Wie viele Debatten und wie viele Jahre braucht es denn noch, bis der Senat seinen wohlklingenden Worten hier endlich Taten folgen lässt?
Über die Erstellung eines Konzepts hinaus fordern wir, dass endlich Maßnahmen, die bereits konzipiert sind, durchgeführt beziehungsweise unterstützt werden. Das ist zum einen das Wegweisungsrecht, das im neuen Polizeigesetz verankert werden muss. Die
ses Wegweisungsrecht ist notwendig, um der Polizei sofort die Möglichkeit zu geben, den Täter für mehrere Tage aus der Wohnung zu verweisen.
Das Wegweisungsrecht ist aber nur ein erster Schritt. Es ist darüber hinaus notwendig, dass auf Bundesebene ein Gewaltschutzgesetz erlassen wird,
in dem zum Beispiel die Wohnungszuweisung erleichtert oder den Gerichten die Möglichkeit gegeben wird, Näherungs- und Kontaktverbote zu erlassen. In Ihrem Bericht weisen Sie ja darauf hin, dass diese Diskussion geführt wird und es bereits einen ersten Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz gibt. Sie haben leider aus dem Bericht den ursprünglich enthaltenen Satz „Der Senat wird diese Vorschläge weiterhin unterstützen“ gestrichen. Das finde ich sehr bedauerlich! Aber Sie erhalten ja jetzt eine weitere Chance zu zeigen, wie Sie zu diesen Vorschlägen auf Bundesebene stehen.
Sie sehen, es gibt noch eine Menge Bedarf an Klärung und Konkretisierung, bis aus diesem Bericht ein Konzept wird. Wir hoffen, dass Sie nicht bei diesem Stückwerk stehen bleiben! Wir bitten Sie deshalb, unseren Dringlichkeitsantrag zu unterstützen! — Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Während wir heute das Thema häusliche Beziehungsgewalt debattieren, zieht die Uno-Vollversammlung in New York, fünf Jahre nach der Weltfrauenkonferenz in Peking, Bilanz. In New York versucht eine Gruppe konservativer islamischer und katholisch geprägter Staaten, von Algerien, dem Sudan, dem Iran bis zu Nicaragua oder sogar Kuba, die Abschlusserklärung zu blockieren, welche Passagen zu den sexuellen Rechten und der sexuellen Erziehung von Frauen enthält.
Erneut versuchen diese Staaten, die Tatsache in Zweifel zu ziehen, dass Gewalt gegen Frauen eine Menschenrechtsverletzung ist. Demgegenüber hat gerade eine UNICEF-Studie festgestellt, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen die weltweit am meisten verbreitete Menschenrechtsverletzung sei.
Meine Damen und Herren, die Debatte, die wir auf Initiative der SPD und der CDU bereits im Januar in diesem Haus zum Thema Schutz vor häuslicher Gewalt geführt haben, hat zu meiner Erleichterung sehr deutlich gemacht, dass wir uns über die Fraktionsgrenzen hinweg darin einig sind, dass Gewalt gegen Frauen und Kinder, gerade auch in privaten Beziehungen, eine fundamentale Menschenrechtsverletzung ist. Diese kann nur unter der Voraussetzung wirkungsvoll bekämpft werden, dass die Gesellschaft nicht länger das Verhalten der Täter tabuisiert oder bagatellisiert, sondern entschieden ächtet.
In diesem Zusammenhang noch einmal Dank an Bürgermeister Dr. Henning Scherf, der sich für die Plakatkampagne im Rahmen der EU-Aktion gegen Gewalt an Frauen zu Verfügung gestellt hat! Ich finde es nach wie vor gut und richtig, dass er dies getan hat! Es hat ein Signal gesetzt und sich an viele Männer gerichtet, sich vielleicht intensiver mit diesem Thema auseinander zu setzen.
Weiterhin noch der Dank an Frau Hauffe für die Entwicklung der Sonderbriefmarke zum Thema „Schutz vor Gewalt“!
Die Fraktionen der SPD und der CDU hatten am 16. Dezember 1999 einen Antrag in den Landtag eingebracht, der dann am 27. Januar 2000 verabschiedet wurde. Hierin wurde der Senat aufgefordert, sein in der Koalitionsvereinbarung für die laufende Legislaturperiode angekündigtes ressortübergreifendes Präventionskonzept gegen häusliche Gewalt bis zum 31. März dem Parlament vorzulegen. Bei der Erarbeitung des Konzeptes sollte die Beteiligung relevanter Verbände, Initiativen und Organisationen sichergestellt werden. Gleichzeitig haben wir als Gesamtparlament die Forderung erhoben, dass das Wegweisungsrecht und Rückkehrverbot für häusliche Gewalttäter nach Möglichkeit in der Novelle des Polizeigesetzes zu verankern ist.
Dieser Bericht des Senats liegt uns seit dem 10. April vor. Er heißt tatsächlich „Bericht der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe“. Er hat nicht die Überschrift „Präventionskonzept“! Insofern haben die Grünen mit ihrem Antrag schon einen kritischen Punkt getroffen. Es ist aber so, dass wir als SPD-Fraktion den Eindruck gewonnen haben, dass die von uns öffentlich gestartete Initiative, die wir bereits im November 1999 angekündigt haben, schon einiges in den beteiligten Senatsressorts sowie auch im Ge
samtsenat in Gang gesetzt hat. So wurde die ressortübergreifende Arbeitsgruppe bereits am 23. November 1999, also schon vor unserem Parlamentsbeschluss, eingesetzt. Das wünschen wir uns auch bei anderen Themen, dass der Senat so schnell reagiert.
Die vorgelegte Mitteilung des Senats trägt die Überschrift „Bericht“ und nicht „Konzept“, und ich meine, zu Recht! Der Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen kritisiert dies und spricht von einer Auflistung bereits stattfindender Maßnahmen, die in keinem Bezug zum Thema häusliche Gewalt stehen. Diese Kritik halte ich für überzogen! So weit gehen wir seitens der SPD-Fraktion nicht, aber auch wir sind der Auffassung, dass der Bericht in einigen Fällen erst Ankündigungen der Ressorts enthält, deren Umsetzung wir weiter begleiten müssen und wollen.
Einer Senatsvorlage vom 18. April habe ich entnommen, dass der Senat sich in jährlichen Abständen erneut zum Thema berichten lassen wird. Die SPD-Fraktion fordert ebenfalls, das Parlament über diesen Bericht zu informieren, um in zirka einem Jahr einen Bericht über die zahlreichen angekündigten Maßnahmen zu erhalten. Diese Forderung bezieht sich insbesondere auf die zahlreichen angekündigten Veränderungen in den Curricula für Fortbildungsprogramme der verschiedenen Berufsgruppen. Das betrifft nicht nur den Polizeibereich, sondern ist auch angekündigt für die Krankenhäuser und Kindergärten, wo dies, meine ich, schon am konkretesten ist. Für die Schulen sind auch zahlreiche Maßnahmen angekündigt.
Insoweit fände ich es gut, wenn wir dies als Parlament insgesamt begleiten. Es ist aber so, dass dieses Plenum sicherlich mit den Detailfragen überfordert ist. Darum sind wir auch als SPD-Fraktion für die Überweisung des Antrags der Grünen an den Parlamentsausschuss für die Gleichberechtigung der Frau. Dort können wir dann die einzelnen Senatsressorts noch einmal konkret hören, wie weit sie in ihren Bemühungen vorangeschritten sind.
Zum Schluss möchte ich auf die Novelle des Polizeigesetzes eingehen. Es war ja auch ein Bestandteil des Parlamentsbeschlusses vom Januar, dass der Senat von uns gebeten worden ist zu prüfen, wie weit das Wegweisungsrecht und Rückkehrverbot für die häuslichen Gewalttäter in der Novelle des Bremischen Polizeigesetzes verankert werden können. Inzwischen haben uns Vorentwürfe, Referentenentwürfe für dieses Bremische Polizeigesetz erreicht, die diese Regelung nicht enthalten. Da kommt seitens der SPD-Fraktion deutliche Kritik! Wir erwarten, dass sich in dieser Richtung noch etwas tut!
Es hat sich ein neuer Aspekt ergeben. Seit unserer letzten Parlamentsdebatte liegt der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zum Gewaltschutzgesetz vor, der die zivilrechtlichen Grundlagen schaffen wird, um dieses Wegweisungsrecht auch breiter zu verankern, damit es bundesweit verwirklicht werden kann. Im Zivilrecht sind Änderungen des BGB und auch der Zivilprozessordnung geplant, um eine erleichterte Zuweisung der Wohnung an die Frau beziehungsweise Frau mit Kindern zu ermöglichen.
Das sind alles wichtige Voraussetzungen, ich meine aber trotzdem, dass wir in Bremen nicht so lange warten sollten, bis dieses gute Bundesgesetz endlich in Kraft tritt, sondern es wäre an uns als Bremerinnen und Bremer, eine Initiative zu starten und zum Beispiel in den Bundesrat einzubringen, wie in den Polizeigesetzen der Länder dieses Anliegen unterstützt werden kann.
Zum Schluss möchte ich noch einmal an Innensenator Schulte appellieren, dies auch im Polizeigesetzentwurf zu berücksichtigen. Ich zitiere die Quelle zwar ungern, aber mir wurde eben ein Ausschnitt aus der „Bild“-Zeitung von heute gegeben, die ich normalerweise nicht mit den Fingern anfasse. Dort ist ein Bericht aus Baden-Württemberg erwähnt von Ihrem Kollegen, dem Innenminister Thomas Schäuble von der CDU. In dem Artikel wird heute angekündigt, er werde den brutalen Männern die rote Karte zeigen und einen Modellversuch starten, wie diese prügelnden Knaben von der Polizei aus der Wohnung geschickt werden können.
Von Schäuble lernen heißt siegen lernen, danke schön, Frau Hövelmann, für die Unterstützung! In diesem Fall ist es korrekt!
Zum Schluss: Wir möchten den Antrag der Grünen gern an den Ausschuss für die Gleichberechtigung der Frau überweisen und bitten um Ihre Zustimmung!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein Ausdruck der Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen. Die Staatsanwaltschaft in Bremen hat 1999 zirka 800 Fälle von häuslicher Beziehungsgewalt bearbeitet. Diese 800 Fälle sind jedoch nur ein kleiner Anteil, ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
wenn man bedenkt, dass gerade hier die Dunkelziffer sehr hoch ist. Wie ich im Januar schon gesagt habe, betrifft die häusliche Beziehungsgewalt alle gesellschaftlichen Schichten. Kinder erfahren dadurch schon oft sehr früh — Frauen lassen sich schlagen, Männer sind die Sieger —, dass Gewalt in der Familie etwas Selbstverständliches ist. Deshalb ist es erforderlich, geschultes Personal in den Kindergärten und in den Schulen zu haben, das die Feinfühligkeit besitzt, betroffene Kinder zu erkennen, ihnen zu helfen. Es müssen verbindliche Maßnahmen entwickelt werden, um den Kindern die Möglichkeit zu geben, das zu Hause Erlebte aufzuarbeiten. Zunehmend wird von uns eine wachsende Aggressivität beobachtet, die meistens von Jungen ausgeht. Die Sprache ist oft roh und sexistisch. Verbale Attacken sind ein gängiges Mittel der Auseinandersetzung. Wo und von wem sollen die Jungen lernen, wie man mit Mädchen und später mit Frauen umgeht, ohne Druck auszuüben? Auch hier müssen wir immer wieder mit dem Thema an die Öffentlichkeit, um die Menschen dafür zu sensibilisieren, nicht nur die Eltern, sondern auch das Kindergarten-, Schulund Hortpersonal. Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion begrüßt, dass die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales veranlassen wird, im Rahmen der 46 Elternbriefe des Arbeitskreises „Neue Erziehung e. V.“ einen zusätzlichen Elternbrief zur Gewaltthematik zu versenden, denn familiäre Gewalt wird kontinuierlich leider immer eine Rolle spielen. Deshalb, meine Damen und Herren, würde die CDU-Fraktion es begrüßen, wenn das Projekt der Grundschule an der Lessingstraße auf andere Grundschulen übertragen würde. Wir sprechen viel über Kindergärten und Schulen, aber uns liegen auch die Jugendlichen und ihre Entwicklung am Herzen, die gerade im Alter von zehn bis 16 Jahren sind, suchend und fragend nach ihrem Lebensweg. Gerade diese Jugendlichen dürfen nicht allein gelassen werden. Die Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau wird in großer Auflage einen Beratungsführer für den Bereich Gewalt gegen Frauen erarbeiten. Wir würden es begrüßen, wenn in diesem Beratungsführer auch für jugendliche Gewaltopfer Beratungsangebote aufgezeigt würden. Ein besonderes Problem stellt die häusliche Gewalt gegen ausländische Frauen dar. Sie können nicht zu Verwandten oder Bekannten. Ihre Männer würden sie von dort sofort wieder zurückholen. Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion ist die Aufklärung der Migrantinnen in ihrer Muttersprache besonders wichtig.
Die Migrantinnen, die entwurzelt aus ihrer Heimat kommen und, nicht immer der Landessprache mächtig, sich allein fühlen, in der Situation von der Welt verlassen, gerade diese Frauen brauchen dringend unsere Hilfe. Außerdem haben wir mit großer Aufmerksamkeit außerordentlich begrüßt, dass die Kinderärzte und die Krankenhäuser das Thema „Häusliche Gewalt“ sensibler in ihre tagtägliche Praxis einbeziehen.
Meine Damen und Herren, auch die Polizei hat gelernt, mit diesem Thema sach- und fachgerecht umzugehen. Das zeigt sich unter anderem in der Aussage, dass die betroffenen Parteien nicht mehr zusammen verhört werden. Wir als CDU-Fraktion halten dies für einen Fortschritt. Es gibt den Frauen eine gewisse Sicherheit und Geborgenheit, sie gewinnen ihre Selbstsicherheit dadurch wieder.
Das Interventionsmodell im Bremer Westen ist gut angelaufen, und die CDU-Fraktion ist der Meinung, dass dieses Modellprojekt weiter ausgebaut werden muss. Die statistischen Erfassungen von Fällen der häuslichen Beziehungsgewalt können nur hilfreich sein. Wir sind im Ressort für Inneres auf dem richtigen Weg.
Meine Damen und Herren, wir haben im Dezember 1999 im Rahmen der Novellierung des Bremischen Polizeigesetzes vom Senat die Prüfung des so genannten österreichischen Wegweisungsrechts gefordert. Die CDU-Fraktion hat mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, dass die ressortübergreifende Arbeitsgruppe auch zu der Erkenntnis gelangt ist, dass mit einem polizeilichen Wegweisungsrecht eine Lösung geschaffen werden kann.
Auch dass die Bremer Polizei im Rahmen ihrer Ausbildung intensiver auf die häusliche Beziehungsgewalt eingehen wird, ist ein Erfolg. Erfreulich ist, dass ein Beamter bei der Bremer Polizei eigens dafür eingesetzt ist, die Verbindung zu den betroffenen Institutionen zu halten.
Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion ist der Auffassung, dass so eine effektive Ergänzung zu dem Sonderdezernat Gewalt gegen Frauen gegeben ist. Seit 1984 ist das Sonderdezernat bei der Bremer Staatsanwaltschaft angebunden und leistet eine hervorragende Arbeit.
Ich hoffe, dass diese Debatte uns auf dem Weg gegen häusliche Beziehungsgewalt wieder ein Stück weiter gebracht hat. Es ist kein Tabuthema mehr, und wir wollen sensibilisieren, dass betroffene Frauen und Kinder entsprechende Hilfen erhalten.