Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion ist zufrieden mit der Antwort des Senats, übrigens des Senats, der aus SPD und CDU besteht und damit auch eine Antwort des Koalitionssenats darstellt. Herr Röwekamp ist nun empört, dass er mit seinem albernen Versuch, den Bürgermeister Scherf und den Justizsenator in die Nähe von CDU-Justizpolitik zu rücken, kläglich gescheitert ist.
Das wäre ja besonders schön für Sie gewesen, aber Sie finden hier eine Antwort vor, die Ihre CDU-Senatoren mittragen. Übrigens ist diese Antwort kein Schnellschuss, denn wir haben wochenlang die Diskussionen zwischen den Ressorts verfolgt. Sie haben sich ja auch wiederholt da noch eingebracht, wie wir vernehmen konnten. Ich habe mich da sehr zurückgehalten, denn der Senat, davon bin ich ausgegangen, und das hat auch unsere Auffassung und unsere Erwartung bestätigt, hat hier nach fachlichen Gesichtspunkten eine umfassende Antwort erteilt, und diese Antwort begrüßen wir.
Sie ist eben nicht von Parteiideologie durchsetzt und durch einen unsinnigen Versuch, Kriminalitätsfurcht in der Bevölkerung zu erwecken, sondern versucht, auch auf die wirklich wichtigen Fragen, die die Kriminalitätsbekämpfung angehen, eine sachlich fundierte, übrigens von der jugendrichterlichen Praxis getragene Antwort zu geben. Das wird auch zitiert. Es wird nicht etwa das SPD-Parteiprogramm zitiert – Sie tragen ja laufend Ihr CDU-Programm hier vor –, sondern der Senat und die Sachbearbeiter im Ressort haben Rückfrage, wie es üblich ist, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
auch mit der jugendrichterlichen Praxis gehalten: Was haltet ihr beispielsweise von dem Vorschlag einer Strafrahmenerhöhung bei heranwachsenden Tätern? Was haltet ihr beispielsweise davon, die Anwendung von Jugendrecht bei Heranwachsenden zum absoluten Ausnahmefall zu machen? Wie ist da eure praktische Erfahrung, seht ihr als Richter und als Staatsanwälte ein solches Bedürfnis? Das ist verneint worden.
Übrigens, es ist auch ganz interessant, da, wo die CDU Verantwortung trägt oder getragen hat, sieht sie es genauso. Es ist nämlich ein Unterschied, ob man in einer Regierung ist und dann auf solche Fragen antworten muss, oder ob man in einer Opposition beziehungsweise hier in einem kleinen Landesparlament sitzt und kampagnenartig versucht, seine Vorstellungen vorzutragen.
Ich darf einmal verweisen auf eine hochinteressante Debatte im Deutschen Bundestag zu einem Zeitpunkt, als in den neunziger Jahren die Presse voll war vom Anstieg der Jugendkriminalität. Das hat alle umgetrieben, auch die Bundestagsfraktionen, und die SPD-Fraktion hat seinerzeit eine Große Anfrage an die damalige Kohl-Regierung gestellt unter dem Stichwort „Jugendstrafrecht und Präventionsstrategien“. Sie hat auch immer wieder an verschiedenen Stellen gefragt: Sieht die Bundesregierung Kohl eine Notwendigkeit, das Jugendgerichtsgesetz hinsichtlich einer Strafverschärfung zu ändern? Das war 1997, also kurz vor Ende dieser Regierungszeit Kohl.
Ich darf Ihnen einmal mit Genehmigung des Präsidenten aus der Antwort der CDU/FDP-Regierung zitieren. Da heißt es: „Auch der Vergleich mit den achtziger Jahren, in denen die Jugendstrafrechtspraxis zunehmend von nicht freiheitsentziehenden Maßnahmen und der Diversion Gebrauch machte und dabei nicht etwa eine Kriminalitätszunahme deswegen erfolgte, zeigt, dass der aktuelle Anstieg“ – 1997 und in den Jahren davor – „nicht auf ein vermeintlich zu mildes strafrechtliches Vorgehen zurückgeführt werden kann. Wichtig bleibt eine solide und konsequente Justizpraxis auf dem bisherigen Weg, die den ihr möglichen Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung leistet.“
Weiter heißt es in der Antwort auf die Frage der SPD-Bundestagsfraktion: „Sollte nicht Jugendstrafe, Jugendstrafvollzug, Ultima Ratio sein?“ Antwort der Bundesregierung Kohl: „Die Bundesregierung geht davon aus, dass Untersuchungshaft und Strafhaft gegenüber jugendlichen Beschuldigten und Verurteilten stets Ultima Ratio sein müssen. Dies ergibt sich aber nicht erst daraus, dass schädliche Nebenwirkungen von Vollstreckung und Vollzug der Haft zum Beispiel positive Einwirkungsmöglichkeiten des Jugendvollzugs überlagern können, sondern bereits aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.“ Da-rauf hat der Kollege Kuhn hingewiesen.
Letztes Zitat, damit will ich es dann auch beenden, aber ich halte es einfach für notwendig, dass auch die Kollegen hier in Bremen von der CDU das einmal erfahren,
da heißt es dann: „Unter dem generellen Vorbehalt der beschränkten Wirkungsmöglichkeiten strafrechtlicher Reaktionen“ – ich wiederhole noch einmal –, „unter dem generellen Vorbehalt der beschränkten Wirkungsmöglichkeiten strafrechtlicher Reaktionen ist vornehmlich das jugendstrafrechtliche Instrumentarium insoweit auch zu erzieherischen beziehungsweise spezial präventiven Einwirkungen auf junge Gewaltdelinquenten ausreichend. Defizite können allerdings in der Praxis bestehen.“ Darauf werde ich gleich noch zu sprechen kommen.
„Insbesondere ist für eine gelungene Umsetzung der rechtlichen Möglichkeiten, die das Jugendgerichtsgesetz bietet, die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Justiz und Jugendhilfeträgern wesentlich.“ Letztes Zitat: „Der Bundesregierung liegen keine empirischen Erkenntnisse dergestalt vor, dass durch eine härtere Bestrafung von Gewalttätern eine erhöhte generelle Abschreckungswirkung des Jugendstrafrechts gegenüber jungen Menschen erzielt werden kann.“
(Abg. T e i s e r [CDU]: Sagen Sie uns doch einmal, wie damals der Justizminister hieß, damit das jeder weiß! Das war doch so eine Pappnase!)
ein Thema war in sämtlichen Gazetten! Inzwischen hat sich die Lage, insofern haben Sie Recht, stabilisiert, allerdings auf einem Niveau, was uns alle nicht zufrieden stellen kann, aber keineswegs Anlass gibt, hier jetzt über Rechtsänderungen nachzudenken.
Das Gleiche gilt übrigens für das Strafvollzugsgesetz, wenn ich das einmal an dieser Stelle erwähnen darf, das Sie hier immer wieder angreifen. Dieses Strafvollzugsgesetz ist 1976 übrigens einstimmig bei einer Stimmenthaltung beschlossen worden, damals war die CDU in der Opposition, da kenne ich mich aus. In 16 Jahren Kohl-Regierung ist nicht einmal der Versuch unternommen worden, etwa die Möglichkeiten von Vollzugslockerungen, Freigang und Ausgang oder Urlaub, irgendwie auf dem Gesetzeswege einzuschränken. Es hat immer wieder diese Diskussionen, auch innerhalb der CDU, gegeben. Gott sei Dank haben sich immer die Fachleute, die dann rückgekoppelt haben, durchgesetzt und
Lassen wir die Finger davon! Wir haben ein modernes, effektives Recht, entscheidend ist, wie die Praxis mit diesen Dingen umgeht.
Das ist auch Aufgabe hier in Bremen. Die Länder vollziehen ja das Recht. Sie wenden es durch die Gerichte an, aber vollziehen dann zum Beispiel nach dem Strafvollzugsgesetz und nach anderen Regelungen auch die Sanktionen. Das wird auch von niemandem bestritten, schon lange nicht von uns.
Ich erinnere an die letzte Debatte über Intensivtäter. Ich sage, wir brauchen keine großartigen Verlautbarungen über Intensivtäter, ein Unwort übrigens, das das Gesetz gar nicht kennt, weil nämlich in der Regel Täter im Strafvollzug einsitzen, die man als solche bezeichnen kann. Dort sitzt keiner nur wegen eines Ladendiebstahls ein, sondern dort ist immer eine Serie von Straftaten vorangegangen oder eben eine sehr schwere Straftat mit schwerer Schuld wie Totschlag oder Mord.
Dass aber die räumlichen, sachlichen und personellen Voraussetzungen und die Konzeption stimmen müssen, dass diesen jungen Menschen geholfen werden kann, da kann ich mich nur dem Kollegen Kuhn, ich habe es hier auch schon zehn Mal gesagt – –.
(Abg. E c k h o f f [CDU]: Herr Isola, aber das Bedenkliche ist doch, dass die gerade nicht einsitzen, diese jugendlichen Täter!)
Es schadet Ihnen übrigens nicht, auch einmal bei diesen Punkten zuzuhören! Sie mögen da auf anderen Feldern Kompetenzen haben, aber davon verstehen Sie wirklich nichts.
Herr Eckhoff, mit großen breiigen Reden – ich werde Ihnen gleich noch etwas zu Texas sagen – werden Sie hier nicht weiter kommen! Da mögen Sie einige aus Ihrer Klientel befriedigen, aber die Fachöffentlichkeit überzeugen Sie damit nicht.
Sie geben immer vor, Sie würden die Öffentlichkeit schützen. Jede gelungene Resozialisierung – übrigens hat Resozialisierung Verfassungsrang, daran darf ich bei dieser Gelegenheit noch einmal erinnern – ist nicht gleichrangig mit Sicherheit, jede gelungene Resozialisierung ist ja ein Mehr an Sicherheit. Lesen Sie dazu einmal, Sie kennen das, Herr
Röwekamp, die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung, das so genannte Lebach-Urteil, durch, hat hohen Rang! Doch nicht, weil das Bundesverfassungsgericht oder weil der Gesetzgeber, einschließlich CDU, seinerzeit gemeint hat, wir müssen Wohltaten an die Straftäter verteilen, sondern weil es vernünftig ist! Übrigens hat das internationalen Standard, zumindest in Europa, auf diese Weise gerade im Jugendvollzug mit möglichst weit gehenden erzieherischen Maßnahmen auch im Jugendstrafvollzug zu reagieren. Das mag Sie ärgern! Inzwischen hat auch einmal das Ressort beziehungsweise der Senat klargestellt, wie er mit Intensivtätern im Jugendstrafvollzug umgehen will.
(Abg. H e r d e r h o r s t [CDU]: Es ärgert nicht uns, es ärgert die Bürgerinnen und Bürger, Herr Isola!)
Da gab es sicherlich Missverständnisse in der letzten Debatte, die im Vorfeld stattfand. Mit der heutigen Antwort kann die SPD-Fraktion leben, sie ist auch vernünftig. Hier wird auf die besonderen Schwierigkeiten bei der Erziehung und Resozialisierung jugendlicher Straftäter im Strafvollzug hingewiesen. Es wird aber nicht gesagt, dann, wenn das nicht klappt und der junge Mensch sich verweigert, machen wir nichts mehr und schließen ihn weg, sondern es heißt dort deutlich, hier sind dann besondere Maßnahmen erforderlich, sind auch herauszunehmen aus der anderen Gruppe, damit sie nicht stören, um hier zu einem Ergebnis zu kommen.
Der Senat hat hier deutlich gesagt, wir lassen junge Menschen nicht fallen und geben junge Menschen nicht auf. Das ist auch genau die Position der Sozialdemokraten und der Grünen, das sollte an sich die Position des gesamten Hauses sein, finde ich.
Was uns fehlt, und das möchte ich bei dieser Gelegenheit auch noch einmal anmerken, wenn wir schon über Rechtsänderungen sprechen oder hier rechtliche Forderungen stellen, ist ein Jugendstrafvollzugsgesetz. Nach wie vor wird der Jugendstrafvollzug mit einer Ausnahme, einer rechtlichen Bestimmung im Jugendgerichtsgesetz, aufgrund von Verwaltungsrichtlinien vollzogen. Das ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht mehr als bedenklich.
Ich habe gelesen, dass einige Jugendgerichte bereits einen Vorlagebeschluss gemacht haben an das Bundesverfassungsgericht. Sie haben sich geweigert, eine Jugendstrafe auszusprechen, weil sie sagen, der Vollzug der Jugendstrafe ist eben nicht gesetzlich normiert wie bei den Erwachsenen, und hier müssten die Länder reagieren. Das ist ja ein altes Thema. Die Länder bestreiten übrigens nicht, dass es notwendig ist, ein Jugendstrafvollzugsgesetz zu
Es ist immer das Problem der Kosten, die damit in Verbindung stehen, hier müsste nur einmal ein Kompromiss gemacht werden. Hier geht es aber auch nicht um die Zukunft dieser jungen Menschen, das würde schon allein reichen, es geht um die Sicherheit der Bevölkerung, es geht auch um Rechtssicherheit im Vollzug, dass man hier nicht nur nach Verwaltungsvorschriften agiert, sondern bundesweit einen gleichen Standard hat. Ich möchte die Gelegenheit hier noch einmal wahrnehmen und auch an den Senat appellieren, in den Gesprächen mit dem Bund und den anderen Ländern auf den Erlass eines Jugendstrafvollzugsgesetzes zu drängen.
Meine Damen und Herren, damit komme ich dann zu einem Thema, das uns hier aktuell auf den Nägeln brennt. Der bremische Strafvollzug insgesamt ist insofern notleidend, als wir uns alle einig sind, dass es einer Neuordnung bedarf, und zwar einer Neuordnung von Grund auf. Wir haben uns im politischen Raum an sich darauf verständigt, jedenfalls in der großen Koalition, bei den Grünen ist mir die Position noch nicht so ganz klar, dass diese alten Anstalten, insbesondere JVA Oslebshausen, ein Jahrhundertwerk, über 100, 110, 112 Jahre alt, im Grunde genommen kaum noch den Anforderungen für einen modernen Strafvollzug gerecht werden kann, trotz aller Bemühungen, die dort in den letzten Jahren auch unter Bürgermeister Scherf vorgenommen worden sind, Einrichtung eines Wohngruppenvollzuges und so weiter. Der Personalaufwand ist dort so erheblich aufgrund dieses alten Gebäudes, einer Mauer, die im Grunde genommen, wenn man sich dagegen lehnt, ich sage das einmal etwas burschikos, fast umfällt. Wir haben früher immer Gelder aus diesem Maueretat genommen, um andere Dinge zu finanzieren.
Auch der Jugendstrafvollzug, die Anstalt ist zwar noch nicht so alt, war aber von vornherein sehr unmodern angelegt. Hier jetzt Überlegungen anzustellen, wie wir insgesamt diesen Strafvollzug auch räumlich neu unterbringen, halte ich nicht nur für legitim, sondern für erforderlich! Das haben wir auch in den Diskussionen im Rechtsausschuss, aber auch in der Fraktion deutlich gemacht.
Hier erwarten wir jetzt allerdings auch, dass alsbald eine Entscheidung des Senats kommt. Das Roland-Berger-Gutachten liegt jetzt seit über einem Jahr vor, ich glaube eineinviertel Jahr, und hier muss etwas geschehen. Herr Kollege Kuhn hat ja Recht! Immer unter Hinweis darauf, dass es demnächst einen Neubau geben wird, sparen wir bereits bei den Bediensteten immer weiter ein. Das geht natürlich nicht so weiter.
Hier muss jetzt auch deutlich werden, dass der Senat in einer Grundsatzentscheidung erstens sagt, wir wollen den Bau und zweitens, wohin er soll. Das
zeichnet sich deutlich ab, er soll auf das Gelände der jetzigen Jugendstrafanstalt. Auch die Finanzierung ist sichergestellt, und außerdem wissen wir auch, was mit dem Altbau passiert. Das sind Voraussetzungen, die schnellstens zu klären sind, damit wir Ruhe in den Strafvollzug bekommen. Ich hoffe, dass Bürgermeister Scherf hierzu heute auch noch etwas sagen wird.
Ich darf bei dieser Gelegenheit aber noch einen Hinweis geben! Wir werden über die Konzeption und über die Art und Weise, wie dieser Neubau gestaltet werden soll, parlamentarisch beraten. Das wird ein sehr schwieriges Unterfangen, alle Vollzugsarten des Landes Bremen in einem Bau unterzubringen. Das ist an sich nicht normal!
Erlaubt ist es schon, lieber Kollege! Dieses Strafvollzugsgesetz hat immer Ausnahmebestimmungen, aber es ist schon ungewöhnlich! Normalerweise sagen Fachleute, baut bitte keine Anstalten, die größer sind als 250 bis 300 Insassen. Hier soll eine Anstalt geplant werden, die mehr als doppelt so groß ist, weil wir nun, bis auf den offenen Vollzug, alle dort unterbringen. Ich sehe da aber keine Alternative, ich sage das auch ganz deutlich!
Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, auch bei der Feinberechnung der Plätze, die wir benötigen, sehr sorgfältig heranzugehen. Aber nicht nur das, sondern wir sollten alle Möglichkeiten auch des Bundesrechts, das womöglich noch kommen wird, und damit komme ich auf die Reform des Sanktionenrechts an dieser Stelle zu sprechen, ausnutzen, dass wir in Bremen eine Strategie fahren, die noch mehr als bis jetzt zur Vermeidung von Inhaftierungen führt, zu Alternativen zum Strafvollzug.
Deswegen, Herr Röwekamp, verstehe ich das überhaupt nicht, Sie müssen wenigstens aus Haushaltsgründen dafür sein! Der Bau eines Haftplatzes kostet 250 000 bis 300 000 DM. Ein Haftplatz, das muss man sich einmal vorstellen! Wenn wir nur zehn sparen, dann sind das 2,5 bis drei Millionen DM, das sind doch Dinge, die für den bremischen Haushalt eine Rolle spielen. Sie können das also weiter rechnen.