Protocol of the Session on September 25, 2001

Der Bremer Senat hat schon bisher in dieser Diskussion eine aktive Rolle eingenommen. Herr Dr. Kuhn, gerade der Präsident des Senats hat in seiner Rolle als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, wie ich meine, maßgeblich dazu beigetragen, dass die Länder im Vorfeld des Europäischen Rates von Nizza geschlossen gegenüber der Bundesregierung aufgetreten sind. Gleichzeitig hat Herr Bürgermeister Dr. Scherf mehrfach gegenüber dem Präsidenten der Kommission und beim Europäischen Parlament die Position der deutschen Länder vorgetragen. Ich möchte die Behauptung aufstellen, wenn nicht dieser Diskussionsprozess in der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden hätte, hätte es ein Nachdenken auch innerhalb der Europäischen Kommission nicht gegeben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Seither hat Bremen die Federführung für die Verhandlungen zwischen den Ländern und dem Bund über den so genannten Post-Nizza-Prozess. Der Senat hat damit im Kreis der Länder eine verantwortungsvolle und allseits in Deutschland anerkannte Rolle übernommen. Ich bin sicher, er wird dies auch weiterhin mit dem nötigen Augenmaß und dem Ziel fortsetzen, die europäische Integration zu fördern und gleichzeitig den Handlungsspielraum der Länder und damit der Freien Hansestadt Bremen zu sichern.

Wir haben im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit dieses Parlaments kontinuierlich über die europapolitischen Themen referiert, Sie unterrichtet und intensiv diskutiert. Ich glaube, dass der heute von Ihnen zu beschließende Antrag sicherlich diese Form der Kooperation zwischen Exekutive und Legislative in dem Fall des gemeinsamen Auftretens für Europa eher stärken als schwächen wird.

Die Europäische Union befindet sich seit langem im Übergang von einer europäischen Wirtschaftszu einer politischen Gemeinschaft. Dieser Prozess ist unumkehrbar. Lassen Sie uns daher und dabei nicht aus dem Blick verlieren, dass die Europäische Union auch und vor allem eine europäische Friedensund Wertegemeinschaft war und ist!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Gerade, und lassen Sie mich das bitte noch einmal kurz ansprechen, in diesen Tagen wird schmerzlich deutlich, wie fragil der Weltfrieden ist. Gleichzeitig erkennen wir, dass ein einheitliches Europa unverzichtbarer denn je ist. Europa hat seinerzeit

mit der Westintegration die Folgen des Zweiten Weltkrieges überwinden können. Es hat nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Teilung Europas überwunden oder ist dabei, sie zu überwinden. Nun steht Europa vor seiner dritten großen Herausforderung, seinen Beitrag zu leisten gegen den internationalen Terrorismus. Dies wird, neben kurzfristig zu ergreifenden Maßnahmen, langfristig nur im Sinne einer umfassenden Friedensregelung auf der Grundlage von Gerechtigkeit, Freiheit und gegenseitigem Respekt der Völker und Kulturen möglich sein.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben als Freie Hansestadt Bremen im Bund diesen Beitrag mitgetragen und mitbeeinflusst. Wir sollten in unserem eigenen Interesse gemeinsam alles tun, um die Europäische Union und ihre Institutionen in diesem Prozess zu unterstützen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, gerade die internationale Orientierung dieser Freien Hansestadt Bremen ist im deutschen Föderalismus besonders gefragt. Ich bin dankbar, dass ich Ihr Mandat, Ihren Auftrag hatte, fast zehn Jahre an dieser Aufgabe mitzuwirken. Es war möglich und hat Bremen diese besondere Rolle auch gegeben, nicht weil ein Einzelner irgendwo für dieser Freie Hansestadt Bremen agiert hat, sondern weil er wusste, dass in dieser Frage über innerbremische politische Unterschiede hinweg ein breiter Konsens, getragen von bremischen Bürgerinnen und Bürgern und ihren gewählten Vertretern, also der Bremischen Bürgerschaft, mitgetragen wurde. Ich wusste, ob es Tätigkeiten in Bonn, in Berlin oder in Brüssel waren, dass ich mich auf die Unterstützung dieser Bremischen Bürgerschaft verlassen konnte.

Ich gebe Ihnen heute diesen Auftrag zurück. Ich glaube, es ist die richtigste Form, wie ich aus meinem Verständnis Abschied von Bremen nehme, hier vor dem Parlament diesen Auftrag Ihnen zurückzugeben, und dann sind Feierlichkeiten eigentlich zweitrangig in diesem Zusammenhang. Ich bedanke mich für das gemeinsame Auftreten von uns allen. Ich bedanke mich für die parteiübergreifende Unterstützung bei der Durchführung meiner Aufgabe. Ich werde dem Land Bremen, der Freien Hansestadt Bremen, beiden Städten, mich nicht nur verbunden fühlen, sondern ich habe heute im Senat gesagt, ich habe auch ein Stück neue, zweite Heimat gefunden!

Ich wünsche dem Schiff Bremen immer die berühmten zwei Handbreit Wasser unterm Kiel, pralle Segel, gute Steuerleute und allzeit gute Fahrt! – Vielen Dank!

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Bevor ich zur Abstimmung komme, da dies die letzte Bürgerschaftsdebatte war, an der Sie, Herr Staatsrat, teilgenommen haben, lassen Sie mich auch von dieser Stelle aus sagen: Das Haus, nein, ich muss sagen, Bremen, dankt Ihnen für Ihre Arbeit, die Sie für unser Bundesland geleistet haben! Wir wünschen Ihnen von allen hier im Haus, aber auch von der Bevölkerung für Ihre neue berufliche Aufgabe viel Erfolg und auch für Ihre persönliche Zukunft alles Gute. Wie Sie sagten: Sie haben eine neue Heimat gefunden. Besuchen Sie uns wieder!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und der CDU mit der DrucksachenNummer 15/781 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

(Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Gesundheit von Kindern und Jugendlichen: Entwicklung, Bewertung und Prävention

Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vom 28. Februar 2001 (Drucksache 15/641)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 26. Juni 2001

(Drucksache 15/765)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Adolf.

Frau Senatorin Adolf, ich frage, ob Sie die Antwort auf die Große Anfrage mündlich wiederholen wollen. – Dies ist nicht der Fall.

Ebenfalls gehe ich davon aus, dass wir in eine Debatte eintreten wollen. – Das ist der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen wird zunehmend schlechter. In der letzten Zeit gab es alarmierende Aussagen von Fachleuten, die auf dieses ernst zu nehmende Thema immer wieder hinwiesen. Deshalb hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine Große Anfrage zur Gesundheitslage von Kindern und Jugendlichen in unserem Bundesland Bremen gestellt, eine notwendige Anfrage nicht nur zu Erkrankungen, sondern zu allen Belangen, die den Gesundheitszustand der Kinder und Jugendlichen beeinflussen. Zusätzlich haben wir nach der Bewertung der Ergebnisse und nach Präventionsmaßnahmen gefragt.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir bei der Definition von Gesundheit die Beschreibung der Weltgesundheitsorganisation, der WHO, zugrunde legen. Diese besagt, dass Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von Krankheit ist, sondern Gesundheit ist eindeutig ein umfassendes körperliches, soziales und materielles Wohlbefinden.

Doch zurück zu der Anfrage! Der Senat hat sehr ausführlich und fachlich geantwortet. Darum möchte ich nicht versäumen, an dieser Stelle ganz klar ein Dankeschön auszudrücken. Nach gründlicher Durchsicht der Senatsmitteilung wird deutlich, dass auch hier für das Land Bremen ein dringender Handlungsbedarf vorliegt, Handlungsbedarf besonders, meine Damen und Herren, bei den fünf Schwerpunktbereichen Umwelt, Allergien, Ernährung, soziale Lagen und Bewegung. Darüber hinaus stellt es sich als besonders wichtig dar, dass die Datenlage über die Kinder- und Jugendgesundheit erweitert und verbessert werden muss.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Trotz des Umfangs der Senatsantwort ist festzustellen, dass es keine gesicherte Datenlage über den Gesundheitszustand unserer Kinder im Lande Bremen gibt. Die derzeitigen Befunde stützen sich auf Einzeluntersuchungen und auf punktuelle Beobachtungen von Ärzten, Psychologen, Pädagogen und anderen Berufsgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben.

Zu einer Reihe von Problemen kann der Senat keine Daten beziehungsweise keine systematischen Erkenntnisse vorlegen. So gibt es zum Beispiel keine Erkenntnisse über das Ausmaß und die Entwicklung von Allergie- und Atemwegserkrankungen bei Kindern in unserem Bundesland, auch nicht zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Umwelteinflüsse wie zum Beispiel Luftschadstoffe, Chemikalien und Lärm. Ebenfalls fehlen Daten über

Ernährungsmängel bei sozial benachteiligten Kindern und auch über die gesundheitlichen Folgen von Armut beziehungsweise bei sozialer Benachteiligung in den Problemstadtteilen von Bremerhaven und Bremen. Meine Damen und Herren, auch über den Gesundheitszustand von Kindern aus Migrantenfamilien wissen wir zu wenig.

Diese Kenntnislücken müssen geschlossen werden. Deshalb ist es ja so wichtig, dass die Gesundheitsberichterstattung in diesen Punkten verbessert werden muss, damit wir die Grundlage für eine Konkretisierung von Unterstützungsangeboten und -maßnahmen schaffen können. Diese Angebote und Hilfen müssen stadtteilorientiert angesetzt werden. Dafür sind die so genannten sozialräumlichen Analysen ein guter und ein wirksamer Ansatz, doch dazu wird meine Kollegin, Frau Stahmann, später noch einiges ausführen.

Kommen wir zurück zur Senatsmitteilung und zu ihren Aussagen! Fakt ist, dass zu den traditionellen Kinderkrankheiten heute neue, meist chronische Erkrankungen hinzukommen. Ich nenne hier nur Neurodermitis, Allergien und Atemwegserkrankungen, dazu kommt noch das Problem der Über- und Fehlernährung. Als Gründe dafür drängen sich auf ein verändertes Freizeitverhalten, neue Lebensstile und eine ständige Zunahme von vielfältigen Schadstoffen.

Deshalb ist es notwendig, diese Gesundheitsgefährdungen für Kinder und Jugendliche in der Gesundheitsförderung und in der Prävention neu zu bewerten. Dies wird auch deutlich in der Mitteilung des Senats, besonders deutlich in dem Satz, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus der Senatsmitteilung: „Diese Befunde erfordern von der Politik, den gesetzgeberischen Maßstab für die Bewertung von Gesundheits- und Umweltbelastungen am kindlichen Organismus zu orientieren.“

Meine Damen und Herren, wir sehen in diesem Satz eine klare Aufforderung an alle, hier tätig zu werden. Dieser Appell gilt nicht nur für die Politiker aus dem Gesundheitsbereich, ich denke ebenso an die Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Soziales, Bildung und Umwelt, auch sie sind hier gefordert.

Wie ich schon am Anfang meiner Rede gesagt habe, ist die Senatsmitteilung sehr ausführlich. Das wollten wir auch so, denn somit haben wir jetzt eine erfolgsversprechende Arbeitsgrundlage für die nächste Zeit. Besonders bestehen Handlungsbedarfe in den Bereichen Umwelt, Allergie, Ernährung, soziale Lagen und Bewegung, auch darauf habe ich schon hingewiesen. Alle fünf Schwerpunkte sind natürlich in Zusammenhängen zu sehen. Keiner steht isoliert für sich, nehmen wir als Beispiel nur einmal die Wechselwirkung von Allergien und Umwelt.

Der Anteil der Kinder, die an einer allergischen Erkrankung leiden, wird hier im Land Bremen auf

31 Prozent geschätzt, eine erschreckend hohe Zahl! Erschreckend auch, weil wir wissen, dass ein großer Teil dieser Allergien oft chronisch wird, was auch internationale Studien beweisen. Das kann heißen, als Kind leidet der kleine Mensch unter Heuschnupfen, als Erwachsener eventuell unter Asthma, also besteht eine Beeinträchtigung für das ganze Leben. Schrecklich, werden Sie jetzt denken! Doch diese Frage muss gestellt werden, und auch die Frage, was wir dagegen tun können. Ich denke, eine ganze Menge! Als Regel gilt natürlich, dass ein Allergiker die Stoffe meiden sollte, gegen die er allergisch ist. Das hört sich gut an. Doch was ist, wenn diese betroffenen Kinder das nicht tun können, weil zum Beispiel diese allergieauslösenden Stoffe in den Bausubstanzen von Kindergärten und Schulen sind oder wenn sie bei Pollenflug in der Pause auf den Schulhof geschickt werden?

Ein erster Schritt in die richtige Richtung, wie man so schön sagt, sind, denke ich, unser gemeinsamer Antrag und auch der Antrag zur Schadstoffmessung, den Frau Dr. Mathes nachher noch vorstellen wird. Aber dieser Schritt muss weitergeführt werden.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Wir haben doch hier keinen gemeinsamen Antrag!)