In der Antwort des Senats sind Projekte und Umfragen aufgeführt, die alle in die richtige Richtung gehen. Das stimmt schon, sie gehen in die richtige Richtung. Die Zahlen sprechen aber leider eine andere Wahrheit!
Es ist keine Armutsbekämpfung, das zeigen einfach diese Zahlen. 2001 war es jedes siebte, 2005 war es jedes fünfte Kind. Wir brauchen jetzt wirklich ein Allemann-Manöver. Wir müssen alle Mann an Deck kommen und uns dieser Brisanz, die in diesen Zahlen steckt, bewusst werden. Es geht einfach nicht mehr so weiter. Die Armutsbekämpfung kostet Geld. Dieses Geld ist aber gut angelegt.
Wir haben keine andere Wahl. Wollen wir im Bildungsbereich wieder Spitzenklasse werden, müssen wir dieses Geld investieren. Keine Armutsbekämpfung ist ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft. Die Kosten werden in jedem Jahr steigen, wenn wir nichts unternehmen, genauso wie die Zahlen der Armen immer größer werden. Wie soll das bezahlt werden? Ja, das ist eine gute Frage! Antworten gibt es im Bericht der Arbeitnehmerkammer, Antworten sind mir aber auch gestern eingefallen bei der Debatte zum Konzern Bremen.
In der Zeitung mit den großen Buchstaben waren neulich die Gehälter der Geschäftsführer veröffentlicht worden. Jetzt ist von der SPD nach langer Nachfrage von Seiten der Grünen die Losung herausgegeben worden, keiner darf mehr verdienen als der Bürgermeister, der im Konzern Bremen arbeitet. Das ist natürlich auch verständlich. Wo gibt es denn so etwas, dass Leute im vierten Rang in der Hierarchie mehr verdienen als der Chef? Das gibt es in keinem Konzern. Das gibt es wirklich auf keinem Schiff, dass der vierte Offizier mehr verdient als der Kapitän. Da könnte man gut ein bisschen Kohle abgreifen, auf gut Deutsch gesagt.
Gute Vorschläge hat auch die Arbeitnehmerkammer gemacht, zum Beispiel wenn man den Bericht durchliest, Arbeit teilen und Arbeitszeit verkürzen. Das wären die richtigen Lösungen, um mehr Arbeit für alle zu bringen.
Warum haben wir diese Anfrage gestellt, und was haben wir eigentlich damit bezweckt? Wir brauchen genauere Zahlen, um den Hartz-IV-Prozess zu begleiten, um Fehlentwicklungen entgegenzusteuern. Wir haben über 50 000 Bedarfsgemeinschaften, und hier muss eng am Ball geblieben werden. Wir müssen einfach die Zahlen haben, genauso wie wir die Zahlen für den Konzern Bremen brauchen. Um rechtzeitig reagieren zu können, brauchen wir genaue Zahlen.
Wir haben in unserer Stadt hervorragende Armutsexperten, die an der Universität, in Instituten, in den
Behörden und nicht zuletzt auch bei der Arbeitnehmerkammer arbeiten. Diese Experten sollten praktikable Lösungen erarbeiten und die Umsetzung steuern. Das erwarten wir von einer Sozialberichterstattung des Senats. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Herr Schmidtmann, wenn ich Opposition wäre, was Gott verhüten möge, hätte ich aus diesem Bericht mehr gemacht. Ihre Fragen sind oberflächlich und gehen an dem Kern vorbei!
Man muss sich zunächst einmal mit dem Begriff der Armut beschäftigen, die Definition der Armut. Da gibt es mehrere und ganz widersprüchliche Definitionen von Armut. In den USA gilt jemand als arm, wenn er mehr als ein Drittel seines Einkommens für Lebensmittel ausgeben muss. Die Weltgesundheitsorganisation nennt jemanden arm, der weniger als 2600 Kalorien am Tag zur Verfügung hat, und die UNO sagt, jemand ist arm, der weniger oder einen Dollar am Tag an Einkommen hat.
Die EU, die ja für ihre Regelfreudigkeit bekannt ist, hat auch eine Definition von Armut. Dort ist jeder arm, der weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens in seiner Nation zur Verfügung hat. Das heißt, jemand, der in Deutschland gut situiert wäre, der wäre in Luxemburg sicherlich arm, weil das Einkommen dort deutlich höher ist. Das heißt aber auch, und deswegen halte ich diese Definition für völlig unbrauchbar, wenn ich das Einkommen jedes Bremers heute verdoppeln würde, hätte ich die gleiche Zahl an Armen. Es ist einfache Mathematik, das habe ich einmal gelernt. Deswegen muss man sich einmal mit diesen Definitionen auseinander setzen, und so ist es.
Nein, nein! Ich wollte es nur vorweg sagen, dass es eben verschiedene Definitionen von Armut gibt, mit denen man sich auch auseinander setzen muss, ob sie praktikabel oder nicht praktikabel sind. Diese halte ich für nicht praktikabel.
Einige Institutionen in Bremen, genauso wie der Senat, legen in unregelmäßigen Zeitabständen Berichte zur Armut in Bremen oder zu Armut und Gesundheit in Bremen vor und begleiten und unterstützen damit unsere Arbeit.
Armut in Bremen ist sicherlich relativ zu sehen. Für viele Menschen in der Welt wäre es sicherlich erstre
benswert, in Bremen arm zu sein. Ich glaube, nach der großen Katastrophe in Südasien haben wir unsere Augen für die kleinen Katastrophen dieser Welt verschlossen. Vorgestern stand in der Zeitung, dass in Jakarta 150 Menschen, die auf einer und um eine Müllhalde herum lebten, von dieser Müllhalde, die eigentlich ihre Existenz sicherte, vernichtet worden sind. Das ist Armut.
Das, worüber wir in dem Bericht, der bei mir auf dem Tisch liegt, über Armut reden, das ist eine relative Armut.
Doch, ich habe ihn gelesen! Wenn in einem Schwellenland wie Indonesien Menschen auf Müllhalden leben müssen und damit ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, dann ist das alles andere als erfreulich.
Das habe ich nicht gesagt, dass es hier keine Armut gibt. Ich habe gesagt, es ist relativ, Frau Linnert. Wir beide haben uns darüber ja schon öfter auseinander gesetzt.
Ich will gern zum Thema Armut in Bremen zurückkommen. Ich finde es auch gut, dass die Arbeitnehmerkammer in ihrem Vorwort angeboten hat, bei der Behebung dieser Missstände oder dieser Zustände in Bremen mitarbeiten zu wollen. Für dieses Vorwort bin ich relativ dankbar, denn es relativiert viel, was in dem Bericht, teilweise – wir Sozialdeputierte kennen es ja – auch in den Sozialdeputationen sehr reißerisch dargestellt wird.
Meine Damen und Herren, Armut in Bremen hat aber auch ihre Gründe, und diese Gründe liegen auch in Berlin. Solange Rotgrün die Wirtschaft in Deutschland nicht auf Trab bringt, Arbeitsplätze schafft und Binnennachfrage ankurbelt, so lange werden wir das Problem der Working Poor, das auch in diesem Bericht beschrieben wird, auch in Bremen und Bremerhaven haben, nämlich das Problem, dass Menschen trotz Arbeit kein ausreichendes Einkommen für sich oder ihre Familie haben und auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, meine Damen und Herren.
Wenn man es in Berlin noch immer anders darstellt und verkündet, durch Rotgrün sind die Menschen in unserem Land, auch in Bremen und Bremerhaven, ärmer geworden. Das belegen Ihre eigenen Statistiken, meine Damen und Herren, der Armutsbericht
der Bundesregierung. Sie haben es ja selbst gesagt, die Zahl der Kinder, die nach unserer Definition in Armut leben, hat zu-, nicht abgenommen unter der rotgrünen Regierung.
Ich kann Ihnen auch die Quellen nennen. Sie können im „Spiegel“ vom 29. November 2004 nachlesen, der sich sehr ausführlich damit auseinander setzt, wo die Quellen der Armut liegen. Die Senatorin kann ich zitieren, „Syker Kreiszeitung“ vom November 2004, da haben Sie selbst gesagt, dass die Armut zugenommen hat.
Anders als die Frage zwei bei Ihnen vermuten lässt, erhebt der Senat regelmäßig eine Reihe von Daten. Dabei werden immer mehr und konzentriert kompaktere, kleinere, engere Bereiche untersucht, die dann aber, wenn man sie mit den anderen Berichten vergleicht, einen guten Überblick geben und einen guten Überblick ermöglichen. All diese Berichte und Untersuchungen können zusammengeführt werden und zeigen dann größere Zusammenhänge auf.
Meine Damen und Herren, ein sehr gutes Beispiel dafür sind die Sozialindikatoren, die wir immer für die Ortsteile erheben. Es ist gerade vor kurzem die neue Rangliste, hätte ich beinahe gesagt, der Ortsteile aufgestellt worden. Diesen Berichten kann man auch für dir politische Arbeit, dort wo man zu Hause ist, entnehmen, wie hat sich der Stadtteil verändert. Darin stehen auch Dinge, die man durch die zugezogenen Vorhänge der Wohnungen nicht sehen kann. Der Stadtteil hat sich eigentlich für mich oder für andere nicht sichtbar verändert, in Wirklichkeit ist er aber um zehn Plätze in dem Ranking nach unten gestürzt. Wir müssen daraus unsere Konsequenzen ziehen.
Ein weiteres gutes Beispiel ist das Benchmarking, das wir durchführen, sowohl für Bremen und Bremerhaven, Bremen mit den 16 deutschen Großstädten, Bremerhaven mit den mittleren Städten. Dieses Benchmarking ist immer genauer geworden. Ich erinnere mich noch sehr gut, dass bei den ersten Benchmarkingberichten dauernd Anmerkungen da waren: Die Stadt macht aber das und das noch anders. Mittlerweile sind wir alle auf den gleichen Level gekommen. Dieses Benchmarking wird für unsere Stadt, für unsere beiden Städte in der Zukunft noch eine größere Bedeutung haben. Ich möchte da an die Regierungserklärung von gestern erinnern. Wir können uns, wenn wir auf die Hilfe anderer angewiesen sind, nicht mehr erlauben, als andere sich selbst erlauben.
Der Senat teilt uns dann in seiner Antwort auf zwei Seiten einen Überblick über Untersuchungen und Berichte, die in der Vergangenheit in Bremen und Bremerhaven gemacht worden sind, mit. Es beginnt mit dem Statistischen Landesamt und endet mit dem Bericht des Behindertenbeauftragten, den wir hoffentlich in zwei Jahren erwarten dürfen. Sie haben sich beim Lesen einen Überblick über die Vielseitigkeit dieses Berichtswesens verschaffen können.
Meine Damen und Herren, und das sage ich insbesondere an Bündnis 90/Die Grünen gewendet, die Konsequenz, die der Senat auch aus dem Bericht der Arbeitnehmerkammer zieht, ist eindeutig. Ich zitiere aus der Vorlage: „Der Senat vertritt die Auffassung, dass die beste Hilfestellung für arbeitslose Bremerinnen und Bremer die Schaffung von Arbeitsplätzen und nicht die dauerhafte Versorgung durch staatliche Leistungen ist.“ Wo er Recht hat, da hat der Senat Recht, so ist es eben!
Ich füge hinzu, das gilt natürlich auch für Männer und Frauen in Bremerhaven, da in der Vorlage nur Bremen steht.
Dieser Satz, den ich eben zitiert habe, ist für die CDU einer der Schlüsselsätze dieser Antwort: Arbeit. Wie aber soll es bei den Vorgaben, die wir haben, gehen? Wir haben mehr als 40 000 Menschen, die in ALG II sind, und wir haben 2000 offene Stellen. Können Sie mir einen Weg sagen, wie ich diese 40 000 Menschen in Arbeit bekomme bei den Bedingungen, die von Berlin vorgegeben werden? Ich weiß da keine Lösung.
Kommen wir zum Bereich Bildung, der da angesprochen wird! Wir haben ja gerade darüber diskutiert. Was habe ich mir doch als praktizierender Lehrer jahrelang für Sorgen gemacht beim Noten geben! Ich habe die Diskussion eigentlich wenig verstanden. Ich hatte den Eindruck, in Niedersachsen hat es immer Noten gegeben, und die Eltern haben das ganz selbstverständlich hingenommen.
Ich will zu dem Bericht zurückkommen. Zweifelsfrei ist es so, dass zwischen der Herkunft und den Bildungschancen ein Zusammenhang besteht, meine Damen und Herren. Wir müssen aber auf die Eltern einwirken. Immer noch gehen Eltern den einfachen Weg und nutzen einfach die Chancen, die das Bildungssystem doch ohne Zweifel gibt, nicht aus, sondern sagen, das Kind soll möglichst früh in Arbeit. Da frage ich Sie auch wieder: In welche Arbeit teilweise, wenn man mit einem Hauptschulabschluss von der Schule kommt?
Die Koalition hat aus Pisa und Iglu gelernt und die notwendigen Schritte zur Reform eingeleitet. Das ist der Koalition nicht leicht gefallen. Sie erinnern sich doch alle an die sehr kontroversen Debatten, die insbesondere die Kollegin Hövelmann, sie ist jetzt nicht hier, mit dem Kollegen Bürger begonnen und mit Herrn Rohmeyer fortgesetzt hat. Von verschiedenen Standpunkten aus hat man sich doch geeinigt, weil wir alle der Meinung sind, Bildung ist ein hohes Gut, Bildung schützt vor Arbeitslosigkeit und damit auch vor Armut. Das muss man sich immer deutlich machen, obwohl das heute auch nur begrenzt gilt, denn die Anzahl der langzeitarbeitslosen Akademiker nimmt leider in diesem Land auch ständig zu, meine Damen und Herren.
Sie können auf der Seite fünf in der Antwort nachlesen, was die Koalition alles in der Bildungspolitik in die Wege geleitet hat. Jetzt muss es angenommen werden. Lassen Sie mich als Beispiel einen Punkt herausheben, die Sprachstandserhebung in den Kindertagesheimen, bei der wir bundesweit führend waren! Kinder, die in die Grundschule eingeschult werden, sollen nach unseren Maßstäben eigentlich den gleichen Sprachstand haben. Deswegen machen wir die Sprachstandserhebung, und dort, wo wir bei der Sprache nachbessern müssen, bessern wir auch nach.
Zum Bereich Gesundheit, meine Damen und Herren, will ich Sie daran erinnern, dass meine Kollegin Frau Dr. Mohr-Lüllmann in der Vergangenheit gerade im Bereich Gesundheit und Kinder viele Initiativen hier eingebracht hat und das auch fortsetzen wird, und das ist auch der richtige Weg. Wer als Kind nicht lernt, sich gesund zu ernähren und gesund zu leben, wird auch im Alter die gleichen Fehler machen. Denken Sie einmal darüber nach, wenn Sie KTH besuchen! Dort wird sehr viel über Essen gesprochen, dort wird viel mit den Eltern gearbeitet über Ernährung und so weiter. Das ist wichtig, natürlich, und Sie wissen, ein Apfel ist billiger als Pommes rotweiß und ist gesünder, aber das muss man auch in die Köpfe der Eltern hineinbekommen, und das sind bildungsferne Eltern, denen ist das schwerer zu vermitteln als bildungsnäheren Eltern, meine Damen und Herren.
Wir werden diese Reihe, ich habe die Alkopops und Ähnliches angesprochen, fortsetzen, und Not über gesundheitliche Aufklärung gibt es sicherlich in dieser Stadt nicht. Wir haben jede Menge Beratungsstellen, und jede Krankenkasse hat heute in ihrem Vorzimmer reihenweise Broschüren über gesunde Ernährung, gesundes Leben ausliegen. Man kann also nicht sagen, dass es ein Defizit an Informationen über gesunde Ernährung oder gesundes Leben gibt. 90 Prozent der Kinder in Bremen besuchen die KTH und werden dort mit gesunder Ernährung in Berührung gebracht, und das ist, finde ich, in Ordnung.
Ich fasse für die CDU-Fraktion noch einmal zusammen! Sozialberichterstattung in der Freien Hansestadt Bremen und Bremerhaven ist notwendig. Sie wird in umfassender Weise durchgeführt. Wenn sich daran weitere Institutionen beteiligen, kann man das nur unterstützen. Zu anderen Ergebnissen können sie aber nicht kommen. Sozialberichterstattungen dienen dazu, Fehlentwicklungen zu erkennen. Das Parlament und der Senat ziehen aus den verschiedensten Berichterstattungen meist die richtigen Schlüsse. Manchmal fehlt aber bei der Umsetzung auch das liebe Geld, um die richtigen Schlüsse finanzieren zu können. Die Freie Hansestadt Bremen kann der „Armut“ in Bremen und Bremerhaven nur begrenzt begegnen. Gegen Arbeitslosigkeit muss der Bund etwas machen, und dort müssen die Weichen richtig gestellt werden. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich zunächst bei der Großen Anfrage der Grünen gewundert, weil mir eigentlich die politische Zielrichtung dieser Großen Anfrage nicht so richtig deutlich geworden ist. Herr Schmidtmann hat, finde ich, auch in seiner Rede nicht deutlich herausgearbeitet, was eigentlich die genaue Zielsetzung ist. Geht es darum, dass wir eine verbesserte Sozialberichterstattung für das Land Bremen organisieren wollen, oder geht es darum, dass wir an bestimmten Punkten die Armutsbekämpfung konsequenter umsetzen wollen?