Protocol of the Session on February 21, 2001

Die Betrachtung, meine Damen und Herren, der Gesamtbelastung von Transportunternehmen, die in den einzelnen Ländern herrscht, macht die dramatische Situation für die deutschen Transportunternehmen deutlich. Da amtliche Aufzeichnungen bewusst oder unbewusst in Berlin nicht erstellt werden, müssen nichtamtliche Vergleiche herhalten. Zahlen vom Bundesverband Spedition und Logistik für einen 40Tonnen-Lastzug mit einer jährlichen Fahrleistung von 135 000 Kilometern: Ein deutsches Fahrzeug hat Gesamtkosten bestehend aus Mineral-, Öko-, Autobahngebühr und Kfz-Steuer von 43 427 DM, ein niederländisches Fahrzeug von 28 974 DM, ein französisches oder belgisches Fahrzeug von ungefähr 30 800 DM. Das sind Unterschiede von über 30 Prozent.

Die Zahlen belegen, wie ungleich die Wettbewerbsbedingungen durch Rotgrün in Europa geworden sind. Zahlreiche Betriebe können diesen ungleichen Wettbewerb nicht gewinnen. Zahlreiche Betriebe und Tausende von Arbeitsplätzen, meine Damen und Herren, sind in ihrer Existenz gefährdet. Mit den jetzt verlängerten AfA-Abschreibungstabellen, die längere Abschreibungszeiträume vorsehen, trägt Minister Eichel, trotz massiver Proteste, seinen Teil zum Exitus beziehungsweise zum Abwandern zahlreicher Betriebe bei. Rotgrün lässt grüßen!

Meine Damen und Herren, Bremen leidet unter dieser Situation besonders,

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Das stimmt doch nicht!)

denn nicht nur die Unternehmen des Transportgewerbes müssen die Last falscher Wirtschafts- und Verkehrspolitik tragen. Die in Bremen ansässigen Hafenbetriebe sind ebenfalls Opfer im Wettbewerb mit den belgischen und niederländischen Häfen der Nordrange. Die Antwort des Senats auf die Kleine

Anfrage der CDU-Fraktion „Belastung der Hafenverkehrswirtschaft in Bremen durch die Ökosteuer“ von Anfang des vergangenen Jahres zeigt Mehrkosten für die Betriebe in Millionenhöhe auf. Das kann vor dem Hintergrund der Anstrengung Bremens, die Strukturen und Rahmenbedingung für die Unternehmen in Bremen nachhaltig zu verbessern, nur als kontraproduktiv gewertet werden. Ein Gewinner von rotgrün in Berlin ist das Bundesland leider nicht.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie es mich zusammenfassen! Die Ökosteuer hat mit Öko nichts zu tun, weil diejenigen, die viel verbrauchen, durch zahlreiche Ausnahmetatbestände geschützt und das, was eingenommen wird, nicht für Öko oder Umwelt genommen wird. Die Ökosteuer ist ungerecht, weil sie zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen in Europa führt und die Versprechungen der Schröder-Bundesregierung gegenüber dem Transportgewerbe nicht eingehalten werden. Die Ökosteuer ist auch ungerecht, weil durch Willkürfestlegung das eine Gewerbe belastet wird und das andere nicht. Die Ökosteuer ist mittelstandsfeindlich, denn sie trifft insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen.

(Beifall bei der CDU)

Die Ökosteuer ist primär ein Abkassieren der Bürgerinnen und Bürger, denn die Hälfte der Einnahmen geht am Ende nicht in die Rentenkasse, sondern versickert im allgemeinen Haushalt. Die Ökosteuer ist da nicht einmal eine Rentensteuer.

Meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen, sorgen Sie dafür, dass in Berlin die Ökosteuer ausgesetzt wird! Schaffen Sie für das Transportgewerbe Rahmenbedingungen, die zu gleichen Wettbewerbsbedingungen führen und nicht eine ganze Branche in den Ruin führen!

(Beifall bei der CDU)

Kommen Sie zu einer Politik, die den Wirtschaftsstandort Deutschland stärkt und nicht weiter belastet! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Manfred Oppermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kastendiek, gleich zu Anfang: Wir werden die Ökosteuer nicht abschaffen, weil wir sie für ökologisch vernünftig halten, und werden durch diese Steuer auch dafür ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

sorgen, dass die Lohnnebenkosten in Stufen gesenkt werden. Davon profitiert auch der Mittelstand, davon profitieren auch der Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerin, insofern ist die Ökosteuer eine vernünftige, zukunftsweisende politische Entscheidung gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist schon paradox, dass wir Sozialdemokraten als Koalitionspartner der hiesigen Union in Bremen das Thema Ökosteuer mit den hier im Parlament in der Opposition befindlichen Grünen verteidigen müssen und wollen, weil wir von dieser Steuer, ich sagte es eingangs schon, sehr überzeugt sind. Zum wiederholten Mal versuchen Sie, die Union, das Thema Ökosteuer, jeweils mit einem anderen Etikett behaftet, hier in diesem Hause in Erinnerung zu rufen. Dadurch werden Ihre Argumente auch nicht besser!

(Beifall bei der SPD)

Falls Ihnen einmal ein Thema ausgehen sollte, wie wäre es denn beim nächsten Mal mit der Überschrift „Belastung der Häuslebauer mit Benzinrasenmäher durch die Ökosteuer“? Doch nun zur Sache!

(Abg. T ö p f e r [SPD]: Gib ihnen doch nicht solche tollen Tipps!)

Hin und wieder muss man einmal helfen, wenn denen die Sachargumente ausgehen!

Die ökologische Steuerreform der rotgrünen Bundesregierung ist der richtige Weg, weil sie, wie ich schon erwähnte, die Lohnnebenkosten nicht nur senkt, sondern auch auf Dauer niedrig hält. Durch die jeweiligen Stufen der Ökosteuer werden die Rentenversicherungsbeiträge bis 2003 um insgesamt 1,8 Prozentpunkte gesenkt. Sie ist alternativlos. Sie ist deshalb alternativlos, weil es sich bei der neuen ökologischen Herausforderung um das handelt, was man eigentlich nur mit den Worten „ökologischer Strukturwandel“ bezeichnen kann. Es geht unter anderem um eine neue Energiepolitik, um eine neue Verkehrspolitik, aber auch um eine neue Technologiepolitik.

Seit Einführung der Ökosteuer verzeichnen wir in zunehmender Weise positive Entwicklungen hinsichtlich Energieeffizienz im Gebäudebereich, Altbauten werden energiesparend saniert, in der Automobilindustrie werden mittlerweile die Drei-LiterAutos angeboten. Noch einmal, was die Belastung angeht: Der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch von Pkw hat sich in knapp 20 Jahren um rund drei Liter verringert und liegt jetzt bei sieben Litern, von erneuerbaren Energiequellen ganz zu schweigen! Auf diesem Gebiet ist die Bundesrepublik Deutschland führend!

Das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsinstitut hat wiederholt Stellung zur Ökosteuer genommen und festgehalten, dass ein Verzicht auf diese Steuer Hunderttausende von neuen Arbeitsplätzen kosten könnte, wenn die Lohnnebenkosten erneut steigen würden. Die Senkung der Kosten Arbeit durch die Ökosteuer kann nach deren Berechnung bis zum Jahr 2005 die Entstehung von rund 450 000 Arbeitsplätzen bewirken. Andere wirtschaftswissenschaftliche Institute, aber auch andere Ökonomen in der Bundesrepublik raten ebenfalls zur Beibehaltung der Ökosteuer.

Was macht die CDU? Wie Don Quichotte gegen die Windmühlen kämpft die Union verbissen mit Rezepten von gestern dagegen. Da sage ich nur, reiner Populismus, das ist Leute verdummen!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist ermittelt worden, dass durch die Ökosteuer die Belastung für eine Durchschnittsfamilie unter Berücksichtigung der gesenkten Rentenversicherungsbeiträge, die Kosten für Sprit, Strom und Mehrwertsteuer, im Jahre 2001 lediglich 1,52 DM monatlich beträgt. Wahrlich keine große Belastung für die Mehrheit der Bundesbürger!

Doch nun zu der Belastung des Speditionsgewerbes in Bremen! Die Frage, inwieweit das Gewerbe belastet wird, kann man nicht nur isoliert auf die Stadt, auf das Land Bremen betrachtet sehen, sondern dies ist eine bundesweite Angelegenheit. Gerade am vergangenen Donnerstag wurde im Deutschen Bundestag zu diesem Thema gesprochen. Die Union und auch die FDP hatten entsprechende Anträge eingebracht, die aber mit der Mehrheit des Hauses wohlweislich abgelehnt wurden. In der Tat, da gebe ich dem Senat Recht, und es ist politisch auch so gewollt, ist nach Einführung der ökologischen Steuerreform der Tankstellenpreis des Diesels angestiegen, und im Vergleich liegt Deutschland zu den genannten Staaten Niederlande, Frankreich, Italien und Belgien im Mittelfeld. Also beileibe nicht das, was hier eben von Herrn Kastendiek aufgezeigt wurde!

Bei dieser Gelegenheit möchte ich aber noch einmal ganz deutlich daran erinnern, und, Herr Kastendiek, Sie hatten es eben gesagt, dass die rotgrüne Regierung jetzt durch die Ökosteuer 30 Pfennig Steueranhebung vorgenommen hat, ich möchte einmal das in Erinnerung rufen, was die Kohl-Regierung zwischen 1989 und 1994 gemacht hat. Sie hat vier Mal die Mineralölsteuer angehoben, und zwar auf insgesamt 50 Pfennig für unverbleites Benzin und 55 Pfennig für verbleites Benzin, deren Erhöhung im Wesentlichen zum Stopfen der Haushaltslöcher verwendet wurde. Die Ökosteuer hingegen dient zur Senkung der Lohnnebenkosten und somit zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Auch das Transportgewerbe, das will ich hier nicht unerwähnt lassen, profi

tiert also von der Ökosteuer, nämlich durch die Absenkung der Lohnnebenkosten.

(Beifall bei der SPD)

Die eigentliche Misere, warum das Transportgewerbe leidet, ist nicht die Ökosteuer, sondern der eigentliche Grund ist der ruinöse Wettbewerb, auch hervorgerufen durch Liberalisierung auf dem Markt, der massenhafte Einsatz illegaler Unternehmen, die nicht einmal über EU-Lizenzen verfügen. Nach vorliegenden Schätzungen des Bundesverbandes finden etwa zehn bis 15 Prozent der in Deutschland durchgeführten Transporte schlichtweg auf illegaler Basis statt, deren einziger Zweck am Markt- und Preisdumping liegt, was gut geführten Unternehmen die Vereinbarung kostendeckender Entgelte unmöglich macht, ferner die graue und die illegale Kabotage sowie der drastisch gestiegene Ölpreis, verursacht durch Verknappung des Rohöls und den hohen Dollarkurs! Auf die beiden letzteren Punkte haben wir Europäer schon gar keinen Einfluss.

Der hier schon zitierte Bundesverband Güterkraftverkehr, kurz BGL, hat erkannt, dass nicht die Ökosteuer das eigentliche Problem ist, sondern ganz andere Ursachen das Problem darstellen. Der BGL hat deshalb seine Schwerpunktarbeit entsprechend ausgerichtet, nämlich in Maßnahmen zur Beseitigung derartiger illegaler Marktpraktiken sowie gegen Vergünstigungen im EU-Ausland wie zum Beispiel die Erstattung der Mineralölsteuer. Gerade das Letztere war Thema auf der Ministerratskonferenz im Dezember letzten Jahres, wo die Mehrheit des Ministerrates sich gegen die Steuersubventionen auf dem Mineralölsektor in den genannten Ländern Italien, Frankreich und Holland gewandt hat.

Der Präsident des BGL betonte nach einem Gespräch mit Kanzleramtsminister Steinmeyer, dass die Bundesregierung auf beiden Gebieten bereits einige Maßnahmen eingeleitet habe. Dazu gehöre die vom Kabinett verabschiedete Gesetzesänderung zum Güterkraftverkehrsgesetz, die drastische Sanktionen gegen graue und illegale Kabotage sowie gegen illegale Wettbewerber vorsehe. Laut Gräber, dem Präsidenten des BGL, handelt es sich hierbei nicht um einen Papiertiger, sondern im Gegenteil, jetzt werden auch die Auftraggeber, das finde ich insbesondere vernünftig, dass auch die, die dafür sorgen, dass Unternehmer hierzu quasi gezwungen werden, mit in die Pflicht genommen.

Weiter hat der Kanzleramtschef dem BGL zugesichert, dass die Bundesregierung mit Einführung einer kilometerabhängigen Straßenbenutzungsgebühr im Jahre 2003 einen größtmöglichen Harmonisierungsschritt im Rahmen der EU-Rechtssetzung verbinden werde. Auch bemüht sich die Bundesregierung mit einer Arbeitsgruppe auf Abteilungsleiterebene in den Ministerien, weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Wettbewerbslage zu prüfen. Herr

Gräber, der Präsident, sagt weiter, und ich darf mit Genehmigung des Präsidenten zitieren: „Insoweit kann konstatiert werden, dass die zentralen Anliegen des deutschen Verkehrsgewerbes durch die Bundesregierung aufgenommen und auf gutem Wege sind.“ Sie sehen also, Lob und Anerkennung von höchster Stelle des Verkehrsgewerbes! Die Bundesregierung ist auf dem richtigen Weg, um dem Transportgewerbe zu helfen.

Meine Damen und Herren, das Fazit der SPD lautet: Die ökologische Steuerreform ist und bleibt ein zentrales Instrument zur Modernisierung unserer Volkswirtschaft, zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen und vor allen Dingen zur Verringerung unserer Abhängigkeit vom Erdöl. Eine Abschaffung der Ökosteuer wäre unverantwortlich und geradezu falsch.

Zum Abschluss möchte ich noch Aussagen der beiden amtierenden CDU-Leitfiguren, wobei man sich über die Schreibweise noch verständigen müsste, Frau Merkel und Herr Merz wiedergeben. Mit Genehmigung des Präsidenten zitiere ich Angela Merkel, Umweltministerin in der Kohl-Regierung Ende Oktober 1997, Zitat aus der „Thüringer Allgemeinen“: „Bundesumweltministerin Angela Merkel hält eine jährliche Anhebung der Mineralölsteuer von etwa fünf Pfennig für angemessen und trat auf dem umweltpolitischen Forum der Thüringer CDU ‚Bewahrung der Schöpfung, Chancen und Grenzen der ökologischen Steuerreform‘ für eine Besteuerung des Energieverbrauchs mit Augenmaß ein, damit eine Entlastung des Faktors Arbeit eintritt.“

Was sagte Herr Merz, der amtierende Fraktionsvorsitzende der Union, im November 1998? „Durch die Ökosteuer sollten Steuern erzielt werden, um auf der anderen Seite Sozialabgaben zu reduzieren. Über ein solches Konzept kann man reden.“ Sie haben ja beide so Recht, die Frau Merkel und der Herr Merz,

(Glocke)

aber sie stehen leider nicht mehr zu ihrem Wort. Adenauer gilt also weiterhin für die CDU: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Schramm.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist eine Große Anfrage allein der CDU-Fraktion, und ich denke, das ist auch ein durchsichtiges Manöver, warum das so ist. Die CDU will auf dem Boden der berechtigten Proteste von Fuhrunternehmen und Spediteuren na––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

türlich nur politisches Kapital schlagen für ihre politische Ökosteuerkampagne, meine Damen und Herren!

(Abg. M ü t z e l b u r g [Bündnis 90/Die Grünen]: Wo ist die denn?)

Sie hoffen eigentlich auf weitere Proteste der Unternehmen und hoffen auch auf Blockaden der Fuhrunternehmen. Da will ich sagen: Demos sind natürlich legitim, wenn sie auf die berechtigten Probleme hinweisen, und warum sollen nicht auch einmal Unternehmer Demos machen und demonstrieren, meine Damen und Herren, dafür haben sie unsere volle Sympathie!

Aber ich muss Ihnen doch noch ganz kurz ins Stammbuch schreiben, dass Sie irgendwie Pech mit Ihren Kampagnen haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)