Protocol of the Session on March 21, 2002

Sie hätten eigentlich auch merken müssen, dass die Änderungen nicht jetzt erst im Bundestag beschlossen worden sind. Wenn Sie mich nach meinem politischen Geschmack und nach meiner politischen Überzeugung fragen, enthielt auch schon der Gesetzentwurf aus dem Hause des BMI von Herrn Schily weitgehende Zugeständnisse an die Positionen der Union. Es gibt nämlich etliche Dinge darin, die uns damals wie heute große Bauchschmerzen machten. Das müssten eigentlich genau die Dinge sein, von denen Sie glauben, dass sie Ihnen entgegenkommen, meine Damen und Herren von der CDU.

Es ist an dieser Stelle auch noch einmal daran zu erinnern, dass diese Wandlung der Debatte nicht zuletzt durch den Bremer Innensenator Dr. Kuno Böse aufgezeigt wird. Er hat nämlich zu Beginn der Debatte mehrfach, auch in Abgrenzung zu anderen Stimmen aus der Union, eine sehr wohlwollende Haltung gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf an den Tag gelegt.

(Senator D r. B ö s e : Die anderen Mi- nister auch!)

Ja, Herr Böse! Es wäre sehr interessant zu wissen, und ich habe es bis heute nicht verstanden, wenn Sie am Anfang des Gesetzentwurfs große Zustimmung und Zustimmungsfähigkeit signalisiert haben, warum Sie dann heute dagegen sind, nachdem er nun weiter in Ihre Richtung nachgebessert worden ist!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist eine Geschichte, die mir ehrlich gesagt vollkommen unverständlich ist, und ich hoffe, dass Sie hier nachher dazu etwas sagen werden.

Wo wir beim Innensenator sind, damit zum Verhalten Bremens in dieser ganzen Debatte! Ich glaube, es ist ein Armutszeugnis, dass Bremen sich in dieser Situation die ganze Zeit hinter Brandenburg versteckt hat. Man hat es wegen der Stimmverteilung im Land Brandenburg versäumt – ich komme gleich darauf zurück, dass es morgen ganz anders kommen kann, als wir jetzt denken –, sich in Bremen mit dieser Frage auseinander zu setzen und zu einer Klärung im Senat zu kommen.

Es ist ganz offensichtlich so, dass Bremen in einer zentralen Zukunftsfrage der Bundesrepublik Deutschland – die ja für Sie auch mit Ihrer eigenen Position, die eine andere ist als unsere, ein klares Anliegen ist – weder eine Position hat, noch irgendeine Rolle auf der bundespolitischen Bühne gespielt hat. Das ist keine eindrucksvolle Darstellung der Notwendigkeit der Existenz der Stadtstaaten und der kleinen Bundesländer, die Sie da geboten haben, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es kann nämlich morgen im Bundesrat zu einer Situation kommen, in der es weder ein klares Ja noch ein klares Nein geben wird, in der auch die Enthaltung möglicherweise gar nicht der entscheidende Punkt ist, sondern in der begleitende Gesetzentwürfe, Entschließungsanträge und ähnliche begleitende Beschlüsse zum Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt werden. Da werden sich die Länder neu sortieren müssen. Da muss sich doch auch Bremen entscheiden, wofür und wogegen es in dieser Situation ist. Es kann auch eine Situation entstehen, wenn diese Neuformierung dieser Debatte morgen im Bundesrat so kommt mit den begleitenden Initiativen, die das möglicherweise klären können, dass es vielleicht sogar auf die Stimmen Bremens ankommt. Es wäre natürlich sehr peinlich, wenn der Senat in Bremen hierzu keine Position hätte, jedenfalls haben Sie der geneigten Öffentlichkeit und auch diesem Haus bisher keine Position Bremens zu diesem zentralen Gesetzeswerk vorgetragen.

Ich möchte abschließend sagen, die Grünen bundesweit – insbesondere die Bremer Grünen und auch ich selbst – haben sich sehr schwer mit diesem Gesetzentwurf getan. Ich hatte und ich habe auch heute noch, ich sage das auch hier an dieser Stelle, sehr viel Kritik. Es gab eine intensive Diskussion in unserer Partei und auch mit der Öffentlichkeit. Durch die Änderungen, die Rotgrün im Bundestag nun selbst vorgenommen hat, die 56 Anträge – und zwar natürlich nicht der Teil, der Ihnen entgegengekommen ist, sondern der Teil, der auch unsere Nachbesserungswünsche aufgegriffen hat –, ist dieses Gesetz für uns jetzt gerade so zustimmungsfähig, wie

es auf dem Tisch liegt. Wir brechen deswegen nicht in Jubel aus, und ich glaube auch, dass das Gesetz, wenn es denn morgen verabschiedet wird, in der nächsten Legislaturperiode um den einen oder anderen Punkt ergänzt werden muss. Es hat nämlich noch eine Reihe von Mängeln.

Im Gegensatz zur CDU entziehen wir uns trotz dieser Kritik und trotz dieser Bedenken nicht unserer Verantwortung für die bei uns lebenden Menschen ausländischer Herkunft, nicht für das Zusammenleben untereinander und nicht zuletzt auch nicht für die Zukunftsfähigkeit vieler Branchen der deutschen Wirtschaft. Erklären Sie bitte, und zwar sowohl die Fraktionen als auch der Senat, heute hier Ihre Positionen, und verhelfen Sie uns zu einer Debatte, die der Bedeutung dieses Gesetzes in der Tat auch würdig ist! Bisher haben Sie das versäumt. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Iletmis.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist sehr schwer, denke ich, nicht emotional zu sein, aber ich versuche, sachlich zum Ausdruck zu bringen, was ich denke.

Ich denke, dass es bei dieser merkwürdigen Debatte um das Zuwanderungsgesetz zumindest in den letzten Wochen nur noch um einen Scheindualismus geht. Wer die Kommissionsberichte und die dazu gefassten Beschlüsse der CDU, insbesondere von der Müller-Kommission ernst nimmt, kann seine Zustimmung zum Zuwanderungsgesetz am 22. März dieses Jahres im Bundesrat nicht mehr verweigern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich glaube, Sie müssen mehr Mut zu der Wirklichkeit zeigen, dass Deutschland ein Ein- und Auswanderungsland geworden ist.

(Zuruf von der CDU: Bestreiten wir ja gar nicht!)

Im Bundestag wurde von Ihrer Fraktion gesagt, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Es ist ein Einwanderungsland, aber auch gleichzeitig ein Auswanderungsland. Wissen Sie, viele Deutsche verlassen auch Deutschland und gehen in andere Länder! Was ist denn daran falsch?

Mit Blick auf die aktuelle Arbeitslosigkeit hat der Bundestag eindeutige Regelungen beschlossen, die jetzt noch klarer den Zuzug und die Begrenzung der ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Zuwanderung je nach Entwicklung des bundesrepublikanischen Arbeitsmarktes steuern werden. Zuwanderungs- und Arbeitserlaubnis können nur dann erteilt werden, wenn sich durch die Beschäftigung von Ausländern keine Nachteile für den Arbeitsmarkt ergeben, und zwar bundesweit. Solange arbeitslose Deutsche und hier lebende Ausländerinnen und Ausländer, Migrantinnen und Migranten vermittelbar sind, wird es keine Zuwanderung nach dem Regeloder Auswahlverfahren geben. Ich weiß nicht, was Sie mehr wollen!

Wer wann und in welcher Anzahl nach Deutschland kommt, muss in einem vernünftigen Gesetz geregelt werden, denken viele Deutsche. Das klingt auch eigentlich ganz normal, oder?

(Zurufe von der CDU: Ja!)

Warten Sie doch erst einmal ab, was ich noch sagen will! Dennoch debattieren Sie, die CDU/CSU an erster Stelle, seit Monaten weltfremd und ergebnislos über dieses Thema, und seit gestern bringt die FDP den Begriff des Begleitgesetzes ins Spiel. Das Tauziehen um das Zuwanderungsgesetz geht weiter. Dieses Theater ist mir und, ich denke, auch den Deutschen sehr peinlich!

(Beifall bei der SPD)

Das Gesetz legt, und dies ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Integrationsaufgaben als staatliche Pflichtaufgabe fest. Dies ist ein wichtiger und richtiger Schritt trotz aller Bedenken und aller Kritik an diesem Gesetz. Ich weiß wiederum nicht, wie Sie dagegen sein können.

Über die Verteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern ist ein tragbarer Kompromiss gefunden worden. Jährlich sollen 279 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Im Vergleich zur heutigen Situation wird dies den Bund zukünftig viel stärker finanziell in die Pflicht nehmen, aber auch diejenigen Migrantinnen und Migranten, die es sich von ihrem Einkommen her leisten können. Was spricht denn gegen solch eine Lösung?

Auch die Frage des Nachzugsalters wurde nur als ein Scheingefecht geführt. Das Gesetz erlaubt im Regelfall nur noch einen Nachzug bis zum zwölften Lebensjahr. Nur noch in begründeten Härtefällen wird es einzelne Ausnahmefälle geben, und auch nur dann, wenn ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache vorliegen. Die Fakten belegen, dass die Frage des Kindernachzugs schon lange quantitativ so gut wie keine Rolle spielt. Darum bitte ich Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CDU, geben Sie in dieser Frage Ihre Verweigerungshaltung auf! Es ist keine Pflicht, immer Nein zu sagen!

(Beifall bei der SPD)

Auch bei der Problematik der nichtstaatlichen und geschlechtsspezifischen Verfolgung greift das Gesetz den Vorschlag der Bundes-CDU-Kommission auf und verbessert den Aufenthaltsstatus dieser Flüchtlinge gemäß den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Auch falsch!)

Das ist nicht falsch! Sie müssen den Text genau lesen! Damit passen wir uns lediglich europäischen Standards an, und das ist auch richtig so. Es liegt doch im Interesse unserer Gesellschaft, dass diejenigen, die sowieso hier bleiben dürfen, einen Status erhalten, der eine Integration in unsere Gesellschaft erlaubt und Sozialhilfekosten erspart.

(Beifall bei der SPD)

Da wiederum verstehe ich nicht, was Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, dagegen haben. Meine Damen und Herren, ich könnte hier noch weitere Punkte des Gesetzes aufführen, die im Sinne der Forderungen der CDU/CSU angepasst worden sind, sogar soweit angepasst worden sind, dass ich mich gerade als Immigrantin und Ausländerexpertin wie die vielen anderen Immigranten in Deutschland fragen muss: Ist dieser Kompromiss überhaupt noch tragbar? Man lernt aber in der Politik, im Interesse einer gesellschaftlich breit getragenen Konsenslösung mit Kompromissen zu leben, auch wenn es insbesondere mir in diesem Fall sehr schwer fällt. Ich appelliere deshalb an Sie: Zeigen Sie Mut, ich kann das nur wiederholen, den Senat in die Lage zu versetzen, dem Gesetz am 22. März 2002 im Bundesrat zuzustimmen und die eigenen Konzepte, die wir im Land Bremen mehrmals diskutiert haben, dabei nicht zu vergessen! Ich appelliere an die Vertreterinnen und Vertreter der CDU, sich gerade in einer in dieser Gesellschaft politisch so entscheidenden Frage weitsichtig und auch bremisch zu entscheiden. Das heißt für mich, nicht Wahltaktik darf Ihr Verhalten bestimmen, sondern ein verantwortungsbewusster Umgang mit den Interessen der Menschen – hierzu gehören auch die Migrantinnen und Migranten –, aber auch mit den Interessen der Wirtschaft in unserem Lande,

(Beifall bei der SPD)

denn auch die bremische Wirtschaft braucht langfristig Zuwanderung, wie alle wissenschaftlichen Untersuchungen eindeutig belegt haben. Wenn Sie in dieser Debatte, denke ich mir, wieder den Eindruck zu erwecken versuchen, dieses Gesetz würde ein eindeutiges Mehr an Zuwanderung bringen, dann sagen Sie schlicht die Unwahrheit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Senator Böse, Sie haben selbst mehrmals erklärt, wie Herr Dr. Güldner vorhin schon gesagt hat, dass Sie einen Missbrauch dieser zuwanderungspolitischen Debatte zu Wahlkampfzwecken strikt ablehnen. Ich habe es immer so verstanden, dass Sie ausländerfeindliche Stimmungsmache verhindern und bekämpfen wollen. Deshalb bitte ich Sie auch, Ihren Worten Taten folgen zu lassen, indem Sie den Weg für eine Zustimmung im Bundesrat freigeben.

(Beifall bei der SPD – Abg. Frau H ö v e l - m a n n [SPD]: So einen Senator wollen wir sehen, genau!)

Ja, das haben Sie mehrmals gesagt! Ich möchte Sie und auch Ihre Fraktionsmitglieder ernst nehmen, dass die Integration eine wichtige Sache ist. Dazu gehört aber, dass man die Integration will. Das fehlt immer bei Ihren Entscheidungen.

(Abg. Frau H a k e r [CDU]: Das ist eine Unterstellung!)

Das ist keine Unterstellung, das ist eine Feststellung!

(Beifall bei der SPD – Abg. K a s t e n - d i e k [CDU]: Hauptsache, ich habe mein Vorurteil!)

Wer hier mehr Vorurteile hat, möchte ich in Frage stellen. Ich habe keine Vorurteile, ich gehe mit Ihnen sehr tolerant um! Wir sind in einer Koalition, ich gehe mit Ihnen sehr tolerant um, sonst hätte ich meine Rede hier anders gehalten.

(Beifall bei der SPD)

Das können Sie mir glauben! Sonst hätte ich nicht so geredet!

16 Jahre haben Sie die Möglichkeit gehabt, ich kann das jedes Mal wiederholen, Sie haben in dem Bereich nichts unternommen! Sie hätten auch Gesetze verwirklichen können. Nein, Sie haben immer mit Verboten gearbeitet! Jetzt kommt ein Gesetz, das sehe ich teilweise kritisch, ich finde es teilweise nicht gut. Ich gehe aber, weil es für den Konsens wichtig ist, zwei Schritte zurück und akzeptiere es so. Sie sagen, hier sind 16 Punkte, iss oder stirb, wenn nicht alles akzeptiert wird, stimmen wir nicht zu! Das ist falsch!

(Beifall bei der SPD)

Weil das so schwierig ist, enthalten wir uns bei dieser Abstimmung. Ich muss es aber noch einmal sehr deutlich machen: Wir haben eine positive Grundüberzeugung in Bezug auf dieses Vorhaben und dieses Gesetz und stimmen mit seiner grundlegenden