Protocol of the Session on February 21, 2001

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Erst die missglückte Plakataktion und jetzt auch die Ökosteuerkampagne, die sich irgendwie totläuft und versickert irgendwo zwischen Merkel und Merz!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. T ö p f e r [SPD]: Merz ist der Bauer, der das Rösslein abschlachtet!)

Ich würde Ihnen auch empfehlen, einmal die aktuellen Äußerungen der großen Verbände, zum Beispiel des Bundesverbandes für Güterverkehr und Logistik, sich einmal vor Augen zu führen, der ja jetzt ganz aktuell verkündet hat, alles in Butter, meine Damen und Herren, der Vorstand des BGL sieht überhaupt keine Veranlassung mehr, weitere Protestmaßnahmen vorzubereiten gegen die Ökosteuer. Weiterhin wird gesagt vom großen Spediteursverband, überhaupt sei die Forderung, die Ökosteuer kippen zu wollen, eigentlich von Anfang an nicht deren Absicht gewesen. Sie ist unrealistisch, weil sie nicht im Zentrum der Kritik steht, meine Damen und Herren. Fazit: Alle Scheindebatten, die Sie hier führen, gehen am Kern der wirklichen Probleme vorbei, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das meine ich jetzt ganz im Ernst! Sie sollten die realen Probleme, hauptsächlich der Fuhrunternehmen, die ja wirklich existieren, auf den Tisch bringen. Von daher ist vielleicht die Antwort auf die Große Anfrage nicht so schlecht, weil sie einen Einstieg geben kann in die Debatte um die wirklichen Probleme, um die wir uns kümmern sollen. Die wirklichen Probleme, auch das ist genannt worden, liegen in der Tat in der Beschäftigung von illegalen

Fuhrunternehmen, die immer mehr in Anspruch genommen werden, und sie liegen vor allen Dingen in dem Preisdumping, das praktiziert wird in der EU, aber auch außerhalb der EU, wo mit Billiglöhnen die totale Konkurrenz organisiert wird. Wie soll denn ein deutscher Fuhrunternehmer existieren, wenn ein Stundenlohn eines bulgarischen Fahrers bei rund 1,70 DM liegt, während die Tarife für einen deutschen Transport-Trucker sich zirka in der Höhe von 18 DM pro Stunde bewegen? Er kann gar nicht konkurrenzfähig sein, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dazu kommen die bekannten Probleme: gefälschte Lizenzen, keine Arbeitserlaubnisse, mangelnde Sicherheitsbestimmungen der Lkw. Alles das ist bekannt.

(Beifall bei der SPD)

Die ausufernden Lenkzeiten, die zu immer mehr Unfällen auf der Autobahn führen, meine Damen und Herren! Das ist das Problem, mit dem sich wirklich die Spediteure auseinandersetzen müssen. Das ist übrigens auch ein Problem der politischen Integration in Europa, und wenn die Osterweiterung Europas kommt, wird man auch dieses Problem zunehmend einer Lösung zuführen müssen, meine Damen und Herren. Wir kennen diese Problematik bereits aus der Seeschifffahrt, aus der ganzen Debatte um die Ausflaggung. Hier haben wir die gleichen Tendenzen gehabt, die wir jetzt erleben im Lkw- und Speditionsgewerbe.

Es ist ja auch nicht so, dass das Lkw- und Speditionsgewerbe irgendwie an Auftragsmangel leiden würde. So ist es ja nicht! Der Straßengüterverkehr hat eine hervorragende Auftragslage. Ich würde als Grüner vielleicht sagen, geradezu erschreckend gut. Die Wachstumsraten sind enorm, werden sich in den nächsten 20 Jahren geradezu verdoppeln. Wir wissen das alle, wir haben das oft genug diskutiert, die Umschlagszahlen in den Häfen, in den bremischen Häfen, aber auch in den anderen, sind ja geradezu boomend. Das heißt, die Auftragslage der Spediteure, die die Güter abfahren, ist ausgesprochen gut.

Herr Kastendiek, das muss ich Ihnen vorwerfen: Sie müssen, wenn Sie solche Debatten anzetteln, auch wirklich einmal vor Ort recherchieren. Vielleicht sollten Sie einmal Ihren Kollegen Neumeyer fragen. Er kennt sich in der Speditionsbranche vielleicht etwas besser aus. Da können Sie feststellen, dass die bremischen Spediteure zu 70 Prozent Seehafenspediteure sind, also reine Vermittler, Agenturen von Speditionsgeschäften, die durchaus profitieren von den boomenden Häfen. Von einer Krise in Bremen kann man wirklich nicht reden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Problem ist auch nicht, dass niemand mit dem Lkw transportieren will, das habe ich angedeutet, sondern das Problem ist, dass niemand diesen Transport ordentlich bezahlen will, meine Damen und Herren, und das vergessen Sie, wenn Sie immer auf die Ökosteuer einschlagen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das muss auch einmal gesagt werden: An diesem Preisdumping verdienen auch führende Großspediteure in Deutschland.

(Abg. Manfred O p p e r m a n n [SPD]: Genau!)

Dazu muss man sagen, dass diese führenden Großspediteure in den Vorstandsetagen der Lobby-Verbände, der Speditionsverbände sitzen. Diese Verbände kritisieren natürlich lieber die Ökosteuer als ihre eigene Preisdumpingpolitik.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Zuruf des Abg. Manfred O p p e r m a n n [SPD])

Sie von der CDU sollten wirklich dieses Spiel nicht mitmachen, diese Ökosteuer sozusagen als Sündenbock hinzustellen für das eigentliche Problem, dem Preisdumping in der Europäischen Union. Wer die Ursachen so wie Sie, Herr Kastendiek, verschweigt, der kann sich naturgemäß auch nicht an der Lösung dieser Probleme beteiligen. Sie tun damit sich selbst, aber auch den Spediteuren in Bremen und bundesweit überhaupt keinen Gefallen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es ist ja auch bezeichnend, dass Sie fast mit keinem Wort auf die Antwort des Senats eingegangen sind. Sie haben die Zahlen zitiert, die von den Lobby-Verbänden vorgelegt worden sind, zu denen man wirklich eine Skepsis haben muss, wenn man weiß, wer in den Vorständen sitzt. Ich selbst bin froh, dass die Antwort des Senats wirklich klar, deutlich, aber auch sehr zurückhaltend auf die suggestiven Fragen der CDU ausgefallen ist, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Dann will ich Ihnen einmal die Antwort des Senats sozusagen abnehmen. Der Senat nennt sehr wohl die realen Probleme des Preisdumpings. Die Antwort des Senats sagt auch, dass die Ökosteuer nur einen geringen Anteil der Mineralölsteuer überhaupt hat, dass sie keinen Einfluss hat auf die Wett

bewerbssituation des Speditionsgewerbes, weil sie nur 18 Pfennige beträgt auf 74 Pfennige Mineralölsteuer pro Liter. Die Spritpreise im Ländervergleich haben Sie auch nicht zitiert. Auch nach Subventionierungen in den europäischen Ländern für Dieselkraftstoff liegt Deutschland immer noch am unteren Ende der Tabelle, was Dieselkraftstoffpreise an den Tankstellen angeht, meine Damen und Herren. Das ist also kein Beleg für die Belastung der Ökosteuer in diesem Bereich.

Ich bin dem Senat auch dankbar, dass er dies sehr zurückhaltend kommentiert und sagt, für weitere Belastungen gibt es keine Belege. Die Antwort des Senats nennt eben auch nicht nur die Belastung – es ist ja bezeichnend, dass Sie nur von Belastungen sprechen durch die Ökosteuer –, sondern sie nennt eben auch die Entlastung, die durch die Einführung der Ökosteuer zu verzeichnen ist, meine Damen und Herren. Das finde ich auch richtig so!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Man darf natürlich nicht vergessen, dass der Senator für Häfen und Wirtschaft auch eine politische Funktion hat, und das heißt für die Verkehrspolitik, dass er auch politische Äußerungen macht und sehr wohl akzeptiert, dass die Ökosteuer eine politische Lenkungsfunktion hat und dass es nicht angehen kann, dass man nur einseitig auf das Lkw-Gewerbe schielt, sondern dass es gerade notwendig ist, auch für die bremischen Häfen und das Bundesland Bremen die Wasserstraßen und die Schiene in den Vordergrund der Verkehrspolitik zu rücken. Diese müssen gefördert und unterstützt werden, und nicht nur das Lkw-Gewerbe!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wenn Sie einmal wirklich mit den Bremer Spediteuren reden würden, würden Sie wissen, was die Probleme sind hier vor Ort. Was wir brauchen, ist in erster Linie eine Harmonisierung der Sozialstandards auf hohem Niveau und nicht auf unterem Niveau, meine Damen und Herren. Was wir vor allen Dingen brauchen, sind stärkere Kontrollen auf den Autobahnen, was Sicherheitsbestimmungen der Lkw, Lenkzeiten und so weiter angeht. Hier könnte sofort und aktuell eine weitere Entlastung für die deutschen Spediteure erfolgen. Der Bundesverband für Güterverkehr und Logistik hat festgestellt, dass der Gesetzentwurf durch die Bundesregierung vorgelegt worden ist, um weitere Maßnahmen zu ergreifen, das Sozialdumping zu bekämpfen, zu unterstützen, positiv und konstruktiv aufzugreifen und zu begleiten, und er hat gesagt, das sei eine positive Maßnahme, die die Bundesregierung hier ergriffen hat,

so dass für weitere Protestaktionen eigentlich gar kein Grund mehr besteht, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Auch das Bundesland Bremen könnte einen Beitrag dazu leisten, wenn die Innenbehörde die Polizei anweisen würde, wirklich auf den Autobahnen schärfere Kontrollen bei den Lkw durchzuführen. Das würde den Spediteuren in Bremen sehr viel mehr nützen als Ihre nutzlose und sinnlose Ökosteuerkampagne. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Schramm, es macht schon immer Spaß, Ihnen zuzuhören, weil es manchmal auch sehr abenteuerlich ist, wie Sie Ihre Argumentation führen. Was natürlich nicht geht, und da müssen Sie irgendwann konsequent sein: Auf der einen Seite, am Anfang Ihrer Ausführung, die Interessenverbände als Kronzeuge Ihrer Argumentation herhalten zu lassen und am Ende Ihrer Ausführung diese Lobby-Verbände zu kritisieren, meine Damen und Herren. Das ist unglaubwürdig und nicht besonders konsequent in der eigenen Argumentation.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. S c h r a m m [Bündnis 90/Die Grünen])

Aber, Herr Schramm, das ist ja nichts Neues. Es hätte mich aber nun einmal interessiert, wenn Sie zum Thema gekommen wären. Sie haben alles andere angerissen, mit dem sich die Transportunternehmen in diesem Lande auseinander zu setzen haben, und es ist auch völlig unumstritten, dass da noch weitere Probleme existieren. Das wird von niemandem bestritten. Das habe ich hier in meinen Ausführungen auch nicht gesagt. Aber wir haben hier einen ganz besonderen Punkt, der politisch motiviert ist, politisch motiviert durch Rotgrün.

Man könnte ja, wenn man sehr wohlwollend sein will, sagen, okay, wenn ihr auf der einen Seite belastet, und das tut die rotgrüne Bundesregierung, und ihr auf der anderen Seite dafür sorgt in der EU, dass harmonisiert wird, meine Damen und Herren, das ist in Ordnung. Aber Sie tun es ja leider nicht! Sie vertrösten die Transportunternehmen, das Lkw-Gewerbe auf das Jahr 2003, wohl wissend, dass viele Betriebe da nicht mehr existieren, und dann, wenn es zu Entscheidungen kommt wie der Ecofin-Rat jetzt ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

im Januar, ziehen Sie den Schwanz ein und lassen Ihren Widerstand gegen Vergünstigungen bei der Mineralölsteuer fallen. Meine Damen und Herren, auch das ist überhaupt nicht glaubwürdig!

(Abg. T ö p f e r [SPD]: Frau Merkel konnte ja nichts einziehen!)

Ja, das war jetzt besonders qualifiziert, Herr Kollege! Das können Sie einmal mit den Frauen in Ihrer Fraktion ausdiskutieren!

Herr Oppermann hat ja gewisse Punkte genannt, die die Ökosteuer qualifizieren. Erst einmal hätten Sie dann mit einem Geheimnis aufräumen können beziehungsweise ein Geheimnis lüften können. Was macht denn die Ökosteuer besonders ökologisch? Wo fördert sie denn ökologisches Verhalten in diesem Bereich? Mitnichten tut sie das! Sie belastet alle gleich, sie ist reine Abzockerei, und Ökologie wird an dieser Stelle überhaupt nicht gefördert.

Herr Oppermann, Sie haben von einer neuen Verkehrspolitik gesprochen. Wie kann denn diese neue Verkehrspolitik aussehen? Auch hierzu haben Sie nichts gesagt! Mir fällt da spontan mit meinem aus Ihrer Sicht sicherlich nicht besonders weitsichtigen Denken ein, man fördert die Bahn, man fördert die Binnenschifffahrt. Und was machen Sie in Bonn? Nichts machen Sie an dieser Stelle! Wir haben es doch letztes Mal hier in der Bürgerschaft debattiert, was Sie in der Bahnpolitik machen. Sie veranstalten Chaos und reißen die Bahn mit Ihrem Nichtstun weiter in die Grütze an der Stelle!

Sie haben als nächsten Punkt von einer neuen Technologiepolitik gesprochen. Wie sieht denn diese neue Technologiepolitik im Zusammenhang mit Ökosteuer aus? Da kommen wir auf das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, weil Sie auch auf ganzer Bandbreite die Ökosteuer mit Haushaltsbelastung und -entlastung hier skizziert haben. Eine Stütze der Ökosteuer und Ihrer neuen Energiepolitik! Da finden wir nichts von Anreiz für neue Technologieformen wie zum Beispiel Brennstoffzellentechnik. Kein einziges Wort! Im Gegenteil: Sie schützen durch dieses neue KWK-Vorschaltgesetz Altanlagen, es gibt keine ökologischen Kriterien, nämlich was den CO2-Ausstoß angeht. Sie steigern im Gegenteil den Strompreis ins Unermessliche, weil die Wärme, die dort festgeschrieben wird, vom Markt nicht abgenommen werden kann. Auch das ist ein Beleg dafür, dass das hier Phrasen und leere Worthülsen sind und auch das nichts mit Ökologie zu tun hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Die Situation im deutschen Güterkraftverkehrsgewerbe ist mehr als desolat. Das ist das Zitat von Herrn Gräber im November des vergangenen Jahres zu der Situation. Hier spielen, ich kann mich da nur

wiederholen, verschiedene Aspekte eine Rolle. Sie sorgen leider auf der einen Seite nicht dafür, dass harmonisiert und entlastet wird, dass in der Europäischen Union mit gleichen Waffen gekämpft werden kann, sondern Sie sorgen auf der anderen Seite dafür, dass die Unternehmen in der Bundesrepublik weiter belastet werden. Das ist Ihre Verantwortung, und damit sind Sie auch verantwortlich für den Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen in dieser Republik. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Hattig.