Protocol of the Session on February 22, 2006

Dann kommen wir zur achten Anfrage. Sie trägt die Überschrift „Rotgrüne Steuerpolitik erzeugt Stau im Finanzamt“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Pflugradt, Perschau und Fraktion der CDU.

Bitte, Herr Abgeordneter Pflugradt!

Wir fragen den Senat:

Trifft es auch für die Finanzämter im Land Bremen zu, dass es für viele Steuerzahler in 2006 – wie jüngst den Medien zu entnehmen – zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen bei den Steuerrückerstattungen für das Jahr 2005 kommen kann, weil in Deutschland 1,3 Millionen Senioren erstmalig eine Steuererklärung abgeben müssen?

Wie viele Rentner sind im Bundesland Bremen von dieser neuen, unter der rot-grünen Bundesregierung beschlossenen Reform betroffen?

Was wird der Senat zu dieser Problematik unternehmen, damit es im Bundesland Bremen nicht zu solch langen Wartezeiten bei den Finanzämtern kommt?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Senator Dr. Nußbaum.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage eins: Es trifft zu, dass nach Schätzungen des Bundesfinanzministeriums aufgrund des Inkrafttretens des Alterseinkünftegesetzes zum 1. Januar 2005 im Jahr 2006 etwa 1,3 Millionen Senioren erstmalig eine Steuererklärung abgeben müssen. Das Alterseinkünftegesetz ist mit der Zustimmung des Bundesrates beschlossen worden. Die Notwendigkeit

einer Besteuerung der Renten aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist dabei auch von den CDU-geführten Bundesländern nicht bestritten worden.

Die Neubesteuerung der Renten führt auch im Bundesland Bremen zu einer Mehrbelastung der Finanzämter. Allerdings ist diese Mehrbelastung in Relation zur Gesamtzahl der zu bearbeitenden Einkommens- und Lohnsteuererklärungen – rund 191 000 – nicht von einem solchen Gewicht, dass für viele Steuerzahler mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen bei den Steuerrückerstattungen für das Jahr 2005 zu rechnen ist.

Zu Frage zwei: Im Bundesland Bremen sind rund 13 000 Rentner betroffen. Die von den Rentnern erstmalig abzugebenden Steuererklärungen bedeuten eine Zunahme der Gesamtfallzahl von knapp sieben Prozent.

Zu Frage drei: Der Senat geht davon aus, dass die genannte Mehrbelastung durch weitere Rationalisierungsanstrengungen der Finanzämter jedenfalls zu einem Teil aufgefangen werden kann. Dem erhöhten Informationsbedarf der neu zu veranlagenden Rentner soll durch eine zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit des Senators für Finanzen begegnet werden. Es sind bereits mehrere öffentliche Informationsveranstaltungen zu der Thematik durchgeführt worden, ferner können über die Internetseiten des Senators für Finanzen weitere Informationen abgerufen werden. Diese werden auch in den Publikumsstellen der Finanzämter zur Verfügung gestellt. – Soweit die Antwort des Senats!

Haben Sie eine Zusatzfrage? Dann eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schwarz! – Bitte sehr!

In der Antwort heißt es ja, dass eine Mehrbelastung für die Finanzämter verbleibt trotz der geplanten Rationalisierungsanstrengungen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, diese Mehrbelastungen aufzufangen?

Bitte, Herr Senator!

Wir gehen davon aus, dass wir diese hausintern aussteuern können. Wir gehen auch davon aus, dass es mit weiteren Steuergesetzänderungen, beispielsweise Wegfall der Eigenheimzulage, auch zu gewissen Entlastungen kommt. Wir erwarten auch nicht, dass wir es hier mit einer Blockanmeldung zu tun haben werden, sondern dass sich diese zusätzliche Belastung auch über das Jahr verteilt. Wir sind also so aufgestellt, dass wir meinen, damit umgehen zu können.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Wie bewerten Sie die Untersuchungen verschiedener Rechnungshöfe beim Bund, in Baden-Württemberg und auch in Bremen, die sich sehr eindeutig mit der Frage der Personalausstattung im Hinblick auf mögliche Steuereinnahmen beschäftigen? Ich möchte noch darauf hinweisen, und ich denke, Sie teilen diese Meinung: Steuereinnahmen haben keinen Selbstzweck, sondern Steuereinnahmen finanzieren in Bremen zum Beispiel Feuerwehr, Polizei und Lehrer. In diesen Rechnungshofberichten heißt es ja: zu wenig Personal, zu wenig Steuereinnahmen. Wie bewerten Sie diese Untersuchungen, und welche Folgerung ziehen Sie daraus?

Bitte, Herr Senator!

Wir in Bremen wie auch die anderen Bundesländer wissen ja ziemlich genau über unsere Stellenausstattung Bescheid. Die Stellenausstattung in Bremen ist etwas unter dem Durchschnitt, aber wir können hier in Bremen auch nachweislich von Prüfungen und auch von Untersuchungen der anderen Bundesländer eben nicht feststellen, dass eine unmittelbare Korrelation zwischen Stellenausstattung und Output, also sprich Anzahl der Betriebsprüfungen und Mehrergebnissen et cetera besteht. Natürlich wird auch deutlich, dass wir das Personal in dem Zusammenhang sehr stark fordern. Zum Glück haben wir sehr gute und motivierte Mitarbeiter. Wir sind ja auch in Diskussionen mit den finanzpolitischen Sprechern über die Situation in den Ämtern. Gleichwohl möchte ich an dieser Stelle schon noch einmal betonen, dass es diese direkte Korrelation aus meiner Sicht so nicht gibt.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich beziehe jetzt meine Frage eigentlich hauptsächlich auf den Innendienst, nicht auf den Betriebsprüfungsdienst. Die Untersuchungen der Rechnungshöfe beziehen sich auch auf den Innendienst. Es gibt Untersuchungen in verschiedenen Finanzämtern, auch außerhalb Bremens, die nachweisen, dass zu wenig Personal zu Mindereinnahmen führt. Mehr Personal würde zu Steuermehreinnahmen führen. Ich wiederhole: Mir ist das besonders wichtig, weil diese Mehreinnahmen ja gerade in Bremen die Bereiche finanzieren könnten, die uns wichtig erscheinen, ich wiederhole noch einmal: Feuerwehr, Polizei und Lehrer! Ich beziehe mich auf den Innendienst.

Bitte, Herr Senator!

Ich sagte Ihnen ja schon, Steuereinnahmen sind natürlich auch im Interesse des Finanzsenators, aber es gibt nicht diese unmittelbare Korrelation, die Sie hier aufzeigen. Wir sind bei dem

Aufkommen bei der Abarbeitung unserer Steuererklärungen und bei der Durchführung des Steuervollzugs, auch für den Bund, im oberen Drittel. Das wird ja auch von den anderen Ländern sehr genau beobachtet, und insofern sind wir da im allgemeinen Trend. Ich gebe zu, man kann das sicherlich verbessern, aber nochmals: Diese Rechnung, die ja sehr oft gemacht wird, dass ein zusätzlicher Prüfer oder ein zusätzlicher Mitarbeiter gleich zu mehr Steuereinnahmen führt und man das direkt proportional hochrechnen kann, kann ich so nicht nachvollziehen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Wäre es möglich, dass Sie das im Dialogverfahren noch weiter vertiefen?

Bitte, Herr Senator!

Ja, das würde ich gern. Deswegen sind wir ja auch im Gespräch mit den finanzpolitischen Sprechern hier im Haus, und wir werden ja noch die Haushaltsberatungen vor uns haben.

Die neunte Anfrage befasst sich mit dem Thema „Opferrechtsreformgesetz“. Die Anfrage trägt die Unterschriften der Abgeordneten Knäpper, Frau Winther, Herderhorst, Perschau und Fraktion der CDU.

Bitte, Herr Knäpper!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Welche Maßnahmen hat der Senat ergriffen, um die Umsetzung des Opferrechtsreformgesetzes auf Landesebene zu gewährleisten?

Zweitens: Werden Opfer bereits im Ermittlungsverfahren über ihre Rechte informiert und wenn ja, in welcher Form?

Drittens: Inwieweit gibt es im Land Bremen bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft Zuständigkeiten für Opfer von Sexualdelikten sowie für Opfer häuslicher Gewalt?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Bürgermeister Böhrnsen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu erstens: Das am 1. September 2004 in Kraft getretene Opferrechtsreformgesetz bewirkt deutliche Verbesserungen für die Opferzeugen im Strafprozess. Schon vor diesem Zeitpunkt haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Justizvollzug in Bremen und Bremerhaven zahlreiche Maßnahmen des Opferschut

zes umgesetzt. So informiert die Justizvollzugsanstalt Bremen schon seit Jahren in bestimmten Fällen die zuständige Polizeidienststelle über bevorstehende Vollzugslockerungen und Haftentlassungen. Nach dem Opferrechtsreformgesetz hat der Verletzte einer Straftat unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch, von der Staatsanwaltschaft zu erfahren, ob der Verurteilte, gegen den eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird, Vollzugslockerungen oder Hafturlaub erhält. Auf Veranlassung des Senators für Justiz und Verfassung haben die Vollzugseinrichtungen ein Verfahren entwickelt, das den erforderlichen Informationsfluss an die Staatsanwaltschaft sicherstellt. Zu zweitens: Die Opfer von Straftaten werden bereits im Ermittlungsverfahren über ihre Rechte informiert. Ihnen wird das bundeseinheitliche „Merkblatt über Rechte von Verletzten und Geschädigten im Strafverfahren“ ausgehändigt. Zu drittens: Die Polizei hat in Bremen und Bremerhaven Fachkommissariate eingerichtet, die für die Verfolgung von Sexualstraftaten zuständig sind. Bei der Staatsanwaltschaft bestehen spezielle Zuständigkeiten für die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren wegen Sexualdelikten und in Fällen von häuslicher Gewalt. Darüber hinaus hat die Polizei Stalking-Beauftragte bestellt. Die Staatsanwaltschaft hat Sonderdezernate für die Bearbeitung von Stalking-Fällen geschaffen. Die beschriebenen Spezialzuständigkeiten bei Polizei und Staatsanwaltschaft tragen den Opferbelangen in besonderer Weise Rechnung. Nicht zuletzt vermitteln deren Mitarbeiter den Kontakt zu den Opferhilfeeinrichtungen, damit den Opfern von Straftaten die im Einzelfall benötigte Hilfe zuteil wird.

Herr Abgeordneter Knäpper, haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Bürgermeister, die Neuregelung ermöglicht natürlich auch noch andere Dinge, darum habe ich noch eine Nachfrage zu Entscheidungen der Strafgerichte für Verurteilung des schuldigen Täters auf Zahlung von Schmerzensgeld für das Opfer, dass das erzwungen werden kann, und zwar gemäß Paragraph 406 Absatz 1 Satz 5 Strafprozessordnung. Es war zwar auch vorher schon möglich, im Adhäsionsverfahren gleichzeitig auch Schmerzensgeld zu beantragen, das ist aber meistens bei den Strafgerichten abgelehnt worden, und zwar aufgrund dessen, dass der Prozess dadurch verzögert wurde. Danach dürfen Anträge jetzt auf Verurteilung des Angeklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld an das Opfer nicht zurückgewiesen werden, dass der Antrag sich nicht zur Erledigung im Strafverfahren eignet, weil seine Prüfung erheblich verzögern würde. Ist dem Senat bekannt, dass Beschwerden gegen ablehnende Beschlüsse vorliegen?

Bitte, Herr Bürgermeister!

Darf ich zunächst einmal sagen, Sie haben einen durchaus wichtigen Teil der Verbesserung im Opferrecht herausgegriffen. Das ist das Adhäsionsverfahren, also mit anderen Worten: Die Möglichkeit des Verletzten, vom Angeklagten gleich im Strafverfahren Ersatz für den durch die Straftat entstandenen Schaden zu verlangen und durchzusetzen, ist durch das Opferrechtsreformgesetz verbessert. Was Sie ansprechen, ist mir im Moment nicht bekannt, aber wenn es Bedarf gibt, darüber zu reden und dem nachzugehen, dann will ich das gern tun.

Ich möchte Ihre Nachfrage aber zum Anlass nehmen, darauf hinzuweisen, dass es eine große Zahl von Verbesserungen gibt, das von Ihnen Genannte gehört dazu. Die Belastung für das Opfer durch das Strafverfahren soll aber so gering wie möglich ausfallen. Das ist der Kerngedanke dieses Gesetzes. Die mehrfache Vernehmung von Opfern, zum Beispiel von Sexualstraftaten, soll verhindert werden. Die Voraussetzungen, unter denen die Vernehmung von Zeugen in der Hauptverhandlung per Videostandleitung zulässig ist, werden erleichtert. Über Mehrfachvernehmungen habe ich schon gesprochen. Die Rechte der Opfer werden gestärkt. Die Möglichkeiten, einen Opferanwalt gestellt zu bekommen, werden verbessert, und viele andere Dinge sind dabei.

Ich denke, Herr Abgeordneter Knäpper, wir müssen insgesamt dafür sorgen, dass dieser Zuwachs an Rechten und der Schutz für die Opfer ganz breit bekannt werden, dass auch die Opfer selbstbewusst davon Gebrauch machen können und natürlich auch alle – die Gerichte, Rechtsanwälte, Staatsanwaltschaft, Polizei – wirklich mit diesem Gesetz leben und mit dem Ziel dieses Gesetzes leben, das Opfer nicht durch ein Strafverfahren noch mehr zu belasten, sondern die Belastung eben so gering wie möglich zu halten. Das muss unser gemeinsames Interesse sein.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

(Abg. K n ä p p e r [CDU]: Nein, besten Dank für die ausführliche Beantwortung!)

Die zehnte Anfrage steht unter dem Betreff „Anwendung von Sondervoten und Stellungnahmen der Frauenbeauftragten in Berufungskommissionen an Hochschulen im Lande Bremen“. Die Anfrage ist unterzeichnet von den Abgeordneten Frau Tuczek, Frau Dr. Spieß, Perschau und Fraktion der CDU.

Bitte schön, Frau Abgeordnete Tuczek!

Wir fragen den Senat: