Protocol of the Session on December 12, 2002

Abschlussbericht „Verbraucherschutz stärken – Lebensmittelüberwachung und Verbraucherinformation gewährleisten“ (einschließlich der Auswirkun- gen auf das Personalentwicklungsprogramm), einschließlich Arbeitsauftrag „Runder Tisch“ mit der Verbraucherzentrale und Sachstand zum Verbraucherinformationsgesetz

Mitteilung des Senat vom 26. November 2002 (Drucksache 15/1309)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Röpke, ihr beigeordnet Staatsrat Dr. Knigge.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer dreißigsten Sitzung am 24. Januar 2001 an die staatliche Deputation für Arbeit und Gesundheit, federführend, und die staatliche Deputation für Wirtschaft und Häfen überwiesen worden. Diese Deputationen legen nunmehr mit der Drucksachen-Nummer 15/1309 ihren Bericht dazu vor.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie ja eben schon dargelegt worden ist, handelt es sich hier bei der Mitteilung des Senats um einen Beschlussvorschlag zu einem Antrag, den wir bereits vor zwei Jahren eingebracht haben. Diese Qualität der Mit

teilung des Senats spottet aber wirklich jeder Beschreibung. Ehrlich gesagt, finde ich, müsste sich der Senat an der Stelle schämen, so etwas zu veröffentlichen. Diese Mitteilung ist veraltet, widersprüchlich, und der Senat ist offensichtlich nicht einmal in der Lage, doppelt vorkommende Textbausteine zu löschen. Hier kann man nur sagen, Pisa lässt grüßen!

Offensichtlich kann der Senat das, was er dort schreibt, nicht verstanden haben. Ich möchte Ihnen das kurz belegen. Wie Sie der Aussage auf Seite sieben entnehmen können, ist sie veraltet, ich zitiere hier mit Erlaubnis des Präsidenten: „Die Einrichtung eines ‚Runden Tisches’ für die Lebensmittelsicherheit wird zurzeit vorbereitet. Erste Gespräche mit der Verbraucherzentrale zeigen, dass die Idee von dort sehr begrüßt wird. Ein Treffen zwischen Vertretern des LMTVet, des LUA, des zuständigen Referats und der Verbraucherzentrale soll in Kürze stattfinden.“ So heißt es in der Mitteilung des Senats.

Meine Damen und Herren, das ist nun wirklich Schnee von gestern. Der wirkliche Zustand ist der, dass aufgrund der BSE-Krise dieser runde Tisch einberufen wurde, das ist gut so. Der runde Tisch hat das letzte Mal im März vergangenen Jahres getagt. Seitdem ist trotz des Wunsches mehrerer Teilnehmer am runden Tisch, diesen wieder einzuberufen, nichts mehr passiert. Man erkennt hier wieder das typische Muster, sozusagen Skandal, Krise, Aktionismus, und dann passiert nichts weiter. Wir Grünen erwarten, dass endlich einmal von diesem Schema abgewichen wird und dass der runde Tisch regelmäßig Fragen des Verbraucherschutzes bearbeitet.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wie nötig das ist, zeigt auch wieder die aktuelle Problematik zu Acrylamid in Lebensmitteln. Ich werde später noch einmal darauf eingehen. Zunächst möchte ich aber noch einmal in Erinnerung rufen, was die Forderungen unseres grünen Antrags waren.

Es war erstens die Forderung, dass der gesamte Bereich der Lebensmittelüberwachung weiter staatlich organisiert bleibt. Zweitens wollten wir einen Bericht, wie die Lebensmittelüberwachung organisiert ist und vor allen Dingen, wie sie finanziell abgesichert ist. Die dritte Forderung war, dass die Haushaltsmittel für die Verbraucherzentrale erhöht werden sollten. Das waren unsere Forderungen!

Jetzt, hören Sie gut zu, heißt es in der Mitteilung des Senats auf Seite zwei, und das mehrfach, ich habe das ja erwähnt – Textbaustein, Textbaustein! –, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: „Wegen dieser Entscheidung der Deputation für Wirtschaft und Häfen im Sinne der Forderungen zwei und drei des Antrags wurde auf eine formale Befassung der Deputation mit dem Abschlussbericht zum Antrag verzichtet.“ So steht es in der Mitteilung an der Stel

le. Es ist aber widersprüchlich zu dem Beschlussvorschlag, denn der Beschlussvorschlag lautet nun, dass nicht wie hier dargelegt die Punkte zwei und drei unseres grünen Antrages anzunehmen sind, nein, im Beschlussvorschlag steht jetzt wiederum, der Punkt drei sei abzulehnen.

Meine Damen und Herren, irgendwann wird es auch absurd, dann kann man das lassen! Damit wir das hier an der Stelle beenden, ziehen wir Grünen unseren Antrag zurück.

Es ist natürlich auch festzustellen, dass sich mittlerweile vieles überholt hat und dennoch ein großer Teil unserer Forderungen inzwischen umgesetzt ist. Die Umstrukturierung der Lebensmittelüberwachung ist erfolgt, und zwar in der Form, wie wir Grünen das gefordert haben, nämlich um die Unabhängigkeit zu gewährleisten, so zu organisieren, dass sie vor allen Dingen in der Hand staatlicher Einrichtungen bleibt.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Dann freue dich doch einmal!)

Da freuen wir Grünen uns, und wir freuen uns auch, das möchte ich noch ausdrücklich sagen, dass die Zuschüsse der Verbraucherzentrale für die Ernährungsberatung erhöht worden sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wegen letztendlich Erledigung in der Sache ziehen wir Grünen unseren Antrag zurück. Nach nunmehr zwei Jahren hat sich natürlich nicht nur diesbezüglich der Sachstand erledigt, es hat sich leider hinsichtlich der Frage der Verbesserung der Verbraucherinformation nichts getan. Das dringend erforderliche Verbraucherinformationsgesetz ist leider durch die CDU im Bundesrat gescheitert. Wir Grünen werden hier aber nicht locker lassen. Das kann ich Ihnen versprechen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird sich weiter dafür einsetzen, dass auch von Seiten des Landes Bremen der Verbraucherschutz unterstützt wird.

Meine Damen und Herren, es kann nicht sein, dass sich Herr Hattig mit seiner Haltung durchsetzt, dass keine Informationspflicht der Unternehmen über den Inhalt der Produkte erforderlich sei. Die Informationspflicht ist das zentrale Element eines zukünftigen Konsumentenschutzes. Dafür stehen wir Grünen. Die große Koalition dagegen ist nicht einmal in der Lage, die Bremer und Bremerinnen als mündige Bürger und Bürgerinnen zu begreifen und ihnen einen freien Zugang zu Informationen zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren von der großen Koalition, Sie haben das von uns Grünen eingebrachte Informationsfreiheitsgesetz abgelehnt. Ich nehme ein

positives Beispiel, wie es eigentlich sein sollte, nämlich das rotgrün regierte Land Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf des Abg. I m h o f f [CDU])

Dieses Land hat ein Informationsfreiheitsgesetz, und deswegen kann aktuell die zuständige Ministerin Bärbel Höhn die Verbraucher und Verbraucherinnen offensiv informieren. Das ist von unschätzbarem Wert, und ich möchte Ihnen das nur am Beispiel der Acrylamidproblematik verdeutlichen.

Zur Erinnerung: Acrylamid ist eine Substanz, die sowohl großtechnisch synthetisch hergestellt wird, als auch bei stärkehaltigen Lebensmitteln unter großer Hitzeeinwirkung entsteht. Es hat sich jetzt aktuell in Tierversuchen gezeigt, dass es durch diese Substanz zu Krebsbildungen kommt. Daher vertritt auch der wissenschaftliche Lebensmittelausschuss der Europäischen Union die Auffassung, dass die Acrylamidwerte vernünftigerweise so niedrig wie irgendwie erreichbar sein sollten. Damit aber die Verbraucher selbst entscheiden können, wie viel Acrylamid sie zu sich nehmen möchten oder auch nicht, müssen die Informationen über die Gehalte dieser Substanz in den Produkten mit Herstellernamen veröffentlicht werden.

Genau das macht das Land Nordrhein-Westfalen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie können dort auf der Web-Seite des Ministeriums, fast täglich aktualisiert, die Untersuchungsergebnisse der staatlichen Lebensmittelüberwachung in Nordrhein-Westfalen der Produkte mit Angabe der Acrylamidgehalte und der Hersteller finden. Das heißt, hier hat das Land Nordrhein-Westfalen dem Rechnung getragen, dass die Verbraucher mündige Personen sind, die selbst entscheiden sollen, was sie essen wollen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, wir Grünen werden nicht lockerlassen. Wir wollen mehr Verbraucherschutz, und wir wollen ein Verbraucherinformationsgesetz und ein Informationsfreiheitsgesetz. Daran werden wir weiter arbeiten. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nächster Redner ist der Abgeordnete Dr. Domann-Käse.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Anlässlich eines Antrags vom Bündnis 90/Die Grünen hat der Senat einen Bericht vorgelegt mit dem Titel „Verbraucherschutz stärken – Lebensmittelüberwachung und Verbraucher

information gewährleisten“, über den wir heute debattieren. Die Themen Verbraucherschutz und Verbraucherrechte genießen leider nur selten unsere Aufmerksamkeit. Sie haben Hochkonjunktur, wenn Lebensmittelskandale wie die BSE-Krise die Medien beherrschen, und geraten dann aber schnell wieder in Vergessenheit. So können wir heute einmal ohne einen derart konkreten und unangenehmen Anlass über die großen Herausforderungen sprechen, vor denen die Verbraucherpolitik momentan steht.

Die weltweiten Handelsverflechtungen im Zeitalter der Globalisierung und die Öffnung der Märkte durch die Erweiterung der EU bescheren den Verbrauchern einen immer abwechslungsreicher gedeckten Tisch und auch über den Bereich der Lebensmittel hinaus ein immer breiteres Angebot an Waren und Dienstleistungen. Auch die zunehmende Liberalisierung ehemaliger Monopole wie Telekommunikation, Strom, Post und Nahverkehr erweitern die Wahlmöglichkeiten der Konsumenten. Die Folgen sind unter anderem mehr Auswahl und konkurrenzbedingt sinkende Preise.

Besteht also aus Verbrauchersicht ein Grund zu uneingeschränktem Jubel? Nein, meine Damen und Herren, ganz so einfach ist es nicht, denn die regionale und nationale Politik ist zunehmend überfordert, die Qualität und Sicherheit der angebotenen Waren und Dienstleistungen wirkungsvoll sicherzustellen! So sind gesundheitsschädliche Rückstände in exotischen Lebensmitteln wie zum Beispiel Tiefseekrabben leider keine Seltenheit, und auch der bei einer Bank in Luxemburg aufgenomme „günstige Kredit“ erweist sich schon einmal als Zuschussgeschäft, wenn nicht beachtet wurde, dass die Berechnung des Effektivzinses international oft nicht nach deutschen Maßstäben erfolgt.

Ein auf nachträgliche Überwachung setzender Verbraucherschutz, also die ständige Kontrolle aller Waren und Dienstleistungen direkt im Laden durch staatliche Behörden, ist angesichts der Fülle des Angebots und ständiger Innovation hoffnungslos überfordert. Muss der Verbraucher diesen Aspekt der Globalisierung also mit einem Verlust an Sicherheit bezahlen? Nun, nicht unbedingt! Es bedarf allerdings aus Sicht der Sozialdemokraten einer Umsteuerung im Verbraucherschutz. Staatliche Kontrollen müssen weiterhin stattfinden. Sie können aber nur garantieren, dass gesundheitsschädliche Waren aus dem Verkehr gezogen, Grenzwerte eingehalten und sittenwidrige Geschäfte verboten werden. Weiterentwickelt werden muss daneben der vorsorgende Verbraucherschutz.

Die Nachfrageseite des Marktes, also die Konsumenten, muss in die Lage versetzt werden, gegen Fehlentwicklungen auf der Angebotsseite gezielt und wirksam vorgehen zu können. Die Verbraucherschutzorganisationen fordern daher seit langem einen Ausbau der Informationsrechte für Verbraucher, verbunden mit wirksameren zivilrechtlichen Sank

tionen gegen die Unternehmen bei einer Verletzung der gesundheitlichen, materiellen oder ideellen Rechte der Konsumenten. Diese Forderungen unterstützen auch wir Sozialdemokraten.

(Beifall bei der SPD)

Das bereits im Bundestag beschlossene Verbraucherinformationsgesetz ist ein erster Schritt in die Richtung, einen öffentlichen Zugang zu staatlichen Prüfergebnissen sicherzustellen und Unternehmen zu mehr Transparenz zu verpflichten. Das Gesetz muss allerdings noch über den Lebensmittelsektor hinaus auf Bereiche wie Finanzdienstleistungen oder Versicherungen ausgedehnt werden und den Verbrauchern mehr Möglichkeiten einräumen, direkt von den Unternehmen Informationen über Inhalt und Herstellungsverfahren der Produkte zu erhalten.

Die CDU-regierten Bundesländer haben es leider geschafft, dieses für den Verbraucherschutz so wichtige Gesetz im Bundesrat aufzuhalten. Nach der verlorenen Bundestagswahl hat dann Frau Merkel ja verlauten lassen, dass sich die Union auch in Feldern wie dem Verbraucherschutz neu positionieren müsse, um die wahlentscheidenden großstädtischen Milieus erobern zu können. Gut erkannt, aber leider kann ich nicht erkennen, dass dieser Ankündigung bisher irgendwelche Taten gefolgt sind! Anscheinend haben bei Ihnen von der Union weiterhin diejenigen Oberwasser, für die der Verbraucherschutz ein Wettbewerbsnachteil ist und die mit einer Union gut leben können, die sich weiterhin zum Sprachrohr der Agrarlobby und der großen Lebensmittelkonzerne machen lässt.

Meine Damen und Herren, Verbraucher müssen den Informationen über Produkte und Dienstleistungen, die sie über Werbung und Etikettierung erhalten, auch vertrauen können. Den Werbeausgaben der deutschen Wirtschaft in Höhe von rund 30 Milliarden Euro jährlich stehen unabhängige Verbraucherberater mit einem Jahresetat von 110 Millionen Euro in Bund und Ländern recht verloren gegenüber. Dieses Ungleichgewicht kann nur aufgefangen werden, wenn die gesetzlichen Regelungen zur Kennzeichnung von Produkten verbessert sowie Falschinformationen zur Kennzeichnung und Falschinformationen in der Werbung scharf sanktioniert werden. Im Produkthaftungsrecht fehlt bisher die Verankerung individueller Schadensersatzansprüche bei irreführender Werbung genauso wie die Möglichkeit der Gruppenklage. Auch diese Lücken in der Gesetzgebung müssen geschlossen werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich fasse unsere Position in einem Satz zusammen: Eine erfolgreiche Volkswirtschaft kann nicht allein

von der Angebotsseite gestaltet werden, sie braucht auch eine qualifizierte, objektiv informierte Nachfrageseite.

Nun aber noch einmal kurz zu dem inzwischen zurückgezogenen Antrag der Fraktion der Grünen! Die erste Forderung dort lautete, den gesamten Bereich der Lebensmittelüberwachung weiterhin staatlich zu organisieren. Dieser Auffassung sind auch wir Sozialdemokraten, denn staatliche Kontrolleure und Labors machen zwar selbstverständlich nicht weniger Fehler als private, aber wir sehen eine große Gefahr für den Verbraucherschutz, wenn die Kontrolle von Lebensmitteln mit wirtschaftlichen Interessen gekoppelt wird.

Wie Sie dem Bericht des Senats entnehmen können, wurde dieser Grundsatz bei der Umstrukturierung der Lebensmittelüberwachung eingehalten. Ihre, von den Grünen, und unsere Position hat sich durchgesetzt. Der Antrag ist in diesem Punkt also erledigt. Die in Punkt zwei Ihres Antrags eingeforderten Berichte liegen vor, wir nehmen sie zur Kenntnis, auch das ist als erledigt zu betrachten, und drittens forderten Sie eine Erhöhung der Mittel der Verbraucherzentrale. Auch in dieser Frage haben wir bereits im Jahr 2001 gehandelt.

Die Mittel für die Verbraucherzentrale wurden durch Beschluss in der Deputation für Wirtschaft bis einschließlich 2003 um insgesamt 700 000 DM erhöht, um die Ernährungsberatung zu verstärken. Wir haben koalitionär vereinbart, dass wir im kommenden Jahr die Wirkung dieser Mittelverstärkung anhand eines Erfahrungsberichts genau abprüfen und dann über eine mögliche Verstetigung dieses Zuschusses entscheiden werden. Ich möchte diese Überprüfung nicht vorwegnehmen, aber nach meiner Beobachtung hat sich der Mitteleinsatz gelohnt. Die Verbraucherzentrale konnte ihr Angebot in der Ernährungsberatung deutlich verbessern, und dieses Angebot wurde auch rege nachgefragt. Ich sehe daher der Prüfung optimistisch entgegen und hoffe, dass bei unserem Koalitionspartner über die Winterzeit ein Nachdenken über die hohe Bedeutung des Verbraucherschutzes und der Verbraucherberatung einsetzt.