Meine Damen und Herren, alles andere als ein Segen für Deutschland wäre die Umsetzung der so genannten Europäischen Dienstleistungsrichtlinie im Bereich der Pflege- und Gesundheitsdienstleistungen. Auch diese Richtlinie zielt auf den weiteren Verlust nationaler Souveränität. Nationales deutsches Recht soll im Rahmen von EU-Vorgaben Zug um Zug ausgehebelt werden. Sozialdumping und schwere Benachteiligungen für Patienten sind im Gesundheitsbereich vorprogrammiert, sollte es, wie geplant, zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht kommen.
Zutreffend wird in der Großen Anfrage festgestellt, das bestimmende Prinzip der Richtlinie ist das Herkunftslandprinzip, das im Kern besagt, dass der Dienstleistungserbringer den rechtlichen Bestimmungen seines Herkunftslandes unterliegt etwa bei der Frage der Aufnahme und Ausführung einer Dienstleistung, des Zustandekommens eines Vertrages, des Inhalts und der Qualität der Dienstleistung sowie auch bei Haftungsfragen, auch dann, wenn er die Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat erbringt. Besonders nachteilig wird sich aber im Gesundheits
bereich auswirken, dass ein Patient seine Rechte im Rahmen eines Behandlungsverhältnisses nach den Gesetzen des Herkunftslandes des ihn behandelnden Arztes durchsetzen muss.
Ende März meldeten Presseagenturen, dass die Pläne für Dienstleistungen innerhalb der EU zunächst vom Tisch seien. Massive Proteste von zirka 50 000 Menschen aus ganz Europa am 19. März in Brüssel hätten entsprechende Wirkung gezeigt. Ob aber das Gesetzesvorhaben hinsichtlich von Pflege- und Gesundheitsdienstleistungen tatsächlich zu Fall gebracht wird, ist mehr als fraglich, zumal sich die rotgrüne Chaosregierung immer und immer wieder als williger Erfüllungsgehilfe der EU erwiesen hat.
Meine Damen und Herren, schon in anderer Hinsicht hat die so genannte Dienstleistungsfreiheit in Deutschland sehr großen Schaden angerichtet. Insbesondere im Oldenburger Land haben bereits Tausende von deutschen Fleischarbeitern ihren Arbeitsplatz verloren. An ihre Stelle sind Polen, Tschechen, Ungarn und so weiter getreten, die insofern auch als Opfer gelten, sie werden nämlich von ihren heimischen Dienstherren wie Sklaven nach Deutschland vermietet und dann hier zu Hungerlöhnen ausgebeutet. Sie werden menschenunwürdig in überfüllten Baracken untergebracht, und bei der Arbeit werden sie meistens von marokkanischen Einpeitschern angetrieben.
Meine Damen und Herren, bedenken sollten Sie aber auch die Tatsache, dass im Rahmen dieser Dienstleistungsfreiheit auch die Hygienevorschriften praktisch außer Kraft gesetzt wurden.
Wer sich widersetzt, wird entlassen und verliert damit seine Aufenthaltsgenehmigung, und seinen ausstehenden Lohn kann er auch vergessen. Zu Ihnen komme ich gleich noch!
Meine Damen und Herren, so wie es beim In-KraftTreten der Dienstleistungsrichtlinie im Bereich der Pflege- und Gesundheitsdienstleistung Realität wird, so sind zum Beispiel auch im Beschäftigungsbereich der Fleischarbeiter und auch in vielen anderen Beschäftigungsbereichen den deutschen Behörden die Hände gebunden. Gleiches gilt auch für die Gewerkschaften, nachdem diese Arbeitskräfte aus anderen
Ländern nicht dem deutschen Recht unterstehen. Kritiker allerdings wussten bereits schon vor der EUOsterweiterung, dass diese Entwicklung nur die Vorhut für das ist, was nun verstärkt auch auf andere deutsche Dienstleister übergreifen wird.
Ich habe Sie namens der Deutschen Volksunion nachweislich in unzähligen Redebeiträgen deutlich vor einer solchen schlimmen Entwicklung mit solch skandalösen und katastrophalen Auswirkungen für Deutschland gewarnt. Vor diesem Hintergrund schrieb die „National-Zeitung“ zutreffend, Herr Präsident, ich darf zitieren: „Die herrschenden deutschen Politiker aber widmen sich lieber der Frage, wie sie mit Einschränkungen des Versammlungsrechts und Verschärfung des Strafrechts ihre Macht gegen die aufkommende parteipolitische Konkurrenz von rechts absichern können. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bleibt dabei völlig, aber auch völlig auf der Strecke.“
Meine Damen und Herren, tatsächlich kann man nur sagen, armes, armes Deutschland! Weitgehend von der EU ausgesaugt und von unfähigen Politikern der Altparteien regiert taumelt es Schritt für Schritt in die Rechtlosigkeit durch EU-Diktatur einer wirtschaftlichen und finanziellen Katastrophe entgegen.
Eines noch, Herr Pietrzok, ich habe vorhin mit keinem Wort das Asylrecht in Frage gestellt, sondern den Asylmissbrauch. Da Sie und Ihre SPD wahrscheinlich vergessen haben, dass Sie vom deutschen Volk gewählt werden, muss ich Sie noch einmal daran erinnern. Sie sind vom deutschen Volk gewählt worden, um Schaden von ihm zu wenden und nicht den Nutzen der EU zu mehren, damit das hier ein für alle Mal klar ist. Frau Linnert, wenn der Herr Schmidtmann nach diesen Redebeiträgen einer Ihrer Spitzenleute ist, dann können sogar Sie mir Leid tun,
(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Frechheit! Das ist unparlamentarisch! – Abg. S c h m i d t - m a n n [Bündnis90/Die Grünen]: Was soll das denn heißen?)
denn die Redebeiträge von Herrn Schmidtmann waren mehr als peinlich. Nur gut, Herr Schmidtmann, dass es viele Leute gesehen und gehört haben. Ich hatte schon Angst, dass Sie hier umkippen. – Ich bedanke mich!
Meine Damen und Herren, bevor ich Frau Senatorin Röpke das Wort erteile, muss man doch einmal eingreifen. Herr Tittmann, das Wort Blödsinn ist unparlamentarisch, in diesem Hause redet keiner Blödsinn. Wenn Sie Herrn Pietrzok so titulieren, dann weise ich das zurück! Ich weiß nicht, ob
Sie wissen, dass wir dem Offenen Kanal direkt angeschlossen sind. Das wird auch in Schulen übertragen, und es ärgert mich fatal, dass Sie eine solche Wortwahl hier ständig treffen!
Herr Präsident, wenn einer mich mit der NSDAP vergleicht, dann ist das Blödsinn. Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass das eine Frechheit ist, dass er dafür keine Ordnungsrüge bekommen hat.
Bitte setzen Sie sich jetzt! Erstens war dies nicht zur Geschäftsordnung, und zweitens hat das gerade verdeutlicht, was ich vorhin gesagt habe, Sie sind hier nicht zu belehren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich würde jetzt gern noch einmal auf das eigentliche Thema zurückkommen, nämlich die Frage, inwieweit der EU-Richtlinienvorschlag sinnvollerweise auch auf die Pflege- und Gesundheitsdienstleistungen ausgedehnt werden kann oder nicht. Der Vorschlag sieht das ja vor, wie Sie wissen, aber aus meiner Sicht ist es eben auch äußerst problematisch, weil Gesundheits- und Pflegedienstleistungen mit anderen Märkten nicht vergleichbar sind. Sie haben ihre besonderen Gesetzmäßigkeiten. Hier treffen Ärzte, Zahnärzte, Pflegedienste, Patientinnen und Patienten aufeinander. Aber nicht nur das sind die Akteure in Deutschland, sondern auch Dritte wie zum Beispiel Krankenkassen.
Außerdem hat der Staat die Verantwortung für die Sicherstellung einer ausreichenden Gesundheitsversorgung, also eine Daseinsversorgung verpflichtend zu erbringen.
Patientinnen und Patienten sind eben oftmals aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage, ich sage einmal, eines normalen Verbrauchers, sondern sie sind oft auf schnelle und sehr ortsnahe Versorgung angewiesen. Sie sind meist auch nicht in der Lage, sich unabhängig und umfassend zu informieren. Das unterscheidet diese Situation schon von anderen Dienstleistungssituationen. Daher bin ich der
festen Auffassung, dass der Pflege- und Gesundheitsdienstleistungsbereich vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen werden muss.
Ich habe vernommen, dass das im Prinzip von allen Rednerinnen und Rednern geteilt wird, das begrüße ich ausdrücklich. Die Gründe sind ja im Wesentlichen schon dargestellt worden. Ich will sie aus meiner Sicht auch nur noch kurz benennen.
Ein maßgeblicher Grund sind die unterschiedlichen Rechtssysteme, die hier aufeinander treffen, die Rechtssysteme aus den EU-Mitgliedstaaten, die beim Kontrollsystem zu beachten wären, die Kontrollinstitutionen aus anderen Mitgliedstaaten. Das hat zwangsläufig aus meiner Sicht Auswirkungen auf die Qualität der Pflege- und Gesundheitsdienstleistungen. Es führt wahrscheinlich zu einer Verschlechterung. Es führt zu einer Verschlechterung der Stellung der Patienten, es erschwert ihnen die Durchsetzung ihrer Rechte und macht das Ganze für Patientinnen und Patienten völlig intransparent. Auch die Wirksamkeit der Überwachung, die ja durch die Behörde eines anderen Mitgliedstaates zu erfolgen hat, ist durchaus in Zweifel zu ziehen.
Von daher stellt sich schon die Frage, ob das Ganze überhaupt sinnvoll ist. Bremen hat sich auch den Kritikern im Bundesrat voll angeschlossen und hat die Beschlüsse mit unterstützt, die die Richtung, dass die Gesundheits- und Pflegeleistungen nicht in dieser Dienstleistungsrichtlinie aufgenommen sein dürfen, voll unterstützt, und wird das auch in Zukunft tun.
Ich habe auch ein Problem damit, wenn wir uns noch einmal die Vorgaben des SGB XI vor Augen halten, also die Frage Betrieb, anerkannte Pflegedienstleistungen, die Frage nach Bestimmungen der Hygiene und des Gesundheitsschutzes. Auch all das könnte durch dieses neue Richtlinienkonstrukt durchaus in Frage gestellt werden. Das dürfen wir nicht zulassen!
Einen Punkt hat auch schon Frau Dr. Mohr-Lüllmann angesprochen, das sind die Auswirkungen auf die Heilberufe. Auch hier könnte es dazu führen, wenn man das Konstrukt so anwendet, wie es sich zurzeit darstellt, dass hier ohne staatliche Berufszulassung in Deutschland heilberuflich behandelt werden dürfte. Pflichtmitgliedschaft in den Kammerverbänden wäre nicht mehr gegeben. Unser ganzes System, das wir jetzt mit Selbstverwaltungskörperschaften, mit Heilberufskammern hier in Deutschland installiert haben, das auch mit dazu beiträgt – das haben Sie auch gesagt –, die Qualität in unserem Gesundheitssystem
zu verankern, wäre maßgeblich in Frage gestellt. Da ist es auch kein Wunder, dass auch die Berufsverbände sich sehr kritisch zu dieser Richtlinie geäußert haben, wie auch viele andere Mitgliedstaaten Vorbehalte in die Diskussion eingebracht haben.
Wir hatten ja zunächst den Stand, dass die EUKommission doch sehr strikt an ihrem Vorhaben festgehalten hat – Ziel: freier Binnenmarkt –, was man vielleicht erst einmal auch so nachvollziehen kann. Aber es kommt doch jetzt Bewegung in die Sache, insbesondere durch den zuständigen Kommissar, der doch einige der Argumente offensichtlich aufgenommen hat, die jetzt massiv vorgetragen worden sind. Er hat sich jedenfalls grundsätzlich zu einer Überarbeitung bereit erklärt. Er hat erklärt, dass er erkennt, dass sensible Sektoren, dazu gehören eben Gesundheit, öffentliche Daseinsvorsorge, in dieser Richtlinie sehr kritisch zu beurteilen sind. Er hat gesagt, dass Sozial- und Qualitätsdumping verhindert werden müssen. Das lässt ja hoffen.
Auch der mitberatende Ausschuss für Volksgesundheit, Umweltschutz und Lebensmittelsicherheit hat sich diese Argumentation zu Eigen gemacht und sich für eine Herausnahme der Gesundheits- und Pflegeleistungen aus dem Richtlinienentwurf ausgesprochen. Der Europäische Rat hat darauf hingewiesen, dass mit der Richtlinie auch das europäische Sozialmodell zu wahren sei.
Die Diskussionen, die geführt worden sind sowohl bei uns als auch in anderen Mitgliedstaaten und in den EU-Gremien selbst, haben doch einiges bewirkt. Das zeigt, dass es sich lohnt, dort auch mitzudiskutieren, die Möglichkeiten zu nutzen. Die Bundesregierung hat sich da ja jetzt auch stärker pointiert eingebracht. Das heißt, insgesamt sehe ich gute Chancen, dass unsere Argumentation, die wir hier heute gemeinsam vertreten, auch fruchtet. Ich hoffe, dass es dann gelingt, diese Argumentation in der Richtlinie zu verankern, dass eben nicht Gesundheit und Pflege mit anderen Dienstleistungen über einen Kamm geschoren werden, sondern dass dieser wirklich sensible Bereich auch dadurch berücksichtigt wird, dass er nicht Teil der Richtlinie sein darf, auf jeden Fall nicht so, wie es jetzt angedacht ist. Ich denke, dass wir alle gemeinsam in diese Richtung weiter arbeiten. – Danke schön!
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/581, auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU Kenntnis.
Die Bürgerschaft (Landtag) hat den Gesetzentwurf des Senats in ihrer 36. Sitzung am 16. März 2005 in erster Lesung beschlossen.