Protocol of the Session on October 24, 2001

Wenn ich mir jetzt den Antrag der großen Koalition ansehe, der dazwischen geschneit ist, dann ist er natürlich noch wesentlich schlimmer, denke ich, als die Antwort des Senats. Die Philosophie ist ähnlich, aber bei der Autobahnbauorgie geht der Antrag, der jetzt vorliegt, noch weit über die Antwort des Senats hinaus. Das finde ich doch sehr bedenklich!

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Wollen Sie denn die A 281 oder nicht?)

Die wollen wir, und wir verschließen, das möchte ich ausdrücklich sagen, hier nicht die Augen vor den besonderen Anforderungen an eine Hafen- und Handelsstadt wie Bremen und Bremerhaven es nun einmal sind!

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Welche Maß- nahmen wollen Sie denn nicht?)

Wir sehen natürlich auch die positiven Effekte: Bruttosozialprodukt, Wertschöpfung, Arbeitsplätze, Finanzkraft und alles, was damit zu tun hat. Wir erkennen auch die Zuwachszahlen an, die zumindest im Güterverkehr prognostiziert werden. Sie werden sehr hoch sein, auch für das Land Bremen überproportional im Vergleich zu anderen Bundesländern.

Das ist überhaupt gar nicht die Frage, es ist ein hohes Verkehrswachstum zu erwarten, aber die Straßen sind verstopft und werden durch zunehmenden Verkehr immer weiter verstopft, meine Damen und Herren, und von daher muss man auch andere Kriterien wie Lebensqualität, Abgase, Lärm und alles, was dazugehört, anlegen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir meinen, weil das Wachstum so ist und der Druck steigt, muss man gerade diesen Druck nutzen, um zu neuen politischen Lösungen zu kommen, meine Damen und Herren. Neue Lösungen sind gefragt, auch das ist Aufgabe der Verkehrspolitik und Aufgabe der Ordnungspolitik, die wir hier im Hause vertreten,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

denn wir wollen ja die Mobilität erhalten, das ist ja gar keine Frage. Wir finden den Ansatz der integrativen Verkehrsplanung aber besser und nach wie vor richtig, und zwar auch für den Güterverkehr, meine Damen und Herren.

Das ist ja auch das Ziel der neuen europäischen Politik. Wer sich das neue Weißbuch zum europäischen Verkehr, das jetzt vorliegt, anschaut, 60 neue Maßnahmen, beschlossen von der EU-Kommission, unter der obersten Zielsetzung, ich zitiere, „Einfrieren des Straßenverkehrs“, meine Damen und Herren, wer die Ausführungen des Verkehrsministers Bodewig gestern in Bremen genauer verfolgt hat und nachvollzogen hat, was er gesagt hat, der erkennt, dass das Zeichen der Zeit in der Verkehrspolitik die integrative Verkehrspolitik und nicht mehr der Ausbau von zusätzlichen Straßen ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Er hat mehrfach auf den Bundesverkehrswegeplan hingewiesen, der uns ja auch noch beschäftigen wird. Ich finde, er ist ein gutes Beispiel für eine rotgrüne Verkehrswende. Dass er noch nicht vorliegt, Herr Pflugradt, ist eben leider darauf zurückzuführen, dass er völlig mit Verkehrsprojekten überzeichnet ist. Es muss erst einmal abgestimmt werden, welche Prioritäten finanziert werden sollen und welche nicht. Positiv im Bundesverkehrswegeplan sind aber die neuen Kriterien, das haben Sie leider unterschlagen, die in der Verkehrspolitik anzuwenden sind. Es wird nämlich zusätzlich jetzt verlangt, Verkehrszählungen durchzuführen, Mobilitätsuntersuchungen durchzuführen und Verlagerungs-, Entlastungsszenarien zu entwickeln, nicht aber einfach nur Projekte zu finanzieren.

Die Zahlen, die der Bundesverkehrswegeplan zur Beurteilung von neuen Projekten anlegt, haben Sie leider in der Antwort für den Landtag nicht vorge

legt. Es sind in der umfangreichen Antwort eben nur Bundeszahlen, keine Landeszahlen zu verzeichnen, keine Daten zur gesamten Verkehrsentwicklung in Bremen, keine Daten zu den Verkehrsleistungen, Personenkilometer oder Tonnenkilometer, keine Angaben zum Modal Split, also zu der Aufteilung auf die verschiedenen Verkehrsträger. Obwohl das nicht vorliegt, liegt der Investitionsschwerpunkt des Senats zukünftig auf dem Ausbau von Autostraßen in Bremen und Bremerhaven. Das kann ich irgendwie schlecht nachvollziehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Dann sagen Sie doch einmal, welche Maßnahmen Sie nicht wol- len!)

Wenn Sie die Antwort genau lesen, sind es alles Bekenntnisse, nur konkrete Projekte beziehen sich auf den Straßenbau: A 281, A 27, B 212, B 74, Hemelinger Tunnel, Georg-Bitter-Straße, B 71, B 6, Cherbourger Straße. Ich denke, diese Aufzählung reicht, Herr Pflugradt, um meine These zu belegen.

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Welche wol- len Sie nicht? – Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Alle!)

Die A 27 und A 281 sind auch ein gutes Beispiel dafür, wie man sozusagen Entlastungsszenarien fahren kann. Sie fordern den sechsspurigen Ausbau der A 27. Ich frage Sie: Welchen Sinn macht es, sechsspurig auszubauen, aber die Brücke über die Lesum vierspurig zu lassen, meine Damen und Herren? Da ist doch ein zusätzlicher Stau vorprogrammiert, das wird ein Nadelöhr. Ein zusätzliches Problem, und zwar gerade bei der A 27, sind doch die Zubringer, nicht aber die A 27 selbst. Das stellt jeder selbst fest, der morgens mit dem Pkw nach Bremen fährt. Dafür bieten Sie aber überhaupt keine Lösungen an.

Unserer Meinung nach sorgt dann der Ausbau der A 281, ich weiß nicht, wie viele Milliarden DM er insgesamt kostet, jedenfalls der Bremer Anteil beträgt mehrere 100 Millionen DM, dafür, dass doch gerade der Güterverkehr die A 27 entlastet. Sie müssen also den Bau der A 281 bei der Kosten-NutzenRechnung als Entlastungsszenario in den gewollten Bau der A 27 einbeziehen. Das haben Sie in keiner Art und Weise getan. Wir sagen, dass die 106 Millionen DM für den sechsspurigen Ausbau der A 27 intelligenter verwendet werden könnten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Wie denn?)

Sie werfen uns immer vor, wir würden keine Vorschläge machen. Ich nenne einmal nur wenige, die ganze Verkehrsdebatte ist sehr umfangreich, ich kann das gar nicht alles darstellen: Ausbau City-Lo

gistik verstärken, Trennung von regionalem und weitreichendem Güterverkehr, darüber ist in der Antwort des Senats kaum etwas zu lesen. Wir sagen: Güterverkehrszentren, einen zentralen Teil integrativer Verkehrspolitik zu verstärken, zum Beispiel über ein GVZ auf dem Carl-Schurz-Gelände nachzudenken, kein Wort darüber in der Antwort des Senats! Bodewig hat gestern gesagt, man muss die Binnenschifffahrt wieder entdecken, von einer Wiederentdeckung kann ich in der Antwort des Senats nichts entdecken, meine Damen und Herren.

Wir sagen: kombinierten Ladungsverkehr in Bremen stärken! Auch das ist bisher ein Waisenkind bremischer Verkehrspolitik, auch das ist Symbol dafür, wie man Verkehre von der Straße auf die Schiene verlagern kann, meine Damen und Herren. Das sind unsere angerissenen Vorschläge, wie man es wirklich wesentlich besser machen kann.

Ein weiterer Vorschlag, der von Herrn Bodewig gestern auch genannt worden ist: Softwareprogramme sind mindestens genauso wichtig wie Hardware. Wir sagen also, man muss die Kompetenzen in Bremen, die die Logistik und das Verkehrsmanagement betreffen, viel besser nutzen. Das Move-System aus Hannover, während der Expo erfolgreich angewendet, ist ein sehr gutes Beispiel für ein integratives Verkehrsmanagement. Diese Ansätze, diese Impulse sind aus der Antwort des Senats wirklich nicht zu erlesen.

Außerdem haben wir immer gesagt, Short-SeaVerkehre müssen verstärkt werden, Riesenpotentiale für Bremen und Bremerhaven! Es ist positiv hier, dass es ein neues Short-Sea-Shipping-Promotion-Center gibt. Es ist auch positiv – ganz kurz angerissen –, dass es Telematikprojekte in Bremen gibt oder ein Europäisches Kompetenzzentrum für intermodalen Transport. Aber es sind im Moment eher noch Überschriften, als dass es wirklich Schwerpunkte bremischer Verkehrspolitik wären, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Positiv ist das Bekenntnis des Senats, endlich einmal die Bahn zu stärken, gar keine Frage! Aber ich frage: Was macht der Senat, um den Wettbewerb auf der Schiene zu erhöhen und wirklich hier Potentiale zu erreichen, um die Engstirnigkeit der DB wirklich zu umgehen? Was macht der Senat? Wie will der Senat der Abkoppelungspolitik der DB Cargo begegnen? Fischereihafen in Bremen: DB Cargo hat den Fischereihafen Bremerhaven völlig abgekoppelt! Das bedeutet 6000 Pkw-Fahrten pro Tag mehr als bisher!

(Glocke)

Zum Schluss im ersten Beitrag ganz kurz noch ein Wort zum Antrag der großen Koalition! Das schlägt

ja nun wirklich alle Angeln aus den Türen. Sie wollen wirklich alles, und zwar sofort, wissen aber genau, dass der Bundesverkehrswegeplan total überzeichnet ist. Sie wollen einen achtspurigen Ausbau der A 281.

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Was? Aber den achtspurigen Ausbau der A 281 wollen wir nicht!)

Sie wollen jetzt auch die Küstenautobahn. Davon ist in der Antwort des Senats ja gar nicht die Rede. Sie wollen alles vorfinanzieren, privat finanzieren und durch Maut finanzieren, Sie wissen aber, dass das gar nicht mehr zu finanzieren ist. Wir sagen also: Infrastrukturen brauchen auch einen Vorlauf, Abstimmungsprozesse, Lebensqualität, mit der Bevölkerung muss abgestimmt werden!

Sie sollen also nicht nur Infrastrukturen ausbauen, sondern auch die Software berücksichtigen. Das haben Sie in keiner Weise getan. Ich denke, wir brauchen eine rotgrüne Verkehrspolitik, um Sie wieder auf den richtigen Weg zu bringen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Sieling.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser kurzen Nichtkommunikation, die eben stattgefunden hat, will ich sagen, dass ich denke, in dieser Debatte ist es nun nicht deutlich geworden, worum es eigentlich bei der Großen Anfrage, bei dem Thema, aber vor allem auch bei dem Antrag, der vorliegt, geht.

Es geht nicht um die Verkehrspolitik in unserer Stadt, sondern es geht um Verkehrspolitik im nordwestdeutschen Raum, also die Frage, wie wir eigentlich für die Zukunft unsere Verkehrsinfrastruktur überregional ausstatten müssen, und zwar spätestens vor dem Hintergrund, dass wir heute ziemlich sicher, ich will gern sagen ganz sicher sind, dass der Tiefwasserhafen Wilhelmshaven kommen wird, so dass damit klar ist, es muss eine neue Aufstellung der Verkehrspolitik im Nordwesten geben, es muss einen neuen Ansatz geben.

Wir haben gestern Morgen im Rathaus eine Veranstaltung zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit Bremen und Niedersachsen gehabt, der nächsten Etappe der gemeinsamen Landesplanung, auf der unser Bürgermeister Henning Scherf und der niedersächsische Innenminister Heiner Bartling die Perspektiven angesprochen und vorgestellt haben. Dort war ein ganz zentraler Punkt der Zusammenarbeit beider Länder, dass es darauf ankommt, Bremen und den nordwestdeutschen Raum gerade verkehrsinfrastrukturell neu auszustatten, Bremen im

Ergebnis zu so etwas, und das muss doch das sein, worum es uns geht, wie einer Drehscheibe für den Verkehr im Nordwesten zu machen. Das heißt für mich, dass wir auch, das ist der Inhalt und das Ziel des Antrages, heute die Verkehrspolitik so anlegen müssen, dass wir den Zusammenhang im Auge haben und daher Bremen im Zentrum des Nordwestens sehen.

Ich meine, wir haben die A 281 weitgehend im Sack, sage ich einmal, wir haben es in der letzten Bürgerschaftssitzung diskutiert, sie wird gebaut. Die A 27 wird erweitert, viele Themen in und um Bremen, viele, nicht alle, sind erledigt. Jetzt müssen wir sehen, dass der gesamte Raum entwickelt wird, damit das Oberzentrum, die größte Stadt in diesem Raum, die entsprechenden wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten hat und es Entwicklungsmöglichkeiten auch gibt, den Personenverkehr dort vernünftig abzuwickeln.

Das ist für mich ein Thema der Zusammenarbeit zwischen Bremen und Niedersachsen. Darum haben wir den Antrag so angelegt: „Verkehrsinfrastruktur Nordwest“! Die Zusammenarbeit beider Länder möchte ich hier in den Vordergrund stellen. Von der Zeitperspektive her wird doch auch deutlich, worum es geht. Verkehrsinfrastrukturpolitik kann man, das weiß jeder, nicht auf fünf Jahre anlegen. Darum haben wir gesagt, wir brauchen ein Zukunftskonzept bis zum Jahr 2015. Das, will ich offen sagen, gibt die Antwort des Senats noch nicht her.

Es ist, glaube ich, auch nicht so, dass so etwas schon besteht, und dass der Senat da die Weisheit in der Tasche hat, ist auch gar nicht zu verlangen. Es geht hier darum, dass wir, denke ich, und da finde ich den Zusammenhang zu der gestrigen Veranstaltung im Rathaus richtig, hier den Auftakt machen und einmal als Parlament sagen, das ist die Zukunftsaufgabe, dahin muss Verkehrspolitik laufen. Wir als Bremische Bürgerschaft geben die Themen vor und erwarten vom Senat, dass er sich mit der niedersächsischen Landesregierung zusammensetzt, die Zukunftsfragen beantwortet und uns dann alsbald das Ergebnis vorlegt.

(Beifall bei der SPD)

Ich will bei dem inhaltlichen Stichwort Drehscheibe Nordwest vor allen Dingen deutlich machen, dass es uns um eine integrative Verkehrspolitik geht. Herr Kollege Schramm, für die Kurzfristigkeit der Vorlage des Antrags will ich mich gern entschuldigen, denn es ist nicht immer einfach für die Opposition, sich das dann so schnell anzueignen. Schauen Sie es sich aber richtig an, daraus kann man doch keinen Autobahnantrag konstruieren! Das ist ein Antrag, der darauf setzt, Schiene, Straße und Wasser in einem Zusammenhang zu sehen und eine solche integrative Verkehrspolitik für den gesamten Raum zu konzipieren. So läuft die Anforderung, so wollen

wir das, und nur so werden wir zukunftsfähig sein, weil die Straßen natürlich immer weiter beansprucht werden und es von daher unabdingbar ist, dass wir auch auf andere Verkehrsträger setzen.

Ich will das gern in dem Zusammenhang noch einmal Punkt für Punkt deutlich machen. Der erste Punkt ist in der Tat, dass wir als Bundesland Bremen und als Region Nordwest die Politik der Bundesregierung natürlich dabei unterstützen müssen, sich alle Mühe zu geben, andere Verkehrsträger zu stärken.

(Beifall bei der SPD)

Darum war es richtig und gut, dass Herr Bodewig gestern als Bundesverkehrsminister gesagt hat, ja, ich fasse die Schleuse Dörverden noch einmal an. Wir machen das! Wir wollen da heran! Ich finde es gut, dass Senator Hattig und das Wirtschaftressort das offensichtlich unterstützen, wie ich heute der Presse entnommen habe, und auch diesen Ansatz noch einmal richtig angehen.

Worauf läuft denn die Verkehrspolitik des Bundes im Bereich der Bahn hinaus? Natürlich werden keine Mühen gescheut, die Bahn endlich stärker zu machen und da mehr Geld hineinfließen zu lassen. Herr Kollege Schramm, Sie müssten es doch genauso gut wissen wie ich, dass das das zentrale Ziel ist. Hierauf soll auch dieser Antrag hinauslaufen und auch das, was wir hier im Nordwesten machen und machen wollen.

(Beifall bei der SPD)