Protocol of the Session on August 21, 2002

Es gibt natürlich auch bei den Fragen, die Sie aufgeschrieben haben, einige Dinge, die in der Tat öffentlich diskutiert werden, weil sie neue Fragen betreffen, etwa die Herstellung pornografischer Schriften oder Materials, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Inhalt haben oder auch diesen Missbrauch von Kindern selbst. Auch da bleibe ich bei der Antwort des Senats: Es macht überhaupt keinen Sinn und ist nicht vereinbar mit unserem Rechtsverständnis, dass man da unterschiedslos reagiert mit dem Heraufsetzen des Strafmaßes. Ich weiß, das ist nicht populär, da zu differenzieren, aber im Recht ist das immer notwendig, Herr Röwekamp. Der Senat tut es auch in diesem Fall, finde ich, zu Recht und zum Glück.

An der Stelle will ich auch noch etwas zum Opferschutz sagen, den Sie ja hier immer ins Feld führen, ich komme noch an anderer Stelle darauf zurück. Aber gerade in diesem Bereich war es doch die auch von den Grünen geführte und beförderte Debatte um die tatsächliche Gewalt in den Familien, im nahen Bekanntenkreis, im Umfeld, in der Bekanntschaft, eine lange nicht beachtete Grauzone. Diese Debatte hat dazu geführt, dass diese Gewalt überhaupt ins Visier der Strafverfolgung gekommen ist und dass durch die Gesetze wie etwa das Gewaltschutzgesetz und das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung auch die Chance besteht, jetzt real eingedämmt zu werden. Da wird in der Tat nicht

nur etwas für die Opfer getan, sondern auch dafür, dass es überhaupt nicht zu Opfern kommt. Davon reden Sie nie, weil das nämlich immer etwas war, was Sie im Grunde lange Zeit gar nicht sehen wollten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe mir das schon so notiert. Ich kannte Ihre Rede nicht, aber es ist in der Tat so gekommen, die konservative Rechtspolitik macht immer das Gleiche. Sie nehmen Zeitungsmeldungen, Sie nehmen mehr oder weniger schreckliche Verbrechen, die meist heute auch medial verstärkt sind, in der Tat die Menschen erschüttern, zu Recht, zum politischen Anlass, greifen dann diese spontane, sehr menschlich verständliche Reaktion von Rache- und Straffantasien auf und verstärken sie, und dann kommt die Forderung nach härterer Strafe heraus, nach längerer Strafe, nach härterer Haft, nach Wegschließen, nach Ausweisung.

Ich will Ihnen einmal etwas sagen! Wenn unsere Vorväter und Väter diesen Argumenten immer gefolgt wären, hätten wir heute noch die Strafkolonie. Es wird ein bisschen eng auf dem Globus, ich wüsste nicht, wohin, aber wir hätten sie noch von der Idee her. Wir hätten heute noch das Todesurteil, wir hätten heute noch die lebenslange Haft, das ist nun einmal so, denn mit den Argumenten, die Sie vorgetragen haben, ist immer die härteste Strafe, der Irrglaube an die Abschreckung der härtesten Strafe verteidigt worden. Ich sage Ihnen, die heutige Rechtskultur ist immer Stück für Stück erkämpft worden im Kampf gegen die Auffassung, die Sie hier vertreten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das können Sie als noch so bürgernah betrachten, das ist nicht mein Verständnis von Bürgernähe.

Zurück zur Anfrage! Ich finde es auch interessant, wonach die CDU fragt und wonach sie nicht fragt. Sie fragt den Senat, was er denn gegen Ladendiebstahl machen wolle, der übrigens mittelfristig weniger geworden ist. Die CDU fragt den Senat nicht, was er denn gegen den tatsächlich immens zunehmenden Versicherungsbetrug machen wird. Die Zeitungen sind voll davon, das ist ein „Volkssport“, das ist nicht mein Wort, aber so wird es beschrieben, mit enormen Schäden. Ich sehe keine Frage danach. Sie fragen nicht nach Steuerbetrug, der zum Beispiel im Fall der nicht gezahlten Spekulationssteuer auf Wertpapiergewinne so groß gewesen ist, dass dann irgendwann der Bundesfinanzhof gesagt hat, wir müssen resignieren. Wenn das keiner bezahlt und keiner es eintreibt, was ist dann mit dieser Steuer, die ist doch ungerecht. So weit sind wir gekommen, dass Steuern überhaupt abgeschafft werden, weil keiner

sie bezahlt und weil der Betrug mit diesen Steuern nicht geahndet wird. Danach fragen Sie nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Da kann es doch vielleicht sein, Herr Röwekamp, Herr Eckhoff, dass Sie es vorziehen, auf diesem Auge blind zu sein, weil es nicht in Ihr Propagandabild von den Sündenböcken unserer Gesellschaft passt. Wir Grünen sind überhaupt nicht der Auffassung, dass Steuerbetrug, Versicherungsbetrug oder auch der Ladendiebstahl, nach dem Sie fragen, ohne Reaktion, ohne Sanktion der Gesellschaft bleiben soll, im Gegenteil. Die Reaktion soll und muss erfolgen, sie muss möglichst schnell erfolgen, sie muss möglichst klar erfolgen, möglichst einheitlich und möglichst angemessen. Aber gerade deswegen sind wir nicht der Meinung, dass man den kleinen Ladendiebstahl in jedem Fall als kriminelle Handlung betrachten muss, wenn wir auf der anderen Seite zum Teil sehr gefährliches, falsches Verkehrsverhalten oder auch Umweltschädigung nach wie vor als Ordnungswidrigkeiten ahnden, wenn es überhaupt geahndet wird. Da müssen doch Dinge auch ins richtige Verhältnis gesetzt werden!

(Abg. H e r d e r h o r s t [CDU]: Sie ha- ben doch vier Jahre Zeit gehabt! Sie ha- ben doch nichts gemacht!)

Herr Herderhorst, gern, aber das wissen Sie nun wirklich, dass solche Diskussionen im rechtspolitischen Raum länger dauern als vier Jahre. Die Entkriminalisierung von Bagatelldelikten, das ist nun eine ältere Diskussion, und da lasse ich mir nun nicht vorwerfen, dass das die rotgrüne Regierung nicht gepackt hat. In der Tat, das packt man nicht so schnell. Ich sage Ihnen nur, es ist immer nur die Frage, worauf man den Fokus wirft, was man überhaupt nicht beachtet. Schwere Verbrechen müssen geahndet werden, sonst geht auch das Vertrauen in die Justiz, in unser Rechtssystem verloren, völlig richtig, aber es müssen insgesamt auch die Proportionen und Verhältnismäßigkeiten stimmen, wenn der Bürger das Gefühl haben soll, dass das Recht tatsächlich zu seinem Recht kommt. Diese Diskussion, die wird auch weitergehen. Auch sonst, meine Damen und Herren, ist interessant, worüber CDU und Senat, jetzt spreche ich über beide, sprechen wollen und worüber nicht. Nicht über die gesamte Reform des Sanktionenrechts, die seit Jahren debattiert wird! Das haben wir in unserer Großen Anfrage hinzugefügt.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das steht doch bei uns auch darin!)

Ein Punkt steht darin, aber nicht das Ganze. Herr Röwekamp, ich habe eben gesagt, wir haben das

Ganze abgefragt, weil Sie danach nicht gefragt hatten. Der Senat hat den Wunschkatalog der CDU brav Punkt für Punkt beantwortet, egal ob das nun in Gesetzesform da ist oder nicht.

Auf unsere Antwort hat der Senat wirklich arrogant und hämisch geantwortet, dieser Gesetzentwurf, von dem wir reden, sei über die erste Lesung nicht hinausgekommen, deswegen sage er nichts zum Inhalt. Das ist in der Tat arrogant, weil über solche Dinge weit vorab zwischen Bund und Ländern diskutiert wird. Ich sage Ihnen, die Wahrheit ist einfach, diese Reform der sozialdemokratischen Justizministerin interessiert diesen sozialdemokratischen Justizsenator in Bremen nicht, und zwar demonstrativ nicht. Es interessiert ihn nicht die weitere Ausdehnung der gemeinnützigen Arbeit, nicht eine Erweiterung des verkehrsstraflichen Fahrverbots, nicht die Verbesserung im Bereich der Geldstrafen.

Es interessieren ihn offensichtlich nicht die Ziele der rotgrünen Koalition, die ich gern einmal aus dem Gesetzesantrag zitieren darf mit Genehmigung des Präsidenten: „Das geltende Sanktionensystem, das Geld- und Freiheitsstrafen als Hauptstrafe vorsieht, gibt den Gerichten zu wenig Gestaltungsmöglichkeiten, um im Bereich kleinerer und mittlerer Kriminalität in geeigneter Weise mit spezialpräventiver Zielrichtung auf Straftäter einzuwirken.“ So die Koalitionsfraktionen! „Deshalb soll der Gesetzentwurf die ambulanten Sanktionsmöglichkeiten für Straftaten in diesen Bereichen erweitern und dabei insbesondere der Vermeidung von kurzen Freiheitsund Ersatzfreiheitsstrafen dienen. Auf diese Weise sollen unerwünschte Nebenwirkungen von Freiheitsstrafen vermieden oder abgeschwächt und der Strafvollzug entlastet werden.“

Gut, kann ich da nur sagen! In der Tat, richtige Ziele, aber der Senator für Justiz und sein Anstaltsleiter gehen ja erstaunlicherweise gar nicht mehr davon aus, dass es unerwünschte Nebenwirkungen von Haft gibt. Das ist allerdings gegen alle Erkenntnisse kriminologischer Forschung. Warum sollte man dann Freiheitsstrafen vermeiden? Dieser Justizsenator will den Strafvollzug offensichtlich gar nicht weiter entlasten, sonst würde er solche Gesetzesinitiativen ja aufgreifen.

Ich möchte Ihnen noch ein Dokument der Bundesregierung empfehlen mit einem etwas längeren Zitat, weil es hier genau passt. Das ist der erste periodische Sicherheitsbericht der Bundesregierung vom Juni 2001, gemeinsam vom Innenminister und der Justizministerin verantwortet. Dort heißt es, ich darf zitieren:

„Im europäischen Vergleich weist die Bundesrepublik Deutschland eine überdurchschnittlich hohe Gefangenenrate auf. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Rückfallforschung, die zeigen, dass Freiheitsstrafen unter dem Gesichtspunkt der Rück

fallreduzierung ambulanten Sanktionen nicht überlegen sind und unter Beachtung des Grundsatzes, dass Freiheitsstrafen Ultima Ratio sind, ist diese überdurchschnittlich hohe Gefangenenrate zu reduzieren.“ Das ist empirische Wissenschaft, aber ich habe schon gemerkt, wenn diese Wissenschaft nicht in Ihr Weltbild passt, dann nehmen Sie das nicht zur Kenntnis.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, ich komme damit zum Abschnitt Strafvollzug, zu dem wir auch unseren Dringlichkeitsantrag eingebracht haben. Damit wir die Debatte, die wir im März schon einmal geführt haben, nicht einfach wiederholen, will ich vor allen Dingen den Kolleginnen und Kollegen der Christdemokratie und ihren Freunden im Senat versuchen zu erklären, worum es nach meiner Meinung geht.

In einem Gespräch mit der „Bremer Kirchenzeitung“, das ich über das Verhältnis von Kirche und Politik mit dem Landesvorsitzenden der CDU, Herrn Neumann, geführt habe, hat er mir erklärt, das C bei der CDU komme daher, dass die CDU davon ausgehe, dass jeder Mensch, und zwar jeder, sündig sei, im Gegensatz zu den Marxisten, die sagen, es käme alles von den Umständen, und wenn man die Umstände geändert habe, wäre alles gut. Ich würde ja nicht die religiöse Sprache gebrauchen, aber in der Sache gebe ich Ihnen natürlich Recht, dass wir alle in der Tat die Fähigkeit zum Bösen, nennen Sie es das Böse, das Unrecht, wie auch immer, haben, dass wir die Freiheit der Entscheidung und die Verantwortung dafür haben. Völlig richtig!

Es gibt aber neben der Fähigkeit zum Unrecht auch die Fähigkeit zur Umkehr, das sollte man dann auch nicht vergessen, es sei denn, die Grenze zur Krankheit ist überschritten. Das gibt es, das sind andere Fälle. Zum Zweiten: Freiheit und Verantwortung ja, aber es führt völlig in die Irre, wenn wir, die Umgebung, die Familie, der Staat, wir alle nicht unseren Teil der Verantwortung akzeptieren. Das hört sich jetzt allgemein an. Ich will Ihnen gleich sagen, woran ich Ihnen das jetzt zeigen will.

In der Antwort des Senats sagt der Senat, es gäbe da eine Gruppe von Intensivtätern, zumeist ausländischer Herkunft – da werden die Aussiedlerkinder offensichtlich gleich mitgezählt als Ausländer –, die seien überhaupt nicht sozialisiert, die könne man überhaupt nicht resozialisieren. Dann schreibt er, ich darf zitieren: „Die Mehrzahl der Intensivtäter hat einen problematischen sozialen Hintergrund und kommt aus mehrfach belasteten erziehungsschwachen Familien, oft aus Familien nichtdeutscher Herkunft mit unsicherem Aufenthaltsstatus, die gesellschaftlich kaum integriert sind.“ Schlechte Schulbildung wird attestiert, viel Arbeitslosigkeit, im Ergebnis: fehlende Lebensperspektive.

Meine Damen und Herren, und das geht uns nichts an? Da ist nichts von unserer Verantwortung dabei,

und da fällt uns nur Abschieben des Problems ein? Das kann doch wohl wirklich nicht angehen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn man nicht beide Seiten sieht, sowohl die Freiheit und Verantwortung des Einzelnen als auch die gesellschaftliche Verantwortung, dann kommt man zu einem, und auch der ist häufig religiös, ich sage einmal, verkleidet, Fundamentalismus der Rache, des Strafens, wie wir es in den USA haben: exzessiv im Umfang, in der Dauer und in der Härte. Solch ein Fundamentalismus ist nach unserer Auffassung gegen die Menschenwürde. Er kostet die Gesellschaft außerordentlich viel. Gestern hat hier jemand dazwischengerufen, in Texas sitzen so viele Leute im Gefängnis, wie Bremen Einwohner hat. Ja, so ist das in der Tat! Aber, und das ist vielleicht für Sie das Entscheidende, es bringt überhaupt nicht mehr Sicherheit, im Gegenteil! Die Gefängnisse in den USA sind übervoll, sie sind erheblich größer als bei uns. Dabei, und ich behaupte auch, deswegen ist die Rate der Kriminalität hoch, sehr hoch, erheblich höher als bei uns. Ich meine, da muss man doch einfach auch einmal auf die Tatsachen und auf die Fakten schauen. Jeder kriminologische Forscher sagt Ihnen, dass hohe, harte Abschreckung an sich überhaupt noch nichts bewirkt. Ich werde niemals verstehen, meine Damen und Herren, wie man solche Politik dann auch noch christlich nennen kann!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Der westeuropäische Weg, der bei uns dann in den siebziger Jahren formuliert worden ist, deswegen sage ich auch, die guten „altmodischen“ Beamten, setzt nicht auf Rache, setzt nicht auf lebenslänglich, weil angeblich sicher. Er setzt auf Resozialisierung, als erste Aufgabe darauf, dass der Straftäter seine Strafe verbüßt, natürlich! Das soll er, das muss er! Dabei soll er aber lernen, wieder in Freiheit und ohne neue Straftaten zu leben. Dieser Weg ist erstens menschenwürdiger, zweitens erheblich billiger, meine Damen und Herren, und er ist auch im Ganzen und auf Dauer sicherer. Natürlich ist es ein Risiko, einem Häftling Ausgang zu geben, zumal wenn man dann nicht einmal mehr das Personal hat, um ihn darauf vorzubereiten. Ja, so ist es! Natürlich ist es so! Es kommt auch manchmal zu Fehlern, auch das, aber das allergrößte Risiko ist mit Sicherheit, wenn man dem Strafgefangenen nichts zutraut, ihn die gesamte Strafe verbüßen lässt ohne jede Lockerung und er dann unvorbereitet, ohne jede Chance zur kontrollierten Vorwegnahme einer Freiheit, die Haft verlässt, das kann ich Ihnen versichern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Einige würden auch gern die Konsequenz daraus ziehen, sie nie zu entlassen, aber das geht ja bekanntlich nicht, und da finde ich beim Senat den Satz: „Die Verhinderung von Missbrauch ist auch ein Beitrag zur Resozialisierung von Gefangenen.“ Ich habe darüber nachgedacht, was kann das heißen? Sind 23 Stunden Wegschluss beim Jugendlichen ein Beitrag zur Resozialisierung, weil er nämlich keine Gelegenheit mehr hat, seine Freiheit zu missbrauchen? Ist das wirklich damit gemeint? Das finde ich ziemlich zynisch.

Also, meine Damen und Herren von der CDU, keine Sorge, dass ich Sie mit den USA gleichsetze oder Herrn Mäurer. Ich sage Ihnen aber, dass Ihre Philosophie in der Skala dorthin tendiert. Die größten Law-and-Order-Propheten – –. Ich habe ihn nicht vergessen, den Mr. Law-and-Order von Westdeutschland, war sein Name nicht Herr Kanther? Können Sie sich noch daran erinnern, wie seine Karriere zu Ende gegangen ist, mit welcher kriminellen Energie für eine Partei? Es hat eine hohe Gefahr, sich in einer solchen Lage mit solchen Stichworten und Schlagworten zu exponieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Was ändern Sie jetzt gegenwärtig im Vollzug? Da versuchen Sie, die Unterschiede zwischen SPD und CDU groß zu reden. Ich sehe sie nicht so. Ich sage einmal, diese Koalition, Sie bringen die Resozialisierung in Gegensatz zu einer Sicherheit der Bevölkerung. Resozialisierung ist nicht Interesse der Inhaftierten. Ich meine, Sie haben gar nichts verstanden! Natürlich geht es auch um Menschenwürde, aber Resozialisierung ist die Vorbereitung des Häftlings, damit er dann in der Gesellschaft ohne Straftaten leben kann. Sie können das in jedem seriösen Kommentar nachlesen, weil nämlich bei guter Resozialisierung insgesamt die Sicherheit verbessert wird.

Konkret ist es so: Sie weiten die Einschlusszeiten aus, vor allem im Jugendvollzug, Sie streichen Freizeitmöglichkeiten wie Sport, Sie sagen, bessere Qualität von Entscheidungen, und im Ergebnis schränken Sie – Sie propagieren es auch – systematisch die Gewährung von Lockerungen ein und verlängern die Haft. Die Zahl der Hafttage steigt jetzt. Sie haben faktisch den Wohngruppenvollzug zerschlagen, die Möglichkeiten konkreter und persönlicher Betreuung von Bezugsbeamten eingeschränkt mit der Behauptung, das sei sowieso viel zu dicht und persönlich gewesen, unpersönlich sei sicherer. Der offene Vollzug wird abgewürgt, auch dazu haben Sie programmatisch etwas gesagt, und die Hilfen zur Entlassungsvorbereitung werden nicht mehr so abgerufen wie früher.

Sie haben das bei ständig sinkender Beschäftigtenzahl getan, denn Sie haben sich ja diesen Bau

des Großgefängnisses in den Kopf gesetzt. Bezahlen wollen Sie ihn mit Einsparungen am Personal – diese Einsparungen werden heute schon gemacht, das sind übrigens ganz andere Zahlen als die, die Roland Berger ausgerechnet hat –, Einsparungen auf Kosten der Angebote und auf dem Rücken der Beschäftigten. Auf dem Papier stehen dann noch 280 Beschäftigte. Die Wahrheit ist, es stehen tatsächlich nur noch 225 Beschäftigte zur Verfügung.

Das hat verschiedene Ursachen, unter anderem die Tatsache, dass sich die Spirale der Belastungen, der Dienstunfähigkeitsanträge und so weiter immer schneller dreht. Die Beschäftigten können nicht mehr, und irgendwann wollen sie auch nicht mehr. Die Folge davon ist, dass selbst die herabgesetzten, vereinbarten Mindestbesetzungen nicht mehr gefahren werden können.

Ein Beispiel von vielen: Blockland, zwölf Personen sind eigentlich vereinbart, elf gelten als Minimum, faktisch sind immer nur neun Leute da. Folge: Jede Notmaßnahme woanders reißt neue Lücken. Wenn die Krankenstation nicht mehr besetzbar ist, muss jemand anders aus dem Blockland dorthin beordert werden, dort fallen wieder Angebote aus, und so geht das hin. Das Gefühl der Überforderung nimmt zu. Das Risiko übrigens, dass etwas passiert, nimmt dramatisch zu, wenn es so weitergehen sollte.

Meine Damen und Herren, die Beschäftigten des Strafvollzugs fühlen sich in dieser Lage allein gelassen. Sie vermuten nicht zu Unrecht, dass dies auf ihre Kosten geschieht, um auch auf diesem Weg eine Umorientierung des Strafvollzugs zu erzwingen. Sie weisen zu Recht, wie ich finde, darauf hin, dass eine solche Situation wie bei ihnen jetzt bei der Polizei nicht lange angedauert hätte, weil sich das nämlich im Licht der Öffentlichkeit abspielt und es dort ein erhebliches öffentliches Druckpotential gibt, wie wir es ja öfter erlebt haben, zuletzt bei der Diskussion um den 11. September. Herr Röwekamp hat sich damit gebrüstet. Ich dachte immer, die Entlastungen bei der Justiz wären im Zusammenhang mit dem 11. September und der Bedrohung geschehen, in diesem Zusammenhang, jetzt sind das allgemeine Verstärkungen der Justiz und der Polizei. So war das eigentlich nicht gedacht! Ich habe mir schon gedacht, dass es so ausgehen würde, aber gedacht war es nicht so.

Bei den Strafvollzugsbeamten gibt es diese Fürsorge nicht. Sie haben auf der Personalversammlung im Frühjahr dem Justizsenator dies alles geschildert, aber ihm ist leider nichts anderes dazu eingefallen, als ihnen zu sagen, sie sollten doch froh sein, dass sie überhaupt eine feste Arbeit hätten.

Weil dies so ist, fordern wir den Senat mit unserem Antrag auf, dafür Sorge zu tragen, dass die unverantwortliche und prekäre Personalsituation im Vollzug durch die Einstellung von 25 Beschäftigten

entschärft wird – die Zahl, die von den Teilgruppenvollzugsleitern gehandelt wird, liegt etwa in dieser Größenordnung – und dann eine vorsorgliche Personalpolitik durch die Einrichtung eines neuen Ausbildungslehrgangs betrieben wird, und zwar in diesem und nicht erst im nächsten Jahr!

Wenn Sie die Dinge so weiterlaufen lassen, meine Damen und Herren, brauchen wir hier über Vollzugskonzepte überhaupt nicht mehr zu diskutieren. Bremen hätte sich dann auf kaltem Wege von seiner Tradition im Strafvollzug verabschiedet. Wir wollen das nicht, weil wir im Kern diese Tradition für zukunftsfähig halten und gehalten haben. Ich sage Ihnen eines, Herr Eckhoff: Auf diesem Feld jedenfalls ist von Houston/Texas nichts zu lernen, ganz im Gegenteil!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält der Abgeordnete Isola.