Protocol of the Session on February 21, 2002

Ich muss jetzt noch einmal ganz kurz auf Frau Mull eingehen. Was habe ich herausgehört, Frau Mull? Ich meine, ich habe herausgehört, dass sich Politik von Wirtschaft erpressen lässt, obwohl die Argumente nicht tragen. Das ist in der Summe das, was ich herausgehört habe. Ich nehme das Beispiel Arbeitsplätze. Ich habe vorher die Beispiele für Städte wie Hamburg genannt. Hamburg ist ja so schlecht wohl nicht mit den Arbeitsplätzen, soviel ich weiß, viel besser als Bremen, und Hamburg hat weite Teile des Stadtgebietes als Wasserschutzgebiet ausgewiesen. Diesen Kausalzusammenhang müssten Sie mir sonst schon einmal erklären. Vielleicht sollten wir das ma

chen, die Gesamtfläche von Bremen ausweisen, und dann haben wir auch die Arbeitslosenzahlen wie Hamburg. Auf der Ebene wird doch argumentiert, ich wollte das eigentlich nicht machen, aber als ironisches Beispiel einmal!

(Abg. F o c k e [CDU]: Das ist aber lei- der falsch!)

Das Wesen dieser Verordnung liegt nämlich in der Überwachung und nicht dem Verbot, und sie verhindert damit weder eine gewerbliche noch eine städtebauliche Entwicklung. Das ist Fakt, das können Sie ja einmal zur Kenntnis nehmen, und ich hoffe, dass Sie hier zu besserer Einsicht gelangen! Der Überweisung in die Wirtschaftsdeputation stimmen die Grünen mit der Hoffnung zu, dass das nun endlich gemacht wird, was bundesweiter Standard hinsichtlich der Umsetzung von Erkenntnissen zum Schutze unserer Umwelt ist. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/1047 an die staatliche Deputation für Wirtschaft zu überweisen. Wer einer solchen Überweisung des Antrags an die Deputation für Wirtschaft seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt der Überweisung zu.

(Einstimmig)

Interregio erhalten und modernisieren

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 29. Januar 2002 (Drucksache 15/1048)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Hattig, ihm beigeordnet Staatsrat Dr. Färber. Die Beratung ist eröffnet. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Krusche.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Von Cuxhaven nach Saarbrücken, von Bremerhaven umsteigefrei ins Ruhrgebiet, von Bremen nach Cottbus via

Berlin, das sind attraktive Zugverbindungen, die es seit dem letzten Fahrplan 2001 nicht mehr gibt. Die Bahn AG hat diese attraktiven Interregioverbindungen gekappt, und wenn es nach der Bahn geht, sollen diese Verbindungen, die bei den Kundinnen und Kunden beliebt sind, weiter reduziert werden. Diese Zuggattung soll insgesamt aus der Produktpalette der Bahn AG verschwinden.

Zukünftig will sich die Bahn ausschließlich dem Fernverkehr widmen, der Nahverkehr ist ja schon seit der Bahnreform Sache der Länder, und in dieser Lücke zwischen Nah- und Fernverkehr, in dieser Lücke droht nun der Interregio auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Ich glaube, dies kann nicht im Interesse von Bremerhaven, Bremen und insgesamt nicht im Interesse der ganzen nordwestdeutschen Region sein, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Vizepräsident R a v e n s übernimmt den Vorsitz.)

Was macht den Interregio so attraktiv? Er ist attraktiv für die vielen Pendlerinnen und Pendler, für Reisende, die entferntere Reiseziele wählen. Seine Vorteile liegen auf der Hand: Er ist ein Zug, für den kein Zuschlag erforderlich ist, er ist einigermaßen komfortabel, er bietet ein Bistro –

(Abg. Frau S t r i e z e l [CDU]: Manch- mal!)

manchmal, zugegeben, Frau Striezel! –, und er hält auch Angebote zum Verstauen von Koffern bereit. All dies sind komfortable Reisemöglichkeiten, und dieser Zugart soll nun endgültig der Garaus gemacht werden. Zum Fahrplanwechsel 2001 wurden bereits 13 Millionen Interregiokilometer gestrichen, nun sollen noch einmal 23 Millionen Zugkilometer dazukommen. Die Bahn entledigt sich hier ihrer Verantwortung, ein attraktives Angebot in der Fläche bereitzuhalten, und schiebt die Verantwortung und die finanziellen Folgen den Ländern zu.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dies sind Gründe genug, gemeinsam zwischen Bremen und Niedersachsen zu neuen Lösungen zu kommen. Unsere Nordwestregion ist schon durch die letzten Interregiostreichungen arg gebeutelt. Lassen Sie mich noch einmal zwei Beispiele nennen: Cuxhaven wurde 1996 noch von drei Interregios angefahren, heute ist es noch einer, und wenn man heute von Bremen nach Cuxhaven möchte, muss man in Bremerhaven umsteigen und entweder mit einem Bummelzug nach Cuxhaven fahren oder aber in einen Bus steigen. Dieser Bus fährt nur noch im Sommer und dann auch nur noch am Wochenende. Meine Damen und Herren, das ist wahrlich keine attraktive Zugverbindung!

Genauso düster sieht es für die Reisenden nach Norddeich-Mole aus. Auch hier hat die Bahn Interregios gestrichen, und kein noch so rot angestrichener Doppelstockwagen kann die attraktiven Interregios ersetzen. Versuchen Sie einmal, mit Kindern und Gepäck einen Doppelstockwagen zu besteigen! Sie werden sehen, Sie bekommen nicht einen einzigen Koffer vernünftig untergebracht. Meine Damen und Herren, die Bahn betreibt hier ein absolutes Kundenvertreibungsprogramm, und ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir hier gegensteuern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Das wird mit Rot- grün alles besser werden!)

Die Bahn plant – die Bundesregierung ist nicht die Bahn AG, Herr Kollege Pflugradt –, die Interregios durch Intercitys zu ersetzen, dadurch würden aber die Bahnreisen deutlich teurer. Ich habe hier ein Beispiel: Eine Familie würde auf einer Fahrt von Bremen nach Münster und zurück 14,40 Euro mehr bezahlen, als es heute mit dem Interregio der Fall ist. Meine Damen und Herren, so gewinnt man keine neuen Bahnkunden, so verliert man alte, und das kann nicht unser Interesse sein! Selbst wenn die Bahn ihr neues Tarifsystem verabschiedet, dann bleiben unter dem Strich erhebliche Verteuerungen, zum Beispiel für Spontanreisende oder für Menschen, die ihre Züge verpassen. Ein weiterer negativer Effekt, wenn man die Interregios durch Intercityzüge ersetzen würde, wäre, dass ein Anteil der Haltestellen, die jetzt noch von den Interregios angesteuert werden, wegfallen würde. Ich erwähne hier nur den Bürgermeister von Peine, der jetzt schon große Sorge hat, dass seine Stadt zukünftig vom Fernverkehr ausgeschlossen wird. Unter dem Strich bedeutet das Streichen der Interregios also, dass Bahnreisen erheblich teurer würden, weniger Bahnhöfe würden angefahren, häufigeres Umsteigen wäre nötig, die touristischen Ziele im Nordwesten würden erheblich schlechter mit der Bahn zu erreichen sein. Dies ist nicht in unserem Interesse, und deswegen fordern wir ein gemeinsames, länderübergreifendes Zusammengehen, um den Erhalt des Interregios zu sichern! Meine Damen und Herren, wenn die Bahn nicht mehr bereit ist, diese attraktive Zuggattung zu fahren, dann gibt es nur eine Lösung, dann müssen wir der Bahn sehr deutlich machen, dass es auch noch die Möglichkeit des Wettbewerbs auf der Schiene gibt. Mir scheint, diese Frage ist höchst dringlich auf der Tagesordnung, denn nichts scheint die Bahn mehr zu scheuen als einen fairen Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Anbietern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Nordwestbahn hat bereits deutlich gezeigt, wie man zusätzliche Fahrgäste gewinnt, und die Fir

ma Connex steht in den Startlöchern. Das Ziel unserer beiden Länder muss es also sein, ein attraktives Angebot zu erhalten und auszubauen. Daher fordern wir in unserem Antrag den Senat auf, erstens eine Einstellung des Interregioangebots mit allen Mitteln zu verhindern und zweitens gemeinsam mit der Landesregierung in Niedersachsen für eine Sicherung der Interregios einzutreten und über neue Angebote in der Nordwestregion zu verhandeln.

Meine Damen und Herren, mich freut besonders, dass mir von den Kollegen Kastendiek und Liess signalisiert wurde, dass die Koalition beabsichtigt, unseren Antrag in den Landeshafenausschuss zu überweisen.

(Abg. S c h r a m m [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Da gehört er hin!)

Dazu möchte ich sagen, dass ich das außerordentlich begrüße, und Herr Schramm wird der Bahn sicher Dampf machen! – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem Abgeordneten Kastendiek das Wort erteile, begrüße ich auf dem Besucherrang recht herzlich den Sonderbeauftragten des Ministerpräsidenten aus Bangkok Dr. Kantathi Suphamongkhon und weitere Mitglieder einer Delegation aus Thailand, die sich auf Einladung des Ostasiatischen Vereins Bremen e. V. zu seinem 101. Stiftungsfest in Bremen aufhalten. – Herzlich willkommen in Bremen!

(Beifall)

Herr Kollege Kastendiek, Sie haben das Wort!

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Darstellung von Frau Kollegin Krusche kann ich, was die Sachlage angeht, nichts mehr hinzufügen. Sie hat sehr ausführlich und umfangreich beschrieben, vor welchem Hintergrund sich im Augenblick die Diskussion um die Aufrechterhaltung von Fernverkehrsverbindungen der Bahn AG im nordwestdeutschen Raum abspielt. Es ist natürlich – und das muss an dieser Stelle auch noch einmal gesagt werden – Ausdruck eines etwas hilflosen Bundesverkehrsministers, der sich offensichtlich gegenüber dem Chef der Deutschen Bahn AG nicht durchsetzen kann,

(Beifall bei der CDU)

denn der schaltet und waltet, wie er will. Der Artikel 87 des Grundgesetzes spielt in der ganzen Debatte offensichtlich überhaupt keine Rolle. Ich kann ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

nur hoffen, dass der Widerstand in den Ländern, der Gott sei Dank – ich will das hier noch einmal ausdrücklich erwähnen – parteiübergreifend ist, irgendwann auch Wirkung zeigt. Ich halte es auch nicht für sinnvoll, dass wir jedes Mal, wenn wieder Streichungspläne anstehen, hier im Parlament Beschlüsse fassen, aber dass danach dann keine weiteren Diskussionen und Gespräche mit der Bahn stattfinden. Deswegen begrüße ich das gemeinsame Ansinnen, diesen Antrag an den Landeshafenausschuss zu überweisen, um dann in einer Anhörung an dieser Stelle mit der Bahn AG über deren zukünftige Konzeption über die Aufrechterhaltung von Fernverkehrsverbindungen im nordwestdeutschen Raum zu debattieren und zu diskutieren. Damit machen wir auch deutlich, wie wichtig uns dieses Anliegen ist, weil es ein sehr wichtiger Standortfaktor ist. Natürlich ist es auch ein wichtiger Standortfaktor, um die Leistungsfähigkeit und um den Wirtschaftsstandort hier zu signalisieren. Stellen Sie sich vor, es gibt eine wichtige Konferenz, und die Leute reisen aus Versehen mit der Bahn an, wie das dann wird, wenn die Leute in Hannover aus einem ICE aussteigen und dann in einem Regionalexpress an jeder Milchkanne, die sich auf dem Weg von Hannover nach Bremen befindet, halten! Da muss ich nicht lange überlegen, welche Auswirkungen und welchen Eindruck dies auf den Standort Bremen hätte. Deswegen wollen wir das so nicht mehr mitmachen.

(Beifall)

Natürlich sind es unternehmerische Entscheidungen, die dort gefällt werden, aber die Bahn AG hat eine Verantwortung, die sich aus dem Grundgesetz und den gesetzlichen Rahmenbedingungen ergibt. Dieser Verantwortung muss die Bahn gerecht werden, und – das will ich an dieser Stelle auch sagen – man kann nicht auf der einen Seite die Mittel aus dem Nahverkehr mitnehmen und auf der anderen Seite sich der Verpflichtung, die sich aus anderer Gesetzgebung ergibt, einfach entziehen. Da muss man irgendwann auch einmal sagen, entweder beides oder gar nichts. Das Angebot der Connex macht deutlich, dass es auch andere Anbieter gibt, die an der Stelle bereit sind, Bremen als Standort für Nah- und Fernverkehrsverbindungen adäquat zu bedienen. Es wird dem Standort eher gerecht, und von daher glaube ich, dass wir an der Stelle mehr Druck machen müssen. Deswegen gibt es auch die Überlegung, eine Anhörung im Landeshafenausschuss zu veranstalten. Vielleicht fördern wir auch die Diskussion hinsichtlich der Trennung von Netz und Betrieb. Das ist auch eine wichtige Forderung, die endlich über die Bühne gebracht werden muss.

(Beifall)

Von dieser Seite aus hoffe und glaube ich zumindest, dass, wenn wir hier gemeinschaftlich in diesem Parlament die Interessen des Standortes voranbringen, wir dann vielleicht am Ende der Diskussion unsere Interessen erfolgreicher wahrgenommen haben. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Liess.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach den detailreichen Ausführungen meiner geschätzten Vorredner werde ich versuchen, mich kurz zu fassen. Auch wir sind für die Überweisung an den Landeshafenausschuss und eine Anhörung dort. Ich möchte aber eines ausdrücklich betonen – ich denke, das kann ich auch für alle Fraktionen so sagen –, dass wir mit dieser Überweisung nicht beabsichtigen, die Zielsetzung, wie sie im Antrag beschrieben ist, zu konterkarieren, sondern im Gegenteil, wir sind uns ja hier im Haus eigentlich einig, dass wir die Interregio-Züge und überhaupt ein gutes Angebot im nordwestdeutschen Raum erhalten möchten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Präsident W e b e r über- nimmt wieder den Vorsitz.)

Es geht hier also nicht um Verschleppung, sondern um eine, denke ich, detailliertere Betrachtung des Ganzen und insbesondere auch eine Feststellung, was denn die Bahn oder vielleicht auch andere in Zukunft für unsere Region zu tun gedenken. Das Handeln des Senats hat ja bisher gezeigt, dass er mit uns auf dieser Linie ist.

Spätestens seit der Privatisierung der Bahn befindet sich das Land Bremen in einem schier unentwegten Kampf, um den schienengebundenen Zugang zur Welt, kann man richtig sagen, sicherzustellen. Das klingt vielleicht erst einmal etwas großspurig, Zugang zur Welt, aber es geht schon darum, dass wir für unsere Region, in der wir mit unseren beiden Städten eine bedeutende Rolle spielen, einen schnellen und komfortablen Zugang zu den anderen Zentren in der Bundesrepublik Deutschland erhalten müssen.

In diesem Zusammenhang hat Herr Kastendiek eben auf den Artikel 87 e des Grundgesetzes hingewiesen, das möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen. Ich möchte aber auch deutlich machen, dass wir hier im Grunde genommen keinen Gegensatz haben, der in irgendwelchen Parteifarben gefärbt ist, sondern es ist der Gegensatz der Rollenverteilung zwischen Bund und Land. Da ist es im ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Augenblick ziemlich egal, wer regiert. Ich glaube, es eignet sich auch für uns nicht dazu, hier den parteipolitischen Streit zu suchen.

(Beifall bei der SPD)

Der die Bahn AG treibende Beweggrund, nur noch Angebote zu machen, wenn auch eine wirtschaftliche Auslastung gegeben ist, mag ja auf den ersten Blick durchaus stimmig sein, aber Erfahrungen in anderen Regionen belegen auch, dass die Nachfrage auch vom qualitativ hochwertigen Angebot abhängt. Dies ist auch eine der Fragestellungen, die wir mit erörtern müssen, denke ich.

Ich fasse noch einmal kurz zusammen: Wir sind dafür, den Interregio zu erhalten. Wir sind dafür, das Thema zu vertiefen, und sind für die Überweisung an den Landeshafenausschuss.

(Beifall bei der SPD)