirklichkeit so, dass man den Föderalismus stärkt, indem man eben auch seine Grenzen erkennt? Ist das nicht gerade ein Beispiel dafür, dass man bestimmte Probleme einvernehmlich und im Konsens beschließen muss, dass sie sinnvollerweise nur der Bund lösen kann im Interesse eines einheitlichen Standorts?
Im Bereich Umwelt- und Naturschutzrecht sollen Regelungen beschlossen werden, die Bremen nicht dienen und auch Deutschland nicht dienen.
Zu dem Heimrecht gab es eine sehr nachdenkliche Passage in der Regierungserklärung von Bürgermeister Böhrnsen. Ich werde das hier bestimmt nicht besser machen können, aber man muss sich noch einmal vor Augen führen, dass es beim Heimrecht um eine Personengruppe geht, die besonders schützenswürdig ist. Diese wollen wir jetzt wirklich in einem Experiment Deregulierung in verschiedenen Gebietskörperschaften aussetzen? Ist das wirklich Ihr Ernst, haben Sie sich das eigentlich überlegt, mit welcher Personengruppe wir es da zu tun haben? Ich fürchte, nicht! Auch hier soll eine Regelung kommen, die nicht im Interesse Deutschlands ist und nicht im Interesse Bremens.
Auch beim Strafvollzug sehe ich es so, dass Bürgermeister Böhrnsen das zutreffend beschrieben hat. Es geht auch neben all dem um Menschenrechte für Gefangene. Ich möchte nicht, dass überall in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen im Strafvollzug gelten, zum Beispiel bei den disziplinarischen Maßnahmen, bei der Frage, wie man die Eingewöhnung in ein Leben in Freiheit machen will. Letztendlich sind dann nur die Gerichte diejenigen, die die Standards festsetzen. Das ist ein Armutszeugnis für uns als Gesetzgeber. Das darf man nicht zulassen. Auch hier ist die Regelung nicht im Interesse Bremens und nicht im Interesse Deutschlands.
Das Beamtenrecht! Für die Grünen ist das klar. Wir möchten gern, dass Beamte nur in den wirklich notwendigen Kernbereichen hoheitlicher Aufgaben eingesetzt werden. Da ist das Beamtenrecht sinnvoll, darüber hinaus nicht. Die Grünen sind der Auffassung, dass man möglichst weniger Beamte brauchen soll, aber jetzt kommt es dazu, dass das Laufbahnund das Vergütungsrecht Sache der Länder werden.
Bis in die siebziger Jahre hat es diese Regelung gegeben, sie ist als rückschrittlich erkannt worden. Da hat man gesagt, es ist nicht sinnvoll, einen Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen anzulegen, weil wir ein moderner Industriestandort sind und weil es wichtig ist, dass Menschen sich bewegen können, sie müssen von Gebietskörperschaft zu Gebietskörperschaft umziehen können. Wir können die Kompeten
Jetzt wird es so kommen, dass wir nolens volens in den nächsten Jahren gezwungen werden, unsere Beamten schlechter zu bezahlen und an deren Alterssicherung stärker heranzugehen als in den reichen Bundesländern. Letztendlich ist es so, die Strategie der südlichen Bundesländer, dem Norden die Eliten abzugraben, findet in der Veränderung des Beamtenrechts einen ganz besonders üblen Ausdruck, und Bremen will das mitmachen.
Man muss sich einmal überlegen, wie viel neue Bürokratie das überhaupt gebären wird, wenn man sich jetzt für jeden einzelnen die Beamtenlaufbahn und Dienstrechtsprobleme neu überlegen muss! Auch diese Regelungen sind weder im Interesse Bremens noch im Interesse Deutschlands.
Als letzten Punkt möchte ich gern eingehen auf die Strafzahlungen wegen der Maastricht-Kriterien! Die Länder sollen in Zukunft 35 Prozent der Strafzahlungen übernehmen, zu denen Deutschland verpflichtet wird. Wie groß ist eigentlich der Bremer Anteil daran? Wir können doch gar nicht, und das wissen wir hier doch auch alle! Die Ausnahme, die geplant ist, nämlich dass die Bundesländer, die es nicht können, eine Stundung bekommen: Wenn der CT IV 2047 vielleicht abgezahlt ist, dann machen wir uns daran, an diese Dinge heranzugehen und sie abzufinanzieren. Das ist doch einfach unsinnig, Bundesländer, die es gar nicht können, mit in diese Regelung einzubeziehen!
Es bleibt die Frage, und da kann sich die gesamte politische Klasse in Deutschland, glaube ich, an ihre Nase fassen: Wie konnte es eigentlich passieren, dass man jetzt ein Paket hat mit großen Beschwörungen, dass man dem unbedingt zustimmen soll? Wenn man es sich ansieht, merkt man, dass es in vielen Punkten total problematisch ist. Es ist den südlichen reichen Bundesländern möglicherweise gelungen, eine so kaschierte Form des Wettbewerbsföderalismus einzuführen, dass man es gar nicht mehr sagen muss, sondern dass man einfach nur die nächsten zehn, 15, 20 Jahre abwarten kann, und die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland ist noch weiter gestiegen. Wie konnte das eigentlich passieren?
lich klare Meinung. Der ehemalige Bürgermeister Scherf und Staatsrat Hoffmann haben ohne jedes Bewusstsein für die reale Lage und Stellung Bremens in der föderalen Ordnung – Sozialdemokraten würden vielleicht sagen, ohne Klassenbewusstsein – agiert und haben sich von den reichen südlichen Bundesländern in einer Art und Weise über den Tisch ziehen lassen, dass man sich nur schämen kann!
Es ist nicht alles schlecht in dieser Reform, das will ich als Letztes sagen, ehe Sie mich hier des Miserabilismus bezichtigen, aber die Möglichkeiten, die in der reinen, einfachen Veränderung von Artikel 84 Absatz 1 Grundgesetz stehen, in dem man nämlich den Ländern nicht überall Mitbestimmungsmöglichkeiten gibt, wenn es sich bloß um Verfahrensregelungen handelt, würden ein Drittel aller zustimmungspflichtigen Gesetze im Bundesrat eliminieren, und man hätte da viel Schweiß und Tränen gespart und könnte die Zeit dafür verwenden, vernünftige und tragfähige Reformen zu machen. Es ist auch in Ordnung, das Gaststättenrecht oder den Ladenschluss auf die Länder zu übertragen, das ist alles nicht der Punkt.
Nun zu dem Paket, das man angeblich nicht mehr aufschnüren kann und das unbedingt so beschlossen werden muss! Aus Sicht der reichen südlichen Länder ist das klar, aus Sicht des schwarzen Teils der Bundesregierung verstehe ich das auch. Der Süden wird, wenn man anfängt, daran herumzuschnüren und endlich Vernunft und Verstand walten zu lassen, weniger Wettbewerbsföderalismus bekommen, als er heute in dem Paket hat. Auch die Position von Vizekanzler Müntefering kann ich nachvollziehen, für ihn steht sein Verhandlungsergebnis auf dem Spiel. Außerdem wird beschworen, es würde ein ganz schlechtes Licht auf Deutschland werfen, wenn es jetzt nicht zu diesem großen Reformvorhaben kommen würde.
Das alles sind keine Argumente! Bremen schadet das Paket mehr, als dass es nützt, und Deutschland auch. Deshalb muss man das auch sagen, man darf nicht mit taktischen Finessen an diese Sache herangehen, sondern man muss mit inhaltlichen Begründungen daran gehen, was wir davon gebrauchen können: Was hilft uns hier und was nicht?
Alle taktischen Erwägungen, die jetzt angestellt wurden – die des Bürgermeisters habe ich sehr wohl verstanden –, können die Nachteile für Bremen nicht aufwiegen. Wir machen dieses Reformpaket nicht zur Ehrenrettung der politischen Klasse, weil es nicht angehen kann, dass man sich gemeinsam seit 1999 um etwas bemüht, das sich dann letztendlich als ziemlicher Murks herausstellt, entweder jetzt oder später. Wir machen das auch nicht, um die Bedeutung
der Länderfürsten zu erhöhen oder die der Länderparlamente, jedenfalls nicht dann, wenn es nicht sinnvoll ist.
Bürgermeister Böhrnsen sagt in seiner Rede, es sei staatspolitisch sinnvoll und notwendig als Symbol für Reformfähigkeit. Das reicht mir aber nicht als Begründung, dass man bereit ist, so weitgehende Nachteile für Bremen in Kauf zu nehmen!
Ich sage Ihnen: In meinem politischen Leben habe ich es noch nicht erlebt, dass Wohlverhalten und angepasstes Verhalten zu irgendwelchen positiven Ergebnissen führt! Ich habe aber erlebt, dass man dann, wenn man kämpft und Argumente hat, weiterkommt.
Was war denn mit Radio Bremen? Hat uns der Verzicht auf 60 Millionen Euro wirklich etwas gebracht? In Wirklichkeit hat dieser Kompromiss, der damals schon begründet wurde mit übergeordneten staatspolitischen Überlegungen, Radio Bremen massiv geschadet. Vorteile gab es dafür nicht.