Protocol of the Session on December 13, 2001

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zurufe von der CDU)

Das ist ja nun einmal zumindest Tatsache! Zwischen dem ersten und dem zweiten Zeitpunkt ist etwas ganz Bestimmtes passiert. Da hat keine Schießerei stattgefunden, sondern dieser Eingriff. Ja, Herr Knäpper, wir kommen gleich zu Ihnen und auch anderen, die das möglicherweise anders sehen als die Grünen, wir werden uns gleich damit auseinander setzen.

Lassen Sie mich kurz beschreiben, wie so etwas funktioniert! Auch in diesem Fall hat es so funktioniert. Vier Beamte halten an den vier Gliedmaßen den Verdächtigen fest, der sich weigert, das Brechmittel freiwillig einzunehmen. Über eine Nasensonde wird dieses Brechmittel in den Magen eingeführt, dazu ein Liter Wasser über diese Nasensonde. In dem konkreten Fall kam es zunächst während dieses Verfahrens, das ist ärztlich ja schon so bestätigt worden, zu einem Herzstillstand, einen Tag später zu einem offiziell auch wieder anerkannten Hirntod und gestern nun zum Tod dieses verdächtigen jungen Mannes.

Lassen Sie mich kurz – und da kommen wir jetzt gleich zu Statements, wie sie möglicherweise auch bei Ihnen, Herr Knäpper, Beifall finden – einmal betrachten, wie in Hamburg politisch darauf reagiert worden ist! Da kann einem schon wirklich Angst und Bange werden.

(Zurufe von der CDU)

Wir kommen ja gleich auf Bremen, nicht, weil das in Bremen ja auch – –. Ja, das ist schön, dass Sie das

auch gemerkt haben. In Bremen wird diese Methode ja auch angewandt! Ich finde es interessant, dass Sie sich so aufregen, ich glaube, das sagt schon sehr viel über das Thema aus.

Der Abgeordnete Frank Michael Bauer der SchillPartei hat zu diesem Thema ausweislich der „Welt“ von heute gesagt, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Wer die Menschenrechte anderer mit Füßen tritt, und das tun Drogenhändler, muss damit rechnen, dass seine eigenen Rechte missachtet werden.“ Das ist in etwa die Haltung, die da zum Ausdruck kommt.

(Beifall bei der CDU)

Ja, Beifall von der Seite hier, Beifall von dieser Seite für die Aussage, man muss als jemand, der in Obhut des Staates genommen wird, damit rechnen, dass seine Rechte vom Staat missachtet werden! Das ist offensichtlich Ihr Staatsverständnis! Schön, dass Sie geklatscht haben!

Aber auch der CDU-Justizsenator in Hamburg hat sich dazu geäußert. Jetzt sind wir ja schon noch näher hier an diesem Haus, und der Justizsenator Roger Kusch der CDU hat ausweislich des „Weser-Kurier“ von gestern gesagt: Den tragischen Zwischenfall bezeichnet Kusch als Preis, den die politische Arbeit verlange.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Was?)

Den Preis, den die politische Arbeit verlange, sagt der CDU-Justizsenator von Hamburg ausweislich des „Weser-Kurier“ von gestern! Die Frage ist nur, wer diesen Preis bezahlt. Was meint der Justizsenator der CDU in Hamburg, wenn er sagt, den Preis, den die politische Arbeit verlange? Ich glaube, es wird deutlich, in welchem Kontext wir uns hier politisch bewegen und wie nötig es war, diesen Antrag hier heute eingebracht zu haben, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Damit Sie sehen, dass das nicht alle so sehen wie CDU und Schill-Partei, lassen Sie mich jemanden zitieren, der sehr kompetent in der Drogenbekämpfung arbeitet, nämlich den Frankfurter Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität, Harald Körner! Der oberste Drogenbekämpfer von Frankfurt am Main sagte, ich zitiere ausweislich der „taz“ von gestern mit Genehmigung des Präsidenten: „Wenn als Folge von heftiger Gegenwehr eine Sonde an der falschen Stelle angesetzt wird, kann es zu massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen.“ Er verlangte Verhältnismäßigkeit, dass die Menschen als Patienten und nicht als Strauchdiebe behandelt werden. Das sagt der oberste Drogenbekämpfer der

Stadt Frankfurt am Main, meine Damen und Herren, nur, um einmal zu zeigen, dass es hier nicht um eine Frage geht, wo Grün und der Rest der Welt auf verschiedenen Seiten stehen, sondern dass es hier auch noch sehr verantwortliche Menschen gibt, die es genauso sehen, wie wir es in unserem Antrag hier heute festgestellt haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zurufe von der CDU)

Der Ärztekammerpräsident Montgomery – –. Sie können ja ruhig weiter pöbeln, das ist ganz im Sinne dessen, wie wichtig dieses Thema hier heute ist!

(Glocke)

Herr Abgeordneter, hier gibt es Zwischenrufe, aber gepöbelt wird hier nicht!

(Beifall bei der CDU – Abg. M ü t z e l - b u r g [Bündnis 90/Die Grünen]: Vielleicht sollten Sie einmal zuhören, Herr Präsident!)

Ich hoffe, dass sich auch alle an das halten, was Sie sagen!

Der Ärztekammerpräsident Montgomery aus Hamburg sagt, das Vorgehen sei aus ärztlicher Sicht, so das Zitat, nicht zu verantworten. Es sei erniedrigend und gesundheitsgefährdend.

Wenn wir nun zu der Frage kommen, die ich vorhin angeschnitten habe, der Sicherung von Beweismitteln! Es gibt ja in der Tat in einigen Staaten in der Welt Methoden, um möglicherweise Zeugenaussagen, überhaupt Aussagen zu bekommen oder Beweismittel sicherzustellen. In vielen Staaten der Welt – man muss einmal den Amnesty-International-Bericht durchlesen – ist nämlich die Folter, die durchaus, wenn sie angewendet wird, wenn Sie so wollen, eine „effektive Methode“, um noch an zusätzliche Aussagen zu kommen. In diesem Land hat man sich aber nach 1945 dafür entschieden, den demokratischen Rechtsstaat so zu definieren, dass auf Folter, Todesstrafe und gesundheitsgefährdende Maßnahmen für Personen in staatlicher Obhut verzichtet wird, und dies hat man ganz bewusst getan.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn ich das zum Abschluss sagen darf: Unser Antrag ist ganz eindeutig. Er sagt nämlich, dass wir in Bremen diese Praxis, die hier im letzten Jahr zirka 65 Mal angewandt worden ist und wo es eben auch zu diesen zwangsweisen Verabreichungen des Brechmittels kam, nicht wollen. Ich kann Ihnen sagen, Sie können heute durch Ihre Stimme – und da schaue ich vor allen Dingen auf diese Seite des Par

laments – verhindern, dass dies weiter stattfindet, ob wir dieses Risiko eingehen oder ob wir es nicht tun. Sollte nach dieser Entscheidung des Parlaments ein ähnlicher Vorfall in Bremen passieren, wissen wir wenigstens, dass er hätte verhindert werden können. Sie hätten heute diesen Antrag annehmen können. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zurufe von der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Kleen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann mir eigentlich keinen schlimmeren Anlass für eine Debatte in der Bürgerschaft vorstellen als den Tod eines Menschen. Vor diesem Ereignis müssten eigentlich kleinkarierte Auseinandersetzungen und auch Selbstgerechtigkeiten verstummen.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Realität hat die Betroffenheit, das sage ich ganz ehrlich, die ich mit anderen angesichts eines neunzehnjährigen toten Afrikaners in Hamburg spüre, nichts zu tun. Das haben die Debatten in Hamburg gezeigt, das zeigen die Debatten. Ich bin auch beeindruckt gewesen von einem Zitat des Schill-Abgeordneten Bauer, der sagte, auch wir sind betroffen, aber das hält sich in Grenzen. Dass man Betroffenheit so relativieren muss, finde ich nicht sehr gut.

Ich bin in diesem Haus bestimmt der Letzte, der sich als Lobbyist für Rauschgifthändler jedweder Herkunft profiliert hat. Ich bekenne mich auch klar zu körperlichen Eingriffen, um Beweismittel gegen Dealer sicherzustellen, aber polizeiliche Maßnahmen dürfen, außer im Fall von Notwehr für sich oder andere, nicht den Tod von Verdächtigen billigend in Kauf nehmen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, umso wichtiger ist es, dass wir über den Antrag der Grünen in der gebotenen Sachlichkeit reden. Wir werden diesen Antrag ablehnen, weil wir die Verabreichung des Brechmittels in Bremen nicht einstellen wollen, weil wir die Verhältnisse in Bremen kennen – ich beschreibe sie noch – und weil wir den Senat nicht auffordern können, eine gründliche Prüfung des Hamburger Todesfalles einzuleiten. Wir werden das Thema in der Innendeputation aber noch einmal ansprechen. Ich hatte mit Herrn Dr. Güldner schon darüber geredet und das auch in den Medien angekündigt.

Der Hamburger Fall des neunzehnjährigen Kameruners hat sich nach den Medienberichten offensicht

lich so zugetragen, dass in den politischen Debatten von einer unsachgemäßen medizinischen Reaktion nach dem erzwungenen Verabreichen des Sirups durch eine Nasensonde ausgegangen wird. Die näheren Umstände klärt der Hamburger Senat. Die Ergebnisse der heutigen Obduktion in Berlin werden dabei sicher eine Rolle spielen.

Meine Damen und Herren, wir sollten unseren Blick aber auf Bremen lenken, denn während die Verabreichung des Brechmittelsirups zur Sicherstellung von Beweismitteln im Rahmen der Bekämpfung des Rauschgifthandels in Hamburg erst im Juli vom rotgrünen Senat eingeführt wurde, hat Bremen bereits längere Erfahrung damit. Die Verabreichung des Sirups wird in Bremen nur angeordnet, wenn ein Polizeibeamter gesehen hat, dass ein Dealer etwas verschluckt hat. Der Dealer wird befragt, es wird notfalls ein Dolmetscher hinzugezogen, um eine fundierte Anamnese zu gewährleisten. Auf diese Weise können erkennbare Gefahren in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme einbezogen werden. Nach dem Sicherstellen der Kügelchen wird der Verdächtige einer Nachuntersuchung unterzogen. Er bleibt, so sieht es der Erlass des Leitenden Oberstaatsanwalts vor, noch mindestens eine Stunde zur Beobachtung bei den Ärzten.

Mir drängt sich der Eindruck auf, dass in Bremen von dem Verabreichen des Sirups unter ausreichendem medizinischen Schutz und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit Gebrauch gemacht wird. In der Vergangenheit, so berichten die Ärzte, sind keinerlei Komplikationen aufgetreten. Sie legen ganz besonderen Wert auf die Feststellung, dass die Ärzte des Instituts für Rechtsmedizin zwar mit Nasensonden arbeiten, wenn der Beschuldigte nicht freiwillig trinkt, aber körperlichen Widerstand niemals mit Gewalt brechen. Wenn es, aus welchen Gründen auch immer, nicht gelingt, einen sich heftig Wehrenden zu fixieren, dann muss auf die Maßnahme notfalls verzichtet werden.

Ich hatte mir jetzt aufgeschrieben, dass ich Sie bitten wollte, sich für einen Moment den konkreten Vorgang für die Polizeibeamten vorzustellen, wie sie diese Kügelchen sicherzustellen haben, um auch Ihnen einfach klarzumachen, dass die Polizeibeamten diese Maßnahme nicht leichtfertig vornehmen, mit Sicherheit nicht!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Auf die Androhung, eventuell Zwang anzuwenden, kann aber augenscheinlich nicht verzichtet werden, weil es sonst zu wesentlich mehr Widerstandsfällen käme. Sie wissen, dass wir als Alternative das Verabreichen von Abführmitteln haben, aber der notwendige Zeitraum des Festhaltens sprengt in der Regel die Verhältnismäßigkeit, und in diesem Zusammenhang ist auch schon oft darüber gesprochen worden, dass es auch gesundheitliche Gründe für

den Verdächtigen gibt, eine möglichst rasche Entfernung der Kügelchen aus dem Magen vorzunehmen.

Ich würde gern noch zum Schluss darauf hinweisen, dass wir in Bremen in den letzten Jahren sinkende Zahlen haben. 1998 waren es noch 173 Fälle, 1999 125, im Jahr 2000 die von Herrn Dr. Güldner erwähnten 64 und bis zum 30. November 2001 47. Auch ich bin mir sicher, dass der Erfolg auch damit zusammenhängt, dass in Bremen die Polizei bei Gefahr im Verzug selbst handeln kann, weil damit gewährleistet werden kann, dass so schnell wie möglich gehandelt wird.

Ich darf noch den letzten Satz sagen, der bei der Justiz als Analyse genannt wird, dass der rückläufige Trend nicht auf eine veränderte Verfolgungspraxis zurückgeführt wird, sondern mit dem Verhalten der Drogendealer zusammenhängt, die sich im Laufe der Zeit auf das konsequente Einschreiten der Polizei eingestellt haben. Das ist ein Eindruck, den auf mein Befragen hin auch der Leiter der Kriminalpolizei, Herr Wetzke, hat. Herr Dr. Güldner, wir müssen uns an dieser Stelle absolut im Rahmen der Verhältnismäßigkeit aufhalten, aber wir müssen an dieser Stelle auch konsequent sein, dann werden wir erfolgreich sein. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal, bevor ich zu dem Antrag komme, auf Herrn Dr. Güldner und seine Ausführungen verweisen. Herr Dr. Güldner, Sie müssten mir oder dem Haus schon einmal erklären, wenn Sie hier sagen, die Rechte des Täters wären missachtet worden, an welcher Stelle Sie hier Rechtsbrüche erkannt haben! Meines Erachtens sind bundesweit, in allen Bundesländern, diese Methode und auch die nach Polizeigesetz sich ergebenden polizeilichen Maßnahmen rechtsstaatlich und in keinster Weise zu beanstanden.

(Glocke)

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