Protocol of the Session on March 21, 2001

Ausbau der B 74

Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU vom 11. Januar 2001 (Drucksache 15/589)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Wischer, ihr beigeordnet Staatsrat Logemann.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat der Abgeordnete Liess.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will versuchen, es relativ kurz zu machen, denn ich finde, der Antrag spricht für sich selbst, und der sicherlich gern gesehene Rückblick in die Vergangenheit, wo man neue Vorwürfe auch an Sozialdemokraten formulieren kann, bringt uns nicht weiter. Ich möchte hier lieber nach vorn blicken!

(Beifall bei der SPD)

Wie schon in dem Antrag ausgeführt, geht es darum, dass eine verkehrlich günstige Erschließung positive Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen von Unternehmen hat. Investitionen in BremenNord, für die Region in Bremen-Nord, sind nach wie vor dringend notwendig. Die erfolgreiche Revitalisierung des ehemaligen Vulkangeländes kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir dort nach wie vor Bedarfe haben, und diese Bedarfe, denke ich, können umso eher befriedigt werden, je eher wir eine leistungsfähige, auch für die Wirtschaftsverkehre notwendige Anbindung bekommen. Diese Anbindung ist eben die B 74.

Ich verbinde also mit dem Weiterbau der B 74 die Hoffnung, dass wir hier zu einer zusätzlichen Ansiedlung von Gewerbeunternehmen kommen, und wer die Region kennt, weiß, dass die Flächenreserven in Bremen-Nord hauptsächlich im Bereich Blumenthal liegen. Darüber hinaus haben wir in Blumenthal bereits heute international sehr erfolgreiche Unternehmen, und auch dieser Ausbau wird dafür sorgen, dass wir hier zumindest die Sicherung von Arbeitsplätzen betreiben können.

Ich sage vielleicht für die Eingeweihten noch ein Stichwort, was die Einzelhandelsentwicklung angeht, bei den anderen wird das jetzt wieder Heiterkeit hervorrufen: Es gibt dort den Versuch der Einzelhandelsentwicklung im so genannten Müllerloch, und ich denke schon, dass es Sinn macht, auch hier die B 74 als eine schnelle Verbindung zur Erreichbarkeit dieses Zentrums zu schaffen; davon kann auch der Blumenthaler Bereich nur profitieren.

Der Ausbau der B 74 hat auch für die Wohnbevölkerung Auswirkungen, die ich insgesamt positiv bewerte. In der stadtbremischen Region Bremen-Nord leben ungefähr 108 000 Menschen. Die Regio Unterweser schätzt den Einzugsbereich dieser Region auf 175 000 Menschen. Für diese Menschen gilt es, einerseits Arbeit zu schaffen, es ist eben auch in anderen Zusammenhängen darüber diskutiert worden, andererseits aber auch Lebensqualität. Zur Lebensqualität gehört auch, dass wir versuchen müssen, Verkehre, die heute noch die Wohnstraßen belasten, auf Schnellverbindungen, auf die B 74 zu übertragen. Dass dies möglich ist, haben wir mit dem bis––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

herigen Bau der B 74 oder, wie sie künftig heißen wird, der A 270 gesehen.

Die Schaffung einer starken Verkehrsachse auch für den mobilisierten Individualverkehr ist dabei umso wichtiger, als wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass es nach wie vor einen deutlichen Zuwachs an Kraftfahrzeugen gibt. Das mögen wir beklagen oder auch nicht, aber es ist leider die Tendenz, und die bisherige Erschließung für den Raum reicht kaum aus.

Das heißt im Übrigen nicht, um nicht missverstanden zu werden, dass wir Sozialdemokraten nicht auch auf den öffentlichen Personennahverkehr setzen. Der erfolgt aber in der Region im Augenblick auch über die Straße.

(Abg. M ü t z e l b u r g [Bündnis 90/Die Grünen]: Leider!)

Ja, ich komme gleich darauf! Es bietet sich von daher an, genau die B 74 in ihrer weitergebauten Form auch für Schnellverbindungen durch den Bus zu nutzen. Ich verspreche mir von der Verkehrsuntersuchung für Bremen-Nord, die im Frühjahr dieses Jahres der Baudeputation vorgelegt werden soll, durchaus, dass wir hier auch Informationen bekommen, inwieweit eine schienengebundene öffentliche Personenverkehrsanbindung realisiert werden kann. Ich will zunächst aber nicht auf diese Zukunftsmusik setzen, sondern möchte eigentlich das, was für die Region schnell umgesetzt werden kann, auch umgesetzt sehen.

Über die Bemerkungen zur besseren verkehrlichen Erschließung hinaus möchte ich auch noch zu der Wohnungsbausituation, über die eben in der vorangegangenen Debatte geredet worden ist, Stellung nehmen. Im Bremer Norden gibt es noch Reserveflächen für den Wohnungsbau, die allerdings nicht auf Teufel komm heraus unbedingt als weitere Wohnungsbauflächen erschlossen werden müssen. Wir wissen aber, dass zu einem großen Teil die neu erschlossenen Wohnungsbaugebiete von vielen Menschen aus dem gleichen oder dem benachbarten Stadtteil angenommen werden. Da haben wir in der Tat auch einen Bedarf.

Die Stadtbürgerschaft hat gestern, wenn ich mich richtig entsinne, einstimmig zum Beispiel den Bebauungsplan 946 A mit 280 Wohneinheiten für den Bereich Blumenthal beschlossen. Insofern geht es auch darum, dass wir hier mit einer Schnellverbindung wie der B 74 in der Lage sind, die Akzeptanz dieser Wohngebiete zu erhöhen, denn wer heute mit dem öffentlichen Personennahverkehr in diese Region fährt, weiß, welche Strecken und welche Zeiten er zurücklegen muss. Es ist auch bekannt, dass die Mehrheit der Haushalte heute über Pkw verfügt und dass die Menschen, wenn sie eine, jetzt sage ich beinahe, weite Reise nach Bremen-Innenstadt unternehmen, im Augenblick eher auf das Auto zu

rückgreifen als auf den öffentlichen Personennahverkehr. Insofern bleibt die B 74 hier wichtig.

Ich möchte noch auf einen Aspekt eingehen, der umweltpolitisch eine Rolle spielt und der auch von der Presse immer wieder aufgenommen wird, nämlich die Frage der Zerschneidung von Wohngebieten. Das ist ja der jetzigen B 74 vorgeworfen worden und nicht ganz von der Hand zu weisen. Für den weiteren Ausbau der B 74 wird es so sein, dass wir keine kreuzungsfreie Anbindung haben, wir haben keine Tieflage der Straße. Das heißt, die Gebiete werden in dieser Form so nicht zerschnitten. Ansonsten gilt natürlich das, was für alle Planer von Verkehrsbaumaßnahmen nach wie vor gilt, dass sie sich an die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung zu halten haben und dass für Ausgleichsmaßnahmen gesorgt werden muss. Zu dem schon vorgebrachten Einwand von Kleingärtnern, dass sie auch einen Lärmschutz garantiert bekommen möchten, ist zu sagen, dass dieser nach meinen Informationen schon durch die Anlage eines Walls garantiert werden kann.

Insgesamt komme ich zu dem Ergebnis, dass der Eingriff in Natur, Landschaft und zum Teil auch Siedlungsstruktur nach meinem Eindruck sich nicht vermeiden lässt und der Aspekt der besseren Erschließung der Region Vorrang haben muss. Von daher möchte ich Sie bitten, dem Antrag zuzustimmen und dabei auch zur Kenntnis zu nehmen, dass wir, wenn wir diesen Antrag so verabschieden, das Ziel verfolgen, nach der Planfeststellung auch tatsächlich in die Bauphase gehen zu können. – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Krusche.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ihr Antrag zum Ausbau der B 74 ist ein Antrag aus der Mottenkiste der Verkehrspolitik und gehört so schnell wie möglich dorthin zurück, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ein Ausbau der B 74 würde auf einer Länge von 2,8 Kilometern zirka zehn Hektar Land fressen. Herr Liess hat eben darauf hingewiesen: städtebaulich völlig unverträglich, ein Stadtteil wäre zerschnitten, ich erinnere nur an den Stadtteil Lüssum/Bockhorn! Ein Kinderspielplatz würde draufgehen, und man würde dann so locker den Kindern sagen, dann bekommt ihr auf der anderen Straßenseite halt einen neuen und vielleicht noch eine Fußgängerbrücke, ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

macht ja alles nichts. Das ist moderne Städtebaupolitik. Nein, das kann so nicht angehen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. K a s t e n d i e k [CDU])

Das ist keine Polemik! Diese Straße ist schlicht und einfach überflüssig, und es gibt bessere Alternativen!

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Sie ken- nen sich in Bremen-Nord ja nicht aus, weil Sie da keinen Abgeordneten haben!)

Wir haben sehr wohl genügend kompetente Leute in Bremen-Nord, das wissen Sie genau wie ich!

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Deshalb wur- den sie auch nicht in die Bürgerschaft ge- schickt!)

Herr Pflugradt, wenn Sie glauben, mit der B 74 auf Stimmenfang in Bremen-Nord gehen zu können, dann sage ich Ihnen: Machen Sie das mit einem umweltfreundlichen und umweltverträglichen Projekt! Sie waren, genauso wie Herr Liess, mit mir in Karlsruhe. Dort haben wir uns von einem umweltverträglichen, schnellen Verkehrsmittel, das sehr wohl in der Lage ist, motorisierten Individualverkehr umweltverträglich zu verlagern, nämlich auf die Schiene, überzeugen können. Setzen Sie sich dafür ein, dass es auf der Strecke der Farge-Vegesacker Eisenbahn eine moderne Regionalstadtbahn gibt! Damit schaffen Sie den Platz, den Sie für Ihre Wirtschaftsverkehre brauchen, entlasten die Umwelt und belasten sie nicht mit einem neuen Straßenbauprojekt, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. K a s t e n d i e k [CDU])

Herr Liess, ich wundere mich schon sehr – –. Ich möchte jetzt gern ungestört ausreden Herr Kastendiek, Sie können sich ja melden! Herr Liess, ich wundere mich schon sehr, dass Sie so einen Antrag unterschreiben. Ihr Antrag widerspricht vollkommen den Zielsetzungen des Bundesverkehrsministeriums, das nun endlich unter einer rotgrünen Bundesregierung auch ökologische Kriterien bei der Erarbeitung eines neuen Bundesverkehrswegeplans gelten lässt, das ist ein großer Fortschritt. Ich hoffe doch, dass auch Sie diese Zielsetzung des Bundesverkehrsministers unterstützen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Künftig sollen bei Straßenbauprojekten eben auch ökologische Kriterien, realistische Kosten-NutzenRechnungen in die Planungen eingehen. Darauf

hin werden alle zukünftigen Verkehrsprojekte genau überprüft werden, und da bin ich schon sehr gespannt, ob Ihre B 74 diesen Kriterien genügen wird. Ich glaube eher nicht, meine Damen und Herren!

Mir ist es völlig unverständlich, dass die SPD mit so einem Antrag den Zielen ihres eigenen Verkehrsministers Bodewig in den Rücken fällt, und von daher kann ich nur sagen, Herr Liess: Schade eigentlich, dass Sie da nicht Ihren Bundesverkehrsminister unterstützen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie, meine Damen und Herren von der großen Koalition, machen ganz im alten Stil weiter, obgleich es dringend geboten ist, in der Verkehrspolitik umzusteuern. Alle Bundesländer, nicht nur Bremen, müssen das. Wir geben bundesweit viel zu viel Geld für Straßenbau aus. Alle Anmeldungen für den Bundesverkehrswegeplan sind millionenfach überzeichnet, ich möchte dazu nur ein paar Zahlen nennen: Die Verkehrsprojekte, die Sie gefordert haben, reichen aus, um die Quote Bremens für die nächsten 85 Jahre aufzubrauchen. Mit diesen Zahlen werden Sie nur noch von den Bayern geschlagen, die Straßenprojekte angemeldet haben, die ihre Quote für die nächsten 100 Jahre aufbrauchen würden.

Meine Damen und Herren, Ziel einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik ist es, die millionenschweren Ausgaben für Straßenverkehrsprojekte zu minimieren, und Ihr Antrag für den Ausbau einer B 74, noch gar zu einer A 270, widerspricht allen ökologischen Zielsetzungen einer vernünftigen zukunftsweisenden Verkehrspolitik.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Daher sagen wir vom Bündnis 90/Die Grünen, wir finden es richtig, Bremen bekommt jährlich 20 Millionen DM aus diesem Bundestopf. Diese sind aber bereits für die nächsten acht Jahre für die verschiedenen Bauabschnitte der A 281 schon bei weitem ausgegeben. Diese Ausgaben, diese Finanzierung unterstützen wir, weil sie dazu dienen sollen, das Güterverkehrszentrum anzubinden und gleichzeitig den Stadtteil Neustadt von Straßen- und Lkw-Verkehren zu entlasten. Wir sind aber vehement dagegen, für eine überflüssige Straße, die schon jetzt nicht ausgelastet ist, wo es überhaupt nur 4000 Menschen gibt, die dort wohnen, 34,5 Millionen DM auszugeben. Das lehnen wir mit aller Vehemenz ab, und daher lehnen wir selbstverständlich auch Ihren Antrag zum Ausbau der B 74 ab. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält der Abgeordnete Pflugradt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Liess, trotz Ihrer Eingangsbemerkung will ich mit Genehmigung des Präsidenten einfach nur einen Presseartikel zitieren, damit deutlich wird, wie lange wir schon über dieses Thema hier diskutieren. Da heißt es in der Zeitung „Die Norddeutsche“: „Was war das am 30. April 1978 eine Freude! Zwischen Lesumer Heerstraße und Schafgegend wurde ein neues Teilstück der B 74 freigegeben, und nicht nur das! Gleichzeitig wurde aus Bonn mitgeteilt, dass überraschend nunmehr auch der Weiterbau vom Kreinsloger bis zur Fähre Farge finanziell abgesichert sei. 20 Millionen ständen dafür bereit, und angestrebt werde der Baubeginn für 1981.“ Veranschlagt für den Bau wurden gut drei Jahre. Euphorische Nachricht in der Tagespresse vom 1. Juni 1978: „So konnten die Kraftfahrer gestern mit der Gewissheit ins Gaspedal treten, schon ab 1984 vom Ihlpohler Kreisel bis nach Farge eine durchgehend vierspurige und kreuzungsfreie Schnellstraße vorzufinden.“

(Beifall bei der SPD – Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, Mottenkiste!)

Meine Damen und Herren, wir befinden uns nicht in Schilda!

(Abg. Frau W i e d e m e y e r [SPD]: Das war aber auch SPD, was Sie gerade vor- lesen!)

Ich wollte das gar nicht weiter kommentieren, ich wollte das einfach nur kommentarlos zitieren! Es spricht einfach für sich, das braucht man gar nicht weiter zu bewerten. Ich glaube, wir wissen gemeinsam, warum und weshalb das alles nicht so passiert ist. Wir wissen, dass 1990 die deutsche Einheit kam, dass es finanzielle Probleme, was den Verkehrshaushalt betrifft, gab, und dass inzwischen wir nicht mehr von einer kreuzungsfreien vierspurigen Straße sprechen können, sondern hier von einer normalen Straße reden. Ich glaube, dass diese B 74 notwendig ist, liebe Frau Krusche, und ich glaube nicht, dass sie ein Griff in die Mottenkiste ist. Was Sie hier ausgeführt haben, ist ein Griff in die Mottenkiste altgrüner Politik, altgrüner ideologischer Verkehrspolitik.