Auf dem Besucherrang begrüße ich recht herzlich eine Gruppe der Erwachsenenschule Bremen, Politik-Grundkurs, eine Gruppe der Volkshochschule Bremerhaven und unseren ehemaligen Abgeordneten Herrn Dr. Andreas Weichelt. Seien Sie herzlich willkommen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute jährt sich zum sechzigsten Mal, dass das Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit wurde. Allein hier sind unter dem Naziregime mehr als eineinhalb Millionen Menschen ermordet worden, ein Horror deutscher Geschichte, ein Holocaust weltgeschichtlicher Dimension, der uns alle und alle nachkommenden Generationen verpflichtet, solche Exzesse des Grauens von vornherein auszuschließen. Vor neun Jahren hatte Bundespräsident Roman Herzog dieses Datum, den 27. Januar, für einen wiederkehrenden Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus vorgeschlagen und gemahnt, die Erinnerung dürfe niemals enden und müsse Grundlage für gesellschaftspolitische Wachsamkeit sein.
Es geht um Erinnerung, die stets eine Ausstrahlung auf die Gegenwart und Zukunft entfalten soll. Genau dies ist unter dem Blickwinkel der Aktualität einmal mehr eine Herausforderung. Eine kurze Gegenüberstellung mit tagespolitischem Bezug kann da nur erschaudern. Die Erinnerung, das sind Millionen, die in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten ermordet wurden. Die Aktualität, das ist ein NPD-Abgeordneter im sächsischen Landtag, der vor einigen Tagen mit Blick auf das Ende der Nazidespotie vom Tag der vermeintlichen Befreiung Deutschlands sprach. Die Erinnerung, das ist unfassbares Leid durch NS-Verbrechen von einzigartigem welthistorischem Ausmaß. Die Aktualität, das sind NPD-Abgeordnete in einem Landesparlament, die kürzlich Naziverbrechen und alliierte Bombenangriffe gleichsetzten. Die Erinnerung, das ist die blutige NS-Vernichtungsmaschinerie gegen die jüdische Bevölkerung. Die Aktualität, das sind rechtsradikale Sympathisanten im sächsischen Parlament, die jetzt bei einer Gedenkrede des Alterspräsidenten Cornelius Weiss dazwischenbrüllten: Alter Jude!
Könnte es zwingendere Indizien dafür geben, dass die Erinnerung unverändert und womöglich mehr als zuvor eine Notwendigkeit ist? Ich denke nein! Wir haben hier in unserem Parlament auch unsere Erfahrungen machen müssen. Die aktuellen Diskus
sionen können für uns hier im Haus ein Anlass sein, um auch die parlamentarische Praxis im Umgang mit rechtsradikalen Äußerungen oder gar Aktionen zu überdenken. Brauchen wir Ergänzungen in der Geschäftsordnung? Müssen Sanktionsmöglichkeiten konkreter gefasst oder verschärft werden? Solche und verwandte Fragen, so denke ich, stehen auf der Tagesordnung.
Damit nicht genug! In eigentlich allen Kommentaren, ob von Politikern oder Journalisten, wird jetzt einmal mehr und jenseits der Frage eines Parteienverbots die Forderung nach einer politischen Auseinandersetzung mit den Rechtsradikalen erhoben. Ich betone auch die beiden Wörter einmal mehr. Manchmal kann man beobachten, dass die Bereitschaft zu einer solchen direkten Auseinandersetzung von der jeweils aktuellen Schlagzeilenlage abhängig ist. Motto: Ist das Thema in der Öffentlichkeit ein heißes, dann kommen Vorschläge und Forderungen en masse auf den Tisch. Aber mancher verliert dann erfahrungsgemäß auch ebenso schnell den Mut, wie er sich zuvor in die Brust geworfen hat. Deshalb möchte ich zusätzlich anregen, dass wir uns dem Thema Parlament und Rechtsradikalismus mit längerem Atem widmen, ausdrücklich auch ungeachtet tagespolitischer Konjunktur.
Vielleicht findet sich ein Weg, dass man politisch streitet, ohne dabei automatisch immer einer ungewollten Aufwertung von Rechtsradikalen auch noch Vorschub zu leisten. Vielleicht eröffnet das eine Perspektive, die wehrhaft demokratischer ist und politisch mehr Mumm vermittelt als der bisherige Umgang mit dem Thema. Wenn Parlamente auf solche Weise wie jetzt in Sachsen gebraucht, richtiger missbraucht werden, dann sollte der heutige Tag, dieser eine Gedenktag im Jahr, für Wachsamkeit auf Dauer sorgen.
Herr Kollege Tittmann, das ist jetzt kein Tagesordnungspunkt, zu dem Sie eine persönliche Erklärung abgeben können.
(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Ich möchte eine persönliche Erklärung abgeben! Das haben Sie mir doch eben versprochen!)
lich betonen, dass ich in dieser Gedenkminute aller Toten des schrecklichen Krieges gedacht habe, selbstverständlich auch der vielen Millionen deutscher Toten, die durch Flucht und Vertreibung und durch den alliierten Massenmord grausam ums Leben gekommen sind. Das sind wir unseren Toten für immer und ewig schuldig. Es darf keine Toten erster und zweiter Klasse geben. Alles andere wäre eine Schande. Die DVU will Würdigung, Achtung und Gerechtigkeit für alle ermordeten und getöteten Menschen des schrecklichen Zweiten Weltkrieges. – Ich danke Ihnen!
Meine Damen und Herren, gemäß Paragraph 21 der Geschäftsordnung gebe ich Ihnen folgenden Eingang bekannt:
Achter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge – unabhängige Festsetzung der Rundfunkgebühren auch zukünftig sicherstellen, Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 26. Januar 2005, Drucksache 16/520.
Gemäß Paragraph 21 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung muss das Plenum zunächst einen Beschluss über die Dringlichkeit des Antrags herbeiführen.
Meine Damen und Herren, wer einer dringlichen Behandlung des Antrags seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Ich schlage Ihnen eine Verbindung mit den Tagesordnungspunkten 28 bis 30, die sich mit dem Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag befassen, vor.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen mitteilen, dass die SPD-Fraktion in ihrer heutigen Sitzung Frau Marlies Marken zu ihrer stellvertretenden Vorsitzenden gewählt hat. Frau Marken, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem ehrenvollen und verantwortungsvollen Amt!
Die erste Anfrage trägt die Überschrift „Elektronische Gesundheitskarte“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Dr. MohrLüllmann, Kastendiek und Fraktion der CDU.
Erstens: Wie kann eine möglichst hohe Akzeptanz der elektronischen Gesundheitskarte bei den Versicherten erreicht werden?
Drittens: Inwieweit rechnet der Senat mit der termingerechten Einführung der Gesundheitskarte zum 1. Januar 2006?
Zu eins: Für das nationale Großprojekt „Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und Aufbau einer elektronischen Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur“ ist die Gewinnung der Akzeptanz der Versicherten ein zentraler Schlüssel zum Erfolg. Patientenautonomie, Datenschutz und Datensicherheit sind grundlegende Voraussetzungen für die Akzeptanz der Gesundheitskarte und entsprechend den Vorgaben des Bundesdatenschutzbeauftragten im Gesundheitsmodernisierungsgesetz verankert. Den „gläsernen Patienten“ darf es nicht geben. Hierzu müssen in Abstimmung mit den Datenschützern des Bundes und der Länder die rechtlichen Vorgaben auf der technischen Ebene umgesetzt und die Versicherten umfassend über die geplanten Maßnahmen aufgeklärt werden.
Diese Forderung richtet sich an die Selbstverwaltung und die Politik gleichermaßen. Die potentiellen Testregionen, zu denen auch die Stadt Bremen zählt, unterstützen die Aktivitäten auf Bundesebene und führen vor Ort entsprechende Maßnahmen durch. Vor Ort haben die am gemeinsamen Projekt der Selbstverwaltung „B.I.T. – Bremer Initiative Telematik im Gesundheitswesen“ beteiligten Krankenkassen HKK und AOK damit begonnen, ihre Mitglieder über die bevorstehenden Maßnahmen zu informieren. Von der B.I.T.-Geschäftsstelle, der BIA Bremer Innovations-Agentur GmbH und dem Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales wurde Ende letzten Jahres an die Firma Bonsai Deutschland, Testmarkt Bremen GmbH, einer Tochter des Meinungsforschungsinstitutes TNS
Emnid, der Auftrag erteilt, in Bremen die Akzeptanz der geplanten Maßnahmen zum Startpunkt der Aktivitäten zu untersuchen. Diese Studie wurde parallel zu einer bundesweiten Untersuchung von TNSEmnid durchgeführt.
Ein interessantes Teilergebnis war, dass in Bremen die Bereitschaft der Versicherten, an einem Testlauf teilzunehmen, mit 71 Prozent Zustimmung um zehn Prozent über dem Bundesdurchschnitt lag. Mit fortschreitender Realisierung des Projekts sind noch weitere Untersuchungen zur Akzeptanz der Versicherten und Leistungserbringer geplant, wobei sich Bremen damit als Testregion auf Bundesebene positionieren will. Auch mittels gezielter Presseinformationen, wie sie zuletzt stattgefunden haben und auch für die Zukunft geplant sind, sollen die Versicherten kontinuierlich über die Aktivitäten und Planungen vor Ort unterrichtet werden. Weiterhin gibt es laufende Aktivitäten, um die Akzeptanz bei den Ärzten und Apothekern als wichtige Mulitiplikatoren und Promotoren für die Akzeptanz des Gesamtvorhabens zu verbessern.
Zu zwei: Kosten für das Land Bremen fallen im Grundsatz nicht an, da die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und der Aufbau der Telematikinfrastruktur allein in die Verantwortung der Selbstverwaltung fallen. Dies gilt nicht für innovative Projekte und Vorhaben, die im Kontext mit dem angestrebten Aufbau einer Testregion in Abstimmung mit den Ressorts Wirtschaft und Wissenschaft und dem Landestechnologiebeauftragten und unter Nutzung der einschlägigen Instrumente der Wirtschaftsförderung in Bremen verwirklicht werden können und sollen. Die Kosten für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte lassen sich zurzeit weder für die Testregionen noch für die bundesweite Einführung verlässlich beziffern. Vereinbarungen innerhalb der Selbstverwaltung sehen vor, dass die Kosten anteilig von den Kostenträgern und den Leistungserbringern getragen werden und Letztere ihre Investitions- und Betriebskosten im Grundsatz über transaktionsbasierte Vergütungen refinanziert bekommen.
Zu drei: Mit der termingerechten flächendeckenden Einführung der elektronischen Gesundheitskarte zum 1. Januar 2006 ist aus heutiger Sicht nicht mehr zu rechnen. Seitens der Selbstverwaltung wird angestrebt, dass Ende des Jahres mit dem Test der Karte in den noch zu bestimmenden Testregionen begonnen werden kann. – Soweit die Antwort des Senats!
Es geht wie immer um die Kosten. In den letzten Wochen konnte man häufig in der Presse lesen, dass die Ärzte sich wehren, die Kosten für die Installation einer
entsprechenden EDV in ihren Praxen zu übernehmen. Darüber hinaus bemerken nun auch die Krankenkassen, dass sie nicht bereit sind, entsprechende Investitionen in die Arztpraxen zu geben, und darüber hinaus kündigten die Krankenkassen in einem Artikel in der Fachpresse bereits an, dass man nur noch zwei bis drei Testregionen finanziell fördern möchte anstatt acht, wie es das Bundesgesundheitsministerium beabsichtigt. Könnten Sie dazu Stellung nehmen? Ist dieser Konflikt in Bremen auch bekannt? Hat das Auswirkungen für unser Land?