Protocol of the Session on December 8, 2004

Diese Regelung geht in die richtige Richtung und muss auf jeden Fall zügig umgesetzt werden. Man verspricht sich dadurch, dass sich die Studenten stärker mit ihrem Studienfach identifizieren, dass sie motivierter sind, also auch die Abbrecherquote sinkt. Von einer Abschreckung durch Eignungstests kann nicht die Rede sein. Ein bestandener Eignungstest gibt den Studienanfängerinnen und Studienanfängern die Sicherheit, den Anforderungen, die im Stu

dium auf sie zukommen, auch gewachsen zu sein und nicht nach wenigen Semestern festzustellen, dass es eine falsche Fächerwahl war, die sie getroffen haben.

Die Hochschule in Bremerhaven hat positive Erfahrungen mit diagnostischen Eingangsprüfungen gesammelt. Da aber damit ein großer Aufwand verbunden ist, können diese nicht flächendeckend eingesetzt werden. Prüfungen während des Studiums müssen mehrfach abgelegt werden und haben nicht zu einer Verunsicherung bei der Studienwahl geführt. Es ist also als Hilfe und Motivation zu verstehen, und ein solcher Eingangstest sollte nicht falsch interpretiert werden. Je eher wir damit beginnen, desto besser werden auch unsere Erfahrungen und Ergebnisse damit sein. Ich hoffe, dass wir dies dann auch bald umsetzen können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste erhält das Wort die Abgeordnete Frau Berk.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein bisschen sprachlos bin ich schon, wie ein Mitglied der Deputation für Wissenschaft über einen Standort, der nun in vielen Rankings so positiv bewertet wird und wirklich auch hochrangig bewertet wird, so eine negative Rede halten kann.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das ist schon fast eine Zumutung. Das hat auch nichts damit zu tun, dass wir ehrlich miteinander umgehen können. Ich finde das grob fahrlässig.

(Beifall bei der SPD)

Wie kann man einfach so etwas machen? Aber, meine Damen und Herren, in meinen 13 Jahren Bürgerschaft bin ich Kummer gewohnt.

(Heiterkeit bei der SPD und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Ich komme jetzt erst einmal zu meinem Konzept, vielleicht kann ich am Schluss, wenn ich noch Zeit habe, noch einmal auf das eine oder andere eingehen. Es ist eine Tatsache, dass die CDU sich bemüht, die Studierfähigkeit als Vehikel dafür zu nutzen, ihre rückwärtsgewandte Doktrin von mehr Auslese als Antwort auf ein festgestelltes Defizit im deutschen Bildungssystem durchzusetzen. Man muss also sa

gen, Sie schauen nach hinten, aber nie nach vorn, und das ist eigentlich traurig für uns.

(Beifall bei der SPD – Abg. K a s t e n - d i e k [CDU]: Da zitieren Sie einmal Herrn Scherf mit der Bildungspolitik der Sozial- demokraten über 20 Jahre!)

Immer noch besser als das, was Frau Dr. Spieß erzählt hat! Wenn Sie eine Debatte über die Studierfähigkeit führen wollen, dann hätten Sie anfangen können mit einer Bildungsdebatte, die haben wir aber oft genug gehabt. Da tun wir eine Menge, wir wissen, dass das nicht sofort greift, aber ich frage mich: Seit wie vielen Jahren sind Sie in der großen Koalition mit uns?

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Fragen Sie Herrn Scherf!)

Ich bitte Sie, Sie sind auf einen Zug aufgesprungen, der losgefahren ist und eine Erfolgsnummer ist, und jetzt, weil Ihnen nichts Besseres einfällt, schicken Sie eine Rednerin, die noch neu ist, die dann solch eine Rede hier hält und dazu noch den größten Teil der Antwort des Senats zitiert!

(Beifall bei der SPD – Abg. K a s t e n - d i e k [CDU]: Frau Berk, das haben Sie doch abgelesen!)

Wir brauchen aber, wie wir allgemein wissen, nicht weniger, sondern weitaus mehr Studierende, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Wir wollen keine Auslese betreiben. Eine Eingangsprüfung als einziges Auswahlkriterium, ich betone als einziges Auswahlkriterium, wie von der CDU vorgeschlagen, trägt überhaupt nicht zur Lösung unseres Problems hoher Abbruch- und Studienwechslerquoten sowie einer langen Studiendauer bei.

Wir teilen den Ansatz nicht, Studierwillige pauschal abzuschrecken und so vom Studium fernzuhalten, das machen Sie so, wie Sie Wissenschaftspolitik betreiben wollen. Wir wollen im Gegenteil, dass Studieninteressierte im Vorhinein in die Lage versetzt werden, einen passenden Studiengang zu wählen und dass dieser dann gefundene Studiengang optimale Studienbedingungen und einen zügigen Studienverlauf gewährleistet.

Erst einmal vorangestellt sei, wir wissen längst, dass das Bremer Bildungssystem, und darauf haben Sie auch schon hingewiesen, in der Vergangenheit nicht so gut aufgestellt war, wie wir alle uns das gewünscht hätten. So sind den Bremer Schülerinnen und Schülern gerade erst wieder von einer neuen Pisa-Studie Defizite bescheinigt worden, die sowohl ihre Ausbildungs- als auch ihre Studierfähigkeit beeinträchtigen können.

So kurz nach der ersten Pisa-Studie waren allerdings noch nicht viel positivere Ergebnisse zu erwarten. Bremen hat hier konsequent mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen reagiert. Im Hinblick auf die älteren Schüler und Schülerinnen haben wir zum Beispiel die Profiloberstufe eingeführt, die nicht nur ein konzentrierteres und inhaltlich besseres Lernen ermöglicht, sondern bei der es auch ganz gezielt darum geht, dass Jugendliche ihre Fähigkeiten und Begabungen erkennen und hier entsprechend gefördert werden. Um ein besseres, vergleichbares Niveau zu erreichen, sind Vergleichsarbeiten und gemeinsame Abschlussarbeiten sowie das Zentralabitur eingeführt worden.

Auch an den Hochschulen des Landes ist mittlerweile, wie wir wissen, eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen worden, um Studierende ganz zu Beginn ihres Studiums gezielt auf die Anforderungen der von ihnen gewählten Fachrichtungen vorzubereiten. Die hohen Abbruch- und Studienwechslerquoten wie auch die lange Studiendauer lassen sich unseres Erachtens jedoch, und hier bestätigen uns aktuelle Erhebungen, vor allem auf das fehlende Vorwissen der Studierenden, darauf sind Sie auch eingegangen, da sind wir sicherlich einer Meinung, über ihr zukünftiges Fach und die damit verbundenen Anforderungen und von ihnen mitzubringenden Fähigkeiten zurückführen.

So bezeichnet sich nach Befragung des Hochschulinformationssystems HIS nur ein Drittel der Studierenden als über ihr zukünftiges Fach mindestens gut informiert. Ein Drittel weiß dagegen so gut wie gar nicht, wie das Studium organisiert ist und welche Fähigkeiten Studierende mitbringen müssen. Das zeigen auch die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung im Auftrag des nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministeriums, nach der nur jeder dritte Studienanfänger an deutschen Universitäten sich vorab gut informiert fühlt über das Studium und die Situation an deutschen Universitäten. Das ist also keine Bremensie, und das ist auch eine Aufgabe, die jetzt nicht die Universitäten zu leisten haben, da gebe ich Ihnen vollkommen Recht, das ist eine Aufgabe, die sich zumindest bei den Größeren in den Sek II auch an den Schulen bemerkbar machen muss, und das kann man eigentlich den Universitäten nicht vorwerfen.

15 Prozent der Studierenden wollen ihr Studium kurz nach Beginn schon wieder aufgeben. Auch eine Befragung der Erstsemester an der Universität Bremen im letzten Sommersemester ergab ein ähnliches Bild, waren sich doch unabhängig von der Fachdisziplin bis zu 20 Prozent der Befragten nicht sicher, ob sie das richtige Fach gewählt haben. Um zu verhindern, dass ein so hoher Prozentsatz der Studierenden derart uninformiert ein Studium aufnimmt, sollten freiwillige Eingangstests ermöglicht werden, da stimme ich Ihnen auch zu, die ihnen Hinweise geben sollen, jedem einzelnen Studenten, ob sie oder

er für ein bestimmtes Studium geeignet ist. Auf dieser Grundlage können sie sich frühzeitig umorientieren und einen neuen Studiengang wählen, der ihren Fähigkeiten besser entspricht. Ich stimme Ihnen ja zu, viele junge Menschen wissen zu Beginn eines Studiums nicht, dass vielleicht gerade der Bereich Mathematik, da hapert es bei den meisten, doch sehr gefragt ist in dem Studiengang und dass sie dann zu spät merken, dass sie nicht den richtigen Weg gewählt haben.

Hinter den obligatorischen Eingangsprüfungen dagegen verbirgt sich eine pessimistische und rückwärtsgewandte Sicht, die den Studieninteressierten keinerlei Perspektiven eröffnet. Wir müssen die Problematik weitaus vielschichtiger angehen. Abgesehen von den bereits ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung beziehungsweise Kompensation des schulischen Leistungsniveaus in den Schulen und Hochschulen sind diese darüber hinaus gefordert, den Informationsstand von Schülerinnen und Schülern der zwölften und dreizehnten Klasse beziehungsweise der elften und zwölften Klasse über die Anforderungen und Bedingungen der sie interessierenden Fachdisziplin zu verbessern. Da muss man noch sagen, dass gerade diese vorbildliche Aktion, vom Stifterverband gefördert, und das hatten Sie, Frau Spieß, auch schon gesagt, das Projekt „Übergänge“ doch sehr hilfreich ist. Das Projekt „Übergänge“ richtet sich an Lehrer, die ja auch manchmal ein Defizit haben sollen, und Schüler. Es hat sich als ausgezeichnet, jedenfalls in der Anfangsstufe erwiesen. So lange läuft es ja noch nicht.

Ausgehend von der bekannten Diskrepanz zwischen dem schwindenden Interesse der Jugend an Fächern wie Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften einerseits und dem steigenden gesellschaftlichen Bedarf an qualifiziertem Nachwuchs in eben diesen Feldern andererseits werden hier nicht nur fachwissenschaftliche Fortbildung angeboten, sondern auch Projekte, Programme und Arbeitsgemeinschaften für Schülerinnen und Schüler, in denen diese angeknüpft an ihre Interessen ab Sekundarstufe I für diese Fächer begeistert werden sollen und Schritt für Schritt mit ihnen vertraut gemacht werden.

Mehr Sinn als isolierte Eingangsüberprüfungen machen doch allemal studiengangspezifische Auswahlverfahren, bei denen die Durchschnittsnote der Hochschulzugangsberechtigung zwar nach wie vor eine gewichtige Rolle spielen muss – und im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, wollen wir das auch nicht aufgeben –, bei denen aber auch neben fachspezifischen Tests und Auswahlgesprächen eine besondere Gewichtung von Noten im Abiturzeugnis, etwa die Mathematikoder die Biologiezensur für das Studium der Naturwissenschaften, einer Lehre vor dem Studium oder von Erfahrungen im Arbeitsleben bei der Studienzulassung vorgenommen werden kann.

Jüngst wurde den Hochschulen im Rahmen der letzten Novelle des Hochschulrahmengesetzes eine größere Selbstauswahlquote eingeräumt. In Bremen, wo das HRG gerade in Landesrecht umgesetzt wird, werden wir es am Freitag in der Deputation haben, werden die Hochschulen des Landes die Möglichkeit erhalten – also, es ist keine Verpflichtung, sondern eine Möglichkeit –, Auswahlverfahren einzuführen, bei denen eine Vielzahl von Eignungskriterien in Tests und Gesprächen unter studiengangspezifischen Gesichtspunkten kombiniert werden können.

Dass auch die teilweise erheblichen Defizite bei der internen Organisation der Hochschulen zu hohen Abbruch- und Studienwechselquoten sowie zur Verlängerung der Studienzeit beitragen können, das haben wir in Bremen längst als Problem erkannt. Da haben wir auch gegengesteuert, das haben wir auch gemeinsam als große Koalition gemacht, leider geht die Umsetzung nicht immer so schnell, wie wir uns das wünschen. Insofern haben wir da noch ein bisschen Nachholbedarf. Deshalb räumt der Wissenschaftsplan in den nächsten Jahren der Reform von Lehre und Studium Priorität ein.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss! Ziel ist es, die Zahl der Absolventen zu steigern und die Studienzeiten deutlich zu verringern. Der Wissenschaftssenator hat dies bereits zu einem Schwerpunkt in den Hochschulkontrakten gemacht.

Alle Hochschulen bemühen sich seit längerem verstärkt um die Erhöhung des Studienerfolgs. Unser Studienkontenmodell, ich hoffe, dass wir es auch bald hier beschließen können, soll jedoch keinesfalls nur Lernende, sondern auch Lehrende auf einen zügigeren Studienverlauf verpflichten. Nicht immer sind es nur die Studierenden, meine Damen und Herren, manchmal sollten sich auch Professoren noch einmal eine gewisse Zeit auf die Bank der Zuhörenden und der Lernenden begeben.

Noch einmal, obligatorische Eingangsprüfungen als einziges Auswahlkriterium, meine Damen und Herren, halten wir für den falschen Lösungsansatz für dieses Problem hoher Abbruch- und Studienwechslerquoten sowie einer langen Studiendauer, und deshalb wird es generelle Eingangsprüfungen mit uns zusammen sicherlich nicht geben. – Danke!

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich auf der Besuchertribüne als Gast der CDU-Fraktion eine Gruppe aus Bremerhaven.

Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort erhält nunmehr die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Spieß, also, all das, was ich bisher hier in der Bürgerschaft von der CDU zur Bildungspolitik gehört habe, das halte ich, ehrlich gesagt, für eine bildungspolitische Katastrophe. Bei Ihnen habe ich den Eindruck, Sie wollen nicht mehr Bildung, Sie wollen weniger Bildung, Sie wollen weniger Bildungszugang und nicht mehr Bildungszugang. Es ist auch völlig egal, ob Sie das sagen oder Herr Rohmeyer, auch heute Morgen zum Bildungsurlaubsgesetz hatte ich nicht den Eindruck, dass es der CDU wirklich um mehr Bildung geht, sondern um weniger Bildung.

(Zurufe von der CDU)

Ich sage, in der Zeit, in der ich hier in diesem Hause bin! Wenn Sie zu Bildungspolitik reden, dann hört sich das auch immer nach Ausgrenzung an und nicht danach, dass man Menschen auf dem Bildungsweg mitnimmt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich glaube, die Frage, ob Schülerinnen und Schüler studierfähig sind, ist so alt, wie es Schulen und Hochschulen in diesem Lande gibt, und es wird immer darüber diskutiert, wer dieses Problem in Wirklichkeit zu lösen hat, sind es die Schulen, die abgebenden Institutionen, oder sind es die Hochschulen, nämlich die aufnehmenden Institutionen. Die Schule sagt, Kenntnisdefizite muss die Hochschule lösen, die Hochschule sagt, wir sind nicht für die Versäumnisse der Schule zuständig. Man schiebt sich also ein bisschen den schwarzen Peter hin und her, und mit gegenseitigen Schuldzuweisungen, meine ich, kommt man an der Stelle überhaupt nicht weiter, und man kommt meines Erachtens auch nicht damit weiter, indem man das Abitur als allgemeine Hochschulzugangsberechtigung in Frage stellt.

Wenn ich Sie höre, Frau Spieß, und wenn ich mir auch noch einmal die Presseinformationen ansehe, die die CDU im Oktober herausgegeben hat, und ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten, „das Abitur habe als Testat der Studierfähigkeit für die meisten Studiengänge längst ausgedient“, dann halte ich das für schlichte Ideologie und platte Äußerungen, wie man das Abitur schlecht redet! Ich finde, auch die CDU muss die wissenschaftliche Diskussion zum Hochschulzugang zur Kenntnis nehmen, sowohl der Wissenschaftsrat als auch das HIS sagt, die Abitursdurchschnittsnote mit all ihren Schwächen sagt immer noch am meisten über den Studienerfolg in Deutschland aus. Sie sagen auch ganz klar, wenn man Auswahlverfahren an den Universitäten einführt, dann muss die Abitursdurchschnittsnote eine herausragende Rolle einnehmen,

und alle anderen Auswahlkriterien müssen auf Eignung, Verlässlichkeit, Validität evaluiert werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das teile ich im Grundsatz.

In der siebten Hochschulrahmengesetznovelle wurde den Hochschulen bei ZVS-Studiengängen bereits eine sechzigprozentige Auswahlquote zugestanden. Wenn man die Profilierung der Hochschulen will, und das will man ja, man hat sich im Wissenschaftsplan 2010 dazu entschieden, dann ist es sicher auch folgerichtig, dass man sich über das Auswahlrecht an der Stelle Gedanken macht. Aus unserer Sicht darf Auswahlrecht aber keine Einbahnstraße sein, sondern Auswahlrecht muss heißen, sowohl die Hochschulen müssen wählen, wer zu ihrem Profil passt, aber umgekehrt genauso, die Studierenden müssen wählen, welche Hochschule denn zu ihnen passt. Das heißt, es muss um ein Instrument der Passgenauigkeit gehen und nicht um ein Instrument der Selektion der Hochschulen. Das ist uns an dieser Stelle ganz wichtig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)