Protocol of the Session on May 11, 2000

„Gegenwärtig ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, dass die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen an ausländische EDV-Spezialisten erleichtert werden soll. Wie in den anderen Bereichen muss auch im Bereich der Datenverarbeitung das Problem der ausreichenden Gewinnung von Fachkräften durch Maßnahmen am inländischen Markt gelöst werden. Die Zulassung von Arbeitnehmern aus dem Ausland würde die Ursachen des Mangels nicht beheben, sondern allenfalls kurzfristig verdecken. Bei immerhin noch knapp vier Millionen Arbeitslosen, darunter auch 31.000 arbeitslosen EDV-Fachleuten Ende Dezember 1999, dürfen die gerade im Bereich

der Informationstechnologie bestehenden und wachsenden Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitsuchenden beschäftigungspolitisch nicht vertan werden.“

Da wollen Sie mir erzählen, dass man bei der Erkenntnis, die Ihre Bundesregierung noch Ende Januar 2000 hatte, das in den Jahren 1996/97 schon alles wissen konnte? Sie diskutieren hier doch tatsächlich an den Fakten vorbei, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Ich will ganz deutlich sagen, wie die Antwort auf den Bereich des Wettbewerbs um die besten Köpfe aussehen muss: Wir brauchen eine Einwanderungsregelung, die konkret Zuzugsmöglichkeiten regelt. Diese Einwanderungsregelung muss im Rahmen eines europäischen Kontextes abgestimmt werden. Was wir im Moment tun, sehr geehrte Damen und Herren: Durch diese hektische Maßnahme der Regierung werden im Moment in Irland und in England die Zuzugsmöglichkeiten verändert, in Holland werden sie verändert. Jetzt setzt aufgrund dieser unabgestimmten Maßnahme der Bundesregierung plötzlich der europäische Wettbewerb um die besten Köpfe ein.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, Bingo!)

Wie will denn Europa gegenüber den amerikanischen Vergleichsregionen bestehen? Das ist doch einfach das falsche Konzept, das Sie hier vorlegen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU — Zuruf der Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen])

Sehr geehrte Frau Linnert, dazu brauchen wir Einwanderungsregelungen, und das ist sehr wohl der Fall, die sich an die amerikanischen Einwanderungsregelungen anlehnen. Ich sage bewusst anlehnen, weil man nämlich in Amerika seit zehn Jahren sehr konsequent verstanden hat,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Dass sie ein Einwanderungsland sind, haben sie verstanden!)

insbesondere die Eliten aus diesen IT-Berufen ins Land zu holen. Glauben Sie doch nicht, dass Sie mit Ihren kurzfristigen Maßnahmen hier irgendwelche Eliten überhaupt herbekommen!

(Beifall bei der CDU — Zuruf der Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD])

Meine Damen und Herren, Sie diskutieren hier über Einstiegsgehälter zwischen 70.000 DM, wie Herr Kottisch sagte, Frau Ziegert hat sich noch zu Wort gemeldet, sie wird wahrscheinlich 100.000 DM sagen, das ist die Position der Gewerkschaften. In Amerika liegt das Einstiegsgehalt bei den Leuten, die dort neu in diese Branchen kommen, mittlerweile durchschnittlich bei 75.000 US-Dollar, Herr Kottisch, auch wenn Sie mit dem Kopf schütteln.

(Zuruf des Abg. K o t t i s c h [SPD])

Das stimmt! Inklusive natürlich der Stock Options, aber das ist der Durchschnitt. Es gibt zwei sehr interessante Zahlen, die das auch noch einmal untermauern, warum wir dort eine vernünftige gesetzliche Regelung brauchen: 18 Prozent der Unternehmensgründungen in den USA werden mittlerweile von Immigranten getätigt. Im Silicon Valley, das Herr Schildt schon auf die ganzen USA ausgeweitet hat, aber im eigentlichen Silicon Valley werden 25 Prozent der Unternehmen mittlerweile von zugewanderten Experten der IT-Bereiche gegründet. Deshalb brauchen wir Antworten darauf, wie wir tatsächlich die Eliten dieser ausländischen Leute hier in das Land bekommen. Mit zeitlichen Befristungen werden Sie nicht die erste Wahl nach Deutschland bekommen. Sie werden weiter in die USA oder nach England gehen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU — Abg. Frau H ö - v e l m a n n [SPD]: Sagen Sie etwas zu Herrn Rüttgers!)

Das bedeutet, dass wir auch, und darüber muss sicherlich auch gesprochen werden, klare Regelungen brauchen, wie wir auf europäischer Ebene auch die Asylgesetzgebung harmonisieren.

(Zuruf des Abg. B ö h r n s e n [SPD] — Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wohin?)

Das darf man da doch überhaupt nicht außen vor lassen. Diese Harmonisierung wird, lieber Herr Dr. Kuhn, in einem europäischen Kompromiss liegen, da müssen wir uns doch nichts vormachen! Da wird es eine abgestimmte Linie geben, und ich kann Ihnen sagen, wohin das gehen wird: Wir werden dazu kommen, davon bin ich überzeugt, auch wenn diese Debatte sicherlich noch einige Zeit dauern wird, dass sich natürlich auch die Fragen des individuellen Grundrechts auf Asyl im Rahmen einer europäischen Regelung den Maßnahmen, wie sie zum Beispiel in England oder Frankreich aussehen, annähern werden. Auch da werden wir uns nichts vormachen müssen. Im Rahmen, das ist übrigens auch sehr konsequent! Auch die Amerikaner regeln dies

nicht anders, da gibt es dieses individuelle Recht auf Asyl, für jeden einklagbar, nicht. Auch da gibt es ein Grundrecht auf Asyl, und es gibt Sonderregelungen für Bürgerkriegsflüchtlinge, die entsprechend zeitlich beschränkt sind. Das ist das System einer konsequenten Einwanderungspolitik, und dies müssen wir auch in Deutschland in der Lage sein, entsprechend zu definieren, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU — Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Asyl hat doch mit Einwanderungspolitik einfach nichts zu tun!)

Natürlich hat das etwas damit zu tun! Sie können doch nicht eine Einwanderungspolitik steuern, wenn Sie sich weiterhin, sehr geehrte Frau Linnert, ohne irgendwelche Auswirkungen auf die Zahl der Asylbewerber, entsprechend konzentrieren. Das geht doch nicht! Damit werden Sie nie eine vernünftige Einwanderungspolitik erreichen, und deshalb brauchen wir doch die europäische Lösung in diesem Bereich.

(Beifall bei der CDU — Abg. K o t t i s c h [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage. — Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kottisch?

Nein, da das Licht schon seit drei Minuten leuchtet, müssen Sie sich leider noch einmal zu Wort melden. Sonst komme ich hier nicht zum Schluss! Sonst immer gern, Herr Kottisch!

Wir diskutieren übrigens, und auch da müssen wir uns nichts vormachen, da kann man doch einmal die Frage stellen, woran das liegt. Ich glaube nicht, dass das unbedingt an der CDU-geführten Bundesregierung lag.

(Zuruf der Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD])

Ja, das ist immer so einfach, das macht den Sozialdemokraten Spaß! Wir haben mittlerweile doch ein anderes Problem. Wir haben doch das Problem,

(Abg. B e c k m e y e r [SPD]: Dass Sie nicht in der Regierung sind!)

dass die deutschen Eliten mittlerweile ins Ausland auswandern, weil sie einfach in Amerika für Forschung im Bio- und Gentechnologiebereich die viel besseren Rahmenbedingungen finden. Das liegt daran, dass hier über Jahre einfach eine völlig falsche Diskussion gelaufen ist.

(Beifall bei der CDU)

Während Bill Gates sein Firmenimperium aufgebaut hat, hat Rotgrün noch darüber diskutiert, wie man Computer in Deutschland verhindern kann.

(Beifall bei der CDU — Widerspruch bei der SPD — Zurufe vom Bündnis 90/Die Grü- nen)

Ich kann noch ein Beispiel bringen, weil Sie ja Antworten auf Herrn Rüttgers haben wollen! Während Herr Rüttgers, sehr geehrte Frau Hövelmann, ein modernes Multimediagesetz eingebracht hat, wollten Sie entsprechende Rundfunkgebühren auf jeden PC haben. Das ist die Ausgangssituation!

(Beifall bei der CDU — Unruhe)

Deshalb brauchen wir ein langfristiges Zukunftsmodell, das die Einwanderung steuert. Wir brauchen keine kurzfristigen Mogelpackungen, wie sie im Moment von Rotgrün auf den Weg gebracht worden sind. — Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das war mit Sicherheit eine sehr denkwürdige Rede in diesem Parlament. Die Partei, die über Jahrzehnte hinweg gegen jeden einzelnen Menschen, der von außen über die Grenzen nach Deutschland kommen sollte, gekämpft hat, wirklich bis an die Zähne bewaffnet,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD — Unruhe bei der CDU)

fordert jetzt das Einwanderungsland Deutschland. Das ist wirklich sagenhaft, das ist wirklich gut!

Ich erinnere mich an Bundestagsdebatten, die noch gar nicht so lange her sind.

(Abg. B o r t t s c h e l l e r [CDU]: Da re- det der schwarze Jediritter! — Heiterkeit)

Der Begriff kann ja eigentlich nur auf Sie zutreffen, aber lassen wir Sie einmal aus dem Spiel, Sie sind heute und auch sonst nicht so besonders interessant!

Reden wir über die Green Card! Die CDU hat im Bundestag in diesen Debatten, und ich erinnere mich genau, bei dem Begriff Einwanderungsland auch nur bei dem leisesten Verdacht, dass Deutschland ein Land sein könnte, in das Menschen einwandern, und ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

da ging es nicht um Qualifikation oder sonst etwas, strikt abgelehnt mit zum Teil perfiden Argumentationen und wirklich bis auf das Letzte bekämpft. Jetzt stellen Sie sich, Herr Eckhoff, hier hin und sagen, nein, das ist alles kurzfristig, das ist alles nichts, was die Rotgrünen da machen, wir brauchen langfristige Einwanderung von Eliten. Das ist wirklich Chuzpe, dazu herzlichen Glückwunsch!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt muss man sich einmal anschauen, was in den letzten Wochen passiert ist. Deutschland diskutiert nicht das Ob der Green-Card-Regelung, Deutschland diskutiert Einzelheiten des Wie der GreenCard-Regelung, und zwar ganz Deutschland, Gewerkschaften, Arbeitgeber, Parteien, alle diskutieren das. Wenn Sie sich die Agenturmeldungen der letzten Tage anschauen: „Nachbesserung bei GreenCard gefordert“, „Hundt will niedrigere Gehaltsgrenze für Green Card“, „Riester will Green Card schneller“, „Große Hoffnung auf Green Card“ und so weiter. Das sind die Agenturmeldungen. Es gibt eine Agenturmeldung, die sehr bezeichnend ist, die heißt nämlich: „Zustimmung der Union zu Green Card noch ungewiss.“ Das heißt, ganz Deutschland diskutiert das Wie der Green-Card-Regelung bis auf eine kleine Gruppe, die sich aufgrund ihrer ideologischen Ressentiments vorgenommen hat, sich hier in den Startblöcken zu verkriechen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Herr Hattig, den ich als Redner hier im Parlament sehr schätze, bringt immer das Thema der Fakten hier ein. Wie Sie das aussprechen, könnte ich nie nachahmen: Lassen Sie uns noch einmal zu den Fakten kommen! Es müsste inzwischen auch bei Ihnen angekommen sein, dass 1999 das erste Jahr seit Beginn der achtziger Jahre war, in dem Deutschland eine Nettoabwanderung hatte. 50 000 Menschen sind mehr aus Deutschland 1999 abgewandert als neu zugewandert. Auch das sind Fakten, die nicht unbedingt dafür sprechen, mit Angstmache und Ressentiments gegen neue Einwanderung zu sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)