Protocol of the Session on June 12, 2002

Wir reden hier in der Bürgerschaft oft über Existenzgründer und Existenzgründerinnen und darüber, dass man das erleichtern will. Der Berufsverband unabhängiger Handwerker und Handwerkerinnen, kurz BUH genannt, hat einmal geforscht und gefragt,

wie das denn ist, wenn man sich selbständig machen will, was man eigentlich für Informationen an die Hand bekommt. Er hat herausgefunden, dass es sehr schwierig ist, dass man schlecht informiert wird und dass in Bremen auch keine praxistauglichen Auskünfte zu erhalten sind. Auch das Bundeswirtschaftsministerium konnte da keine guten Auskünfte geben.

Also: Nicht nur kleine Handwerksbetriebe mussten in den letzten Jahren schließen, und das ist auch hier interessant, auch gerade Computerfirmen wurden mit Bußgeldandrohungen zur Aufgabe gezwungen. Das ist ein Thema, das bis zum Bundeskanzler gegangen ist. Es gibt eine Art Stillhalteabkommen, es wird jetzt geschaut, dass man nicht gerade die kleinen Computerfirmen in die Enge treibt, aber ich sage einmal, es ist auch oben angekommen, dass mit der Handwerksordnung etwas nicht stimmt.

Unzählige Existenzgründer werden als Schwarzarbeiter abgestempelt. Ich finde es wirklich kurios, denn unter Schwarzarbeit stellt man sich normalerweise vor, dass die Menschen durch untertarifliche Löhne ausgebeutet werden, dass die öffentliche Hand um Lohnsteuereinnahmen betrogen wird und dass die Sozialkassen nicht ihre Beträge erhalten. Das ist in diesen Fällen aber überhaupt nicht gegeben. Das sind Betriebe, die Steuern zahlen, die Arbeitsplätze schaffen und ihre Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Diese Existenzgründer sind keine Anfänger und Anfängerinnen, sondern meistens Gesellen, die schon seit zehn oder 15 Jahren in ihren verschiedenen Berufen und Sparten tätig sind. Nur der Meisterbrief fehlt eben oder der Betrieb hat eben keinen Meister beschäftigt, und das ist das Problem.

Ich meine, ein Betrieb macht nicht allein deshalb schlechtere Arbeit. Es sind Gesellen, denen einfach nur diese Lehrbefähigung zur Ausbildung und teilweise betriebswirtschaftliche Kenntnisse fehlen. Ich habe mich noch einmal schlau gemacht, war davon ausgegangen, es bilden ja eigentlich nur die Meister in Deutschland aus. Ich musste mich belehren lassen. Es ist mittlerweile so, dass 60 Prozent der Ausbildung von Ausbildern, die eine Ausbildereignungsprüfung abgelegt haben, und nur noch zu 40 Prozent durch Meister geleistet werden. Also, auch da ist die Bedeutung des Meisterbriefes schon weitgehend zurückgedrängt worden.

Ich möchte noch einmal auf das Beispiel Computerfirmen zurückkommen. Wozu braucht man eigentlich in dem Bereich einen Meister? Wenn zum Beispiel jemand irgendwo fünf PC aufstellt und vernetzt, zum Beispiel mit einem Funknetz, was soll eigentlich ein Elektromeister da nachsehen? Ob die PC richtig stehen? Kabel liegen da nämlich schon lange keine mehr!

Es gab ein schönes Beispiel in Bremen-Nord. Dort gibt es eine Schneidergesellin, die darf nähen. Sie ist auch angezeigt worden, und es ist ein Bußgeld verhängt worden. Die Frau hat sich im Laufe der

Jahre als Designerin einen Namen gemacht, aber sie darf eben nicht ihre Hosen zu marktüblichen Preisen verkaufen. Mit welcher Begründung? Ein Selfmadeexperte für Lehmbau arbeitet seit Jahren erfolgreich in diesem Gewerbe. Dafür gibt es keinen Meisterbrief, aber die Kammern meinen, seitdem diese Arbeiten verstärkt nachgefragt werden: Meisterjob! Finnische Blockhäuser dürfen nur von Schreinermeistern aufgestellt werden, obwohl dies ein echter Spezialbereich ist und überhaupt nichts mit dem Schreinerberuf zu tun hat. Ich frage mich wirklich: Ist der Meisterbrief noch zeitgemäß?

Unbestritten müssen bestimmte Qualifikationen gefordert werden, damit jemand ausbilden darf. Ich habe eben schon darauf hingewiesen: Ich halte, und das meinen auch die Grünen, die Ausbildereignungsprüfung für wesentlich wichtiger als den Meisterbrief.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir halten den Meisterbrief nicht für notwendig für die Gründung eines Betriebes. Wer einen PC aufstellt, braucht meiner Meinung nach auch keinen Meisterbrief. In den letzten Jahren hat es zwar Erleichterungen durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegeben, und es hat Verhandlungen gegeben zwischen Bund, Ländern, Kommunen und den Handwerkskammern. Das war im November 2000. Die rotgrüne Bundesregierung hat da immerhin etwas erreicht, aber wir Grünen meinen, dass das noch nicht ausreicht. Wir wollen die Meisterprüfung nicht abschaffen, aber sie darf nicht weiter Voraussetzung für die Gründung eines Betriebes sein. Selbst die Österreicher mussten das erkennen, dort gab es nämlich auch ein Gerichtsurteil des Verfassungsgerichts, das besagte sinngemäß: Liebe Österreicher, schafft die Meisterprüfung ab als Zulassung für eure Existenzgründer, und Österreicher sind auch Europäer.

Nach Ansicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sollten die Länder in ihrem ureigensten Interesse im Bundesrat die Initiative ergreifen, denn hier vor Ort, hier in unserer Kommune – wir sehen es ja immer auch bei den Arbeitslosenzahlen – fallen die Kosten durch Arbeitslosigkeit und fehlende Steuern an. Aber was macht stattdessen Herr Dr. Scherf? Er war ja eingeladen von den unabhängigen Handwerkern zum Jubiläum im Rathaus, die hatten immerhin eine schwarze Torte für ihn gebacken, und er ist einfach nicht gekommen, weil er es sich nicht mit den Handwerkskammern verderben wollte. Ich meine: Wo sind wir denn hier? Er hat doch auch schließlich die Verantwortung, hier als Regierungspräsident voranzuschreiten und auch noch einmal für das Land Bremen positive Wendungen herbeizuführen. Ich finde, er kann sich ja nicht nur einseitig mit den Leuten unterhalten, er muss schon ein

mal ein bisschen seinen Horizont erweitern, wenn er hier im Land etwas bewegen will!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Monopolkommission der Bundesregierung hat die Bundesregierung im Jahr 2001 erneut aufgefordert, die Handwerksordnung grundlegend zu reformieren. Das ist nicht einfach, wie man merkt. Es muss erhebliche politische Widerstände geben. Das Argument, der Nachweis der Meisterqualifikation sei erforderlich, um die Qualität der handwerklichen Dienstleistungen zu sichern, so sagt die Monopolkommission, überzeuge sie nicht mehr, weil eben ein sehr großer Teil der handwerklichen Dienstleistungen gar nicht mehr von Meistern erbracht wird.

Ich kann nur noch einmal sagen, eben hat mich jemand gefragt: Was, du willst den Meisterzwang abschaffen? Das finde ich aber nicht gut. Den habe ich einfach schlichtweg mit dem Argument überzeugt, die Schweizer haben die besten Uhren, aber sie haben dort überhaupt keinen Meisterzwang.

Wir wollen eben diesen versierten Gesellen die Existenzgründung erleichtern, und wir meinen auch, wir müssen nach vorn schauen, denn nicht zuletzt für den bevorstehenden Generationenwechsel im Handwerk muss eine schnelle Lösung gefunden werden. Dort gibt es nämlich Nachwuchsprobleme. Handwerker suchen händeringend nach Kräften, die ihre Betriebe übernehmen.

(Glocke)

Es sind nämlich 200 000 Betriebe, die noch nach Nachfolgern suchen. Wir meinen, mit einer Veränderung hier in der Gesetzgebung könnten wir diesen Nachwuchsmangel sofort aus der Welt schaffen.

Wir meinen, eine Bundesratsinitiative ist längst überfällig. Zur Beseitigung der bestehenden Rechtsunsicherheit, zur Sicherung von Ausbildungsplätzen, Arbeitsplätzen und zur Erleichterung von Existenzgründungen ist jetzt eine klarstellende gesetzliche Regelung erforderlich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag mit der Drucksachen-Nummer 15/1137, Meisterzwang abschaffen, Existenzgründungen fördern, Arbeitsplätze schaffen, ist ein richtiger, aber auch ein schon längst überfälliger Schritt und Antrag. Dieser so genannte Meisterzwang hätte nämlich schon längst abgeschafft gehört. Dieser Meisterzwang wurde im Jahr 1935 eingeführt und ist bis heute noch gültig.

In anderen europäischen Ländern ist ein Meisterzwang fast völlig unbekannt. In Frankreich zum Beispiel darf sich ein Handwerker, der sechs Jahre Berufserfahrung nachweisen kann, problemlos auch ohne einen Meisterbrief selbständig machen, und auch in anderen europäischen Ländern sind die gesetzlichen Richtlinien und Rahmenbedingungen ähnlich verankert.

Nur in Deutschland behandelt man junge Existenzgründer, die es gewagt haben, sich auch ohne einen Meisterbrief selbständig zu machen, wie kriminelle Schwerverbrecher. Diese traurige Tatsache konnten Sie in der „Bild-Zeitung“ vom 20. April unter der Überschrift, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Danke, liebes Ordnungsamt! Mal eben zwei Handwerkerexistenzen vernichtet!“ nachlesen. So, meine Damen und Herren, treibt man junge, aber auch ältere Existenzgründer in den wirtschaftlichen und finanziellen Ruin. So treibt man junge Menschen erneut in die Arbeitslosigkeit. Das ist ein Skandal sondergleichen, und ich frage Sie allen Ernstes: Haben wir denn nicht schon genug Arbeitslosigkeit in Deutschland, in Bremen? Will man denn etwa durch eine unverantwortliche Behördenwillkür eine noch höhere Arbeitslosigkeit schaffen?

Meine Damen und Herren, durch eine Abschaffung des Meisterzwangs könnten zahlreiche neue Betriebe gegründet werden. Dadurch würden in Deutschland zirka eine Million neue Arbeitsplätze entstehen, die wir wirklich dringend zur Belebung der durch Ihre Politik erschreckenden arbeitsmarktpolitischen Lage in Deutschland gebrauchen könnten. Ich sage es im Namen der Deutschen Volksunion unmissverständlich: Wenn junge, dynamische, kreative Menschen in der heutigen schlechten wirtschaftlichen Lage Deutschlands – nur einmal eben zur Erinnerung, Deutschland steht dank einer verfehlten und gescheiterten Wirtschaftspolitik einer rotgrünen Bundesregierung zum Beispiel beim Wirtschaftswachstum und anderen wirtschaftspolitischen Bilanzen auf dem letzten Platz in Europa – das wirklich sehr große Risiko einer Existenzgründung auf sich nehmen wollen, so sollten sie es mit dem Nachweis einer ausreichenden sechsjährigen Berufserfahrung auch ohne einen Meisterbrief tun dürfen, denn nur eine soziale arbeitsmarktpolitische Gerechtigkeit schafft eben neue Arbeitsplätze.

Arbeitsmarktpolitische Gerechtigkeit bedeutet aber auch, dass die politisch Verantwortlichen jungen Existenzgründern ohne Behördenwillkür neue gesetzliche arbeitsmarktpolitische Rahmenbedingungen schaffen, die es ihnen ermöglichen, zum Beispiel einen Handwerksbetrieb zu führen, ohne vorher den sehr teuren und zeitaufwendigen Meisterbrief erwerben zu müssen. Nach Berechnung von Fachleuten könnten dadurch zirka eine Million Menschen zusätzlich in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden.

Meine Damen und Herren, wenn das kein Argument ist, einem Antrag uneingeschränkt zuzustimmen, dann weiß ich wirklich nicht mehr, welche Argumente Sie überhaupt noch brauchen, um einem Antrag einstimmig zuzustimmen. Die Deutsche Volksunion sieht es nicht ein und wird es auch nicht länger akzeptieren, dass sich Ausländer in Deutschland ohne einen Meisterbrief selbständig machen können und Deutsche im eigenen Lande nicht. Dieser Umstand ist unerträglich. Ein solcher Skandal ist durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen. Eine solche Ungerechtigkeit gibt es, glaube ich, auch nur in Deutschland, solche Machenschaften auf Kosten des eigenen Volkes. Ein solcher Skandal dürfte wohl in Europa einzigartig sein. Meine Damen und Herren, dieser Meisterzwang ist ein Relikt aus der Vergangenheit und gehört schnellstens abgeschafft. Er ist überhaupt nicht mehr zeitgemäß, zumal er eine Sicherung der Qualität eines Handwerksbetriebes in keiner Weise gewährleistet oder gar garantiert. Diese Maßstäbe sind Maßstäbe aus der Vergangenheit, die schon längst überholt sind. Ich werde diesem Antrag mit der Drucksachen-Nummer 15/1137, „Die Bürgerschaft (Land- tag) fordert den Senat auf, im Land Bremen Existenzgründungen durch Gesellenbetriebe nicht zu erschweren und die Potentiale zur Schaffung neuer Arbeitsplätze zu nutzen und deshalb eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung des Meisterzwangs zu starten“, namens der DVU uneingeschränkt zustimmen. – Ich bedanke mich!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Ziegert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte gleich vorweg sagen: Wir möchten beantragen, diesen Antrag zu überweisen an die Deputation für Arbeit, an die Deputation für Wirtschaft und den Ausschuss für Europaangelegenheiten, weil auf der einen Seite, das werde ich gleich ausführen, sicher auch einiges noch für den jetzigen Zustand spricht, auf der anderen Seite sehen wir auch, dass es möglicherweise Veränderungsnotwendigkeiten gibt. Außerdem haben wir auch Zweifel, ob sich angesichts der europäischen Entwicklung dieses Institut des Meisterzwangs in Deutschland überhaupt aufrechterhalten lässt. Frau Stahmann, den Beispielen, die Sie hier aufgeführt haben, und mir sind sie auch zu Ohren gekommen, kann ich eigentlich gar nichts entgegensetzen. Ich stimme Ihnen da in der Bewertung völlig zu, dass es unverständlich ist, dass so vorgegangen wird, auch seitens der Behörden und der Kammer. Ich möchte dennoch ein bisschen dafür plädieren, dass dieser Meisterzwang, wie es ja so heißt, es wird ja von Seiten der Kammern lieber gesagt, der Zwang oder die Notwendigkeit des großen Befähigungsnachweises, nicht nur ein Relikt aus dem Mittelalter ist.

Für mich ist die Ausbildungsfrage ganz wichtig. Es ist durch den Meisterzwang gewährleistet, dass im Handwerk kein Betrieb gegründet werden kann, der nicht die Fähigkeit zur Ausbildung hat, und das ist ja in anderen Betrieben durchaus nicht der Fall. Wenn wir in Bremen sehen, wer überhaupt ausbildet, dann stellen wir fest, dass zwischen 25 und 30 Prozent der Bremer Betriebe überhaupt nur ausbilden, allerdings auch nur 50 bis 60 Prozent der Bremer Betriebe die Möglichkeit, also die entsprechenden Qualifikationen zur Ausbildung haben.

Im Handwerk ist immerhin sichergestellt, dass kein Betrieb überhaupt vorhanden sein kann, wo nicht die Fähigkeit und Qualifikation zur Ausbildung da ist. Ich finde, das ist etwas sehr Wichtiges, und das sollte man nicht so ohne Weiteres aufgeben. Das müsste man dann wenigstens in anderer Weise regeln.

Ich habe auch so ein bisschen Zweifel an der Meisterreserve, also an der Vorstellung, dass nun Hunderte oder Hunderttausende junge Existenzgründer in den Startlöchern sitzen und nur durch den Meisterzwang daran gehindert werden, sich selbständig zu machen. Es gibt sehr viele Meister, die auch die Meisterprüfung gemacht haben, die auch den Meisterbrief haben, eben aber weiterhin abhängig in den Betrieben von anderen Handwerksmeistern arbeiten. Ich darf dazu vielleicht einmal aus einer Untersuchung des RWI in Essen von 1996 zitieren, mit Genehmigung des Präsidenten, da heißt es: „Kumuliert man die Zahl der nichtselbständigen Meister über einen Zeitraum von 20 Jahren, so ergibt sich bundesweit eine Meisterreserve von etwa 435 000 unselbständigen Handwerksmeistern, die theoretisch und auch praktisch in den Markt einsteigen könnten, dies aber nicht tun.“ Wir haben also auch nicht unbedingt einen Mangel an ausgebildeten Meistern mit Meisterbrief, der ein weit gehendes Hindernis für Existenzgründungen sein könnte.

Nichtsdestoweniger meine ich, wir sollten uns mit dieser Frage beschäftigen. Wenn wir es in die Deputationen überweisen, vor allen Dingen auch in die Deputation für Arbeit federführend, können wir auch noch einmal die Betroffenen dazu hören. Mir gibt auch zu denken, dass die Handwerkskammern, die ja drittelparitätisch zusammengesetzt sind, im Gegensatz zu den Industrie- und Handelskammern sind sie ja drittelparitätisch, also unter Beteiligung der Arbeitnehmer, einstimmig bisher an der Notwendigkeit des großen Befähigungsnachweises festhalten, und ich möchte mich damit wenigstens auseinander setzen, ehe ich weitere Entscheidungen treffe. Von daher bitte ich um Zustimmung, diesen Antrag der Grünen zu überweisen.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Focke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe hier eine große Mappe mitgebracht, nicht, weil ich so viel aufgeschrieben habe, sondern weil so viel Material und so viel unterschiedliches Material über dieses Thema Meisterzwang oder großer Befähigungsnachweis vorhanden ist, das sich auch zum Teil erheblich widerspricht. Frau Stahmann, bei dem, was Sie vorhin ausgeführt haben, geht es mir genau wie Frau Ziegert, das finde ich auch alles sehr sympathisch, nur, das hat Frau Ziegert eben auch ausgeführt, es ist nicht erwiesen, dass wir von heute auf morgen eine Million neue Arbeitsplätze bekommen.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das habe ich auch nicht ge- sagt!)

Im Gegenteil, es gibt Untersuchungen, die besagen, dass die Existenzgründungen, die dann erfolgen könnten, in kürzester Zeit auch zum Scheitern verurteilt seien und viele wegen Unterkapitalisierung oder aus anderen Gründen dann also wieder aufgeben müssten, was natürlich dazu führen würde, dass es schlimmer wird als vorher.

Es gibt viele Meister in Deutschland, die nicht selbständig arbeiten, über 400 000 an der Zahl, das haben wir auch eben gehört. Das zeigt, dass es auch andere Gründe gibt, warum sich die Leute nicht selbständig machen. Es ist natürlich auch ein Unterschied, ob es eine Ausbildereignungsprüfung gibt, wie es ja bei den Handelskammern gemacht wird, oder ob durch den großen Befähigungsnachweis automatisch ausgebildet wird und werden kann. Das Handwerk ist der größte Ausbilder in Deutschland, das ist erwiesen und sicher,

(Abg. H o y e r [SPD]: Größter Arbeitge- ber!)

und der größte Arbeitgeber in Deutschland, und das ist nicht so einfach, wenn man dann fordert, Meisterzwang abschaffen. Existenzgründungen fördern will jeder, Arbeitsplätze schaffen will jeder, das unterschreibe ich auch sofort, aber den Meisterzwang einfach abschaffen, ohne Rücksicht auf Verluste! Auch wenn es nicht um Traditionen geht, es geht aber auch darum, ob sich etwas bewährt hat in den letzten 50 Jahren, ja oder nein.

Die CDU-Bürgerschaftsfraktion ist der Ansicht, dass man bestimmt etwas modernisieren muss und auch modernisieren kann. Deswegen sollten wir uns intensiv damit befassen, und wir unterstützen auch den Überweisungsvorschlag an die zwei Deputationen und an den Europaausschuss, weil es ja auch insbesondere in der EU Überlegungen gibt, die allerdings sowohl zur einen als auch zur anderen Sei––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

te gehen. Es gibt auch in der EU Stimmen die sagen, ja, das haben wir bisher bei uns alles nicht gehabt in diesen Ländern, aber in Wirklichkeit ist der große Befähigungsnachweis ja genau das klassische Instrument, wie man sagen kann, dass die Befähigung da ist zur Ausbildung, und warum führt man das nicht ein. Das ist zwar eine Minderheit, die meisten sehen das etwas anders, und die haben das ja auch nicht so wie wir, aber darüber gibt es ja auch keine einheitliche Meinung.

Die Bundesregierung jedenfalls und auch die CDU/ CSU sehen keine Notwenigkeit, den Meisterzwang abzuschaffen, bisher jedenfalls nicht, das muss man eigentlich klar sagen, obwohl es immer wieder auch Diskussionen darüber gibt. Es hat im Jahr 2000 durch die Leipziger Beschlüsse eine Aufweichung dieses Beschlusses gegeben, und es ist auch noch einmal deutlich gesagt worden, dass eine großzügige Handhabung dieser Leipziger Beschlüsse erfolgen soll.

Wir haben uns im Vorweg der Diskussion auch mit den Handwerkskammern unterhalten. Nach Angaben der bremischen Handwerkskammer ist die Zahl der Ausnahmegenehmigungen im letzten Jahr sprunghaft angestiegen. Während es noch im letzten Jahr, oder vor zwei Jahren, das ist ja 2000 eingeführt worden, nur 20 Ausnahmeregelungen gab, die genehmigt worden sind, waren es im Jahr 2001 60 Ausnahmegenehmigungen, die erteilt worden sind. Man hat sich auch darauf verständigt in diesem gemeinsamen Arbeitskreis, dass weiterhin sehr großzügig ausgelegt wird, so dass ich nicht glaube, dass jetzt, wenn in den nächsten zwei, drei Wochen nichts passiert, wir zu dramatischen Verhältnissen kommen. Ich finde schon, dass man sich auch noch etwas intensiver damit befassen muss.

Es gibt ja Bestrebungen auf europäischer Ebene, etwas einzuführen, was mit dem Meisterzwang und mit dem großen Befähigungsnachweis nichts zu tun hat. Allerdings ist es auch nicht so, dass unbegrenzt dann hier einfach gearbeitet werden kann. Da gibt es auch gewisse Vorstellungen, Vorbehalte und Regelungen, die dazu führen, dass man hier dann bis zu 16 Wochen arbeiten kann, aber auch nicht unbegrenzt.

Die Diskussionsbreite, die da geführt wird, ist riesig, und deswegen, meine ich, ist es vielleicht ein bisschen zu kurz gegriffen, wenn wir jetzt nur allein hierauf so einfach mit einem Federstrich sagen, wir machen eine Bundesratsinitiative und fegen alles andere weg. Wir müssen die Befindlichkeiten der Handwerkskammern, der Handwerksbetriebe, der hunderttausenden Handwerksbetriebe mit ihren vielen Mitarbeitern, aber auch die vielen Meister, die schließlich eine gewisse Befähigung erbracht haben, um die Ausbildungsleistung, die in Deutschland von den Handwerksbetrieben gemacht werden, zu erfüllen, auch dabei berücksichtigen.

Das muss aber nicht über Jahre hinausgeschoben werden, sondern wenn wir jetzt überweisen, müs

sen sich die Gremien auch zügig damit befassen. Es müssen auch Gespräche mit der Bundesregierung und mit dem Bundesrat aufgenommen werden. Weil auch bei uns die Meinung vorherrscht, dass da ein Reformprozess, wie auch immer er sich am Ende gestaltet, einsetzen muss, glaube ich, dass man dann auch zu vernünftigen Ergebnissen kommen kann. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)