Protocol of the Session on May 17, 2001

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ja, Herr Tittmann, Sie geben mir das Stichwort, ich wollte zum Rechtsradikalismus kommen! Hier hat „Jugend im Parlament“ eine beeindruckende Liste von Vorschlägen gemacht, die wir so, aber nicht nur als Grüne, sondern auch dieses Haus insgesamt, denke ich, sehr gut übernehmen können. Etliches davon ist auch in Resolutionen dieses Hauses parteiübergreifend, bis auf diese eine Ausnahme, ja so beschlossen worden. Ich glaube, dass wir hier einen sehr großen Konsens zwischen der Mehrheit dieses Hauses und dem, was die Jugendlichen sich gewünscht haben, haben.

Wir haben als Parlamentarier, jetzt auch an die Jugendlichen gewandt, dieses Problem des Rechtsradikalismus hier in jeder Sitzung ständig vor Augen. Insofern kommen wir gar nicht auf die Idee, das aus den Augen zu verlieren. Wir bekommen es jeweils hier wieder vorgeführt.

(Zuruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])

Bündnis 90/Die Grünen hat deswegen eine Studie über die Position und das Verhalten der DVU hier im Parlament in Auftrag gegeben, und wir werden das demnächst der Öffentlichkeit vorstellen, weil wir uns sehr ernsthaft mit diesem Kollegen hier rechts außen befassen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. T i t t m a n n [DVU]: Das können Sie doch gar nicht!)

Lassen Sie mich abschließend unsere Positionen zum Polizeigesetz und zur Innenpolitik sagen! Wir teilen die Auffassung, dass die Einschränkung von Grund- und Bürgerrechten kein Mittel der effektiven Kriminalitätsbekämpfung ist. Effektive Kriminalitätsbekämpfung war und ist ohne bestimmte weitgehende Einschränkungen von Bürgerrechten möglich. Das zeigt sich besonders bei der Videoüberwachung. Wenn man nun sieht, dass in der jüngsten Kriminalstatistik Handtaschenraub innerhalb eines Jahres um 87 Prozent angestiegen ist, dann wird man das mit Sicherheit durch eine Kamera am Bahnhofsvorplatz nicht reduzieren können, sondern das reduziert sich durch die Präsenz von Beamten vor Ort und durch

eine ganze andere Palette von Maßnahmen, nicht aber dadurch.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es reduziert sich natürlich auch nicht durch einen finalen Rettungsschuss, und das möchte ich an dieser Stelle doch noch einmal sagen, der letztendlich zu einem Spielball im politischen Hickhack innerhalb der großen Koalition zwischen SPD und CDU verkommen ist. Ich glaube, wir alle wissen, dass die Kriminalität, die gestern vom Innensenator wieder festgestellt worden ist, nicht durch einen finalen Rettungsschuss zu beseitigen ist.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Wer hat das denn behauptet?)

Warum wollen Sie es denn dann unbedingt? Irgendeinen Grund müssen Sie doch haben, außer die SPD zu ärgern und umgekehrt. Irgendeinen Grund muss es doch geben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist auch deutlich geworden, und das möchte ich zum Abschluss auch noch einmal sagen – und ich glaube, hier sind wir wieder bei einem Punkt, an dem es eher einen Konsens im Hause gibt –, dass die Jugendlichen auch ihr eigenes Sicherheits- und Schutzbedürfnis in einer Resolution zum Ausdruck gebracht haben. Sie haben quasi Polizei und Politik aufgerufen, auch ihre Schutzinteressen ernst zu nehmen. Das ist eine sehr, sehr wichtige Diskussion, und an dieser Stelle möchte ich, ich glaube, auch im Namen von noch mehr Abgeordneten als nur Bündnis 90/Die Grünen, den Innensenator und die Polizeiführung auffordern, dass sie auf die Jugendlichen zugehen, das Gespräch suchen und einmal nachbohren, wo hier das Problem tatsächlich liegt. Dann, glaube ich, haben wir das ernst genommen und sind auch weiter gekommen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Dann hat jetzt das Wort der Abgeordnete Kleen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich schließe mich allen Worten des Dankes und Lobes meiner Vorredner an und beschränke mich jetzt ganz auf den Bereich der Forderungen des Ausschusses Ausländerpolitik, Inneres und Rechtsradikalismus des Jugendparlaments.

Dass hier Leute nicht wie die blinde Kuh von der Farbe geredet haben, zeigt, dass sie genau die Kernpunkte der regelmäßigen Diskussionen in der Innendeputation und auch im Ausländerausschuss aufgegriffen haben. Die Verwaltungsabläufe, denen Ausländer ausgesetzt sind, sind auch – sozusagen generationsübergreifend – uns Parlamentariern viel zu zeitraubend. Beide Vorredner haben die Zeiträume für Einbürgerungsverfahren angesprochen, und ich möchte das auch noch einmal tun, damit völlig klar ist, dass das für uns ein Zustand ist, der unbedingt verbessert werden muss. Wir haben schon in den Koalitionsvertrag hineingenommen, dass zur Beschleunigung der Einbürgerungsverfahren eine Regionalisierung und eine Modernisierung der Verfahren notwendig ist.

Der Senat hat einiges unternommen. Herr Eckhoff hat darauf hingewiesen. Das ist aber bei den Betroffenen noch nicht angekommen. Die Wartezeiten sind in Bremen dramatisch zu lang, selbst gegenüber unseren niedersächsischen Nachbargemeinden. Hier sind Forderungen aufgestellt worden, die wir uns auch in der Innendeputation immer wieder zu Eigen machen werden.

Hinsichtlich der Verhältnisse im Ausländeramt fallen die Anregungen der Jugendlichen ebenfalls auf fruchtbaren Boden. Parlamentarier, die sich vor Ort ein Bild verschaffen, sind jedesmal froh und keineswegs in diesen Momenten stolz, Deutsche zu sein und nicht in dieser Bürokratie, die oft zur reinen Abschreckungsmaschine verkommt, zu stecken oder zu ersticken. Wir hoffen sehr, dass die neue Leiterin des Ausländeramtes, die ja mit ganz großem Engagement begonnen hat und, obwohl sie wusste, dass das ein schwieriger Job ist, nach Bremen gekommen ist, diese Situation verändern kann. Wir kündigen gern an, dass wir sie dabei mit aller Kraft unterstützen wollen, und wünschen ihr viel Durchstehvermögen.

(Beifall bei der SPD)

Die Forderung des Jugendparlaments, zum Asylrecht vor 1994 zurückzukehren, die sich die Grünen zu Eigen machen, teilt die SPD nicht. Das mag daran liegen, dass die SPD auch 1991/1992 in dieser Regierung war und bei den Asylbewerberzahlen sich jeden Montag neu die Frage stellte: Welche Turnhallen müssen wir denn jetzt schülerfrei machen, damit wir dort Betten aufstellen können? Die Grünen haben diesen Wunsch auch auf ihrem Bundesparteitag diskutiert. Ich lese von Frau Roth, dass sie die Vermutung äußert, die Fraktion werde dann „realitätsnah feststellen, wie sie mit dem Beschluss umzugehen habe“. Ich vermute, das ist ein wenig für die Galerie. Eine Rückkehr dazu wird es nicht geben.

Das ist aber auch gar nicht schlimm, weil die Rückkehr zum Asylrecht vor 1994 rückwärts gewandt ist. Wir sind in Fragen der Zuwanderung viel weiter. Wir

machen uns über ein zukunftgerichtetes Zuwanderungsrecht Gedanken. Das machen wir ja gemeinsam, und da stehen wir in Berlin auch in der gemeinsamen Verantwortung. Wir sehen im Vordergrund die Integration. Wir sehen, dass wir Einwanderung brauchen, wir brauchen vernünftige Regelungen, und die CDU ist dort auf dem allerbesten Wege, ebenfalls zu uns, zu dem gemeinsamen Anliegen zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden sicher noch deutlichere Klarheit haben, wenn die von Frau Süßmuth geleitete und von der rotgrünen Bundesregierung eingesetzte Kommission richtig Schwung in die Debatte bringen wird.

Im Übrigen, auch das muss deutlich gesagt werden, und auch das haben wir in der Innendeputation deutlich gesagt, gehört zu einer verlässlichen Zuwanderungspolitik auch Konsequenz. Wer als Asylbewerber nach Deutschland kommt, muss rasch geklärt bekommen, ob er anerkannt wird oder nicht. Bei einer endgültigen Ablehnung eines Bleiberechts muss auch die Rückkehr erfolgen, als letztes Mittel auch mit Zwang. Das gilt auch und gerade in den Fällen, in denen das Recht die Abschiebung nach strafrechtlichen Verurteilungen vorsieht. Abschiebungen sind kein Mittel der Kriminalitätsbekämpfung, aber sie können zu Recht eine Folge von Kriminalität sein.

Meine Damen und Herren, besondere Beachtung verdient die Resolution des Jugendparlaments zum Thema Rechtsradikalismus. Die polizeiliche Kriminalstatistik, die der künftige Exsenator Dr. Schulte gestern vorgestellt hat, dokumentiert ja eine erhebliche Steigerung rechtsradikaler Straftaten.

(Zuruf der Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/Die Grünen])

Ich kann Sie leider nicht verstehen.

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Von der Sorte künftiger Ex- senatoren haben wir noch ein paar mehr! – Heiterkeit)

Ja, gut, wir haben ja auch, wie man sieht, Exsenatoren in unseren Reihen sitzen.

Das klare Bekenntnis des Jugendparlaments gegen Rechts und die, wie ich finde, fundierten Forderungen, die zu einer Bekämpfung der Ursachen von Rechtsradikalismus beitragen sollen, sind in hohem Maße zu begrüßen. Wir müssen da heute keinen Beschluss fassen, sondern wir müssen das als Daueraufgabe betrachten und in den verschiedenen Ausschüssen und Deputationen als Aufgabe immer wieder erneuern.

Im Übrigen können die Jugendlichen im Jugendparlament, das sage ich natürlich besonders mit Blick auf Herrn Tittmann, sehr stolz sein auf ihre Altersgenossen. Es sind immer wieder Jugendliche, die als Erste aufstehen, demonstrieren und sich solidarisieren, wenn braune Schlägertrupps Schlimmes anstellen,

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

oft unter dem Beifall bestimmter Gruppen und politischer Parteien. Ich darf daran erinnern, Herr Beckmeyer hat dazu gesprochen, dass wir vor gar nicht langer Zeit hier im Hause die Aktivitäten von Bremerhavener Schülerinnen und Schülern ausdrücklich gewürdigt haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, das Thema Polizeigesetz muss gar nicht lange ausgeführt werden. Wir sind da auf einem, wie ich glaube, sehr guten Weg. Wir haben einen guten Entwurf in erster Lesung hier im Parlament verabschiedet. Die CDU hat es noch einmal aussetzen lassen, weil sie einen Landesparteitag absolvieren musste und Personalangelegenheiten geklärt hat. Ich gehe davon aus, dass wir noch vor der Sommerpause ein Gesetz zustande bringen.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Sie haben doch schnell darauf reagiert!)

Herr Eckhoff hat ja auch angedeutet, dass er zu konstruktiven Gesprächen sehr bereit ist. Eine verdachtsunabhängige Kontrolle wird es nicht geben, und der Versuch der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen wird klären, wie sinnvoll dieses Instrument ist. Wir haben da unterschiedliche Äußerungen aus anderen Bundesländern. Wir haben Leipzig, Halle und Versuche in Bielefeld. Wir probieren das in Bremen aus, und dann schauen wir, ob es sich gelohnt hat.

Eines ist auch völlig klar, das weiß die CDU, der Innensenator, und das haben uns die Jugendlichen noch einmal ins Stammbuch geschrieben: Videotechnik darf keine Menschen ersetzen und kann es auch nicht. Videoüberwachung macht nur dann einen Sinn, wenn sie von einem klaren Personalkonzept begleitet wird, das heißt nicht weniger Personaleinsatz, sondern mehr.

Ich war sehr beeindruckt davon, dass sich die Jugendlichen in der Innendeputation und im Ausschuss dazu geäußert haben, dass sie im Prinzip von der Polizei besser geschützt werden wollen. Wir haben in der Innendeputation die Jugendlichen gebeten, konkrete Fälle zu benennen, damit man denen nachgehen kann. Klar ist jedoch, dass Eingangsbereiche

von Diskotheken kein rechtsfreier Raum sind, in denen Jugendliche nicht unter dem Schutz der Polizei stehen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

„Abziehen“ ist Raub und keine besondere Ausprägung von Jugendkultur, und jugendliche Opfer dürfen in diesem Bereich nicht allein gelassen werden, natürlich nicht nur von der Polizei, aber auch von der Polizei!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Da es ja zum Parlament und zur Politik im Parlament gehört, dass man nicht immer nur friedlich auseinander geht, will ich an dieser Stelle auch noch einmal deutlich sagen, dass mir die Reaktion des Innensenators auf diese Resolution überaus unangemessen formal erscheint. Da wird nur auf die Rechtslage hingewiesen. Ich finde, die Jugendlichen, die das vorgetragen haben, hätten verdient gehabt und haben es immer noch verdient, dass man auf sie zugeht und wirklich vor Ort feststellt, wo die Defizite sind.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Aber erklären müssen Sie auch, dass der Polizeipräsident das zugesagt hat!)

Ja, in der Innendeputation! Es findet sich leider in der Stellungnahme des Innensenators nicht wieder.