Protocol of the Session on March 21, 2002

Weil das so schwierig ist, enthalten wir uns bei dieser Abstimmung. Ich muss es aber noch einmal sehr deutlich machen: Wir haben eine positive Grundüberzeugung in Bezug auf dieses Vorhaben und dieses Gesetz und stimmen mit seiner grundlegenden

Richtung überein. Das möchte ich noch einmal betonen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Teiser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Vertreter der Grünen, es ist schon bemerkenswert, sich hier hinzustellen und zu erklären, dass dieser Gesetzentwurf von zentraler Bedeutung für die Zukunft dieses Landes ist.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen: Ja! – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber hallo!)

Das ist enorm bedeutend! Sie erklären dann aber, er habe noch Mängel, die dann in der nächsten Legislaturperiode irgendwie beseitigt werden müssten. Das ist eine Argumentation, die wirklich grandios ist!

(Beifall bei der CDU)

Ich verstehe ja, wenn wir den ersten Teil einmal außen vor lassen, so, wie Sie und Sie das gemacht haben, und erst einmal nicht über den Inhalt des Gesetzes, sondern allgemein reden, dass Ihre Vertreter der Bundestagsfraktionen der Auffassung sind, dass das eigentlich demokratische Verfahren des Vermittlungsausschusses überhaupt nicht in Frage kommt mit der Begründung, dass die Grünen dann ja die Verlierer sein könnten. Ich verstehe, dass Sie das aus taktischen Gründen nicht wollen, obwohl Sie ja wohl niemandem klarmachen können, dass ein Vermittlungsverfahren in unserer Demokratie irgendetwas Ungesetzliches oder Unseriöses ist. Eigentlich gibt es ja das Verfahren, das eigentlich anstehen würde, um es auch zu benutzen.

Sie mögen es so oft darstellen, wie Sie wollen, ich weiß natürlich auch, dass die veröffentlichte Meinung derer, die in der Regel da oben sitzen, zu einem Großteil so ist wie Ihre Meinung, aber es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen der veröffentlichten Meinung und der Meinung der Öffentlichkeit. Das ist ein kleiner, gravierender Unterschied.

(Beifall bei der CDU)

Sehen Sie, meine Damen und Herren, ich will Ihnen ein paar Zahlen vorhalten! Ich glaube, dass diese Zahlen erklären, warum am 18. November 1998, das ist ja noch nicht so ganz lange her, Bundesinnenminister Schily Folgendes wörtlich gesagt hat: „Die Grenzen der Belastbarkeit durch Zuwanderung sind ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

überschritten. Auch ein Zuwanderungsgesetz kann daran nichts ändern. Die festzulegende Quote müsste auf Null gesetzt werden, wenn ein solches Gesetz käme.“

(Abg. B e r g e n [CDU]: Recht hat er!)

Unter diesem Aspekt, das war im Jahr 1998, sind auch folgende Zahlen zu berücksichtigen, dass nämlich 76 Prozent der deutschen Bevölkerung nicht mehr Zuwanderung wollen. 72 Prozent, vielleicht einmal als Information für Sie, der grünen Wähler und 73 Prozent der SPD-Wähler wollen sie ebenfalls nicht.

(Abg. B o r t t s c h e l l e r [CDU]: Die werden ja nicht gefragt!)

Das spiegelt die Meinung der Bevölkerung wider, von der nach der Erhebung neun Prozent für mehr Zuwanderung wären. Das sind Zahlen, die zumindest darauf hindeuten, dass es Sinn machen könnte, sich einmal mit dem Inhalt des Gesetzes auseinander zu setzen und sich hier oben nicht platt hinzustellen und zu sagen, Sie da wollen doch gar keine Integration, und wir sind es doch, die Integration wollen, außerdem repräsentieren wir doch das, was der Großteil der Bevölkerung will. Sie befinden sich da auf einem Irrpfad!

(Beifall bei der CDU)

Um auch noch einmal mit dem aufzuräumen, was Sie ja ständig über die Medien transportieren können, dass Sie jetzt der Union doch so weit entgegengekommen seien, jetzt müsse sie doch zustimmen, ohne sich in die Situation zu begeben, dass sie nur noch eine kleine Minderheit in dieser Republik sei! Ihre Frau Müller hat unmittelbar nach der Pressekonferenz mit dem Bundeskanzler, als es darum ging, diesen Entwurf noch einmal zu überarbeiten, der Presse wörtlich erklärt, das jetzige Gesetz sei in seinem Kern unverändert, und deswegen stehe die grüne Bundestagsfraktion hinter dieser Änderung. Jetzt müssen Sie sich einmal entscheiden: Entweder sind Sie uns weit entgegengekommen, oder das Gesetz ist unverändert fortgesetzt worden! Die Wahrheit ist das, was Frau Müller gesagt hat – wenn sie die Wahrheit sagt, muss man hier auch sagen, dass sie die Wahrheit gesagt hat! –, das Gesetz ist kaum verändert worden.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt gehen wir einmal kurz in die einzelnen Punkte! Nachzugsalter: Sie sind uns weit entgegengekommen und haben gesagt, wir gehen da auf 14 Jahre. Bisher war das Alter 16 Jahre, wenn nicht auch die Sprachkenntnisse so waren, dass die Regelung völlig wegfiel. Im ursprünglichen Gesetzentwurf lag es

bei 14 Jahren – und, liebe Kollegen von der SPD, da haben Sie ein bisschen etwas durcheinander bekommen –, bei 14 Jahren stand dann „mit ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen“. Jetzt liegt es bei zwölf Jahren, aber merkwürdigerweise ist bei dem Gesetzentwurf das „ausreichend“ herausgefallen, jetzt steht nämlich nur noch „mit Sprachkenntnissen“ darin. Wie und unter was auch immer man die subsumieren kann, können Sie sich vorstellen!

Wenn ich dann noch die Ausnahme dazu nehme, dass das Kindeswohl oder die familiäre Situation im Allgemeinen noch ein Härtegrund sein kann, dann weiß ich, dass es nicht einzelne Ausnahmen geben wird, sondern dass es generell so sein wird und nur bei ganz wenigen Ausnahmen nicht so sein wird. Das wissen Sie auch sehr wohl!

(Beifall bei der CDU)

Sie haben dann hier auch erklärt, die nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Zuwanderung kann dann ja auch nicht zu mehr Zuwanderung führen, und Sie beziehen sich damit auf die Genfer Flüchtlingskonvention. Wenn Sie in der Lage sind, mir in der Genfer Flüchtlingskonvention die Passagen über die geschlechtsspezifische Verfolgung nachzuweisen, bin ich bereit zu sagen, es ist gut, dann können wir uns mit dem Punkt auch anfreunden. Der steht nur nicht darin, er ist durch Ihren Gesetzentwurf gar nicht gedeckt!

(Beifall bei der CDU)

Sie haben Härtefallregelungen darin, auf die ich gleich noch einmal zu sprechen komme. Dann wollen Sie beim Asylbewerberleistungsgesetz eine Veränderung einführen, nach drei Jahren sollen dann auch wieder die normalen Sozialleistungen gewährt werden.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist jetzt schon so!)

Härtefallregelungen führen dazu, dass der, der sich nur lange genug bemüht, hier zu bleiben und durch die Instanzen marschiert, nach vielen Jahren dann eben der Härtefall ist, den er braucht, um hier anerkannt zu werden.

Meine Damen und Herren, wenn man sich bei 4,3 Millionen Arbeitslosen und bei 20 Millionen Arbeitslosen, die die jederzeitige Zuzugsmöglichkeit aus der EU haben, und in Anbetracht der anstehenden Osterweiterung auf den Standpunkt stellen kann, dass das Ganze aus Arbeitsmarktgründen dringend erforderlich ist, dann muss ich Ihnen sagen, da werden Sie bei der großen Mehrheit, nicht nur bei 73 Prozent der Bevölkerung, sondern bei 90 Prozent der Bevölkerung, auf wenig Verständnis stoßen! Ich darf

Ihnen vielleicht auch noch einmal einige Zahlen dazu liefern!

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Sagen Sie et- was zur demographischen Entwicklung in Deutschland, oder sind Sie dazu nicht in der Lage?)

Passen Sie auf! Im Jahr 1973 hatten wir eine Arbeitslosenquote von 1,2 Prozent, das ist heute kaum vorstellbar, wir hatten vier Millionen Ausländer in Deutschland, davon waren 2,516 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Jetzt lese ich Ihnen einmal die neuen Zahlen vor: Wir haben heute eine Arbeitslosenquote von knapp 10 Prozent, 7,5 Millionen Ausländer und 2,033 Prozent Sozialversicherungspflichtige von dieser Bevölkerungsgruppe. Die Zahl der Ausländer ist um 85 Prozent gestiegen, und der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist um 19 Prozent gesunken. Jetzt erzählen Sie mir, Sie wollen aus demographischen Gründen mit Ihrem Zuwanderungsgesetz den Arbeitsmarkt für die Zukunft fit machen? Jede Zahl spricht dagegen!

(Beifall bei der CDU – Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Mathe: sechs!)

Meine Damen und Herren, die Härtefallregelung bringt einen völlig neuen und im bisherigen SchilyEntwurf überhaupt nicht enthaltenen Aspekt hinein. Es wird ein neuer Rechtsanspruch geschaffen, der auch in die gerichtliche Überprüfung gehen kann. Bei dem, was wir unter Härtefallregelungen verstehen und wie sie dann bei Verwaltungen und Gerichten ausgelegt werden, brauchen wir auch in diesem Fall nicht lange darüber nachzudenken, was das letztendlich bedeutet. Dass sich hier Leute und teilweise auch Bundesländer streiten, die den Kernpunkt in der Diskussion um Zuwanderung darin sehen, wer die Kosten für die Integration bezahlt, das ist für mich völlig unverständlich, das übersteigt, muss ich sagen, so ein bisschen mein Vorstellungsvermögen!

Bei einem Gesetz, das, wie Sie zu Recht gesagt haben, für die Zukunft gravierende Veränderungen bringen kann – wenn Sie das sagen, dann meinen Sie nicht, dass die Zuwanderung massiv begrenzt wird, was ja auch eine massive Veränderung wäre, sondern Sie sehen das und drücken es zu Recht aus Ihrer Sicht so aus, wie Sie es auch meinen –, kann man doch nicht im Ergebnis dazu kommen, dass, so wie Sie es hier darstellen, dieser Landtag, dieser Senat und jeder sich hinstellen und sagen kann, also unter dem Aspekt, wie Sie es gesagt haben, muss man in der nächsten Legislaturperiode noch einmal darüber reden.

Wir hatten das ja bei einem Tagesordnungspunkt vorher, beim Hochschulgesetz, da hatten Sie sich

auch viel Mühe gegeben und dann festgestellt, dass das nicht so optimal war und verändert werden muss. Das ist bei einem solchen Gesetz auch kein großes Problem, das kann man auch bei Rentenversicherungen, Krankenversicherungen und Steuerreformen machen.

(Unruhe bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

In dieser Frage hat es schon eine etwas andere Bedeutung. Ich glaube, dass Sie versuchen, diese Bedeutung etwas herunterzuspielen, weil Sie nach Möglichkeit den Eindruck erwecken wollen, hier wäre durch die Zustimmung der Union ein Gesetz entstanden, das eigentlich die Bedürfnisse und Erfordernisse der großen Mehrheit der Bevölkerung widerspiegelt

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: So ist das!)

und wollen aber unter dem Aspekt ausschließlich Ihre Intention der Vermehrung von Zuwanderung durchsetzen. Da, sage ich, meine Damen und Herren, ist für uns der Punkt, an dem wir sagen, mit uns nicht! Da lassen wir uns auch nicht nach der Devise verschrecken, wer das irgendwo im Wahlkampf erwähnt, ist rechtsradikal. Nein, meine Damen und Herren, wir werden das im Wahlkampf überall zum Thema machen, selbst wenn es Ihnen durch so genannte Begleitbriefe oder Begleitanträge gelingt! Das bedarf ja, sage ich einmal, schon eines großen Vorstellungsvermögens, wenn Sie bei einem solch gravierenden Gesetzentwurf nun sozusagen in letzten Sekunde, drei Stunden vor der Abstimmung, noch mit einem Begleitschreiben und einem Begleitentwurf kommen, um das schmackhaft zu machen und noch 20 Millionen für die Zustimmung dazulegen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich bin nicht Herr Schönbohm!)

Meine Damen und Herren, dann werden Sie feststellen, wenn dieses Gesetz denn nun durchgehen sollte, wie auch immer, ob durch Drohung von dem einen, die Koalition zu kündigen, oder die Drohung von dem anderen, sie nicht zu kündigen, dass wir dieses Thema damit nicht beerdigt haben werden.

Es gibt ja auch neue Legislaturperioden in Berlin mit neuen Regierungen, mit neuen Zusammensetzungen der Landtage. Wie Sie Ihren Atomausstieg nicht 30 Jahre durchhalten, werden Sie – selbst, wenn es Ihnen gelingt, dieses Gesetz jetzt durchzusetzen – das auch nicht durchhalten, weil es letztendlich an dem Widerstand der großen Mehrheit der Bevölkerung scheitern wird!

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Böhrnsen.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Das ist jetzt der richtige Redner der SPD!)

Herr Teiser, ich weise das, was Sie eben gesagt haben, zurück!

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin einmal gespannt, ob der Kollege Teiser morgen vielleicht doch das eine oder andere seiner Rede zurücknehmen muss, nachdem dann im Bundesrat beraten und entschieden worden ist, und nachdem wir wissen, wie sich Bremen dann letztlich verhalten hat. Ich hoffe darauf, dass Sie einiges revidieren müssen, Herr Teiser!