Protocol of the Session on October 13, 2005

Wenn dieses Gesetz dazu führt, dass die Lehrer die Schüler auch schon in der zwölften und dreizehnten Klasse darauf hinweisen, wo sie ihren Studienschwerpunkt setzen und das Studium nicht völlig beliebig angegangen wird, das wäre ein großer Vorteil dieses Gesetzes. Die Studierenden könnten früher zu einem Abschluss kommen und müssten nicht mitten im Studium wechseln. Meistens ist es leider nicht einmal nach dem ersten oder zweiten Semester, manchmal wechseln die Studenten nach dem achten oder zehnten Semester das Studium. Das ist dann ganz besonders bedauerlich – übrigens nicht nur für jeden Einzelnen, sondern für die ganze Gesellschaft –, denn dies wird von allen Steuerzahlerinnen und -zahlern bezahlt, und die haben ein Interesse daran, dass wir als Regierung darauf achten, dass sie gezielt studieren, dass sie so schnell wie möglich mit ihrem Studium, so erfolgreich wie möglich auch von der Qualität her, fertig werden. Das sehe ich jedenfalls als einen Auftrag der Regierung an.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass dieses Gesetz, das kein Studiengebührengesetz, sondern

für mich fast ein Studiengebührenbefreiungsgesetz ist, weil wir jedem sagen, der hier seinen Wohnsitz nimmt, kommt nach Bremen, ihr bekommt 14 Semester die Möglichkeit, hier frei zu studieren, ein guter Ansatz ist. Ich finde, Frau Schön, das könnten Sie in Ihrer Rede auch sagen. Natürlich kann man sagen, das ist alles schlecht, und das ist Abzocke, aber das ist nicht die Wahrheit, und die Bevölkerung weiß das auch, denn in anderen Ländern geht man völlig anders vor, und ich bin froh, wenn wir diese Studiengebührenbefreiung den Studierenden im Lande Bremen so lange wie möglich anbieten können.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben darauf hingewiesen, dass es verfassungsrechtliche Bedenken gibt. Das ist richtig, das bezweifle ich nicht. Wir haben das sehr sorgfältig prüfen lassen. Wir können diese Bedenken nicht vollständig ausräumen, aber wir können Ihnen sagen, dass wir darauf reagiert haben. Ursprünglich sind wir von einer Region ausgegangen, weil es eigentlich politisch sinnvoll gewesen wäre. Wir dürfen nicht isoliert denken, hier sind Bremen und Bremerhaven, und dann gibt es ein Umland, das nichts mit uns zu tun hat. Das ist grundsätzlich falsch.

Weil wir aber genau diese verfassungsrechtlichen Bedenken widergespiegelt bekommen haben aus der Situation in Hamburg, die das ganz anders geregelt haben – dagegen ist geklagt worden, das Ergebnis steht noch nicht fest, nur dass das klar ist, das ist nicht ausprozessiert –, haben wir gesagt, nein, wir machen das ganz klar, und das ist natürlich auch unter dem Aspekt der Einwohnergewinnung absolut richtig und zielführend. Deshalb sage ich Ihnen, liebe Frau Schön: Ich glaube, es ist richtig, dass wir diesen Bedenken, verfassungsrechtlich bei uns vorgetragen, damit begegnet sind, dass wir sagen, hier legen wir ganz klar die Grenzen fest, und für diese Menschen, die hier in unserem Land leben, gilt dieses Gesetz. Ich glaube, dass es nicht so sicher ist, wie Sie es darstellen, wenn geklagt wird, dass wir damit vor Gericht möglicherweise nicht durchkommen.

Meine Damen und Herren, ich muss aber natürlich auch noch auf die Bedenken von Frau Dr. Spieß eingehen. Liebe Frau Dr. Spieß, ich kann Ihre Bedenken verstehen. Warum, wenn das ganze Land uns umgibt und wir in allen anderen Ländern damit konfrontiert werden, dass sie einen anderen Weg finden, dann müssen wir unsere Hochschulen und unsere Universitäten auch in Schutz nehmen. Es kann nicht angehen, dass wir sehen, es gibt ein Gefälle.

Für mich ist es ein Grauen: In München an der TH oder in Aachen an den wirklichen, ich darf das sagen, Hochschulen oder Universitäten mit „Eliteanspruch“ nehmen sie dann 5000 oder 10 000 Euro. Sie bieten denen eine wunderbare Finanzierung an, und die geistige Elite geht dann in diese Hochschulen. Ich hielte dies für eine verheerende Wirkung, aber

ich befürchte das, wenn ich lese, wie Rektoren mit dem Problem der Studiengebühren umgehen. Ich möchte, dass alle unsere jungen Erwachsenen, natürlich speziell die aus Bremen und Bremerhaven, aber das gilt genauso für alle Studierenden in Deutschland, uns herzlich willkommen sind, auch die Studierenden aus der ganzen Welt. Ich möchte, dass sie hier studieren. Ich möchte ihnen ein attraktives Studium anbieten, eine gute Lehre, und dazu, liebe, meine sehr verehrten Damen und Herren, beinahe hätte ich mich ein bisschen versprochen in der Ansprache – –.

(Heiterkeit)

Die Damen und Herren auf dieser Seite wissen das, Entschuldigung bitte!

Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Anspruch, und wir müssen darauf achten, wie sich das weiterentwickelt, und ich sage, meine Damen und Herren, in Richtung von Frau Spieß, wir müssen sehr genau betrachten, wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt. Ich sage Ihnen aber, Frau Schön, dieses Gesetz ist keine Abzocke, sondern dieses Gesetz bietet den Menschen in unserem Land, aber auch in den anderen Teilen Deutschlands an, hier ein gebührenfreies Studium im Erststudium bis zum vierzehnten Semester zu absolvieren.

Ich möchte ganz klar sagen, Frau Busch hat eben schon darauf hingewiesen: Es ist den Studierenden zuzumuten, wenn wir ihnen sagen, 14 Semester sind frei, aber anschließend, liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, müsst ihr bitte Verständnis haben, dass die Bevölkerung, die in vielen Bereichen Einsparungen erbringen muss, nicht akzeptieren kann, wenn im sechzehnten, im vierundzwanzigsten Semester weiter studiert wird. Das kann ich der Bevölkerung angesichts der Haushaltslage nicht zumuten.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich, Frau Schön, zum Thema Ehrlichkeit etwas sage, dann haben Sie Recht. Ich habe den Rektoren diesen Brief schreiben müssen. Er ist mir nicht leicht gefallen. Sie haben mich gestern auch entsprechend befragt. Er führt nicht zu einer Verbesserung der Lehre in den nächsten Monaten, in denen wir nicht wissen, wo wir genau die Schwerpunkte setzen. Das wollen wir aber eben mit den Universitäten entscheiden und nicht gegen sie etwas verordnen. Darauf müssen wir im Sinne der Autonomie achten, was wollen die Hochschulen, welche Schwerpunkte wollen sie setzen.

Ich kann nur das durchführen, was ich finanzieren kann, und das ist wieder das Grundthema. Wir haben nur drei Milliarden Euro zur Verfügung, und vier Milliarden Euro geben wir aus, meine Damen und Herren. Das kann nicht so weitergehen! Es ist Augenwischerei, und es ist nicht ehrlich von Ihnen,

wenn Sie Ihrer Klientel sagen, ist doch kein Problem, kannst du doch ausgeben, warum machst du das dann, dann nennen Sie das Abzocke. Nein, das ist völlig unrealistisch! Wenn Sie in der politischen Verantwortung wären, liebe Frau Schön, würden Sie hoffentlich genauso verantwortungsvoll umgehen, weil wir keine Alternative haben. Wir müssen sehen, wie wir mit den Mitteln, mit entsprechenden Prioritäten klarkommen, und wir müssen auch bereit sein, schwierige Entscheidungen zu treffen.

Ich glaube, es ist richtig, dass wir ganz klar sagen, dass die Mittel, die wir bekommen, mit möglichst geringem bürokratischen Aufwand – –. Deshalb haben wir nicht differenziert nach den einzelnen Studiengängen und sagen, da zwölf Semester, da 14 Semester oder da 16. Das war ein ausdrücklicher Wunsch, den die Universität an uns herangetragen hat: Macht das so unbürokratisch, wie es irgendwie geht! Deshalb ist es ganz klar und eindeutig: auswärtige Studenten zwei Freisemester, Studierende, die sich hier in Bremen und Bremerhaven angemeldet haben, 14 Semester. Dies ist ganz eindeutig und unbürokratisch zu handhaben. Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn sich nachher herausstellt, dass die fünf Millionen Euro, es sind nicht drei Millionen Euro, die wir dort als direkte Zuführung für die Universität erwarten, durch Verwaltungsausgaben verbraucht würden. Das wäre völlig kontraproduktiv und in keiner Weise zielführend. Ich kann Ihnen versichern, dass wir alles daransetzen werden, nicht etwa diese Einnahmen von fünf Millionen Euro gleich wieder für einen Verwaltungsapparat auszugeben.

Deshalb, meine Damen und Herren, zusammengefasst: Ich finde den Gesetzentwurf richtig. Er kollidiert in keiner Weise mit dem Bundesprogramm meiner Partei, sondern wir bieten den Studierenden ein gebührenfreies Erststudium an mit den Einschränkungen, zu denen ich hundertprozentig stehe, und deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Gesetz!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator Lemke, Sie haben mich nicht davon überzeugt, warum das keine Abzocke ist. Sie haben nämlich nicht begründet, was die Studierenden jetzt Positives davon haben. Das Bundesverfassungsgericht sagt ganz eindeutig: Die Einnahmen aus den Gebühren müssen der Verbesserung der Lehre zugute kommen. Das passiert hier doch nicht! Es gibt Einnahmen, die durch den Verwaltungsaufwand mehr oder minder aufgefressen werden. Sie kürzen den Haushalt. Es gibt kein ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

zusätzliches Geld für die Hochschulen durch die Gebühreneinnahmen, sondern es wird, wenn es schlecht kommt, an der Stelle eher eine Kürzung geben. Von daher ist es sehr wohl so, dass Studierende Gebühren zahlen, ohne dass es eine Gegenleistung gibt, und dabei dass es sich um Abzocke handelt, bleibe ich, das ist das Erste.

Das Zweite ist, was die Verfassungsmäßigkeit angeht. Sie haben auf die Metropolregion Hamburg hingewiesen, bei der die Regelung deutlich unsicherer ist als das, was Sie hier in Bremen machen. Das ist richtig. Die Stellungnahmen des Innensenators aber und die Stellungnahmen des Senators für Justiz und Verfassung haben sich nicht am Hamburger Modell orientiert, sondern sind Stellungnahmen zu Ihrem Gesetzentwurf, und diese besagen, dass es große verfassungsmäßige Bedenken zu dem Bremer Entwurf gibt. Also mischen Sie das hier an dieser Stelle nicht durcheinander!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zu der Sache der bildungspolitischen Ziele, die Sie angesprochen haben, zu dem zielgerichteteren Studieren und dass Sie sich von dem Gesetzentwurf versprechen, dass die Studierenden schneller zu einem Ergebnis kommen! Ich glaube nicht, dass das eine etwas mit dem anderen zu tun hat. Ich glaube, es ist eine Frage von Beratung, dass Studierende am Anfang die Möglichkeit haben, das Studium für sich zu wählen, das am meisten ihren Neigungen, ihren Interessen und Fähigkeiten entspricht. Wir hatten hier schon in den letzten Debatten darüber gesprochen, dass es auch eine Frage der Ausstattung der Hochschulen ist, auch das sagen die Hochschulen zu Recht. Es ist auch eine Frage von Kapazität, ob man ein Studium in der Regelstudienzeit absolvieren kann. Ein dritter Punkt ist, dass viele Studierende ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, und das bedeutet auch immer einen Abzug von Zeitkapazitäten, die zur Verfügung stehen, um studieren zu können. Wenn jetzt die Studiengebühren dazukommen, gibt es dafür weniger Kapazitäten.

Es ist hier auch schon verschiedentlich darauf hingewiesen worden, dass es noch keine Kreditmodelle gibt. Abgesehen davon sind Studierende heute weniger bereit, sich für das Studium zu verschulden, was auch viel mit der Arbeitsmarktsituation zu tun hat, und sie große Bedenken haben, hinterher diese Schulden wieder abtragen zu können. Auch die KfW, die ein günstiges Modell vorgelegt hat, hat im Moment große Schwierigkeiten mit der EU. Es wird viel darüber geredet, ob es zu Wettbewerbsverzerrungen führt, also das, was möglicherweise soziale Ausgewogenheit geben soll, im Moment, ehrlich gesagt, völlig ungeklärt ist.

Was Sie aber sicher durch die Gebühren erreichen, ist eine Lenkungswirkung in eine negative Richtung. Österreich hat auch gezeigt, dass die Hörsäle trotz Ge

bühren genauso voll waren wie vorher, dass sich an den Bedingungen nichts geändert hat, sondern die Situation für die Studierenden eher schlechter geworden ist.

Noch einmal ein Wort zu Frau Busch: Frau Busch, ich verstehe, dass Regieren im Moment vielleicht nicht so viel Spaß macht und Sie vielleicht ein bisschen neidisch auf die Opposition sind.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Nein, das wäre mir neu!)

Uns geht es überhaupt nicht so! Ich glaube, wenn wir in der Regierung wären, würden wir hier viel bessere Regierungspolitik machen, als Sie es gegenwärtig tun.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zurufe von der CDU)

Sie sagen, wir haben zu wenig Geld, und Sie würden auch all das gern machen, was wir hier gern machen würden, aber das Geld ist nicht da. Ich mache Ihnen gern ein paar Einsparvorschläge. Es gehört für mich zum Beispiel dazu, dass man nicht dauernd Hotelneubauten öffentlich finanzieren muss.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dazu gehört auch, dass man nicht sinnlose Schulumzüge machen muss, die unter dem Strich mehr Geld kosten, als dass sie Geld einbringen. Dazu gehört auch der unsinnige Ausbau der Wachtstraße. In diesem Zusammenhang kann man auch wieder einmal die Rennbahn nennen und vieles andere.

Wenn Sie in diesem Land wirklich Bildungspolitik, Hochschulpolitik und die wissenschaftliche Entwicklung in den Vordergrund stellen würden, dann würden Sie das in Ihrer ganzen Haushaltspolitik und in Ihrer Investitionspolitik auch berücksichtigen, und dann müssten Sie nicht solche Gesetze verabschieden, durch die Sie eine Gruppe – nämlich die Gruppe der Studierenden –, die in Wirklichkeit nicht über Geld verfügt, in Haft nehmen, die einzige Gruppe, die sich nicht wehren kann.

(Widerspruch bei der SPD)

Das finden wir unsozial und nicht zukunftsweisend!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Bremische Studienkontengesetz mit der Drucksachen-Nummer 16/758 in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen, Abg. T i t t m a n n [DVU] und Abg. W e d l e r [FDP])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

Meine Damen und Herren, der Senat hat um Behandlung und Beschlussfassung in erster und zweiter Lesung gebeten, und die Fraktionen der SPD und der CDU haben dies als Antrag übernommen. Ich lasse jetzt darüber abstimmen, ob wir in die zweite Lesung eintreten.