Protocol of the Session on December 11, 2002

Ich rate auch dringend davon ab, dass wir Privilegien innerhalb derjenigen schaffen, die über den öffentlichen Haushalt finanziert werden. Es wollen doch alle möglichst nichts mit unserem Sparen zu tun haben. Die Lehrer wollen nichts mit unserem Sparen zu tun haben. Die Finanzbeamten sagen, ihr spart bei uns, ihr seid so dämlich, wenn ihr mehr Finanzbeamte habt, dann steht ihr mit den Einnahmen besser da. Ich kenne eigentlich niemanden, der sich wirklich aktiv richtig selbst am Sparen beteiligt! Das müssen wir schon insgesamt machen.

Wir müssen in der Gesamtheit unsere knappen Einnahmen so verteilen, dass die Ausgaben sich nicht völlig schieflastig entwickeln. Das muss auch gegenüber den Richtern durchgehalten werden, dass sie keine freie Verfügbarkeit über den Umfang, die Art und Weise ihres Haushalts und ihres Haushaltsgebarens bekommen.

Nach meiner lebenslangen Erfahrung ist es richtig, wenn das Parlament sich dafür in der von ihr gewählten Regierung Verantwortliche wählt, die dies bitte sehr zu organisieren haben und die voll unter

der Kontrolle des Parlaments sind. Das ist richtig. Die Abschaffung des Justizressorts hat der Richterbund gefordert. Jetzt sagen Sie, ist egal, Sie sagen ja sowieso, es gibt in Bremen kein Justizressort.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Keinen Justizsenator!)

Sie werfen das so richtig durcheinander. Die Abschaffung ist eine komplizierte Entscheidung. Ich würde dringend, auch im parlamentarischen Sinne, dringend davor warnen, das aus der Hand zu geben. Ich glaube, wir müssen das parlamentarisch und vom Parlament kontrolliert auf der Regierungsseite zusammenhalten können.

Wenn das der Kern ist, dann kann man darüber wunderbar reden und verhandeln, wie denn die Beteiligungsrechte der Einzelnen integriert werden. Da kann ich mir vieles vorstellen, aber nicht die Abschaffung des Justizressorts!

Jetzt noch ein Letztes! Herr Röwekamp, wir beide haben uns hier vor ein paar Sitzungen heftig gestritten. Da habe ich Ihnen vorgeworfen, Sie hätten das Interesse an einer großen Koalition verloren. Nun sind Sie der große Befürworter der großen Koalition. Was soll ich dazu sagen? Also, ich kann ja nun nicht meinen Kurs verändern. Ich kann sagen, dass Sie in dem Punkt Recht haben. Man muss sich mit der großen Koalition insgesamt auseinander setzen. Man muss unsere Talente und das, was wir gemacht haben, insgesamt gewichten und bewerten und hoffentlich fair bewerten. Man muss versuchen, sich damit vor der Öffentlichkeit mit Alternativen zu qualifizieren. Einzelne Leute da herauszuschießen, das ist keine besonders intelligente Form der Auseinandersetzung mit der großen Koalition. Und sich dann noch die politischen Beamten auszusuchen und nicht die jeweiligen Regierungsmitglieder, das ist auch keine besonders intelligente Form der Auseinandersetzung.

Frau Trüpel, Sie waren einmal in dieser Regierung, Sie hatten Probleme mit Ihrem Staatsrat, wir haben uns das verkniffen, über Ihren damaligen Staatsrat zu reden.

(Zuruf der Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/Die Grünen])

Wir hätten ja damals die grüneninternen Diskussionen aufgreifen können und hätten über Ihre Personalprobleme diskutiert. Das haben wir nicht gemacht,

(Abg. T e i s e r [CDU]: Könnten wir aber nachholen!)

und ich bitte, das einfach in Erinnerung zu haben. Politische Kultur hat auch damit etwas zu tun, dass man sich in seinen unterschiedlichen Rollen respektiert. Ich finde es nicht hilfreich, wenn anstelle der

jeweiligen Kabinettsmitglieder stellvertretend irgendwelche Leute gegriffen werden und gesagt wird, jetzt nehmen wir den und jetzt den und agitieren gegen den. Das ist nicht gut. Wichtig und ratsam ist, und daran würde ich auch zukünftig gern festhalten, wenn wir uns direkt miteinander auseinander setzen.

Herr Kuhn, wir beiden haben da auch richtige Talente, wie Sie ja wissen.

(Heiterkeit)

Wir machen immer wieder neue Anläufe, das unter uns zu machen. Lassen Sie das bei mir! Setzen Sie sich mit mir auseinander, auch wenn Sie das frustriert, auch wenn Sie das gelegentlich nicht aushalten! Machen Sie das weiter! Ich finde, mit Ihnen zu streiten, das macht Sinn, aber lassen Sie die Beamten außen vor!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte mich gern mit Ihnen gestritten, Herr Scherf, wenn Sie den Kommentar geschrieben hätten. Ich würde mich gern mit Ihnen in den vielen, vielen Sitzungen des Rechtsausschusses streiten, wenn Sie einmal da wären.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Gern würde ich das tun, aber wer ist denn nicht da? Wer führt denn das Justizressort nach innen und nach außen? Der Staatsrat! Also, er hat das geschrieben und das gesagt. Ich meine, ich kann Sie doch nicht für etwas angreifen, bevor Sie überhaupt dazu Stellung genommen haben. Wir haben das hier eingebracht, damit Sie endlich einmal Stellung nehmen. Jetzt kann ich mich mit Ihnen auseinander setzen. Vorher konnte ich das leider nicht, weil Sie nicht präsent sind als Justizsenator. Das wollte ich damit sagen.

Ich gebe zu, dass mir eben die Hutschnur geplatzt ist, ich nehme das zurück. Ich möchte Ihnen aber etwas sagen: Wenn Sie zehn Minuten vorher von mir gehört haben, ich mache mir die Vorstellung der Richterverbände nicht eins zu eins zu Eigen, wenn Sie ganz genau wissen, dass wir nicht einen Gesetzentwurf eingebracht haben, der die Vorstellung des Richterbundes beinhaltet, sondern eine kleine, wesentliche Änderung im Richterwahlverfahren, und Sie dann sagen, ich würde das Anliegen des Richterbundes, was dieses große Reformvorhaben betrifft, hier vor mir hertragen, dann finde ich das in der Tat schon ziemlich dreist, Herr Senator für Justiz und Verfassung, wenn Sie das zehn Minuten, nach

dem ich das hier ausdrücklich erklärt habe, wie es ist, dann trotzdem wahrheitswidrig behaupten!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Beim wesentlichen Kern der ganzen Sache bleibe ich: Natürlich hat Herr Mäurer nicht die Bremer Richter mit NS-Richtern oder reaktionären Richtern persönlich verglichen. Ich meine, das wäre nun weiß Gott noch schöner! Das habe ich nie behauptet. Das wäre in der Tat sofort ein Rücktrittsgrund gewesen. Darüber hätten wir auch nicht diskutiert.

Was er gemacht hat, er hat mehrfach öffentlich gesagt, das, was die Richterverbände wollen, was es in einer Reihe von europäischen Ländern, etwa unserem Nachbarn Holland, so oder so gibt, das sei das gleiche System, was schon einmal die Demokratie in Weimar zerstört hat. Das hat er noch nicht aufgegeben. Das haben auch Sie nicht dementiert. Dabei bleiben Sie doch, dass das so gewesen sei, und das ist historisch nicht richtig, und das ist infam, weil es eine solche Verbindungslinie herstellt, und dabei bleibe ich, weil Sie das nicht aus der Welt schaffen.

Über das, was die Richterverbände diskutieren, in der Tat mehr Selbstverwaltung, dagegen kann man gute Gründe haben, Sie haben welche genannt, Herr Isola hat welche genannt, kann man doch diskutieren. Ich mache mir das doch überhaupt nicht zu Eigen. Wenn es so bleibt, wie es jetzt ist, finde ich es allerdings auch nicht richtig. Da gibt es viel dazwischen, was auch im Rahmen unserer Verfassung möglich ist. Aber zu behaupten, dass das die Vorstellungen wären, die die reaktionären Richter in der Weimarer Zeit gehabt hätten, dass das die Zustände gewesen seien, die damals geherrscht hätten und die damals die Demokratie zerstört hätten, das bleibt und ist erstens dumm, weil es nicht stimmt, und zweitens infam. Das haben Sie nicht aus der Welt geschafft, das bedauere ich, Sie hätten die Gelegenheit gehabt. Es ist wirklich sehr schade.

Selbstverwaltung, ich meine, man kann ja viel dagegen sagen, aber vordemokratisch? Verehrter Herr Kollege Isola, wenn Sie sich einmal an den Universitäten umschauen, da gibt es sehr viel Selbstverwaltung. Da gibt es auch den Wissenschaftssenator, aber da gibt es viel Selbstverwaltung. Warum ist das nun vordemokratisch? Es gibt viele Modelle der erweiterten Mitwirkung in der Gesellschaft im bestehenden Rahmen unter parlamentarischer und staatlicher Kontrolle. Da ist doch nicht das letzte Wort gesprochen. Das ist doch nicht vordemokratisch! Ich meine, darüber kann man doch diskutieren. Ich weigere mich bloß wirklich entschieden, diese Vorstellungen der Richter, und davor muss man die Richter wirklich in Schutz nehmen, in eine Linie mit der Zerstörung der Demokratie zu stellen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, zu dem ersten Thema liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich rufe dann das zweite Thema auf:

Liberalisierung des Ladenschlusses – nicht auf halbem Wege stecken bleiben!

Lassen Sie mich Ihnen zuvor die verbleibende Redezeit mitteilen! Für Bündnis 90/Die Grünen bleiben noch vier Minuten, für die CDU bleiben zehn Minuten, und für die SPD bleiben neun Minuten.

Als ersten Redner rufe ich auf den Abgeordneten Focke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im „Handelsblatt“ vom 29. November 2002 konnte der erstaunte Leser folgende Überschrift lesen: „SPD sagt Ladenschluss den Kampf an“. Donnerwetter, denkt man da erst einmal, denn man erinnert sich, vor zwei Jahren hatte ja der Bundeskanzler persönlich mit einem beherzten Eingriff die Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes verhindert. Es ist noch nicht zwei Jahre her. Eine tolle Erkenntnis! Wir hoffen aber, dass es sich auch wirklich um eine echte Erkenntnis handelt, denn vor zwei Jahren, als wir schon einmal über die Liberalisierung gesprochen haben, ist sie nur deswegen verhindert worden, weil der Herr Bundeskanzler seinen Namen „Genosse der Bosse“ nicht so gern hören wollte und den Gewerkschaften etwas Gutes tun wollte und deswegen die Liberalisierung verhinderte.

Heute ist es etwas umgekehrt, die desaströsen Umfrageergebnisse in Mittelstand und Einzelhandel und das, was auch den Mittelständlern und Einzelhändlern angetan worden ist mit den Regierungs- und Koalitionsvereinbarungen in Berlin, schreien einfach danach, nun einmal wieder von der Gewerkschaft etwas wegzukommen und etwas mehr für Einzelhandel und Mittelstand zu tun. Wir hoffen, dass das eine ehrliche Absicht ist, meine Damen und Herren!

Es gibt aber bisher mehr unterschiedliche als einheitliche Aussagen aus der SPD. Da gibt es Aussagen, wir wollen den Samstag vielleicht bis 18 Uhr machen, das sagt der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Schartau, wir können vielleicht eine Flexibilisierung machen bei Sonntagen, wenn es Festivitäten in der Stadt gibt. Andere sagen, wir wollen das generell bis 18 Uhr haben. Dann gibt es welche, die sagen, wir wollen das vielleicht bis 20 Uhr haben, auch sonnabends bis 20 Uhr, aber eigentlich nur in Ausnahmefällen. Die Grünen sind dafür, von sechs bis 22 Uhr zu öffnen, an Werktagen und auch an Samstagen.

Wir sagen, meine Damen und Herren, das Ladenschlussgesetz muss fallen. Es hat keinen Sinn, sich ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

an irgendwelchen einzelnen Uhrzeiten festzuhalten. Das Ladenschlussgesetz muss fallen.

(Beifall bei der CDU)

Jeder muss die Möglichkeit haben einzukaufen, wann er will, der Sonntag natürlich ausgenommen.

(Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie können sowieso keinem Laden vorschreiben, wie lange und wann er aufzumachen hat. Durch eine Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten oder eine Abschaffung des Ladenschlussgesetzes legen Sie das in die Hand des Einzelnen, wann und wie lange er seinen Laden öffnen möchte, und das finde ich auch in Ordnung. Das ist in ganz Europa der Fall.

(Beifall bei der CDU)

Nun sind die Hauptgegner dieser veränderten Ladenschlusszeiten oder eines veränderten Ladenschlussgesetzes oder auch einer totalen Aufhebung die Gewerkschaften und insbesondere die Gewerkschaft ver.di, weil sie befürchtet, dass die Leute länger arbeiten müssen. Das ist aber damit gar nicht verbunden, meine Damen und Herren. Es geht nicht darum, dass die Beschäftigten im Einzelhandel länger arbeiten sollen, aber längere Öffnungszeiten eröffnen die Möglichkeit, auch mehr Beschäftigte einzustellen und damit mehr Arbeit zu schaffen.

(Abg. J ä g e r s [SPD]: Das haben wir ja gesehen!)

Der Schutz der Arbeitnehmer vor zu langen Arbeitszeiten ist sowieso durch das Tarifrecht geregelt.

(Zuruf der Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD])

Frau Hammerström, ich glaube, ich habe in diesem Parlament mehr freie Reden gehalten, als Sie jemals in der Lage gewesen wären!

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Das glaube ich nicht!)