Protocol of the Session on May 11, 2000

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Lassen Sie mich in der fachlichen Debatte noch einmal zu einem Punkt kommen, der meines Erachtens zu wenig erwähnt wird, und zwar von allen Seiten in der Debatte, auch bisher von uns vielleicht nicht genug betont wurde! Wir haben ganz dringend den Bedarf in Deutschland, jenseits dieser Maßnahmen, um nun Spezialisten in das Land zu holen, bisher noch brachliegende Kapazitäten auszuschöpfen, die wir hier haben. Lassen Sie mich nur zwei Beispiele bringen! Wir haben im Bereich der langfristig

hier Lebenden, weil sie nicht zurückgehen können, der Flüchtlinge zum Beispiel, durchaus Menschen mit diesen Ausbildungen und Kapazitäten. Diese werden durch das Arbeitsverbot gerade daran gehindert, obwohl sie schon im Land sind, ihre Kapazitäten hier in die Wirtschaft einzubringen. Wer steht ideologisch und politisch hinter solchen Dingen wie diesem Arbeitsverbot? Natürlich auch die CDU!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es gibt eine zweite Gruppe, und vielleicht sind wir uns hier etwas näher, wo wir uns vielleicht sogar treffen können. Schauen Sie sich einmal die Lage der ausländischen Studenten und Studentinnen in Deutschland an!

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Peinlich!)

Ist das nicht ein bisschen komisch? Da sind Menschen, die in Deutschland studieren und hier einen hoch qualifizierten Abschluss machen. Wenn Sie sich die Situation im Bremer Ausländeramt, aber auch woanders, das ist kein Bremen-Spezifikum, anschauen, dann wird gepuscht, dass diese Leute möglichst am nächsten Tag wieder zurückgehen. Was ist nun mit diesen Leuten? Sie sind hoch qualifiziert ausgebildet, sie sprechen Deutsch, haben sich hier eingelebt, und man versucht, sie möglichst schnell wieder aus dem Land zu bringen. Auch diese Kapazitäten könnten genutzt werden, um hier in diesem Bereich endlich etwas zu tun.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Lassen Sie mich bitte noch einmal auf die Wahl in Nordrhein-Westfalen eingehen! Die ist meiner Ansicht nach in diesem Zusammenhang noch viel zu wenig gewürdigt worden. Herr Eckhoff, Sie haben ganz erstaunlich wenig und eigentlich auch überhaupt nichts Konkretes zu der Position der CDU im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen gesagt. Das habe ich wirklich schmerzlich vermisst.

(Abg. B o r t t s c h e l l e r [CDU]: Ma- chen wir hier Wahlkampf für Nordrhein- Westfalen in Bremen, oder was?)

Es ist eine ganz ernsthafte Situation, wenn man quasi mit dem Spruch hingeht: „Hau ich auf Ali feste drauf, geht mein Wahlergebnis rauf.“

(Abg. B o r t t s c h e l l e r [CDU]: Sie sind wohl vom grünen Kampfhund gebissen!)

Wenn dieser Spruch sozusagen zur zukünftigen Regelung für Wahlkämpfe wird, dann gute Nacht, Deutschland!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Den Verweis auf die Entwicklung in Österreich möchte ich hier nur am Rande erwähnen, einen Verweis auf wirklich inhaltsleere Wahlkämpfe, bei denen alle händeringend nach Inhalten suchen und sich dieses Thema anbietet. Ich sage Ihnen, in Nordrhein-Westfalen ist ein ganz entscheidender Punkt zu erreichen, dass Sie mit dieser Masche nicht durchkommen. Es darf nicht die Botschaft sein, dass in Zukunft jeder Wahlen gewinnt und Ministerpräsident werden kann, wenn er nur ausreichend auf Ausländer haut. Das darf nicht passieren! Ich bin mir ganz sicher, dass die Wähler in Nordrhein-Westfalen Herrn Rüttgers am Sonntag die richtige Antwort geben und sagen: „Haust du den Ali froh und munter, geht dein Wahlergebnis runter!“ Das wird am Sonntag passieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die CDU verweist gern, und da hat sie dann wieder meine Sympathie, zumindest theoretisch, in dieser Frage immer darauf, dass wir viel mehr Integrationskonzepte für langfristig hier lebende Ausländer brauchen, völlig d’accord! Dann ist es sehr interessant, dass die beiden Parteien in der Koalitionsvereinbarung ein solches Integrationskonzept für Bremen versprochen haben und dass dieses Integrationskonzept inzwischen wohl offensichtlich am Dissens zwischen den verschiedenen Ressorts gescheitert ist. Es war für Freitag im Ausländerausschuss angekündigt und musste ganz kurzfristig wieder zurückgezogen werden, weil die Differenzen zwischen dem Innenressort und dem Sozialressort so groß sind, dass die Koalition nicht in der Lage ist, hier ein solches Konzept zur langfristigen Integration auf den Tisch zu legen. Da müssen Sie, wenn Sie die langfristige Integration ansprechen, hier auch die entsprechenden Konzepte einbringen und dann endlich einmal konkret etwas vorlegen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich finde, Herr Eckhoff, Sie haben heute die große Chance verpasst, uns zu sagen, was Sie eigentlich in diesem ganzen Themenkomplex wirklich wollen. Sie haben über die USA referiert, über viele andere Dinge, Sie haben Fragen gestellt, aber keine Antworten gegeben. Sie haben sich nicht eindeutig zu Stoiber geäußert. Sie haben Stoibers Versuch nicht eindeutig kritisiert, der sagt, für jeden neuen Spezialisten muss ich einen Flüchtling weniger hier in Deutschland haben. Sie haben sich nicht zu Rütt

gers verhalten. Sie haben überhaupt die Position der CDU nicht näher definiert und nichts Konkretes dazu gesagt. Ich denke, Sie haben hier eine große Chance verpasst, ein Profil der bremischen CDU zu entwerfen, das vielleicht annähernd diskussionsfähig wäre. — Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Ziegert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich dachte eigentlich nach den Beiträgen der Abgeordneten Dr. Kuhn und Kottisch und auch nach der Debatte über das T.I.M.E.Programm, dass wir hier doch Einigkeit hergestellt hätten, nach dem, was, wie ich finde, Herr Dr. Kuhn auch zu Recht den Schock genannt hat, ich würde sagen, ein heilsamer Schock, und wir auf dem richtigen Weg sind, in Bremen Mittel und Wege zu finden, wie wir hier in Bremen das Problem, was jetzt erkannt worden ist, gemeinsam angehen. Wir haben zu wenig Fachkräfte in diesem zukunftsträchtigen Bereich, und wir drohen, die Entwicklung auf allen Gebieten, sowohl der Bildung als auch der Ausbildung und in der Weiterbildung der Wirtschaft, zu verschlafen.

Es ist in der Tat — vielleicht ist das für Sie auch ein bisschen zu viel der Ehre, Herr Eckhoff, wir hatten ja gestern Abend eine ganz vernünftige Diskussion, wie ich fand, miteinander — auch Ihr Beitrag gewesen, der mich auch noch einmal bewogen hat, mich hier in der Debatte zu Wort zu melden. Mir ist auch nicht klar geworden, was die CDU nun eigentlich will. Ich finde es auch schlicht unredlich, man kann doch nicht sagen, man überholt sozusagen gleichzeitig rechts und links.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Man kann doch nicht einerseits sagen, wir bedienen hier bestimmte Ängste in der Bevölkerung und schüren Ausländerfeindlichkeit, was Ihr Kollege Herr Rüttgers tut mit seinem Slogan „Kinder statt Inder“,

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Der sitzt hier nicht im Bremer Landtag!)

und hier in Bremen geben Sie sich auf einmal ganz weltoffen und sagen, wir wollen eigentlich überhaupt keine Regelung, wir müssen hier um die besten Köpfe konkurrieren, wir brauchen ein Einwanderungsgesetz und dann möglichst gleich auf europäischer Ebene. Das ist unglaubwürdig und unred––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

lich, und das nimmt Ihnen auch niemand ab, Herr Eckhoff!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ein zweiter Punkt! Herr Dr. Güldner hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Sie sich in dieser GreenCard-Frage höchst unklar verhalten. Sie sagen jetzt, was die Bundesregierung macht, ist uns erst einmal viel zu wenig und nur ein Herumdoktern am System. Wir haben hier gehört, wir haben ein kurzfristiges Problem, das auch kurzfristig gelöst werden muss, das wir unmittelbar im Augenblick nicht lösen können und welches wir dringend lösen müssen. Sie sagen dann, das, was jetzt hier kurzfristig und, wie ich hoffe, unbürokratisch gelöst wird, will ich nicht, sondern ich möchte die große Lösung auf europäischer Ebene haben. Sie wollen die große Lösung in ferner Zukunft zur Lösung eines Problems, das wir jetzt hier und heute und in diesem Augenblick haben. Auch das ist unglaubwürdig, Herr Eckhoff!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir haben inzwischen doch, soweit ich das sehe, große Einigkeit auch auf Bundesebene, und zwar zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern, auch Gewerkschaften und Bundesregierung, dass wir diese Lösung in Bezug auf die IT-Fachkräfte anstreben müssen. Auch die Gewerkschaften sind sich völlig im Klaren darüber, dass es keine Abschottung von Arbeitsmärkten geben darf. Wir wissen, dass wir den europäischen Arbeitsmarkt haben. Wir werden in naher Zukunft merken, welche Auswirkungen das auch unmittelbar bei uns haben wird. Gerade auf dem Gebiet der spezialisierten Fachkräfte werden wir zunehmend einen globalisierten Arbeitsmarkt haben, und auch darüber müssen wir uns völlig im Klaren sein.

Ich sage auch eines, ein globalisierter Arbeitsmarkt und ein europäischer Arbeitsmarkt dürfen keine unregulierten Arbeitsmärkte sein, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn das so ist, und wenn wir dann ausländische Arbeitskräfte dazu benutzen, um hier in die sozialen Standards, in die Tarife und in das Lohngefüge einzugreifen — wir haben in der letzten Bürgerschaftssitzung die Debatte über illegale Beschäftigung gehabt, und da hatten wir eigentlich hier doch eine große Einigkeit —, dann kann ich Ihnen allerdings garantieren, dass wir das haben werden, was wir hier befürchten. Wir werden dann nämlich keine Integration und keine Prosperität haben, sondern wir werden dann zunehmende Abschottungstendenzen, Ängste und Ausländerfeindlichkeit haben.

Deswegen sage ich und sagen auch die Gewerkschaften, es ist richtig, dass wir, wenn wir solche

Zuwanderungen haben, diese regeln müssen, dass wir sicherstellen müssen, dass diese ausländischen Arbeitskräfte bei uns dann zu denselben Bedingungen arbeiten wie die Einheimischen und dass wir dann auch Tariflöhne haben müssen und die sozialen Standards, die für unsere Arbeitskräfte gelten und dass die genau solche Wirkung haben müssen. Über die Lohnhöhe kann man sich ja unterhalten, Herr Eckhoff, ob es 100 000 DM sein müssen oder 75 000 DM. Ich gehe auch eher davon aus, dass solche hoch qualifizierten Arbeitskräfte erst einmal eine Position auf dem Arbeitsmarkt haben, wo sie selbst ihre Arbeitsbedingungen und Gehälter aushandeln können und unserer Fürsorge nicht bedürfen. Ich denke aber trotzdem, dass für diejenigen, die diese starke Position nicht haben, eine Schutzfunktion durch Regulierung und Tarifverträge notwendig und unerlässlich ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ein letztes Wort noch, Herr Eckhoff! Sie haben ja auch in der Debatte gefragt: Wie ist es in Zukunft mit den Pflegekräften und mit anderen Kräften, die wir hier im Augenblick nicht finden? Da darf ich dann doch einmal daran erinnern, und ich finde, das ist keine nationalistische Verbohrtheit, dass wir immer noch fast vier Millionen Arbeitslose in diesem Land haben, dass wir hier in Bremen auch noch über 30 000 Arbeitslose haben und dass es ja wohl nicht die Zukunft sein kann, und das fände ich zynisch, dass wir sagen, wir decken jetzt unseren Fachkräftebedarf immer durch junge, billige und agile Arbeitskräfte aus dem Ausland,

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Das tun Sie doch im Moment!)

und dann sollen die hier heimischen Arbeitslosen die Sozialbeiträge erarbeiten. Ich denke, da ist es unsere Pflicht. Deswegen, da darf ich noch einmal auf das IT-Programm der Bundesregierung zurückkommen, finde ich es wichtig, dass die Wirtschaft gleichzeitig zugesagt hat, flankierend ihre Aus- und Weiterbildungsanstrengungen zu erhöhen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es ist zugesagt worden, die Zahl der Ausbildungsplätze auf Bundesebene auf 60 000 zu erhöhen statt um weitere 20 000. Es ist zugesagt worden, mehr innerbetriebliche Qualifizierung vorzunehmen. Die Bundesanstalt für Arbeit — und das ist hier in Bremen ja auch schon so — wird zusammen mit dem Arbeitsressort auch weitere Qualifizierungsmaßnahmen für Fachkräfte in diesem Bereich vornehmen. Das heißt, auf längere Sicht muss es natürlich unser Ziel sein, Arbeitsplätze zu besetzen mit Arbeitslo

sen oder mit jungen Nachwuchskräften, mit Auszubildenden, Ausgebildeten, die hier aus diesem Land kommen. Wir wollen hier keinen weltweiten Verschiebebahnhof. Das heißt aber nicht, dass wir uns nach außen abschotten.

Zusammengefasst hoffe ich, und der Antrag geht in die zuständige Deputation, die Deputation für Arbeit wird das ihrige dazutun, dass wir auf diesem Gebiet auch in Bremen ein Stück weiterkommen. Wir haben in Bremen mittlerweile knapp 400 Ausbildungsplätze, wir müssten mindestens 600 haben, wenn die Zusage der Wirtschaft in den nächsten Jahren eingehalten werden soll. Wir qualifizieren Arbeitslose, wir qualifizieren auch ältere Arbeitslose, und hoffen, dass die Firmen diese dann auch entsprechend nachfragen und einstellen werden. Ich hoffe, dass wir da auch bei Herrn Kottisch und seinen Firmen auf ein offenes Ohr stoßen werden. Wir werden uns auch weiterhin dafür einsetzen — das ist ja auch heute Morgen gesagt worden —, dass an den Schulen und Hochschulen die entsprechenden Voraussetzungen für eine entsprechende schulische Bildung und die Motivation von jungen Menschen in dieser Richtung geschaffen wird.

In dem Zusammenhang lassen Sie mich noch eines sagen, das mir auch wichtig ist! Wir müssen dafür sorgen, das große Potential nicht nur an Ausländern, sondern auch an Frauen und Mädchen für diese Bereiche zu mobilisieren. Sie hinken bisher immer noch nach. Ich denke, das sollte uns auch noch ein besonderes Anliegen sein!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

In dem Sinne, Herr Eckhoff, rechne ich ja auch damit, dass Sie konstruktiv daran mitarbeiten werden in den Deputationen und bei den entsprechenden Programmen. Insofern gehe ich davon aus und wünsche mir, dass wir hier in Bremen einen großen Schritt tun und dass wir dann von dem Platz 56, den wir bisher bei den IT-Standorten haben, einen großen Schritt nach vorn kommen, ich würde einmal sagen, mindestens auf Platz 30. — Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Teiser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Ziegert, im vorgeschriebenen Text zu erklären, man wollte eigentlich gar nicht reden, macht sich vielleicht bei den Medien gut, ist aber wohl nicht die Wahrheit. Ich nehme das für mich in Anspruch. Ich hätte mir gewünscht, dass ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ein zweiter Debattenbeitrag gar nicht erforderlich gewesen wäre, aber das, was sich hier die Redner vor uns — —.