Protocol of the Session on February 19, 2003

Wissenschaft findet im Dialog statt. Dialog erfordert natürlich auch, dass man den richtigen Ton findet. Der Dialog zwischen den Bereichen des Tierschutzes und den Bereichen der Forschung ist in Bremen sehr schwer. Professor Kreiter ist wahrlich kein Vorbild, wenn es darum geht, sozusagen den Dialog mit vorsichtigen Worten zu führen. Mir fallen dazu Zitate aus der „taz“-Bremen ein, in denen er bekannte, dass er sich in Bremen an Zeiten von 1930 und folgende in Deutschland erinnert fühlte.

Auf der anderen Seite steht eben hier auch das von Ihnen, Frau Tuczek, schon genannte Magazin „Tierschutz“, Mitgliederzeitung des Vereins „Bürger gegen Tierversuche“. Hier wird geschrieben, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Gequält mit Vorsatz: Die Affenversuche des Dr. Kreiter gehen munter weiter.“ Das ist also auch ein Ton, der, finde ich, neben der Spur und geradezu verletzend ist. Noch schlimmer steht auf der Rückseite des Magazins ein „Gastkommentar zum Thema Tierversuche“, ein Adler oder Bussard, das kann ich jetzt auch nicht bestimmen, ein Greifvogel mit dem Zitat: „Tierversuchsforscher sollen bloß ihren Schnabel halten, sonst kommt meiner zum Einsatz, Karl von Greifzu.“ Das ist schon nahe an der Militanz.

Liebe Frau Tuczek, wer im Glashaus sitzt,

(Zuruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])

sollte nicht mit Steinen werfen. Sie brauchen diese Zeitung nur aufzublättern, dann sehe ich das Bild des Kollegen Henkel, das überrascht nicht weiter, aber auch Finanzsenator und Bürgermeister Hartmut Perschau hat für diese Zeitschrift, die meiner Meinung nach in der Debatte um Tierversuche den Ton richtig verdorben hat, als prominenter Förderer dieses Vereins ein Grußwort geschrieben. Das ist, finde ich, ziemlich peinlich.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Lassen Sie mich aber noch zu einem inhaltlichen Punkt kommen! Ich bin es für unsere Fraktion noch

schuldig geblieben aufzuzeigen, wie wir uns vorstellen, das von mir skizzierte Ziel eines schrittweisen Ausstiegs aus den Primatenexperimenten eigentlich erreichen zu können. Von den Grünen habe ich zu dieser Frage nichts Reales gehört, sie haben es offen gelassen. Sie haben hier den Eindruck hinterlassen, Sie stellen sich das so vor, wenn Sie einmal an der Regierung wären – ich hätte nicht soviel dagegen, das ist nicht das Problem –, könnte man dann irgendeinen Schalter umlegen. Das ist populistisch. Damit streuen Sie doch den Leuten Sand in die Augen!

(Beifall bei der SPD)

Wir meinen, man kann dieses Ziel eines schrittweisen Ausstiegs nur im Dialog erreichen. Das Grundgesetz schreibt eben die Forschungsfreiheit fest. Dazu stehen wir natürlich, selbstverständlich. Die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel ändert daran grundlegend erst einmal überhaupt nichts. Selbstverständlich erhöht das sowohl die Anforderungen an die Prüfung von Anträgen auf Tierversuche staatlicherseits als auch die Anforderung an die Wissenschaftler, sich noch mehr Mühe zu geben, diese Tierversuche auf das mindest mögliche Maß zu reduzieren. Das ändert aber erst einmal gar nichts am Grundsatz. Solange Herr Kreiter sich an die Gesetze hält, wird jeder Beschluss, den wir hier fassen, der in seine Grundrechte eingreift, vor Gericht nichtig sein. Wir können unser Ziel nur im Dialog erreichen, und zwar mit Kompromissen auf beiden Seiten.

Ich möchte das hier nur kurz skizzieren! Wir erwarten von beiden Seiten, sowohl vom Tierschutz als auch von der Wissenschaft, Kompromissbereitschaft. Wobei ich hier auch nicht die Welt in zwei Teile teilen möchte. Ich weiß, dass es auch unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sehr viele gibt, die das Thema Tierschutz hochgradig ernst nehmen und die überhaupt nicht darüber erfreut sind, wenn sie in eine Ecke gedrängt werden, dass sie Freude daran hätten, Tiere zu quälen. Ich weiß aber auch, dass auch viele Tierschützer sich zu Recht verletzt fühlen, wenn man ihnen Forschungsfeindlichkeit vorwirft, denn das ist nicht ihr Ziel. Sie wollen eben andere Forschungsmethoden. Das ist mir auch klar. Ich meine, es ist an der Zeit, dass beide aufeinander zugehen.

Wir erwarten von denen, die sich eher dem Tierschutz zugeneigt fühlen, so will ich es einmal ausdrücken, eine Anerkennung, dass die Forschung, die hier in Bremen betrieben wird, wohl noch einige Jahre unverzichtbar sein wird, auch eine Anerkennung, dass wir jetzt zumindest in Zukunft alles tun werden, um den Prinzipien Reduction und Refinement und dann eben hoffentlich auch Replacement gerecht zu werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir Sozialdemokraten erwarten auf der anderen Seite von denjenigen, die sich dann eher der Wissenschaft und Forschung zurechnen, dass sie mit Nachdruck an Ersatzmethoden für die Tierexperimente arbeiten, dass sie sich auch auf eine freiwillige Selbstbeschränkung einlassen, die Primatenversuche nicht nur zu reduzieren und das Leiden der Tiere, wo immer es geht, zu vermindern, sondern eben auch mit der Zielsetzung arbeiten, möglichst bald diese Primatenexperimente in Bremen ganz zu ersetzen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Tuczek.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jeder Abgeordnete ist ja frei, hier seine Meinung zu sagen, und das gilt auch für meinen Kollegen Henkel, dessen Intention ich allerdings überhaupt nicht teilen kann.

Ich wollte es Ihnen hier eigentlich ersparen, aber ich möchte Ihnen hier doch jetzt mit Genehmigung des Präsidenten vorlesen, worum es hier eigentlich geht. Es gibt hier eine Arbeitsgruppe des Akademischen Senats über die Ersatzmethoden. Da wird unter anderem ausgeführt:

„Ziel des Projektes ist, kurz gefasst, die Überprüfung der Hypothese, dass die selektive Aufmerksamkeit eine erhöhte Synchronisation derjenigen Neuronenensembles hervorruft, die den Aufmerksamkeitsreiz aufnehmen, während andere Neuronenensembles ihre Synchronizität reduzieren. Diese (hy- pothetischen) Änderungen der raumzeitlichen Strukturen neuronaler Aktivität stehen der herkömmlichen Hypothese der aufmerksamkeitsabhängigen Modulation lediglich der Feuerrate der Neuronen gegenüber. Die Klärung dieser Hypothese wäre ein entscheidender Beitrag zur Kenntnis der neuronalen Grundlage kognitiver Leistungen und damit zur Entwicklung diagnostischer und therapeutischer Verfahren bei spezifischen Hirnerkrankungen.“

Ich will damit nur einmal sagen, was das für eine komplizierte Materie ist!

(Heiterkeit)

Das wollen Sie hier alle, ich sage einmal, bewerten können, worum es da geht, mit welchen Methoden die da arbeiten müssen?

Dann sagen die Wissenschaftler: „Genau wie in anderen Naturwissenschaften können auch in den Neurowissenschaften theoretische Ansätze Experimente nicht ersetzen, da letztendlich die Phänomene der eigentliche Gegenstand der Grundlagenfor––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

schung sind.“ An anderer Stelle, letzter Satz: „So ist beispielsweise noch immer unklar, wie im Gehirn das Gedächtnis realisiert ist oder wie die Wahrnehmung von Objekten erfolgt, Leistungen, die selbst in vermeintlich einfachen Lebewesen wie der Biene diejenigen von technischen Systemen bei weitem übertreffen. Dies demonstriert, wie beschränkt unser Wissen über die grundlegenden Prinzipien noch ist, die den Funktionen von Gehirnen zugrunde liegen.“ In diesem Bereich wird hier geforscht. Das ist hiermit in diesem Sonderforschungsbereich ausgedrückt.

Dann will ich noch einmal sagen, auch als wir gesagt haben, wir wollen bildgebende Verfahren haben, dass wir den Kernspintomographen haben wollten, ist immer bewusst gewesen, dass nicht von heute auf morgen mit den Tierversuchen aufgehört werden kann. Das musste jeder wissen. Wer das an die Leute anders verkauft hat, der hat etwas Falsches gesagt. Das wussten wir alle, dass das nur ein Ausstieg ist, um die Tierversuche perspektivisch zu reduzieren.

Dann komme ich jetzt einmal zu Herrn Dr. Domann-Käse! Ich habe mich schon ein bisschen gewundert über das, was Sie gesagt haben, wenn ich nämlich die Beschlüsse lese, die wir in der Wissenschaftsdeputation zusätzlich eingebracht haben. In unserem Antrag steht: „In Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes ist der Freiheit der Forschung und Lehre Verfassungsschutz eingeräumt worden. Das schließt ausdrücklich Grundlagenforschung mit ein. Grundlagenforschung ist die notwendige Voraussetzung für den Bereich der angewandten Forschung. Ohnehin ist der Tierschutz als Staatsziel durch Artikel 20 a in das Grundgesetz mit aufgenommen. Aufgrund der genannten Regelungen des Grundgesetzes ist in der laufenden Diskussion die Autonomie der Universität und der Hochschulen zu beachten und darf nicht aufgrund unterschiedlicher politischer Zielvorstellungen eingeschränkt werden“. Das haben wir gemeinsam beschlossen.

Dann haben wir weiter beschlossen, deswegen hatte ich auch Schwierigkeiten, Ihren Antrag, den Sie hier noch eingebracht haben, bei dem Sie jetzt sagen, dass wir da Schwierigkeiten haben, mitzumachen, zu unterstützen. Wir hatten da nämlich schon beschlossen: „Die Deputation für Wissenschaft fordert die Universität auf, unter Beachtung der Freiheit der Forschung geeignete Maßnahmen einzuleiten, um die Gesamtzahl der Tierexperimente, die für den Gewinn einer wissenschaftlichen Erkenntnis notwendig sind, wo immer möglich zu reduzieren.“

Das ist genau das, was wir beschlossen haben! Das, was Sie gebracht haben, ist natürlich schwierig. Sie hätten sich vielleicht einmal mit Ihrer Behörde abstimmen sollen, die auch Schwierigkeiten mit Ihrem Antrag hatte! Das muss man hier einmal ganz deutlich sagen!

Wir haben nämlich gesagt, und das ist nämlich das, wo wir Probleme haben, wir müssen doch erst Ergebnisse haben, dass man darangehen kann, von einer Reduzierung von Versuchen an Primaten zu sprechen. Wir wollen den Leuten doch nicht wieder irgendwelche blauen Brillen verkaufen und ihnen sagen, in drei Jahren kann man damit aufhören. Man kann es, wenn man sich wirklich ernsthaft mit diesem Thema beschäftigt, heute noch nicht sagen. Das ist genau der Punkt! Wir hoffen natürlich alle, Herr Dr. Domann-Käse, dass wir aus diesen Tierversuchen aussteigen können, das ist doch völlig klar! Das will doch auch jeder! Wir könnten es uns auch einfach machen, wir könnten sagen, das ist gar nicht unser Ressort, lasst doch den Wissenschaftssenator machen!

(Abg. Frau J a n s e n [SPD]: Was haben Sie für ein parlamentarisches Verständnis? – Unruhe bei der SPD)

Wir haben aber eine andere Verantwortung.

Dann komme ich zu dem Dialog! Sie beklagen den fehlenden Dialog. Natürlich wollen wir einen Dialog, aber die SPD hat damals, Frau Emigholz hat es gesagt, Herr Lemke hat es gesagt, Sie haben es in der letzten Rede am 21. März 2001 auch gesagt, dass Sie sich der Diskussion annehmen wollen. Ich habe das Protokoll hier, das können Sie noch nachlesen. Sie wollten sich sogar dafür einsetzen, einen Dialog zu organisieren. Von den Grünen ist auch nichts Entsprechendes gekommen. Wo haben Sie denn Dialog gemacht?

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Was?)

Ist ein Dialog dabei herausgekommen? Das muss man doch sehen! Was ist denn dabei herausgekommen?

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Dass die Meinungen überwiegend da- gegen waren, das ist dabei herausgekom- men!)

Ja, gut! Sie machen Dialoge, die Sie in eine Richtung geben, dann wissen Sie, wie das Ergebnis aussieht, das ist doch völlig klar!

(Zurufe von der SPD)

Wir sagen, Ergebnisse können erst vorgestellt werden, wenn sie ausgewertet sind und wenn da wirklich valide Ergebnisse vorliegen. Dann kann man auch erwarten, dass die Wissenschaftler ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentieren. Bevor das aber nicht der Fall ist, was sollen die denn veröffentlichen? Professor Kreiter hat 60 Veröffentlichungen

in seiner Zeit herausgegeben, und auch im Jahre 2003 sind schon Veröffentlichungen erschienen. Nun können Sie mir ja erzählen, dass Sie so schlau sind und alles beurteilen können, was darin steht, aber das glaube ich Ihnen nicht! Ich denke, das müssen wir der Fachwissenschaft überlassen.

Ich will noch einmal sagen, ich finde das wirklich auch von Seiten der SPD nicht in Ordnung, uns so hinzustellen, als wenn wir den Antrag nicht mitmachen wollten. Wir wollen Anträge machen, bei denen auch wirklich etwas herauskommt.

(Unruhe bei der SPD)

Er hat gesagt, er musste die CDU mühsam dazu überreden, und das ist doch überhaupt nicht wahr!

(Widerspruch bei der SPD)

Er musste uns nicht mühsam dazu überreden, weil genau das eigentlich schon in unserem Antrag in der Wissenschaftsdeputation beschlossen war. Insoweit wundere ich mich schon, dass Sie hier nur noch solche Anmerkungen gemacht haben.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner erhält das Wort Herr Senator Lemke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle fest, dass wir uns jetzt in dieser Legislaturperiode zum dritten Mal mit diesem Thema, ich finde, bis auf eine Ausnahme hier, sehr ernsthaft und voller Respekt beschäftigen. Das finde ich zunächst einmal sehr beachtlich angesichts der Tatsache, dass wir uns hier auch nicht nur mit dem Tierschutz beschäftigen, sondern wir reden, und auch ich rede jetzt hier ausdrücklich als Wissenschaftssenator einer Stadt, die sich den Titel gegeben hat „City of Science“. Wir sind stolz darauf, dass uns in den letzten zehn, vielleicht 15 Jahren eine enorme Umsteuerung in Richtung Wissenschaft, Forschung, Lehre zu verstärken gelungen ist.

Wir haben, und darum werden wir beneidet, sieben Sonderforschungsbereiche etabliert. Wir bekommen zig Millionen aus Bundes- und europäischen Quellen zur Förderung unserer Wissenschaften. Darauf können wir zu Recht alle sehr stolz sein. Einer dieser sieben Sonderforschungsbereiche betrifft den Bereich, über den wir jetzt zum dritten Mal so intensiv hier heute streiten. Das ist der Bereich von Professor Roth, der Bereich der Neurowissenschaften. Ich muss Sie ein bisschen korrigieren, Herr Henkel – es tut mir auch richtig weh, wenn Sie von Spielereien in seinem Bereich reden –, Sie haben sich ganz offensichtlich nicht genügend mit seinen Arbeiten

auseinander gesetzt. Herr Professor Roth ist ein hoch angesehener Mann unserer Stadt!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wenn er im Parlament sich solche Reden anhören muss, möglicherweise hört er das ja oder liest morgen darüber, dann ist das nicht in Ordnung! Herr Professor Roth hat international, national und in Bremen einen absolut einwandfreien Ruf! Hier auf diese Art und Weise auch zwischen Gut und Böse zu differenzieren, das habe ich bei Ihrem Beitrag nicht gehört, Herr Dr. Kuhn, aber bei zumindest zwei anderen Beiträgen habe ich hier gehört, als gäbe es dort die tierquälenden Wissenschaftler, und das ist nicht richtig! Davor muss ich mich ausdrücklich verwahren. Wir haben hoch angesehene Wissenschaftler, die nach allen Richtlinien, nach Vorschriften und Gesetzen arbeiten. Sie haben einen Auftrag von uns bekommen. Den sind wir vor sechs Jahren eingegangen. Das war nicht zu meiner Zeit, sondern vor meiner Zeit. Diesen Weg haben wir beschritten. Dieser Weg der Grundlagenforschung in diesem Bereich wird an schätzungsweise mindestens 100 Universitäten weltweit genauso intensiv vollzogen.