Protocol of the Session on March 20, 2002

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

und dass die Straftäter, besonders die jugendlichen Straftäter, dies fühlen. Sie müssen merken, dass wir nicht ein langweiliger, schlapper, liberaler, weinerlicher, selbstmitleidiger Staat sind, sondern sie müssen lernen, dass wir eine konsequente öffentliche Maßnahme durchsetzen können, wenn sie sich falsch verhalten haben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Darum muss auch in Zukunft aus dem Strafvollzug abgeschoben werden. Wer meint, im Strafvollzug kann man der Abschiebung entgehen, der verkennt die Rechtslage. Das ist eine von vielen, ich sage jetzt einmal vielen, Möglichkeiten, sich zu schützen und übrigens auch gerade die vielen integrationsbereiten Ausländer in unserem Lande zu schützen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich habe mir seit langem vorgenommen, mit Ausländern zu reden und nicht über Ausländer zu reden. Wenn Sie einmal mit Ausländern reden, es ist dabei egal, ob Sie zu den Kemalisten oder den Muslimen gehen, dann sagen alle, seid endlich strikt konsequent und lasst uns nicht hängen, lasst uns nicht in so einem allgemeinen Verdacht hängen, dass mit den Ausländern alles schwierig ist,

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

wir Ausländer sind nämlich rechtstreu, und wir wollen, dass hier Rechtstreue und Rechtsloyalität hoch gehalten werden, und die wenigen unter uns, die das nicht schaffen können, müsst ihr, bitte sehr, konsequent anpacken. Das bekomme ich gerade von Ausländern zu hören, die sagen es besonders deutlich. Die schauen nicht immer in das Gesetz, das gebe ich zu, aber sie haben auch eine Not, weil sie das ja am Arbeitsplatz, beim Einkaufen wieder zurück bekommen. Sie sagen dann, wieso werden wir braven Leute kollektiv wahrgenommen!

Einmal insgesamt genommen: Wir müssen nicht nur über den Strafvollzug streiten, sondern wir müssen uns über ein gesetzesloyales, aber konsequentes Vorgehen aller öffentlich Verantwortlichen gegenüber Straftätern verständigen, besonders gegenüber Intensivstraftätern und dabei besonders gegenüber Intensivstraftätern, die Jugendliche sind. Je früher man da anfängt, umso größer ist die Chance, dass sie das noch lernen, je später man anfängt, umso versauter ist die Biographie. Wenn Sie jemandem mit einer solchen Liste, wie Herr Röwekamp eben zitiert hat, nehmen, hat er doch inzwischen alles andere gelernt, bloß nicht, dass konsequent auf seine Straftaten reagiert wird. Er weiß doch, dass wir nicht konsequent sind.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich finde, wenn wir das in diese Richtung bekommen, lieber Horst Isola, ist das keine Abwertung des Strafvollzugs, sondern dann wird der Strafvollzug auch ein Stück von allen anderen begleitet und nicht allein verantwortlich dafür gemacht, dass er das nicht hinbekommen hat.

(Abg. I s o l a [SPD]: Das war meine For- derung!)

Das habe ich auch so verstanden! Ich glaube, im Strafvollzugsalltag gibt es nicht schwarzweiß, im Strafvollzugsalltag geht es ganz schwer zu, das ist ein schwerer und ungemütlicher Arbeitsplatz, die müssen rund um die Uhr arbeiten. Die Eingesperrten sind unzufrieden, die dort Arbeitenden sind genauso unzufrieden, weil sie nicht gut bezahlt sind, weil sie schwere Arbeit machen und weil sie meinen, stellvertretend für die gesamte Gesellschaft aus

halten zu müssen, was da alles bei den Eingesperrten schief gelaufen ist. Das spüren sie doch, das bekommen sie doch immer direkt an den Kopf. Ich will das jetzt gar nicht alles beschreiben, weil ich das nicht dramatischer machen will, als es ist.

Wir müssen dem Strafvollzug insgesamt eine faire Chance geben, damit sie mit diesen Straftätern da überhaupt leben können. Wenn es dann welche gibt, die das nicht annehmen und dieses Stück nicht schaffen, dann muss man konsequent sein. Das hat Horst Isola, zwar ein bisschen versteckt, auch gesagt.

(Beifall bei der CDU)

Er war nämlich ein harter Jugendstrafvollzugschef. Ich war ja damals auch schon hier tätig und weiß ganz genau, wie er damals seinen Jugendstrafvollzug geführt hat. Herr Isola war ein scharfer Mann.

(Heiterkeit)

Ich meine es jetzt nicht so, wie die Lacher das hier meinen! Ich meine, er war einer von denen, der sagte, wir dürfen hier nicht immer nur reden, wir müssen die Jugendlichen auch spüren lassen, dass wir es ernst meinen, sonst kapieren sie das nie. Das meine ich. Dann muss derjenige, der die Angebote nicht annimmt, spüren, dass es ihm dann schlecht geht. Dann wird seine Strafe vollstreckt, und er wird, obwohl er Angebote gehabt hat, die er nicht angenommen hat, auch ohne diese Angebote eingebuchtet. Er bleibt dann eingebuchtet und wird nicht herausgelassen.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden nicht sagen, vielleicht überlegt er es sich draußen.

Man darf Täterschutz und Opferschutz nicht gegeneinander ausspielen. Eigentlich muss man beides machen, weil unterm Strich natürlich der Opferschutz am besten ist, wenn der Strafvollzug funktioniert. Es ist der beste Opferschutz, wenn die Strafjustiz funktioniert. Es ist der beste Opferschutz, wenn wir wirklich auch konsequent mit Jugendhilfe und Schulen den jugendlichen Straftätern entgegentreten können, weil wir dann unter dem Strich weniger Straffälligkeit haben. Wir sind da wirklich besserungsbedürftig. Wir müssen besser werden.

Wir können nicht die Achseln zucken und sagen, das ist eben Europa, die Grenzen sind offen, jetzt haben wir es eben mit einer neuen Kriminalität zu tun. Nein, nein, nein! Wir wollen offene Grenzen. Wir wollen ein erweitertes Europa. Ich freue mich auf die Osterweiterung. Ich freue mich auf die vielen Menschen, die dann aus Polen, aus Tschechien, aus Ungarn und von überall hierher kommen. Aber eines ist klar, damit gibt es hier keine Mafia, damit gibt es hier keine Mafiagewaltregeln. Nein, das wol

len wir nicht! Wir wollen keine rechtsfreien Räume. Wir wollen nicht, dass da plötzlich weggeschaut wird.

Hinschauen, annehmen, ernst nehmen, Antworten konsequent verlangen, das ist richtig!

(Anhaltender Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch nach der Schlussfuge habe ich nicht ganz verstanden: Haben wir jetzt eine Wende in der Justizpolitik, die Herr Röwekamp gefordert hat und die an den Namen von Herrn Mäurer geknüpft hat, haben Sie die jetzt bestätigt, Herr Scherf?

(Zurufe von der CDU: Ja!)

Sie sagen Ja! Jetzt schaue ich einmal zur anderen Seite.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Ja!)

Keine Antwort, gut!

Keine Antwort ist auch eine Antwort! Das habe ich jedenfalls nicht verstanden. Ich gehe noch im Einzelnen darauf ein, was das nun war. Eines habe ich allerdings verstanden, dass für Herrn Scherf neuerdings „liberal“ eines der schärfsten Schimpfworte geworden ist. Das werde ich mir in der Tat merken.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Wi- derspruch bei der SPD und bei der CDU – Abg. T i t t m a n n [DVU]: Ordnungsruf!)

Da kommen wir gleich zum Kern der Geschichte.

(Abg. Frau D r e y e r [CDU]: Sie sind bei den Tätern! Das waren Sie schon immer! – Widerspruch beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf von der SPD)

Nein, ich bin nicht auf einer anderen Veranstaltung!

Ich hätte mich ja gar nicht getraut, Herr Scherf, die Kritik an Ihrem Ressort, am Senat insgesamt, an der mangelhaften Zusammenarbeit zwischen Jugendamt, verschiedenen Einrichtungen des Jugendamtes, der Richter und der Staatsanwälte, der Polizei so scharf und schroff zu formulieren, wie Sie das gemacht haben. Sie haben gesagt, das hat bis heute, bis gestern überhaupt nicht funktioniert. Da hat keiner miteinander geredet, die eine Seite hat hü, die andere Seite hat hott gesagt. Die Betroffenen bestreiten das, sie bezweifeln das, aber Sie sind der Auffassung. So scharf hätte ich das nicht formuliert.

Wenn Sie sagen, wir müssen das besser koordinieren, wenn Sie sagen, da muss jetzt aus einer Hand Information gemacht werden, die müssen miteinander reden, haben wir dem widersprochen? Ist das verkehrt? Nein, weiß Gott nicht! Sie haben so getan, als wäre es eine Rede gegen mich, dass ich das verhindern wollte, dass hier miteinander geredet wird. Das ist doch lächerlich! Haben wir dagegen geredet, dass schnell reagiert wird? Das ist nicht der Fall! Ich habe es wörtlich in meiner Rede gesagt, dass das das Entscheidende ist bei allem Umgehen mit jugendlichen Straftätern und überhaupt Auffälligen, dass schnell reagiert wird. Haben wir gesagt, man müsse bei Schulschwänzern wegschauen? Das Gegenteil ist der Fall!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Senator Lemke weiß das sehr wohl, dass wir das Thema hier eingebracht haben. Das ist alles gar nicht wahr, dass wir diejenigen sein würden, die sagen, wegsehen, ruhig machen lassen oder sonst etwas. Sie verwechseln bloß Konsequenz mit Härte und Härte wiederum mit Strafhaft.

Nun schauen Sie sich doch einmal die Vielzahl der kriminologischen Untersuchungen an, zuletzt den schlichten Vergleich zwischen Bremen als gutem Beispiel und den USA! In den USA: ganz harte Strafen, ganz volle Gefängnisse, noch mehr Kriminalität, und zwar andauernd mehr Kriminalität, weil die Rückfallhäufigkeit so immens groß ist, weil die Jugendlichen aus dieser Karriere nicht das lernen, was sie lernen sollen! In Bremen, bis 1997, das war das Datum: ein sehr ausgebautes System von Alternativen zum Strafvollzug, gute Ergebnisse auch im internationalen Vergleich!

Heute steht in der Zeitung ein Bericht eines Kriminologen aus Rheinland-Pfalz, der noch einmal sagt, in der Tat muss man differenziert vorgehen. Natürlich, das wird auch jeder im Vollzug sagen, es gibt Jugendliche, die müssen in die Haft, da gibt es gar kein Vertun, aber es gibt auch viele andere, für die anderes zutrifft. Wenn Sie jetzt sagen, betreute Unterbringung mit gewisser Kontrolle, ja, gut, wir sind doch dabei, das zu diskutieren! Machen Sie Vorschläge dazu! Das ist doch nicht unser Problem. Haben wir dem bisher widersprochen? Das ist Ihre Verantwortung, das zu machen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Aber kommen Sie mir doch nicht damit zu sagen, da ist etwas fehlgelaufen, und da sind es die Grünen, die wollen, dass es immer so bleibt, und die schauen zu, wie die Kriminalität ist.

Das Gegenteil ist der Fall, auch mit den Opfern! Wer ist es denn gewesen, der Gesetzentwürfe gegen Gewalt in der Familie, und zwar sowohl Gewalt

gegen Kinder als auch gegen Frauen, mit auf den Weg gebracht hat?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nicht nur, was ja richtig ist, versuchen, im Nachhinein den Opfern zu helfen, sondern zu verhindern, dass Opfer überhaupt entstehen! Das waren nicht in erster Linie Sie von der CDU, das waren die Grünen zusammen mit den Sozialdemokraten. Es ist doch Quatsch zu sagen, auf der einen Seite sind die, die schauen auf die Täter, auf der anderen Seite sind die, die schauen auf die Opfer. Das ist doch wirklich Unsinn.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich wiederhole noch einmal: Es ist ein Märchen zu behaupten, härtere Strafen, längere Strafen würden dazu führen, dass die potentiellen Opfer geschützt werden. Da gibt es viele Untersuchungen. Wenn Sie jetzt die Ämter zusammenführen wollen, wenn Sie endlich hinschauen wollen, dann haben Sie uns an Ihrer Seite, wenn Sie da Vorschläge machen. Aber die Kritik an uns nehme ich nicht hin.