Protocol of the Session on December 11, 2002

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Das glaube ich nicht!)

Zitate kann man schon einmal ablesen. Insgesamt halte ich hier eine freie Rede, ich habe keine Rede, die ich vorbereitet habe. Das sind Stichpunkte. Das ist absolut albern. Wenn man von einem Thema, was einem nicht angenehm ist, ablenken will, dann macht man natürlich so etwas!

(Beifall bei der CDU)

Es ist doch ganz klar, dass Ihnen dieses Thema nach wie vor nicht angenehm ist.

(Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Natürlich!)

Deswegen habe ich am Anfang gleich gesagt, ich befürchte, dass wir nicht zu einem hundertprozentigen Ergebnis kommen, weil das nur ein Brocken ist, den Sie den Leuten hinwerfen wollen, um nicht zu dokumentieren, dass Sie sich in den Koalitionsverhandlungen völlig einseitig verrannt haben, meine Damen und Herren! Das werden wir natürlich nicht hinnehmen. Es gibt auch Bundesratsinitiativen, die schon vor zwei Jahren gelaufen sind, die eben nur durch das persönliche Eingreifen des Bundeskanzlers verhindert worden sind. Jetzt werden wir den Bundeskanzler aber beim Wort nehmen und sehr genau darauf achten, dass diese Pläne zügig umgesetzt werden und wir wirklich im Januar eine weitgehende Liberalisierung haben, wenn es nach uns geht, nicht auf halbem Weg stehen bleiben, sondern dass das Ladenschlussgesetz ganz abgeschafft wird. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Lemke-Schulte.

(Zuruf des Abg. T e i s e r [CDU])

Herr Präsident, meine Damen und Herren! So ähnlich wie Herr Focke, nur die Schrift ist noch schlechter, Herr Kollege Teiser, aber ich kann trotzdem mit meiner eigenen Schrift umgehen! Herr Kollege Focke, warum sollte uns dieses Thema unangenehm sein? Ganz im Gegenteil!

(Beifall bei der SPD)

Das ist ein angenehmes Thema für uns. Dieser Vorschlag des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, den er vor kurzer Zeit gemacht hat, ist doch wirklich nur zu unterstützen. Er weist den Weg in die absolut richtige Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe auch gerade gehört, dass dieser Vorschlag schon in der nächsten Woche im Bundeskabinett beschlossen werden soll. So viel Schnelligkeit und Dynamik bin ich aus 16 Jahren Kohl-Regierung überhaupt nicht gewohnt.

(Beifall bei der SPD) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Sie haben sich lange herumgeplagt mit dem Ladenschlussgesetz. Ich habe eine Magisterarbeit gelesen in Vorbereitung auf diese Aktuelle Stunde. Daraus will ich lieber nicht zitieren, das wäre unangenehm für Sie! Wir kommen jetzt in dieser Frage voran. Bisher war es den Geschäften eben nur erlaubt, nach dem bestehenden Ladenschlussgesetz am Sonnabend um 16 Uhr zu schließen, und jetzt soll es erlaubt werden, am Sonnabend generell bis 20 Uhr zu öffnen. Ich begrüße das auch deshalb, weil ich meine, dass sich die Zeiten geändert haben. Wir haben hier schon mehrere Debatten, auch in diesem Parlament, über Ladenschlussgesetze und Veränderungen und Flexibilisierungen dazu geführt. In den meisten übrigen europäischen Ländern sind doch längere Einkaufszeiten möglich. Häufig sind es gerade die Deutschen, das kann doch jeder von uns bestätigen, das hört man allenthalben, die zum Beispiel nach ihren Urlaubsreisen am meisten davon schwärmen, dass man eben dort die Möglichkeit hat, auch länger einzukaufen. (Beifall bei der SPD)

Dass insbesondere die Städte davon profitieren, ist, glaube ich, auch unstrittig unter uns. City-Geschäfte weisen Besonderheiten auf. Gerade die Oberzentren werden davon profitieren, auch die Innenstädte werden revitalisiert, es wird eine Belebung stattfinden. Ob damit dann unbedingt mehr Geldvolumina auch in den Einzelhandel fließen, ist eine völlig andere Frage. Das wird noch auszutesten sein. Die Kaufkraft ist schließlich nur einmal vorhanden, aber der Untergang des Abendlandes ist es für uns nicht, so wie Sie versucht haben, das darzustellen, Herr Kollege! Ganz im Gegenteil!

(Beifall bei der SPD)

Allerdings, meine Damen und Herren, ist auch völlig klar und unstrittig, dass wir uns als Sozialdemokraten unverändert für die Weiterentwicklung von Arbeitsschutz und Arbeitszeitregelungen einsetzen werden.

(Beifall bei der SPD)

Dem Arbeitsschutz muss Rechnung getragen werden. Das wird in Gesprächen mit den zuständigen Gewerkschaften und betroffenen Betriebsräten auch zu regeln sein. Wir werden die Bedürfnisse der Beschäftigten des Einzelhandels dann ausloten und entsprechende Initiativen ergreifen. Ganz klar ist für uns auch, dass eine Öffnung an Sonntagen für uns nicht in Frage kommt, da sind wir uns mit den Kirchen einig.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. T e i s e r [CDU])

Ja, das muss einmal erwähnt werden, dazu gibt es Stellungnahmen! Weil Sie sich so freuen und sagen, das sei insbesondere unser Problem: Ich habe hier eine Pressemitteilung des Christlichen Gewerkschaftsbundes Deutschland, Bremen, die darf ich mit Genehmigung des Präsidenten zitieren! Ich glaube, auch Sie müssen da noch einige Gespräche führen. Der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschland hat mir hier aufgeschrieben oder hat in der Pressemitteilung aufgeschrieben – –.

(Heiterkeit bei der CDU – Abg. T e i s e r [CDU]: Das war die Magisterarbeit!)

Ja, hat für uns alle aufgeschrieben!

(Abg. F o c k e [CDU]: Und ich habe mich schon gefragt, was Magister hier wollte!)

Meine Damen und Herren, ich zitiere: „Die von verschiedenen Politikern aus Regierung und Opposition neu entfachte Diskussion um eine Abschaffung oder weitere Lockerung des Ladenschlussgesetzes ist beim Bremer Christlichen Gewerkschaftsbund auf Unverständnis und Verärgerung gestoßen.“

(Abg. T e i s e r [CDU]: Und zwar bei bei- den Mitgliedern!)

Das wird Ihre Aufgabe sein, mit denen zu reden!

Ich finde, das ist ein Schritt voran. Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen. Dazu sind wir Sozialdemokraten immer in der Lage. Es ist jetzt eine bundesgesetzliche Regelung zu erarbeiten, anschließend können dann die Länder und Kommunen den Rahmen ausgestalten und entsprechend handeln. Mein Dank geht insbesondere auch an Frau Senatorin Röpke,

(Beifall bei der SPD)

die sich auch schon entsprechend öffentlich geäußert hat. Sie werden sehen, beim Senat in Bremen ist es in guten Händen. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Trüpel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist der Meinung, dass es nicht beim Status quo bleiben soll. Der Vorwurf, der oft erhoben worden ist in den letzten Jahren, Deregulierung verstärke Konzentrationsprozes––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

se im Einzelhandel, ist aus unserer Sicht falsch. Sieht man sich Deutschland an, stellt man fest, es war zwar immer hoch reguliert, aber der Einzelhandel ist auch hoch konzentriert.

In den USA zum Beispiel wird es viel liberaler gehandhabt. Der Einzelhandel ist in der Tat noch viel mehr in der Hand von Mittelstand und kleinen Ladenbesitzern. Das heißt für uns als Konsequenz erst einmal, Deregulierung kann auch die Kleinen fördern, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, und in den USA, jeder, der dort gewesen ist, weiß, dass es auch gerade für Migranten eine Chance ist, also die kleinen Wagen überall, die fliegenden Händler, auch von daher finde ich, ist es ein wichtiger Gesichtspunkt. Deswegen, glaube ich, ist es auch einfach falsch, Effizienz gegen Gerechtigkeit auszuspielen, sondern es geht darum, wie Politik das in eine kluge Vereinbarung bringt.

Ich finde es jetzt hilfreich, wenn wir über die ganze Debatte in Deutschland und auch mit dem Blick auf die anderen europäischen Länder, Frau LemkeSchulte hat das angesprochen, wenn man sich so genannte Best-practice-Modelle anschaut. Wir sind gerade in Brüssel gewesen, und da haben wir mit großem Erstaunen festgestellt, dass es dort ein Zeitkontenmodell gibt. In der ganzen Region Brüssel wird es so gehandhabt, dass es für alle Einzelhändler so etwas wie feste Zeitkonten, Stundenkontingente gibt, das sind insgesamt 91 Stunden in der Woche. Dann entscheiden die Händler aber selbst, an welchen Tagen sie öffnen, die einen zum Beispiel von elf bis 19 Uhr, die anderen zwölf bis 22 Uhr. Allerdings ist festgeschrieben, dass es einen Tag in der Woche geben muss, wo definitiv geschlossen ist. Das ist aber bei denen gar nicht immer der Sonntag, sondern das entscheiden die Händler selbst. Das bedeutet für die Verbraucherinnen und Verbraucher, dass sie sehr flexibel entscheiden können, an welchem Tag sie wo einkaufen.

Ich finde, das ist eigentlich ein ganz gutes Modell. Es garantiert nämlich Rahmenbedingungen, und man macht auch die Feststellung, dass dann gar nicht flächendeckend überall zu den gleichen Zeiten geöffnet ist, sondern die reale, durchschnittliche Öffnungszeit beträgt insgesamt nur 54 Stunden. Das heißt, die Anbieter suchen sich das sehr genau aus, und für den Verbraucher hat es den Vorteil, dass man immer irgendwo etwas einkaufen kann. Für die Anbieter und auch die Mitarbeiter hat es den Vorteil, dass sie trotzdem geregelte Arbeitszeiten haben.

Ich finde, von solchen Beispielen kann man durchaus lernen. Unsere deutsche Debatte ist da leider immer ein bisschen sehr narrow-minded. In Italien gibt es das Modell mit den Zeitkonten. Das ist ein bisschen anders als das in Belgien, aber auch da gibt es dann feste Kontingente. In der Stadt, alle Akteure, die Verbraucher, die verschiedenen Händler setzen sich zusammen und überlegen, so dass es dann auch in der Stadt besprochen wird, welche Läden

wann geöffnet haben, so dass sich die Verbraucher auch gut orientieren können, wo sie denn wann was einkaufen können.

Wie gesagt, ich will es kurz machen! Von solchen Best-practice-Beispielen kann man eine Menge lernen, das sollten wir in die deutsche Diskussion einbeziehen. Also nicht die Salamitaktik, noch jeden Tag zwei Stunden mehr oder so etwas, ich finde, das ist nicht der entscheidende Punkt, sondern man sollte wirklich zu Modellen kommen, die die verschiedenen Interessen berücksichtigen, die einerseits arbeitnehmerfreundlich sind, aber andererseits auch für die Verbraucher neue Flexibilisierungsmöglichkeiten bringen. Das ist das, was wir Grünen als Vorschlag in die Debatte einbringen. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Röpke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sprechen jetzt hier über Kundenfreundlichkeit, müssen aber leider gleichzeitig feststellen, dass unsere Gesellschaft noch nicht so kundenfreundlich ist, wie sie eigentlich sein müsste. Der Servicegedanke und der Dienstleistungsgedanke werden bei uns immer noch relativ klein geschrieben, leider auch nicht nur im Einzelhandel.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt den schönen Spruch, der Kunde ist König. Ich glaube, das ist eine wirkliche Herausforderung für viele Unternehmen, wenn wir auch international im Wettbewerb bestehen wollen. In diesem Kontext sehe ich auch die Diskussion über den Ladenschluss. Lebensgewohnheiten haben sich bei uns gerade in den letzten Jahren radikal geändert, Freizeitgewohnheiten haben sich geändert, und auch die Arbeitswelt ist in einem großen Umbruch begriffen. Das führt dazu, dass die Akzeptanz für andere Ladenöffnungszeiten steigt. Wir brauchen insgesamt, auch nicht nur im Einzelhandel, mehr Flexibilität auf den verschiedenen Ebenen unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Herr Focke, wir haben in der Vergangenheit schon bewiesen, dass wir sehr flexibel sind. Wir haben das, was in Bremen und Bremerhaven an Ladenöffnungszeiten möglich ist, ausgeschöpft, wo es nur ging. Wir haben die verschiedenen Events dafür genutzt, sind aber an der einen oder anderen Stelle auch vom Gericht dann ausgebremst worden. Die Handlungsspielräume waren da also sehr begrenzt.

Deswegen begrüße ich es auch sehr, dass die Bundesregierung den Ladenschluss jetzt angehen will. Das, was Bundeskanzler Schröder und Wirtschafts

minister Clement vorgeschlagen haben, ist aus meiner Sicht ein tragfähiger Vorschlag, weil er einen breiten Konsens hat, einen breiten Konsens der Akteure, was die Samstagsöffnung betrifft. Das ist der zentrale Punkt aus meiner Sicht. Die Gewerkschaften sind dagegen, sie haben sich auch öffentlich sehr deutlich dagegen geäußert. Das ist auch die Rolle der Gewerkschaften, die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu vertreten.

Herr Focke, da muss ich Ihnen leider widersprechen, darauf haben die Gewerkschaften zu Recht hingewiesen: Es ist leider nicht dieser Arbeitsplatzeffekt eingetreten, den sich damals alle erhofft haben von einer weiteren Flexibilisierung der Öffnungszeiten im Ladenschluss.