Protocol of the Session on February 25, 2004

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Das ist doch keine Frage der Dauer!)

Das ist nicht eine Frage der Dauer, sondern es ist ausdrücklich die Frage, Herr Kastendiek, was wir hier eigentlich mit diesen Mitteln machen. Kommt Bremen im Strukturwandel positiv voran oder nicht? Da ist aus meiner Sicht zur Kenntnis zu nehmen, dass wir weit hinter dem zurückstehen, was wir eigentlich hätten erreichen müssen. Sie sagen in der Bildungspolitik nicht zu Unrecht: fördern und fordern! Das können wir in der Wirtschaftspolitik genauso machen, und ich sage, nicht nur fördern, nicht nur Fördermittel beanspruchen, nicht nur europäische oder nationale Fördermittel, man muss auch fordern, dass der Strukturwandel positiv vorankommt, und da gibt es meiner Auffassung nach ganz deutliche Defizite, über die wir hier eigentlich diskutieren müssten, und nicht darüber, wie wir noch mehr Mittel akquirieren können! Das kann nicht richtig sein, und, Herr Focke, Sie können den Kopf so viel schütteln, wie Sie wollen. Eines ist auch klar: Wenn Sie anfangen, europäisch zu denken – und wir hatten vorhin ja diese wunderschöne Europadebatte, dass die Verwaltung für Europa fit gemacht werden soll –, dann vergleichen Sie einmal bundesrepublikanische Wirtschaftsbereiche mit den Ostländern, die neu in die Europäische Union hineinkommen! Dann werden Sie merken, dass die Ungleichheit sehr viel größer ist. Ich wäre also ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

sehr vorsichtig mit den Forderungen, die Sie hier an Bund, Europäische Union und an sonst wen stellen. Ich sage Ihnen ganz deutlich, dass die CDU-Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren nicht wesentlich dazu beigetragen hat, die Strukturmängel unserer Region real zu beheben, und deswegen, behaupte ich, sind Sie auch so stark daran interessiert, diese Förderkulisse zu erhalten.

Wir wollen diese Förderkulisse auch, um es einmal ganz deutlich zu sagen, weil die Strukturprobleme eben nicht behoben worden sind. Wir wollen die Förderkulisse auch, und deshalb stimmen wir Ihrem Antrag auch zu, weil er nämlich sagt, dass wir sie grundsätzlich erhalten wollen. Wir werden aber, und darauf müssen Sie sich jetzt schon einmal einstellen, eine Diskussion darüber zu führen haben, wie die Fördermittel eingesetzt werden und wo die moderne Wirtschaftspolitik liegt. Herr Liess, es tut mir Leid, dass Sie den Antrag so mitmachen, dieser Antrag sagt eigentlich nur: Weiter so wie bisher, alles war gut, und alles wird gut. Daran glaube ich aus Bremer Sicht, ganz deutlich, überhaupt nicht.

Wir sind also gefordert – auch angesichts der europäischen Erweiterungsunion –, was die Förderkulisse im wirtschaftpolitischen Bereich ja insgesamt verändern wird. Da muss man sich ja gar nicht irgendwie Sand in die Augen streuen. Es wird so kommen, ob Sie das nun unbedingt toll finden oder nicht. Genau das wird passieren, und da werden wir sehr gründlich und sehr sorgfältig darüber nachdenken, was eigentlich moderne Wirtschaftsförderinstrumente sind und was eben nicht, Frau Winther. Einfach zu sagen, die Gemeinschaftsaufgabe ist modern, das können wir auf gar keinen Fall so mittragen.

Wie gesagt, wir stimmen dem Antrag zu, weil wir glauben, dass Bremen weiterhin gefördert werden muss. Das Problem ist, wir hoffen, dass künftig die Fördermittel, nicht nur die nationalen, sondern auch die europäischen, sinnvoller in unserem Gemeinwesen genutzt werden, so dass wir irgendwann einmal sagen können, wir sind auf der Höhe der Zeit, und wir sind eben nicht mehr auf Fördermittel angewiesen. Das muss eigentlich das Ziel von Wirtschaftspolitik an diesem Standort sein. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Wiedemeyer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will es auch ganz kurz machen. Herr Möhle, wir sind es ja langsam gewohnt, dass Sie sich ständig hier hinstellen und immer anprangern, die Wirtschaftspolitik und alles ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

bringe nichts in dieser Region und die große Koalition und ach, wie furchtbar! Ich glaube aber, dass Sie bei der Diskussion um GAW-Fördermittel und europäische Mittel hier wirklich total daneben liegen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wenn nicht bei diesen Programmen und auch mit Unterstützung der EU-Programme, die wir haben, die Maßnahmen, die wir in dieser Stadt durchgeführt haben, nicht gerade die sind, die Sie immer propagieren, dann weiß ich auch nicht mehr, wie denn eine Wirtschaftspolitik in den Augen der Grünen aussehen kann! Hier kommen überhaupt keine konstruktiven Vorschläge, es wird nur herumgemeckert, es ist alles schlecht, es wird alles schlecht geredet.

Schauen Sie sich doch einmal um! Das beste Beispiel sind doch diese ganzen EU-Programme, die wir eingesetzt haben. Ich nenne das Beispiel Gröpelingen, solche Projekte wie die Feuerwache West, die dann demnächst noch stattfinden, viele Qualifizierungsprogramme, wo es uns wirklich gelungen ist, auch da anzusetzen, wo die Probleme sind auch in der Bevölkerung, wo wir versuchen, auch die Menschen vor Ort mitzunehmen, und wo es nicht darum geht, irgendwie Wirtschaftspolitik ganz platt in Beton zu gießen und Straßen zu bauen und alles zu versiegeln, sondern hier glaube ich, dass wir vorbildlich sind.

Wir haben Programme hier in Bremen laufen, die von ihrer Programmatik her höchste Anerkennung finden, und vielleicht sollten Sie sich auch als wirtschaftspolitischer Sprecher die Mühe machen, einmal die Berichte durchzulesen, die auch EU-weit erstellt werden, wo Bremen mit sehr vielen Beispielen lobend erwähnt wird. Ich denke, das ist doch eine Wirtschaftspolitik, die auch bei den Bürgern ankommt und die uns insgesamt hier in Bremen voranbringt.

Ich teile Ihre Auffassung, dass es wünschenswert wäre, dass wir eine so prosperierende Region wären, in der wir keine Fördermittel mehr benötigen würden, aber ich glaube, so lange uns diese Mittel zustehen, sollten wir sie auch in Anspruch nehmen und verantwortungsbewusst damit umgehen und für alle, nicht nur im Interesse dieser Region, sondern auch im Interesse all derer, denen diese Mittel zur Verfügung stehen, hier Projekte durchführen. Ich bin mir sicher, dass wir da auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Möhle.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann die Aufregung ja verstehen. Da macht die CDU seit vier ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Jahren Wirtschaftspolitik, und wenn man die ehrliche Bilanz zieht, dann gibt es ein paar Erfolge, aber es gibt eben auch einen Haufen Misserfolge, und die Opposition hat nun einmal die Aufgabe, gerade den Finger in die Wunde zu legen und gerade auch die Misserfolge zu benennen.

Dass Sie als Regierungskoalition so tun, als ob eitel Sonnenschein wäre, verwundert mich, ehrlich gesagt, nicht wirklich. Wenn wir also über die Frage von Strukturwandel in dieser Region reden, dann sage ich Ihnen ganz deutlich: Wenn Sie nur die Büroflächenpolitik anschauen, kann einem im Grunde genommen nur der Blick nach Oberneuland zeigen, wo welche Projekte bei Ihnen gedacht werden.

(Zuruf des Abg. F o c k e [CDU])

Das ist ein ganz großer Irrtum! Herr Focke, es gibt in Bremen nicht nur den Büropark, der ziemlich katastrophal ist, es gibt auch andere Projekte in dieser Stadt, die gefördert wurden und gigantisch groß sind, die aber keine oder nicht die gewünschten wirtschaftspolitischen Struktureffekte haben. Es kommt auf die Struktur an, und Sie setzen nach wie vor darauf, große Projekte zu fördern, anstatt die Struktur tatsächlich kleinteilig zu verändern.

Das ist genau der Kritikpunkt an Ihrer Art der Wirtschaftspolitik. Sie können die Mittel, auch die europäischen Mittel, besser verwenden, als Sie es zurzeit tun. Es freut mich außerordentlich, dass Sie sich so sehr aufregen, weil das ziemlich gut deutlich macht, wie genau richtig ich darin liege, Sie an der Stelle zu kritisieren. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Werden Sie doch einmal konkret, Herr Möhle! Was heißt das denn?)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Winther.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Möhle, dieser Rundumschlag, den Sie hier versuchen, nämlich bremische Politik ein weiteres Mal herunterzumachen, will doch nur das vernebeln, was in Berlin eben nicht gelaufen ist,

(Beifall bei der CDU)

nämlich das Chaos, das dort veranstaltet worden ist, gerade mit dieser GA-Aufgabe! Es wäre besser, Sie würden uns einmal erklären, was Berlin jetzt eigentlich zu tun beabsichtigt, was die Koalition dort vorhat und wie es mit der Gemeinschaftsaufgabe weitergehen soll. Stattdessen versuchen Sie nur einmal mehr eine Diskussion über bremische Wirtschafts

politik, die wir in Bremerhaven geführt haben und praktisch in jeder Bürgerschaftssitzung führen.

Sie wollen einfach die Effekte der Wirtschaftspolitik der großen Koalition nicht zur Kenntnis nehmen, Sie weigern sich ja direkt, obwohl wir sie Ihnen mehrfach erklärt haben. Wir haben Ihnen die Arbeitsplatzeffekte des ISP erklärt, wir haben Ihnen die Wachstumszahlen der letzten Jahre erläutert. Wir haben Ihnen die ganzen Ratings dargelegt, in denen wir wirklich gut dastehen hier in Bremen. Wir haben gerade gestern noch einmal gehört, dass wir seit 1998 mit 6 000 Gründungen 10 000 Arbeitsplätze geschaffen haben wie kaum eine andere Region. All das sind Zahlen, die Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, und das finde ich nun wirklich nicht mehr der Sache angemessen. Es wäre gut, wenn Sie sich mit diesen Effekten wirklich einmal intensiv auseinander setzen würden. – Danke!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Liess.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zwei kurze Anmerkungen! Ich möchte noch einmal betonen: Die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur wendet sich gerade eben an die kleinen und mittleren Unternehmen, und es geht eben nicht um die Großprojekte. Sie dürfen nicht verwechseln, dass das eine EU- und Ziel-zwei-Gelder und das andere GAGelder sind. Das in einen Topf zu werfen macht es schwierig.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Zweite Bemerkung: Sehr geehrte Frau Kollegin Winther, ständiges Behaupten erhöht den Wahrheitscharakter auch nicht,

(Beifall bei der SPD)

weil die Bundestagsfraktionen von Grünen und SPD eben genau die Regierung, die in der Tat die Aufsicht hatte, die GA-Mittel insgesamt zu streichen, gestoppt haben. Insofern sollte man anerkennen, dass wir dort ein sehr gutes, funktionsfähiges Parlament haben, das auch die Interessen der Länder berücksichtigt. Von Chaos kann nicht die Rede sein.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat Herr Bürgermeister Perschau. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was zur Sache von den beiden Regierungsfraktionen gesagt worden ist, kann ich unterstreichen, den Antrag kann ich auch unterstreichen, da sind wir einer Meinung.

Herr Möhle, ich weiß, dass Sie immer wieder diese Anläufe machen, aber es gibt nun ganz viele objektive Sachverhalte und auch objektive Überprüfungen. Punkt eins: Die Mittel aus der GA werden für kleine und mittlere Unternehmen eingesetzt. Das hat Herr Liess gesagt. Punkt zwei: Wir haben sie insbesondere zum Ausbau des Technologieparks eingesetzt. Wir haben sie an der Hansalinie eingesetzt für die Erschließung von Gewerbegebieten. Wir haben sie natürlich auch in einigen Bereichen der Tourismusförderung eingesetzt.

Wenn Sie nun gerade den Strukturwandel ansprechen, Herr Möhle, es hat einen Ländervergleich im Strukturwandel gegeben, und es hat einen Großstädtevergleich im Strukturwandel gegeben. Im Großstädtevergleich liegt Bremen einsam auf Platz eins der deutschen Städte, was Strukturwandel angeht, was Innovationstempo und was im Grunde genommen die Umstrukturierung aus Industriebereichen in den Dienstleistungsbereich angeht.

(Beifall bei der CDU)

Im Ländervergleich liegen wir einen Hauch hinter dem Saarland auf Platz zwei im Strukturwandelvergleich, und die übrigen Länder, ich gebe gern zu, dass wir gerade wegen der Fördermittel, Herr Möhle, insbesondere vielleicht auch gegenüber anderen Vorteile hatten in ganz bestimmten Bereichen der Wirtschaftsförderung, aber auch die Testate, das hat Frau Wiedemeyer gesagt, dass die EU-Evaluierungen, die wir gemacht haben, ich erinnere nur an die UrbanProgramme, an viele andere Programme, die wir zur Stadtteilsanierung eingesetzt haben, außerordentlich erfolgreich sind, und wir sind im Grunde gerade, was diese Fördermittel angeht, von allen gelobt worden für die Programme und für die Strukturpolitik, die dahinter steht.

(Beifall bei der SPD)

Zur aktuellen Situation: Die Wirtschaftsministerkonferenz hat in ihrer letzten Sitzung intensiv die Frage der 100 Millionen, die für die neuen Länder vorgesehenen GA-Mittel, die wieder zurücktransferiert werden sollen in die alten Länder, nach langem Hin und Her mit den Kollegen der neuen Länder einvernehmlich festgelegt. Dies ist zunächst nur eine Lösung für 2004. Alle wissen, dass wir für die Jahre 2005, 2006 folgende andere Elemente brauchen, weil es nicht so gehen kann, dass im Grunde genommen festgestellt wird, dass strukturschwache Gebiete nur in den neuen Ländern liegen und nicht

auch in den alten, weil das auch innerhalb der Länder regional sehr unterschiedlich ist. Letzter Punkt: Meine Damen und Herren, wenn wir im Standortwettbewerb uns nicht darum bemühen, möglichst viele Fördermittel auf unseren Standort zu ziehen, dann machen wir das Gegenteil von vernünftiger Standortpolitik. Deshalb werden wir uns auch in Zukunft massiv engagieren, dass wir europäische Fördermittel bekommen, dass wir Fördermittel aus der Gemeinschaftsaufgabe vom Bund bekommen. Natürlich ist das ein wichtiger Punkt in der Entwicklung unserer Städte und unserer Strukturen, und deshalb können wir es gar nicht hinnehmen in dem Wettbewerb, in dem wir stehen, dass widerspruchslos Fördermittel und Förderstrukturen gestrichen werden, die in ihrem Grundansatz sehr sinnvoll sind, weil die Streuungen, die dabei vorgenommen werden, die Rahmenbedingungen, die Konditionierungen, sehr vernünftig sind. Wir haben in den letzten Jahren damit, glaube ich, Gutes angefangen, und wir werden auch in Zukunft Ihren Rat ausschlagen und werden trotzdem weiter für uns und für strukturschwächere Gebiete kämpfen. Wir waren früher einmal, Herr Möhle, ein ganz besonders strukturschwaches Gebiet. Das sind wir heute weniger als früher, aber es ist keineswegs so, dass die Küstenregionen aus jeder Form der Strukturschwäche herausgewachsen sind. Deshalb begrüße ich den Antrag der beiden Fraktionen, und der Senat begrüßt dies mit mir, und wir werden natürlich gemeinsam weiter streiten, dass wir diese Strukturen auch im Rahmen der Verteilungsgerechtigkeit von Bundes- und EU-Mitteln in der Bundesrepublik Deutschland in der Zukunft sicherstellen.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 16/142 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Mittagspause ein und fahren um 14.30 Uhr fort.