Wie man sich aber als Bremer Bürgerin und Bürger in den Sanierungszeiten der großen Koalition fühlen muss, können zumindest diejenigen nachvollziehen, die Kinder oder ältere Angehörige haben. Der viel geschmähte konsumtive Bereich, am schlimmsten sind die Zuwendungen, Herr Herderhorst, wird gekürzt, ohne Rücksicht auf Verluste, 25 Prozent bis zum Haushaltsjahr 2005! Das bedeutet, jede vierte Stelle in Freizeitheimen, Altentagesstätten, in selbstorganisierten Projekten, in Kultureinrichtungen, bei der Schuldner-, Arbeitslosen-, Ausländer- und Umweltberatung, bei der Unterstützung von Selbsthilfe und bei der Hilfe für Aidskranke geht verloren. Jede vierte Stelle! In diesen Haushaltsjahren müssen Sie die Weichen stellen für diesen Kahlschlag. Begonnen haben Sie damit.
Wer also einfach so in Bremen leben möchte, dem werden Opfer abverlangt. Am schlimmsten ist es, wenn auch Kinder im Spiel sind. Ein unzureichendes Hortangebot hält Frauen sittsam der Berufstätigkeit fern. Bei der verlässlichen Grundschule müssen Kinder ihre freie Zeit in teilweise völlig ungeeigneten Räumlichkeiten verbringen. Ich kann gleich einmal erzählen, was das für Hastedt heißt, da müssen nämlich Kinder viele Stunden in einer Turnhalle verbringen.
Aber dass das ein kindgerechter Raum für einen dauerhaften Aufenthalt ist, das werden Sie wohl kaum behaupten können!
Die Kinder müssen also ihre Zeit in teilweise völlig ungeeigneten Räumlichkeiten verbringen. Herr Eckhoff feiert einen Etappensieg im ideologischen Kampf gegen die immer noch dem Willen vieler Eltern entsprechende Gesamtschule. Zuschüsse zur Straßenbahn sind die reine Zumutung. Altentages
stätten gibt es nur noch für die, die sie sich leisten können. Wer Beratung braucht, kann sich einen Anwalt nehmen. Irgendwann im Herbst wird die interessierte Öffentlichkeit erfahren, ob nun zum zweiten Mal während Ihrer Regierungszeit die Grundsteuer erhöht wird oder ob es diesmal die Straßenreinigungsgebühr sein wird. Mit Ihrem völlig verengten Investitionsbegriff haben Sie schlicht und einfach diejenigen aus den Augen verloren, um deren Wohl es der Politik einzig gehen muss, die Menschen, die in Bremen leben und leben werden. Wenn man sich ansieht, wie offensiv das niedersächsische Umland um Einwohnerinnen und Einwohner wirbt, kann man nur neidisch werden. Da geht es wirklich um ein Klima, ein Klima, das um Menschen wirbt und sie willkommen heißt, während Bremen Flächen bereitstellt für Einfamilienhäuser. In Wirklichkeit aber sollen bloß gar keine Familien kommen. Es sollen nämlich Männer kommen, mindestens 25 Jahre alt, fertig ausgebildet, mit einem Arbeitsplatz, ohne Anhang, nicht zu alt, konsumbereit, autofahrend, für diese Personengruppe wird hier einiges getan.
Hier genau liegt der zentrale Unterschied zu Ihrer Politik. Die Grünen setzen auf eine bürgerfreundliche Politik. Die finanziellen Folgen der Abwanderung aus den Städten unseres Bundeslandes sind dramatisch. Auch Ihre, Herr Senator Perschau, schöngeredete Pro-Kopf-Verschuldung bekommt durch die Abwanderung eine ungünstige Tendenz. Oberstes Ziel muss eine Trendumkehr bei der Abwanderung sein. Dazu muss man eine Politik machen, wie sie zum Beispiel in den USA, Herr Eckhoff, das loben Sie ja immer so besonders, allgemein üblich ist. Kommunen stellen nämlich ihren Wert als Standort heraus, als Standort für die Bürgerinnen und Bürger. Ihre Kindergartenversorgung, ihr Bildungswesen, ihre Kultur- und Sporteinrichtungen, gute Krankenhäuser, saubere Luft, wenig Lärmbelästigung, schöne Grünanlagen und Nähe zum Arbeitsplatz, das sind die Werte, die Bremen zu bieten hat. Die müssen Sie durch Ihre Politik fördern und nicht behindern.
Sie dagegen, meine Damen und Herren von der großen Koalition, sparen genau die Bereiche kaputt, die in Zukunft wichtige Standortfaktoren sein werden. Ihr pompöser neuer Haushaltstitel, er wurde ja von Herrn Böhrnsen schon angesprochen, „Impulse für lebenswerte Städte“ enthält, man traut seinen Augen nicht, doch tatsächlich die stolze Summe von null DM. Schauen wir einmal!
Wir Grünen wollen mit unseren fünf Aktionen, die Sie in dem Haushaltsantrag, den wir gestellt haben, vorfinden, die Attraktivität der Städte erhöhen. Wir zeigen, dass es der Politik neben ausreichenden Arbeitsplätzen auch darum geht, den Menschen zu zeigen, dass es um sie geht, dass sie willkommen sind, dass wir gern unsere Städte an den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen ausrichten. Wir wollen mit der Aktion Kinder-Jugend-Bildung den Rechtsanspruch auf sechsstündige Betreuung im Kindergarten ausweiten, zusätzliche Lehrer einstellen, den Bereich freier Jugendarbeit vor Ihren Einsparungen schützen und Computer an die Schulen geben nebst den Lehrerinnen und Lehrern, die mit ihnen umgehen und Wissen vermitteln können.
In der Umweltpolitik wollen die Grünen endlich den Bereich Altlastensanierung bedarfsdeckend ausstatten. Oder finden Sie es ein gutes Aushängeschild, wenn auch in überregionalen Zeitungen Meldungen über verseuchten Boden im Gewerbepark Hansalinie oder auf dem Vulkan-Gelände auftauchen? Auch im Interesse, einer weiteren Rufschädigung Bremens entgegenzuwirken, ist es, endlich den Bremerinnen und Bremern, die sich an der lokalen Agenda 21 beteiligt haben, die Bestimmung über Mittel zu geben, um nach und nach Projekte zu realisieren.
Mittlerweile gehört es zum guten Ton, Investitionen in Gesundheitseinrichtungen als Standortfaktor anzuerkennen. Der Investitionsstau von über 200 Millionen DM in den Krankenhäusern Bremens spricht eine andere Sprache. Hier und bei der Entwicklung einer Ausbildungsoffensive im Bereich Pflege und Gesundheit wollen wir einen wichtigen Schwerpunkt setzen.
Wer hier in fast jeder Bürgerschaftssitzung seine große Begeisterung über bürgerschaftliches Engagement feiert, sollte wenigstens die Projekte, Initiativen und Vereine, die genau darauf fußen, vor weiteren Einsparungen bewahren. Dieses Ziel verfolgt unsere Aktion Bürgerinnen-Engagement. Wie kurzfristig und kurzsichtig die Sparpolitik gerade hier zu Werke geht, kann man zum Beispiel beim Rat-undTat-Zentrum sehen. Viele Besucher übernachten in Bremer Hotels, gehen hier abends essen und lösen Rezepte in Apotheken ein.
Die fünfte grüne Aktion ist Stadtkultur. Hören Sie erst einmal mit dieser ewigen Quälerei im Kulturbereich auf! Was man da im Haushaltsausschuss erleben konnte, mit welchen Schurigelmaßnahmen Menschen da hingehen mussten und wie sie dort behandelt wurden und wie der ganze Bereich darunter zu leiden hat, das ist wirklich unglaublich. Wie sollen Künstler gutes Theater machen, wenn ihnen die Politik jedes Jahr wieder eine monatelange Spardebatte beschert? Ich kritisiere nicht, dass Sie da Geld nachgeschoben haben, ich kritisiere, dass die Haushaltsanschläge völlig unzureichend waren, dass das jeder gewusst hat und dass man in Kauf nimmt, dass Leute über Monate in Angst und Schrecken versetzt werden.
Wie soll eigentlich gute Musik gemacht werden, wenn ständig die eigene Existenz in Frage gestellt wird? Wie sollen gute Ausstellungen, Konzerte und Festivals entstehen, wenn Sie die Leute ständig zwingen, sich mit ihrem eigenen Überleben zu beschäftigen? So eine gnadenlose Verschwendung!
Unsere Aktion zielt darauf, einen ausgeglichenen Kulturhaushalt zu garantieren. Wer Verträge mit der Rennbahn, Herr Eckhoff, für Millionen schwer hält, sollte seinen mit Herrn Pierwoß mindestens einhalten.
Der dritte Baustein der grünen Haushaltsvorschläge bezieht sich auf den Bereich, der bei Ihnen traditionell ziemlich kurz kommt: die Entschuldung. Schon heute ist die konsumtive Finanzierungslücke niedriger als der Schuldendienst. Oder anders: Ohne die gigantische Schuldenlast könnte Bremen mit den laufenden Einnahmen zurechtkommen. Dass der Sanierungszeitraum nicht offensiver für die Schuldentilgung genutzt wurde, ist ein zentraler Fehler Ihrer Politik. Ihn wird man in naher Zukunft ähnlich bewerten wie die offensive Einstellungspolitik in den öffentlichen Dienst zur Behebung der Arbeitslosigkeit Anfang der achtziger Jahre.
Sie scheuen nicht davor zurück, für Ihre überdrehte Investitionsmaschinerie Vermögen zu verkaufen, über die Vorlage will ich mich heute nicht äußern,
die können wir ja dann beim nächsten Mal in Ruhe besprechen, die laufenden Haushalte im Bereich Wirtschaft und Häfen völlig zu überbuchen und über so genannte kreative Finanzierungsinstrumente wie Kreditaufnahmen über den Kapitaldienstfonds und Ihre zahlreichen Gesellschaften trotz der Sanierungs
zahlung des Bundes Schulden zu machen, schlicht und einfach Schulden! Man muss es Herrn Senator Perschau wohl glauben, dass er die genauen Summen der Schulden außerhalb des Haushaltes gar nicht kennt. Wie nennt man das eigentlich, wenn mit großem Getöse ein rosaroter Sanierungsbericht vorgelegt wird, der die Kreditaufnahme außerhalb der Haushalte schlicht und einfach verschweigt?
So stimmt jedenfalls weder die von Ihnen angegebene Zins-Steuer-Quote noch die Pro-Kopf-Verschuldung. Zu dieser ganzen Trickserei sagte der Präsident des Landesrechnungshofs, und diese Position haben sich die Grünen zu Eigen gemacht: Was man sich konventionell finanziert nicht leisten kann, kann man sich alternativ finanziert auch nicht leisten.
Unter dem Mäntelchen der Verwaltungsreform wird ein Labyrinth öffentlicher Gesellschaften angelegt, über 70 sind es mittlerweile, über die es nach wie vor keine vollständige und umfassende Kontrolle gibt. Diese Staatsräteimperien haben zwei Nutzen: Entziehen der parlamentarischen Kontrolle und verdeckte Kreditaufnahme. Das sage ich Ihnen hier mit aller Deutlichkeit. Wir wollen eine stärkere Entschuldung. Nur so können in Zukunft Spielräume für eine bürgernahe Politik zurückgewonnen werden!
Wir werden alles in unserer Kraft Stehende tun, um Ihrem äußerst lockeren Umgang mit den Haushaltsgesetzen einen Riegel vorzuschieben. Dass Ihnen teilweise selbst nicht ganz wohl ist, zeigt eine herrliche Passage aus der Mitteilung des Senats, Fortschreibung der Finanzplanung, Drucksache 15/ 250, die hier auch zur Beratung vorliegt. Da heißt es: „Der Senat stellt fest, dass bei der Anmeldung und Bewertung von Investitionsmaßnahmen die Aspekte Prioritätensetzung aus Sicht der Bereiche, Investitionskategorien und Vorlage von Kosten-Nutzen-Untersuchungen nach Paragraph 7 Absatz 2 Landeshaushaltsordnung zukünftig stärker zu beachten sind.“ Sie wollen die Gesetze künftig stärker beachten,
das ist gut! Da sind Sie auf einem guten Weg, wir allerdings werden nicht eher locker lassen, bis Sie sie beachten, und zwar vollständig.
Sparen und Investieren und Schulden tilgen geht auch ohne Großmannssucht, ohne „der Zweck heiligt die Mittel“, ohne teure Staatsräteimperien, ohne Beschwörungen und Exkommunikationsdrohungen, ohne kreative Rechtsauslegung. Wir wollen es bescheidener, bürgernäher, rationaler und gesetzeskonform.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute einen Haushalt vor einer sehr schwierigen Ausgangslage. Wir sind weiterhin in einem Sanierungszeitraum, und der Landeshaushalt, den wir verabschieden, heute zusammen mit den Beratungen auch des Stadthaushaltes, hat nicht nur wichtige Tendenzen für den Bereich der Stadt Bremen, sondern natürlich auch für den Bereich Bremerhaven.
Bevor ich allerdings noch einige Beispiele nenne, möchte ich mich erst einmal im Namen der CDUFraktion ganz herzlich bei den Mitgliedern der Haushaltsausschüsse bedanken, speziell bei dem Kollegen Zachau als Berichterstatter, der hier in sehr nüchterner Art und Weise sehr treffend bestimmte Sachen auf den Punkt gebracht hat, und bei allen Mitgliedern, die ihre Arbeit dort geleistet haben, möchte ich mich für die CDU-Fraktion ganz herzlich bedanken.
Wir beraten auch den Haushalt der Stadtgemeinde Bremen. Bremerhaven hat seinen Haushalt vor drei Wochen verabschiedet, aber insbesondere auch das, was im Landeshaushalt steht, hat wichtige Signalwirkung für Bremerhaven. 70 Prozent der Kosten der Attraktivitätssteigerung der Innenstadt in Bremerhaven werden gedeckt, die Kofinanzierung des Stadttheaters wurde aus Landesmitteln mit bereitgestellt, die Eröffnung des Erweiterungsbaus des Deutschen Schifffahrtmuseums hatten wir in der letzten Woche zu feiern, und auch Mittel, zum Beispiel für die Verbesserung des Zoos am Meer, sind im Landeshaushalt bereitgestellt.
Ich möchte das an dieser Stelle bewusst hervorheben, weil wir natürlich als Bundesland, insbesondere auch hier im Landtag, eine besondere Verantwortung für den Bereich der Stadtgemeinde Bremerhaven haben. Nur durch Bremen und Bremerhaven stellt sich diese Einzigartigkeit unseres Bundeslandes dar.