Protocol of the Session on February 19, 2003

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Dann fangen Sie einmal an!)

Bitte lassen Sie mich doch einmal in Ruhe reden, die Zeit ist knapp! Die Reduzierung und dann als Ziel den endgültigen Stopp der Primatenexperimente in Bremen! Diese Zielsetzung wird nun vielfältig motiviert begründet. Manche haben einfach schlicht Mitleid mit den Tieren, andere Menschen kommen in der Abwägung, ist der potentielle Nutzen der Versuche größer als das Leid der Tiere, zu dem Urteil, sich für die Tiere zu entscheiden und den potentiellen Nutzen geringer zu bewerten. Andere, auch viele Wissenschaftler, haben diese Forderung unterschrieben, weil sie meinen, der hier von den Bremer Forschern gewählte Ansatz taugt nicht, um überhaupt zu substanziellen Erkenntnissen über die Funktion des Gehirns beziehungsweise solcher Leistungen des Gehirns wie Bewusstsein zu kommen, und insofern sei wissenschaftlich keine vernünftige Grundlage gegeben. Es gibt viele Argumentationen. Wir nehmen sie alle ernst, und deswegen möchte ich auch hierzu noch einmal sagen, dass wir uns als Fraktion entschieden haben, uns nicht nur mit der wohl begründeten Ablehnung dieser drei Forderungen zufriedenzugeben, sondern eben auch den Beschlussantrag zu erweitern. Wir haben mehrere Forderungen aufgestellt. Frau Tuczek hat sie bereits kurz angerissen. Zum einen geht es um eine Aufforderung an die Universität, wo immer möglich, Tierversuche zu reduzieren. Im Grunde ist das eine Selbstverständlichkeit, aber uns drängt sich doch der Eindruck auf, dass man das hier gar nicht oft genug wiederholen kann.

(Beifall bei der SPD)

Des Weiteren haben wir die Universität aufgefordert: Nehmen Sie endlich die Aufforderung von 1997 ernst, und organisieren Sie den Dialog, auch den wissenschaftlichen Dialog zur Frage der Durchführung, der Verbesserung und des Ersatzes von Tierversuchen! Als Drittes haben wir von der Universität einen Bericht angefordert, uns doch einmal darzustellen, was es in den vergangenen Jahren schon in den vielen Bereichen der biologischen Forschung für Ergebnisse bei der Entwicklung von Ersatzmethoden für Tierversuche gegeben hat. Dort gibt es schon eine ganze Menge Projekte. Die Universität hat bisher ihr Licht da zum Teil unnötig unter den Scheffel gestellt. Auch das wollen wir uns in der Deputation für Wissenschaft einmal darlegen lassen. Wir haben dann noch eine Aufforderung in Richtung des Senats gerichtet, über die Frage der Ethik

kommissionen an der Universität Bremen Bericht zu erstatten: Was haben sie bisher eigentlich beraten, und insbesondere, welche Kompetenz haben die Ethikkommissionen? Auch da gab es offensichtlich ein großes Missverständnis zwischen dem, was hier schon vor Jahren in der Bürgerschaft einmal beschlossen wurde, und dem, was am Ende dabei herausgekommen ist. Das sage ich nicht ohne eine Spur Kritik am Ressort.

Als Letztes der vielleicht wichtigste, aber auch kniffeligste Punkt, nämlich die Aufforderung an den Senat, die bildgebenden Verfahren als potentielle Ersatzmethoden für die Tierexperimente weiter zu fördern und hier endlich in die Hufe zu kommen. Ich habe vor einem Jahr, als der Bürgerantrag hier ins Parlament eingebracht wurde, Behauptungen oder Thesen von Ihnen, Kollege Dr. Kuhn, die Wissenschaftler würden die Anschaffung dieses Apparates verzögern, relativ scharf zurückgewiesen.

Ich muss heute aus der retrospektiven Sicht sagen, diese Zurückweisung war ein Fehler. Vielleicht auch für die Schärfe im Ton möchte ich mich an dieser Stelle bei Ihnen entschuldigen. Inzwischen komme ich auch zu dem Schluss, es kann nicht angehen, dass es seit 1997 inzwischen sechs Jahre gedauert hat. Wenn ein Parlament hier einen eindeutigen Beschluss und eigentlich auch nicht fehlerhaft zu interpretierenden Beschluss fasst, dass wir große Erwartungen in die Entwicklung dieser bildgebenden Verfahren setzen, wenn es dann sechs Jahre dauert, bis die zuständigen Behörden, bis die zuständigen Wissenschaftler es schaffen, hier etwas Verwertbares vorzuweisen, dann ist das nicht akzeptabel.

Wir haben also im Beschlussvorschlag zum Bürgerantrag ergänzt, dass wir es begrüßen, dass es nun endlich gelungen ist, diesen Apparat in Bremen zu installieren. Das hat inzwischen schon fast eine ironische und satirische Note. Es ist mir klar, aber wir wollen hiermit noch einmal deutlich machen, dass wir hohe Erwartungen an die Forschung mit diesem Kernspintomographen haben. Ich sage auch ganz klar, wir erwarten, dass diese Forschung nicht als Ergänzungsmethode, sondern in der Perspektive als Ersatzmethode begriffen wird.

(Beifall bei der SPD)

Aus diesem Grund haben wir, die SPD-Fraktion, diesen Dringlichkeitsantrag, der mit „Tierversuche: Reduction – Refinement – Replacement“ überschrieben ist, eingebracht. Zum Glück hat ihn unser Koalitionspartner in letzter Minute noch mitgemacht.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Sie haben uns den doch erst in letzter Minute zugeleitet!)

Nein, darüber wurde schon ein bisschen länger diskutiert!

Ich muss dazu sagen: Dieser Antrag wird diesem Tagesordnungspunkt als gesonderter Tagesordnungspunkt folgen. Wir wollen ihn aber nicht noch einmal diskutieren. Ich möchte gern die Diskussion gleich hier mit hineinziehen.

In diesem Antrag bringen wir zum Ausdruck, dass wir erwarten, dass es nach der Installation des Kernspintomographen zu einer Reduzierung der invasiven Versuche an Primaten kommen wird. Wir erwarten, dass der Senat uns auch darlegt, in welcher Perspektive erst einmal diese Reduzierung erfolgen wird und wie auch perspektivisch dann ganz auf Primatenexperimente mit dieser neuen Ersatzmethode verzichtet werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Die Überschrift „Reduction – Refinement – Replacement“ soll keine Anbiederung an pseudomoderne Anglizismen sein. Es ist einfach ein technischer Begriff aus der Forschung, den wir übernommen haben. Er ist so zu interpretieren, so zu übersetzen: Das Ziel ist in erster Linie, die Zahl der Tierexperimente zu reduzieren, darüber hinaus, wo immer möglich, die Leiden der Tiere durch experimentelle Verfeinerung, das ist das Refinement, zu minimieren und in dem entscheidenden letzten Schritt mit Ersatzmethoden die Tierversuche ganz zu ersetzen, das ist das Replacement.

Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass dies kein neuer Zungenschlag, zumindest für uns in der SPD-Fraktion, in der Diskussion ist, hin zum Ausstieg aus den Primatenexperimenten. Wir wären in dem Antrag auch gern noch einen Schritt weiter gegangen. Das hat die CDU nicht mitmachen wollen, nämlich den Senat aufzufordern, der Wissenschaftsdeputation auch noch einmal darzulegen, wie konkret ein schrittweiser Ausstieg aus den Primatenexperimenten mit einer zeitlichen Perspektive aussehen kann. Ich weiß nicht, warum Sie das nicht mitmachen wollen!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Weil das in Punkt eins schon steht, Herr Dr. Domann-Käse, Sie haben das doppelt gemoppelt!)

Ich habe das Gefühl, manche Dinge kann man gar nicht klar genug und oft genug sagen!

(Beifall bei der SPD)

Bereits 1997 hat die Bürgerschaft beschlossen, dass der Landtag erwartet, dass die Hirnforscher die bildgebenden Verfahren so weiterentwickeln, dass in der Perspektive Eingriffe in Primatengehirne unnötig werden. Dieser Beschluss sagt schlicht nichts anderes aus, als dass wir wieder aus den Expe

rimenten aussteigen wollen. Insofern, meine ich, sind wir in einer guten Kontinuität unserer Politik.

(Beifall bei der SPD)

Zum Abschluss! Wie viele Minuten geben Sie mir noch? Gar keine! Dann werde ich mich noch ein zweites Mal melden und nur schon einmal sagen: Liebe Frau Tuczek, Sie verschanzen sich unserer Auffassung nach hinter dem Begriff Forschungsfreiheit und hinter dem Begriff Autonomie der Hochschule! Wir Sozialdemokraten stehen für ein Leitbild „Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung“ und für ein Leitbild „Wissenschaft im Dialog“.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Seit wann?)

Ihre Ausführungen zu diesem Thema kann ich nicht verstehen. Ich habe aber noch andere Punkte, deswegen werde ich mich gleich noch einmal zu Wort melden.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass es der Bedeutung, den Absichten, den Zielen und den Motiven derjenigen, die diesen Bürgerantrag formuliert haben, die dafür gearbeitet haben, die dafür auf der Straße gestanden haben, entspricht, wenn man an einzelnen Worten und Formulierungen herumfummelt. Das ist wirklich nicht das, was uns hier zusteht.

Das ist auch einfach unsinnig, denn das Ziel, die Absicht derjenigen, die seit Jahren diese Arbeit machen und die auf sehr viel Übereinstimmung und Zustimmung in der Stadt treffen, ist doch eindeutig und klar, diese Bürgerinnen und Bürger wollen, dass die Universität Bremen aus den Affenversuchen wieder aussteigt, dass damit Schluss gemacht wird! Das ist die klare und eindeutige Botschaft. Zu dieser Botschaft, meine ich, lohnt es, sich zu verhalten und nicht dieses Herumfummeln an irgendwelchen Sachen, an Einzelformulierungen, darum geht es jetzt doch überhaupt nicht!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Kollege Dr. Domann-Käse, Sie haben völlig Recht, da ist eine Kontinuität in der Politik der SPD! Nur kann ich nicht erkennen, dass es eine gute Kontinuität ist, denn seit sechs Jahren stellen Sie sich hier hin oder Ihre Vorgängerin, die heute Nachmittag vorsichtshalber krank geworden ist, und erklären uns, dass Sie das eigentlich nicht wollen, dass Sie eigentlich dagegen sind, dass man das perspek

tivisch anders machen muss – irgendwann, irgendwann –, aber seit sechs Jahren finden diese Affenversuche statt. Es ändert sich doch in der Realität nichts! Das ist das Problem, mit dem Sie irgendwann einmal fertig werden müssen. Immer wieder machen Sie Anläufe, uns zu erklären, wie Sie es denn irgendwann später einmal ändern wollen. Die Leute wollen endlich einmal Taten sehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie wiederholen uns seit sechs Jahren immer wieder zum Teil in identischen Formulierungen, was Sie vorhaben. Da haben Sie in der Tat Recht. Zum Bericht, den die Koalitionsfraktionen mitgemacht haben: Ich sage Ihnen, man muss das ja nicht für klug halten, dass der Herr Apel als Vertrauensperson nicht erschienen ist. Man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, dass er sich die Möglichkeit genommen hat. Dass man sich auf der anderen Seite wundert, dass ein Bericht über eine Anhörung schon vorher fertig ist, kann ich allerdings auch verstehen.

Was meinen Sie denn, wenn wir den Professoren, die wir zur Anhörung zum Wissenschaftsplan eingeladen hatten, gleichzeitig mit der Einladung ein Protokoll über die Anhörung und unsere Schlussfolgerungen zugeschickt hätten! Meinen Sie denn, die Herren wären gekommen, wenn wir das so gemacht hätten?

Man muss doch wenigstens, wenn man jemanden anhört, so viel Sensibilität und Fingerspitzengefühl haben, dass man Leuten, die ja keine Politiker sind, sondern Bürgerinnen und Bürger, zeigt, dass man sie erst anhört und dann Schlussfolgerungen zieht. Das erscheint mir ein bisschen vernünftiger.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Also, der Bericht, den Sie hier vorlegen, ist eigenartig. Sie tun so, als hätte der Senat keinen Einfluss auf Berufungsverhandlungen und auf die Berufung selbst, in diesem Fall von Professor Kreiter. Meine Damen und Herren, das ist nicht richtig. Der Senat hat Einfluss.

(Abg. Frau B e r k [SPD]: Das hat doch keiner gesagt!)

Das steht in dem Bericht!

Es wird ja zurückgewiesen und langatmig erklärt, dass der Senat, die Politik, keinen Einfluss hätte. Das ist doch nicht richtig! Der Senat wollte diese Berufung, diesen Schwerpunkt und diese Ausrichtung des Zentrums für Kognitionswissenschaft, und die wurde und wird über das Investitionssonderprogramm finanziert. Diese Finanzierung hat immer vielfältige Möglichkeiten zu sehr feinen Steuerungen gegeben.

Meine Damen und Herren, diese Feinsteuerung ist auch von dieser Behörde und den politischen Mehrheitsfraktionen genutzt worden, das ging sehr ins Detail. Denken Sie an die Diskussionen über die Einrichtung bestimmter Institute, die in der Deputation lang und breit bis ins Einzelne diskutiert worden sind, weil es ISP-Mittel waren! Natürlich hat der Senat Einfluss gehabt. Sie wollten politisch diese Ausrichtung der Forschung an der Universität Bremen.

Sie wollten dann irgendwie auch alternative Verfahren. Da haben Sie doch auch ganz kleinteilig Einfluss genommen. Tun Sie doch nicht so! Er sollte, er hat es vielleicht nicht so getan! Der Senat sollte, und das Parlament hat ihn aufgefordert, es zu tun. Tun Sie doch nicht so, als gäbe es keine politische Einflussnahme! Sie ist natürlich da. Es ist einfach Ihre Verantwortung. Der ganze Tenor ist, der Senat kann nichts machen, das sind alles universitäre Entscheidungen, und Sie wissen ja, wir reden nicht hinein.

Meine Damen und Herren, Sie tun so, als wollte der Senat irgendetwas dagegen machen. Das ist doch nicht der Fall! Diese große Koalition, ich sage es noch einmal, hat gewollt, dass an der Universität in Bremen entgegen ihrer langjährigen guten Tradition heute an lebenden Affen experimentiert wird. Das ist Ihre Entscheidung, und dazu müssen Sie dann auch stehen, finde ich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie wollen diese Versuche heute noch. Mir gefällt das wirklich nicht. Wenn dann nach sechs Jahren immer noch jemand mit Bauchschmerzen herumläuft und sagt, ja, eigentlich wollen wir das nicht und dies und jenes, dann geht das nun einfach nicht so in der Politik. Sie kommen mit all diesen blumigen Reden nicht um Ihre Verantwortung herum. Ich gebe ja zu, dass die Formulierung des Tierschutzbundes in Ihren Ohren überspitzt klingen wird, „jedes Deputationsmitglied von der SPD und CDU hat einen Affen auf dem Gewissen“. Das ist in der Tat überspitzt. Die Verantwortung dafür, dass das stattfindet, die müssen Sie aber übernehmen und niemand sonst.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Heute gibt es diesen Apparat, den Kernspintomographen. Das ist dieser Tage entschieden worden. Ich will jetzt nicht mehr über die Gründe reden, warum das so lange gedauert hat, die ersten zweieinhalb Jahren gehen jedenfalls allein auf Ihr Konto! Nachher hat es viele Komplikationen gegeben. Ich sage nur, der Neubau für die Affenversuche ging erheblich schneller und zügiger. Ich kann mich erinnern, der ist nur teurer geworden als geplant, aber der Bau ging zügig und schnell, da hat es nicht gehakt.

Ich stelle aber fest, dass die Tierversuchsreihen, die mit diesem Apparat gemacht werden können,

nach Aussagen der Beteiligten gerade die Versuche an den Affen gar nicht ersetzen werden. Das ist gar nicht der Fall. Es ist ja nicht so, dass dieser Apparat jetzt angeschafft und dann gesagt wird, wir brauchen die Affen nicht. Das Gegenteil ist der Fall! Ich meine, es ist ja schon eine Ironie der Geschichte, dass sich Herr Roth, der das ja wesentlich betrieben hat, und Herr Kreiter, den er geholt hat, sich doch freuen können, wie es ausläuft. Herr Roth kann seine Versuche an Affen weiter machen, kein Problem, Jahr um Jahr werden die Versuche weiter gemacht, und außerdem kann er durch neue Apparate und Verfahren sein kleines Imperium noch weiter ausbauen, ohne einen einzigen kleinen Schritt zurückzugehen. Besser als für Herrn Roth ist es für niemanden gelaufen.