Protocol of the Session on December 13, 2001

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das sollte uns politisch dabei genauso interessieren!

Zu den schnellen Antworten habe ich gesagt, dass sie meiner Meinung nach vorschnell sind. Vorschnell heißt aber nicht, dass wir jetzt nicht reagieren sollen. Bündnis 90/Die Grünen hat die Aktuelle Stunde mit „Konsequenzen ziehen“ betitelt. Ich glaube, wir müssen auf drei Ebenen Konsequenzen ziehen, nämlich bei der Bildungspolitik, in den Schulen selbst bei den Lehrern und bei denen, die die Lehrer ausbilden.

Ich fange mit uns selbst an. Bildungsdebatten sind hier ja unbeliebt, weil wir viel Fachchinesisch haben und weil wir hier bekannte Positionen aufeinander prallen lassen. Das muss vorbei sein! Das Ergebnis der Pisa-Studie, die ja zeigt, dass Länder wie Schweden, Finnland und Kanada im internationalen Vergleich an der Spitze stehen, sollte uns zwingen, uns Bildungspolitiker allesamt und am besten auch die Haushaltspolitiker und alle diejenigen, die Entscheidungen treffen, uns noch einmal auf die Schulbank zu setzen und hinzuschauen, warum es in diesen Ländern anders ist. Das ist der Kernpunkt. Sich auf die Schulbank zu setzen, nachzusitzen und zu lernen heißt, dass man sich tatsächlich hier und am besten auch vor Ort – Reisen macht nämlich kundig – informiert, was eigentlich die Ursachen dafür

sind, dass andere besser abschneiden. Ich sage in diesem Fall, vom Ausland zu lernen ist etwas für die gesamte Bildungspolitik, das hilft uns vielleicht auch, aus einigen Grabenkämpfen hier herauszukommen. Es ist unsere Aufgabe nachzusitzen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Nachsitzen und vor allem wieder auf die Schulbank, glaube ich, müssen aber auch die Lehrer und Lehrerinnen in diesem Land, auch wenn die Gewerkschaft das anders sieht. Wenn es so ist, wie die Studie sagt, dass die Grundschullehrerinnen und -lehrer zu 80 Prozent nicht erkennen können, ob die Kinder besondere Schwächen in den Bereichen der Lesekompetenz haben, dann liegt es daran, dass sie natürlich auch die Qualifikation dafür nicht haben, dass sie sie bisher nicht erworben haben, nicht erwerben konnten. Das spricht entschieden dafür, dass hier eine gezielte Fortbildung angesetzt werden muss.

Genauso ist es aber auch, wenn wir wissen, dass die Ergebnisse bei Mathematik und Naturwissenschaften so schlecht sind. Wir haben das hier schon diskutiert. Das hat natürlich auch etwas damit zu tun, wie hier Mathematik und Naturwissenschaften unterrichtet werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich wette, hier sitzen ganz viele, die Abitur gemacht haben und keine Lust auf diesen Unterricht hatten. Wer heute in die Schule geht, weiß auch, dass sich nur beschränkt etwas an der Qualität des Unterrichts geändert hat. Wer die Qualität des Unterrichts verbessern will, muss in den Schulen selbst ansetzen. Das ist die zweite Lehre. Das lässt sich nicht verordnen, weder durch Abschaffung der Altersteilzeit noch durch Zwangsfortbildung in den Ferien, sondern durch vernünftige, attraktive Angebote und dadurch, dass die Lehrer auch Lust und Interesse daran bekommen, das mitzumachen, weil sie nämlich wegen ihrer Erfolge, die sie in der Schule haben, anschließend dann auch öffentlich belohnt werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das führt mich zu dem nächsten Punkt, nämlich dass die Schulen ihre Angebote, ihre Programme und ihre Leistungen öffentlich machen müssen und damit auch in den öffentlichen Wettbewerb treten, so dass die Eltern, wir Politiker und die Schüler auch überprüfen können, was da passiert. Das, finde ich, gehört auch zum Lernen. Wer nach Schweden schaut,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Da seid ihr ja leider nicht hinge- fahren!)

der weiß, dass die Schulen dort üblicherweise öffentlich sind. Die Lehrer und Lehrerinnen müssen noch einmal auf die Schulbank, und die Sache der Politik ist es, dies lebhaft zu unterstützen.

Aber auch die Leute, die Lehrer und Lehrerinnen ausbilden, müssen auf die Schulbank, meine Damen und Herren. Die Lehrerausbildung – wir zum Beispiel haben das seit vielen Jahren angemahnt – muss reformiert werden, sie muss den modernen Bedingungen der Schule angepasst werden. Das steht auch auf der Tagesordnung, nicht nur in Bremen, sondern überall, und auch dabei müssten wir international lernen können, wie es in anderen Ländern gemacht wird, wie mehr Praxis und nicht weniger, mehr Lebensnähe und nicht weniger in unser wissenschaftliches und pädagogisches Studium an den Universitäten kommen.

Das sind nur Rahmenbedingungen. Das sind nur Tätigkeitsbereiche, in denen wir arbeiten müssen. Das beschreibt noch nicht die Details, denn das ist auch nicht unsere Aufgabe hier. Die Details beschreibt aber das, was die Politik im Augenblick tut und getan hat, meine Damen und Herren. Hier wird jetzt gesagt, wir müssen intensiver in die Grundschulen gehen, wir müssen mehr Leistung fordern.

(Glocke)

Wir vergessen aber das, was wir in der Vergangenheit getan haben, um das nicht zu tun. Ich will nur zwei Hinweise geben: Wir haben in der Grundschule die Anderthalbfachzählung der Migrantenkinder abgeschafft, das heißt, es gibt weniger Lehrer als früher statt mehr Lehrer für die Förderung der Migrantenkinder, die sie gerade für den Deutschunterricht brauchen, und wir haben vor kurzem erst zugunsten eines so genannten Erfolgsmodells verlässliche Grundschule die volle Halbtagsschule in sozialen Brennpunkten abgeschafft, die auch die Möglichkeit hatte, Kinder in solchen Brennpunkten besser zu fördern und soziale Ungleichheiten zu beheben. Das ist etwas, das die Regierung und die Mehrheit hier im Haus geschaffen hat, das wir damals angeprangert haben und heute eigentlich unter dem Eindruck der Pisa-Studie beklagen müssen.

Kurz und gut: Pisa hat einen Schock ausgelöst. Dieser Schock müsste eigentlich heilsam sein, meine Damen und Herren. Wenn er aber heilsam werden soll, müssen wir uns allesamt auf den Hintern setzen und anfangen, unsere Schularbeiten zu machen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möchte ich zwei weitere Schulklassen auf der Besuchertribüne recht herzlich begrüßen, nämlich eine Schülergruppe der Klasse 9 f des Kippenberg-Gymnasi

ums und eine Gruppe des Schulzentrums AlwinLonke-Straße. – Herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

(Unruhe)

Das fängt ja schon wieder gut an! Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist wirklich sehr schön, dass hier heute so viele jugendliche Schülerinnen und Schüler im Parlament anwesend sind. Ich sage euch, lasst euch bloß nicht von euren Lehrerinnen und Lehrern jetzt hektisch hinausjagen, nur weil ich hier jetzt rede! Das habt ihr nicht nötig, ihr seid mündige Bürger, und ihr seid nicht blöd!

Meine Damen und Herren, die Veröffentlichung der Pisa-Studie beweist eindeutig auf das Schärfste, dass Ihre Bildungspolitik auf das Erbärmlichste gescheitert ist, dass Ihre Multikulti-Integrationsschulpolitik gescheitert ist. Politisch Verantwortliche sind in diesem, aber nicht nur in diesem Bereich katastrophal gescheitert! Es liegt doch klar auf der Hand, dass, wenn in den Schulklassen 70 bis 80 Prozent der Schüler ausländische Schüler aus zwölf Nationen sind, dadurch das Bildungsniveau der deutschen Schüler so schockierend schlecht ist, dass wir uns über eine so schockierende Beurteilung deutscher Schüler in der Pisa-Studie überhaupt nicht zu wundern brauchen. Dafür ist Ihre verfehlte Bildungspolitik verantwortlich und sonst gar nichts! Unsere Kinder sind weiß Gott nicht dümmer als andere Kinder in Europa. Sie haben durch Ihre skandalöse Bildungspolitik unsere Kinder, Kinder aus dem ehemaligen Land der Dichter und Denker, zu Deppen der Nation, zu Deppen Europas gemacht. Dafür sind Sie verantwortlich und nicht unsere Kinder!

(Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Wohl eher Sie!)

Unsere Kinder haben es nicht verdient, zu Blödies der Nation, zu Deppen Europas auf immer und ewig gebrandmarkt zu werden, meine Damen und Herren. Sie können mir nicht erzählen, dass Sie auf Grundlage Ihrer Großmannssucht, Ihrer Verschwendungssucht keine ausreichenden finanziellen Mittel mehr zur Verfügung haben, um diese für die Zukunft unsere Kinder investieren zu können. Das können Sie mir nicht erzählen! Tatsache ist doch, dass wieder einmal am falschen Ende, bei der Zukunft unserer Kinder, unverantwortlich gespart wird.

(Abg. F o c k e [CDU]: In der Aktuellen Stunde ist freie Rede!)

Tatsache ist auch, dass in Bremen und Bremerhaven die Schulen in einem saumäßigen Zustand sind. Die Ausstattung mit Lehr- und Lernmitteln sowie die Frage der Personalausstattung zeigt doch deutlich, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Die Frage der Zukunftsgestaltung für unsere Gesellschaft kann doch nur über eine vernünftige Bildungspolitik gestaltet werden. Das dürfte doch sogar Ihnen klar sein!

Uns von der Deutschen Volksunion ist schon lange klar, dass unsere Kinder unter diesen katastrophalen Umständen bei diesem gescheiterten Bildungssystem im Bildungsbereich so ein schlechtes Bildungsniveau haben müssen, dass sie in Europa einen traurigen hinteren Platz belegen. Die Deutsche Volksunion hat Sie schon immer vor solchen schlimmen, schrecklichen Entwicklungen gewarnt. Sie alle haben damals über die berechtigten Mahnungen und Forderungen der Deutschen Volksunion nur schäbig gelacht. Sie haben sich damit auf Kosten und zu Lasten der Zukunft der Kinder über unsere Jugend, über unsere Schulkinder lustig gemacht, und heute haben Sie das erbärmliche Scheitern Ihrer Bildungspolitik schwarz auf weiß vor sich liegen.

Heute lacht von Ihnen keiner mehr, weil die PisaStudie die schlimmsten Befürchtungen und Mahnungen der Deutschen Volksunion auf das Grausamste bestätigen. Ihre Politik ist doch dafür verantwortlich, dass zum Beispiel der Magistrat in Bremerhaven seiner Pflicht, Schulen mit Personal zu versorgen, durch unverantwortliche Sparmaßnahmen im Bildungsbereich überhaupt nicht oder nur ungenügend nachkommen kann. Durch Ihre Kürzungen der Zuweisungen bei den Lehr- und Lernmitteln wird doch erst die Lehr- und Lernmittelfreiheit, die in der Verfassung verankert ist, bedroht.

Darum fordere ich im Namen der Deutschen Volksunion, unsere Schulen endlich so auszustatten, dass sie auch ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen können. Insofern ist es dringend erforderlich, dass gerade im wichtigen Bildungsbereich gravierende und effektive Schwerpunkte gesetzt werden. Dazu gehört für mich auch, dass der Herr Senator Lemke schnellstens dafür sorgen muss, dass Teile der Lehrerschaft unsere Kinder und Schüler nicht für zahlreiche Demonstrationen im Unterricht missbrauchen. Das heißt für mich auch, Lehrer müssen sich ebenso Kontrollen und Leistungsvergleiche gefallen lassen wie andere Berufsgruppen auch. Schließlich ist das im Sinn und im Interesse der ihnen anvertrauten Schüler.

Wir haben ein unmodernes und unterfinanziertes Schulsystem. Herr Senator Lemke, sorgen Sie für eine ausreichende Finanzierung des Bildungssystems und für neuere, verbesserte Lehrmethoden, denn unsere Kinder haben es weiß Gott nicht verdient, dass sie auf Kosten und zu Lasten ihrer Zukunft für Ihre gescheiterte Bildungspolitik ein Le

ben lang büßen und sühnen müssen und schuldlos als die Deppen Europas gebrandmarkt zu werden! Das haben unsere Kinder nicht verdient. Man kann wirklich nur hoffen, dass dieses niederschmetternde Ergebnis dazu beitragen wird, unser Bildungssystem insgesamt moderner, effizienter auszustatten und dass das durchgesetzt wird. Das kann ich mir bei Ihrer Politik aber ganz und gar nicht vorstellen.

Darum sage ich im Namen der Deutschen Volksunion: Sorgen sie allerschnellstens dafür, dass der enorme Bildungsrückstand im Bereich der Grundkenntnisse – Lesen, Fremdsprachen, Mathematik, Naturwissenschaften und so weiter – nachgeholt wird und die Schüler gleichzeitig auf die Anwendung der modernen Informationstechnologien effektiver vorbereitet werden! Ich hoffe nur für Sie alle, dass Sie endlich begriffen haben, dass es hier um die Zukunft unserer Kinder geht. Ich warne Sie, wagen Sie es ja nicht noch einmal, über unsere berechtigten Forderungen zu lachen und sich darüber lustig zu machen, denn unsere Schüler haben es nicht verdient, dass Sie sich über ihre Zukunft lustig machen!

Meine Damen und Herren, anlässlich der gestrigen Haushaltsdebatte wurden Schüler aus Bremerhaven von ihrem Lehrer genötigt und aufgefordert, bei meiner Rede die Besuchertribüne zu verlassen.

(Zuruf von der SPD: Was?)

Ja! Daraufhin haben mich etliche Schüler aus dieser Klasse in der Mittagspause draußen vor der Bürgerschaft um Kopien meiner Rede, DVU-Informationsmaterial sowie ein persönliches Gespräch mit mir gebeten.

(Heiterkeit bei der SPD)

Lachen Sie ruhig! Dem werde ich selbstverständlich gern nachkommen. Diesbezüglich möchte ich mich auch gern bei einer solchen Lehrerschaft für ihre Unterstützung und das dadurch geweckte Interesse bei den Schülern für die Deutsche Volksunion ganz herzlich bedanken. Sie haben mir und der Deutschen Volksunion damit einen sehr großen Dienst erwiesen.

Meine Damen und Herren, in dieser Pisa-Studie werden unsere deutschen Schüler unberechtigterweise zu Deppen und zu Blödies Europas gemacht. Gleichzeitig wird unsere Jugend von etablierten Politikern um ihren natürlichen Nationalstolz beraubt,

(Unruhe bei der SPD)

indem man ihnen bei jeder Gelegenheit diesen blödsinnigen Spruch einhämmert: Ihr dürft um Gottes willen nicht stolz darauf sein, Deutsche zu sein! Ihr dürft um Gottes willen nicht stolz auf euer Land, auf

Deutschland sein, das gehört sich nicht! Man darf ja nur auf irgendetwas stolz sein, was man selbst erreicht und erarbeitet hat.

(Zurufe von der SPD)

Ja, das kommt jetzt! Nun frage ich Sie: Wie können sich unsere Jugendlichen etwas selbst aufbauen und erarbeiten, worauf sie stolz sein können, wenn sie durch Ihre unverantwortliche Sparpolitik im Bildungsbereich, durch Ihre verfehlte und gescheiterte Politik in die Arbeitslosigkeit getrieben werden, wenn unsere Jugend durch Ihre Politik um ihre Zukunft beraubt wird? Die Deutsche Volksunion wird jedenfalls dafür sorgen, dass unsere Jugend wieder eine gesicherte Zukunft hat. Vor allen Dingen wird die Deutsche Volksunion weiterhin dafür sorgen, dass unsere Jugend und auch noch ihre Kinder nicht bis in alle Ewigkeit für etwas zahlen, büßen und sühnen müssen, wofür sie keine Schuld und keine Verantwortung tragen. Das haben unsere Jugendlichen nicht verdient, Ihre Politik haben unsere Jugendlichen nicht verdient. Die Deutsche Volksunion wird dafür sorgen, dass sich unsere Jugendlichen durch ein verbessertes Schul- und Bildungssystem Hand in Hand geschlossen mit der Deutschen Volksunion selbst wieder etwas erarbeiten können, worauf sie stolz sein können.

(Unruhe)

Die Deutsche Volksunion wird es nicht zulassen und auch nicht hinnehmen, dass unsere deutschen Schüler bis in alle Ewigkeit zu Deppen Europas gebrandmarkt werden. Das haben unsere Kinder nicht verdient! Unsere Schüler sind nicht blöd, und die Deutsche Volksunion wird dafür sorgen, dass unsere Schüler zu Recht lauthals wieder sagen können: Jawohl, wir sind stolz, Deutsche zu sein! Das haben sie nämlich mehr als verdient. – Ich bedanke mich!

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Wofür?)