Protocol of the Session on June 13, 2002

Der Idee, die Kinderrechte in die Landesverfassung zu bringen und die Kinderrechte damit auch zu stärken, steht die SPD-Fraktion durchaus erst einmal aufgeschlossen gegenüber, denn es gibt ja durchaus eine ganze Menge von Gründen, die auch dafür sprechen. Zum einen ist da die Subjektstellung des Kindes, so nennt man das, also die Frage, dass in der gesellschaftlichen Wahrnehmung das Kind als ein eigenes selbständiges Individuum mit eigenen Rechten eine größere Bedeutung gewonnen hat. Sie haben ja auch die Landesverfassung vorhin zitiert. Die Diskussion war früher anders. Früher wurde das Kind eben als ein Element innerhalb der Familie, die insgesamt zu schützen ist, viel stärker berücksichtigt. Hier gibt es mittlerweile eine Weiterentwicklung, die man unter dem Begriff Subjektstellung des Kindes zusammenfasst.

Wenn wir den Bezug zur UN-Kinderrechtskonvention herstellen und wenn wir über die Schutz- und Beteiligungsrechte von Kindern reden, hat ja die UN auch deutlich in Artikel 4 darauf hingewiesen, dass die nationale Gesetzgebung auf die UN-Kinderrechtskonvention hin ausgerichtet werden soll. In einem Bericht über das Verhalten der Bundesregierung wird auch noch einmal deutlich kritisiert, dass die UN damit nicht zufrieden ist. Es gibt eine United Nations Concluding Commission, so heißt das, das ist eine Kommission, die darüber berichtet und sagt, ich möchte die bitte zitieren, „dass unzureichende Überlegungen in der nationalen Gesetzgebung und in Programmen zum Kind als Rechtssubjekt, wie dies in der UN-Konvention über die Rechte des Kindes festgelegt ist, angestellt wurden“.

Das heißt also, die Kommission ist mit dem, was gesetzgeberisch in Deutschland gemacht worden ist, nicht zufrieden, hat aber Überlegungen innerhalb der Bundesregierung begrüßt, eine solche Änderung vorzunehmen, die aber, wenn ich das hier auch richtig recherchiert habe, auf Bundesebene nicht umgesetzt worden ist, weil die Befürchtung bestand, dass das System der bestehenden Grundrechte durch die Kinderrechte gebrochen würde. Das Grundgesetz ist sehr stark darauf ausgerichtet, abwehrende Rechte zu beschreiben, also den Zugriff des Staates einzuschränken, und die Kinderrechte definieren diese Geschichte sozusagen positiv. Deswegen ist es dazu nicht gekommen.

Sie haben auch schon auf die Debatte zum Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Familie hingewiesen. Ich denke, das ist auch ein weiterer Grund, der das noch einmal deutlich macht. Wir haben hier eine Weiterentwicklung in der gesellschaftlichen De

batte. Es gibt hier einen Paradigmenwechsel, und das ist meiner Meinung nach ein weiteres Argument dafür, dass man sich damit auch sehr offensiv auseinander setzen muss.

Die SPD-Fraktion ist also einer Verfassungsänderung durchaus aufgeschlossen, stellt aber eben auch fest, dass dieser Diskurs im Lande im Moment noch nicht so stark vorhanden ist. Deswegen möchten wir eben zum jetzigen Zeitpunkt die erste Lesung unterbrechen, denn eine Verfassungsänderung hat auch immer einen sehr starken symbolischen Wert. Sie ändert ein Leitbild, aber das konkrete gesetzliche Handeln ändert sich durch die Änderung der Landesverfassung nicht.

Wir arbeiten sozusagen nun auch schon auf vielen anderen Ebenen weiter. Wir haben hier ja auch schon einige Gesetze im Parlament diskutiert. Insofern schlage ich wirklich vor, lassen Sie uns diese Diskussion ganz offen führen, denn eine Verfassungsänderung gewinnt meiner Meinung nach nicht erst dadurch eine Bedeutung, dass sie im Parlament abgestimmt wird, sondern die Bedeutung einer Verfassungsänderung entsteht aus meiner Sicht auch ganz erheblich durch den Prozess, der dieser Verfassungsänderung im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion zugrunde liegt. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich den nächsten Redner aufrufe, darf ich die Klasse der Zwingli-Schule Bremerhaven, gerade auch zu diesem Thema, das wir heute Morgen hier diskutieren, ganz herzlich begrüßen. Ich glaube, ihr seid gute Zeugen, hier zuzuhören, da es euch auch betrifft. Herzlich willkommen und schön, dass ihr heute Morgen hier seid!

(Beifall)

Des Weiteren darf ich eine Berufsschulklasse der Systemelektroniker des Schulzentrums Utbremen ganz herzlich begrüßen.

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Striezel.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Ich will vorausschicken, ich bin keine Verfassungsrechtlerin. Das ist garantiert nicht mein Spezialgebiet. Bisher ist dieser Kelch immer an mir vorübergegangen. Ich habe gesehen, wir haben ein paar Mal die Verfassung geändert, auch in unserem Bereich, aber das ist immer auf an––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

deren Ebenen gelaufen. Dieses Mal müssen wir uns damit beschäftigen.

Wir haben eigentlich auch gesehen, dass wir hier im Parlament den erwarteten Konsens in weiten Teilen jetzt schon feststellen können. Das ist bei dem Thema Kinderrechte auch gar nicht ungewöhnlich. Wir haben ja im kinder- und jugendpolitischen Bereich ganz häufig eine große Übereinstimmung. Insofern muss ich nichts wiederholen von dem, was Frau Stahmann und Herr Pietrzok hier richtig zum Thema gesagt und grundsätzlich ausgeführt haben. Von der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention bis hin zu UNICEF hat Frau Stahmann alles erwähnt. Ich will ein paar andere Akzente setzen.

Die Verfassungsänderung, die wir hier auf dem Tisch haben und die wir beraten wollen, muss mit Leben erfüllt werden. Frau Stahmann hat darauf hingewiesen, auch Herr Pietrzok hat in seiner Rede deutlich gemacht, wie wir das tun wollen. Ich habe mich sehr gewundert, sonst hören wir bei den Grünen immer ganz viel von Beteiligungsstrukturen und Partizipation. Hier, finde ich, ist es notwendig, und hier habe ich das so eigentlich nicht gehört. Deswegen ist das eine ausreichende oder notwendige Begründung, um das erst einmal in die Fachdeputation zu überweisen und nicht in den Ausschuss, der nach der Verfassung eingerichtet werden muss. Der muss irgendwann kommen, das ist gar keine Frage, aber wir glauben, Herr Pietrzok hat das auch schon gesagt, dass wir überhaupt erst einmal eine Öffentlichkeit zu diesem Thema herstellen müssen, und zwar nicht nur in der Stadt Bremen, sondern im Land Bremen. Das ist ja eine Änderung der Landesverfassung, und Bremerhaven muss entsprechend beteiligt werden.

Dazu brauchen wir die nötige Zeit, das will ich auch deutlich sagen. Es nützt nichts, und die Einsicht ist ja auch bei Ihnen vorhanden gewesen, wenn wir da jetzt einen Satz ergänzen, und keiner erfährt es. Das hätten wir alles schön in Übereinstimmung machen können, aber keiner hätte es mitbekommen. Dann kann man es auch lassen. Insofern müssen wir da eine entsprechende Situation herstellen. Wir müssen einen Vergleich der Verfassungen der Länder herbeiführen, wir müssen Sachverständigenanhörungen und so weiter machen, damit wir dann wirklich viele Beteiligungsrunden und ein entsprechendes Bekanntwerden organisieren.

Dass Änderungen von Verfassungen grundsätzlich nicht dazu führen, dass sich die Lebensbedingungen von Kindern ändern, ist allseits bekannt, so dass wir gleichzeitig auch sehen müssen, was wir auch an der bremischen Gesetzgebung ändern müssen. Ich darf darauf hinweisen, das habe ich in den anderen Reden vermisst, wir haben, glaube ich, eine ganz gute gesetzliche Ausgangsbasis zum Beispiel durch das Bremische Kinder-, Jugend- und Familienfördergesetz. Darin steht ganz viel Gutes und Richtiges, das auch mit viel Beteiligung entwickelt wor

den ist. Noch nicht alles, was darin richtig steht, wird auch im Land Bremen so gemacht. Das muss man einmal deutlich sagen. Da sind die Prioritäten, glaube ich, dann doch noch sehr unterschiedlich.

Ganz sicher kommt bei diesem Thema auch irgendwann wieder die Kinderarmut ins Gespräch, die dann beklagt wird, die sich ja in der Tat auch feststellen lässt und über die man auch nicht streiten muss. Auch dort gibt es Rezepte auf der Bundesebene, die wir dann sicherlich auch hier im Land zu spüren bekommen. Wenn wir ein ausreichendes Familiengeld einführen und dann endlich zu einer richtigen finanziellen Familienförderung kommen, dann können wir auch diesen Teil vielleicht einmal der Vergangenheit übergeben.

Frau Stahmann hat zitiert, was unter dem zweiten Hauptteil in der Landesverfassung „Ordnung des sozialen Lebens“ im ersten Abschnitt „Familie“ nach ihrer Auffassung zu diesem Thema gehört. Mir fehlten da zwei Artikel, Frau Stahmann. Ich denke, dass die Kinderrechte da überhaupt nicht von der Familiensituation, von Mann und Frau losgelöst werden können. Ich finde, dass wir da sehr fortschrittliche Sätze in der Landesverfassung haben und darauf aufbauend überhaupt diese gesellschaftliche Veränderung hier zur Kenntnis nehmen können. Wenn nämlich darin steht, und das ist mir als Christdemokratin ganz wichtig, Ehe und Familie bilden die Grundlage des Gemeinschaftslebens und haben darum Anspruch auf den Schutz und die Förderung des Staates, dann ist das eine wichtige Ausgangsbasis für uns.

(Beifall bei der CDU)

Dann haben wir in Artikel 22 im Laufe der Jahre eingeführt, dass Mann und Frau in der Ehe die gleichen bürgerlichen Rechte und Pflichten haben. Das war auch nicht immer so, auch nicht selbstverständlich, und ist in der Praxis auch noch nicht überall wirklich selbstverständlich. Das muss man sagen. Die häusliche Arbeit und die Kindererziehung werden der Erwerbstätigkeit gleichgesetzt, das ist eine Zukunftsvision, nicht wahr?

Machen wir uns nichts vor! Da haben wir auch noch eine Menge zu tun, um das wirklich zu realisieren. Auf die anderen Artikel haben Sie hingewiesen, und der Satz, den Sie ergänzen möchten, ist eigentlich eine logische Konsequenz aus der Änderung der Bundesverfassung, nämlich zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung. Zu diesem Thema haben wir hier schon debattiert.

Ich bin dankbar, dass Sie noch einmal den Erziehungsgutschein erwähnt haben, weil auch er ja vielleicht in der Pipeline steckt, die doch aber irgendwie verstopft ist, und das nicht so richtig zum Tragen kommt. Es ist zwar etwas bewegt worden, aber es gibt noch ein paar schwierige Bereiche in der Um

setzung, und da werden wir auch weiter am Ball bleiben.

Ich will damit deutlich machen, dass wir die Familie auf diesen Weg mitnehmen müssen. Wir können nicht nur das Signal geben, dass es Kinderrechte gibt. Keine Einseitigkeiten, sondern es gibt auch Pflichten! Auch für Kinder und Jugendliche gibt es Pflichten, die anderen Menschen in ihren Rechten anzuerkennen. Wenn ich manchmal höre, was Lehrer erzählen, was sie sich in der Klasse von Schülerinnen und Schülern gefallen lassen müssen, dann, denke ich, müssen wir manchmal auch die Lehrer unter den Schutz unseres Parlamentes stellen, weil auch sie sich nicht alles gefallen lassen müssen. Das will ich auch deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU)

Das gilt natürlich für Eltern genauso. Ich habe da auch schon Sprüche gehört: Wir dürfen nicht mehr geschlagen werden, aber die Eltern haben da keinen Schutz, da kann man ruhig einmal hinlangen! In einem gewissen Alter gibt es bei Jugendlichen auch viele Kräfte, die irgendwo kanalisiert werden müssen. Da müssen wir sagen, ihr habt Rechte, aber ihr habt auch Pflichten, verdammt noch einmal, nämlich zum Beispiel die Pflicht, zur Schule zu gehen!

(Beifall bei der CDU)

All das möchten wir gern miteinander in den Fachgremien beraten, und dann, denke ich, wird die Verfassungsänderung so oder mit Ergänzungen ihren Weg nehmen und Eingang in unsere Landesverfassung finden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß jetzt nicht, ob das eben im Präsidium so angekommen ist, wir möchten gern die Überweisung damit ergänzen, dass der Bürgerschaft (Landtag) im Dezember ein Bericht der Deputation vorgelegt wird, damit wir die erste, zweite und dritte Lesung dann auch noch bis zum Ende der Legislaturperiode hier fristgerecht an drei unterschiedlichen Terminen durchführen können. Das wäre der Vorschlag. Ich würde mich freuen, wenn SPD und CDU dem zustimmen würden, dass wir in der Deputation bis Dezember das Thema abgearbeitet haben und dann hier im Landtag darüber noch einmal debattieren können.

(Zurufe von der SPD) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Das wäre unser Vorschlag. (Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Spätestens bis Dezember!)

Spätestens bis Dezember! Wenn wir hier eine Einigung herstellen könnten, wäre das sehr gut. – Vielen Dank!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist beantragt worden, die erste Lesung zu unterbrechen und den Gesetzesantrag an die staatliche Deputation für Soziales, Jugend und Senioren zu überweisen. Frau Kollegin Stahmann, das war jetzt ein Antrag, dass ein Bericht der Deputation bis zum Dezember dieses Jahres hier vorgelegt wird,

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Bis zur Dezember-Sitzung!)

bis zur Dezember-Sitzung dieses Jahres vorgelegt wird. Das haben Sie als Antrag gestellt. Das müssten wir dann mit beschließen.

Ist das Einverständnis? – Das ist der Fall.

Wer der Unterbrechung der ersten Lesung des Gesetzesantrages und der Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Jugend und Senioren zustimmen möchte mit dem Zusatz der Berichterstattung der Deputation bis zur Dezember-Sitzung, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) unterbricht die erste Lesung und überweist den Gesetzesantrag zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Jugend und Senioren.

(Einstimmig)

Bericht des Petitionsausschusses Nr. 44 vom 21. Mai 2002

(Drucksache 15/1151)