Protocol of the Session on May 10, 2000

Wir haben auch Beispiele: Sie loben die Sachen immer so hoch, was die Zwischenfinanzierung anbetrifft. Der erste Sündenfall, den Sie damals schon gemacht haben, war beispielsweise der Bahnhofsvorplatz. Er sollte auch nur zwischenfinanziert werden. Ich befürchte, so, wie Sie das konzeptionieren, wird das auch eine Dauerfinanzierung.

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Dauernd zwischenfinanziert!)

Eine Zwischenfinanzierung auf Dauer, das wäre noch einmal ein kreativer Einfall, wie Sie sich die

nächste illegale oder halblegale Kasse erschließen können, die Sie dann im Nachhinein legalisieren.

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Aber diese Idee der Vorfinanzierung kommt aus der Ampel- zeit, Herr Kollege!)

Ich wusste gar nicht, dass Sie solch großen Wert darauf legen, aus der Ampelzeit die Projekte zu übernehmen, Herr Pflugradt, sonst nehmen Sie das immer als Beleg, dass alles nicht funktioniert hat.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Wir haben die Grünen immer wegen ihrer Kreativität ge- schätzt!)

Irgendwie ist bei Ihnen auch ein bisschen die Stringenz auf dem Dienstweg verloren gegangen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, dann sehen wir uns doch einmal an, welche Projekte als Investitionen der Zukunft stehen! BIG, Mittelzuweisungen, Mittelstandsförderung, was ist das für eine Investition? Ich will nicht in Frage stellen, ob das sinnvoll ist oder nicht, aber es ist keine Investition, es ist Wirtschaftsförderung, und die ist nach klassischen Haushaltskriterien konsumtiv, ob Sie wollen oder nicht! Das steht hier. Musikfest, Glocke steht hier, dann das Lieblingsprojekt der Koalition, die Rennbahn in der Vahr, nur um Ihnen einmal aufzuzeigen, wie das funktioniert: Im Jahr 2000 42 Millionen DM, dann auf einmal 41 Millionen DM, jedes dritte Jahr stehen dort 42 Millionen DM, und im Jahr 2007 steht nichts. Das heißt, der Haushaltsgesetzgeber 2007 muss entscheiden, dass er dieses Projekt übernimmt, ob ihm das gefällt oder nicht.

Solche Entscheidungen treffen Sie vor folgendem Hintergrund: Wenn Sie sich einmal mit Zukunftsforschern unterhalten, sagen Ihnen alle, in zehn Jahren gibt es die schwarze Wand, das heißt, wir können mit unseren Instrumentarien heute nicht mehr halbwegs zuverlässig prognostizieren, was in der Zeit nach zehn Jahren ist, weil die gesellschaftlichen Entwicklungen so rasant sind, und das merken wir doch alle. Deswegen haben wir doch zum Beispiel auch an der Green-Card-Debatte gemerkt, dass wir manchmal gar nicht mitbekommen, was auf dieser Erde los ist. Dann stellen wir fest, dort ist ein Problem entstanden, und dieses Problem kann dann nicht mehr gelöst werden, weil Sie die Mittel gebunden haben.

(Zuruf des Abg. D r. S c h r ö r s [CDU])

Herr Dr. Schrörs, „mein lieber Herr Dr. Schrörs“ hätte der Finanzsenator gesagt, 50 Prozent Bindung, wir reden hier aber nur über eine Form von Haus

haltsbindung, nämlich nur über die Zwischenfinanzierung/Kapitaldienstfinanzierung. Wir reden nicht über die Schulden, die von 16 auf 19 Milliarden DM am Ende des Sanierungszeitraums angestiegen sein werden, weil Sie ja auch ansonsten das Geld aus anderen Mitteln mit vollen Händen ausgeben.

Wir reden nicht über die vielen Schattenhaushalte, die letztlich in allen Gesellschaften liegen, von denen wir bis heute nicht wissen, wie hoch die Schulden sind, die dort inzwischen angehäuft worden sind. Das heißt, de facto haben Sie wahrscheinlich, das behaupte ich jetzt einmal als Gegenthese, und ich würde mich freuen, wenn Sie mir das irgendwann widerlegen können, sogar schon eine hundertzehnprozentige Bindung über diese ganzen Schulden und sonstigen Finanzierungen. Das heißt, es bestehen überhaupt keine Spielräume mehr für diese Generation für Investitionen, wenn wir das machen, was Sie hier vorschlagen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das machen Sie vor einem Hintergrund, dass, wie wir wissen, Wirtschaftsinvestitionen natürlich nicht per se sofort fiskalische Effekte bringen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Das heißt, selbst dann, wenn diese ganzen Investitionen so wahnsinnig erfolgreich sind, wie Sie das beschreiben, und wir hinterher blühende Landschaften in Bremen haben, tritt nicht automatisch der Effekt ein, dass wir mehr Steuereinnahmen haben, weil die meisten unserer Steuereinnahmen umverteilte Bundessteuern sind, das wissen Sie ganz genau. Diese Wenndann-Kausalität thematisieren Sie schon gar nicht mehr, sondern Sie unterstellen einfach, dass das nicht so ist, und das ist das Unredliche in Ihrer ganzen Argumentation.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin so erzogen worden, dass immer gesagt worden ist, das Geld ist begrenzt, weil wir da, wo ich herkomme, nicht so viel hatten, und wir mussten uns dann in bestimmten Situationen einfach entscheiden. Grundthese jeder Wirtschaftspolitik ist: Wirtschaften heißt, dass aus einer unendlichen Zahl von Gütern die begrenzten Möglichkeiten genutzt werden.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Warum seid ihr nicht einfach zur Bank gegangen?)

Ich behaupte, dass Sie letztlich mit diesen ganzen Instrumentarien die Landeshaushaltsordnung umgehen, weil Sie nämlich mit Ihren Schulden deutlich die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten unserer Landeshaushaltsordnung überschreiten. Das ist für mich das Hauptproblem. Sie haben völlig richtig die

se Gefahr gesehen, als wir über Kapitaldienstfinanzierungen geredet haben. Wenn Sie jetzt der Meinung sind, Sie brauchten andere Finanzierungsformen, warum nutzen Sie dann dieses Moment der Kapitaldienstfinanzierung? Warum nutzen Sie diesen Fonds? Warum machen Sie nicht irgendetwas anderes im Rahmen des Haushalts? Da sage ich Ihnen, der Hintergrund ist, dass Sie zur Refinanzierung schon Mittel dort eingestellt haben, die aber de facto gebunden sind, teilweise aber erst wirksam werden, wenn die Projekte so weit auf den Weg gebracht sind, dass sie auch umgesetzt werden können. Solange das Geld dort liegt, was aber gebunden ist, wollen Sie es halt noch einmal schnell beleihen, binden damit aber natürlich die nächsten Mittel danach.

Dieses überschlagene Schuldenmachen wird dazu führen, dass der Haushalt für die kommenden Generationen nach meiner Auffassung nicht mehr handhabbar sein wird, und das ist eine unverantwortliche Politik dieser sehr großen Koalition. Ich bitte Sie eindringlich darum, in den Beratungen des Haushalts- und Finanzausschusses und in der zweiten Lesung hier eine deutliche Korrektur vorzunehmen! — Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Wiedemeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Zachau, Sie haben eigentlich eben genau das richtige Stichwort geliefert, warum wir auch über Zwischenfinanzierung nachdenken müssen. Die rasante Entwicklung der Gesellschaft und auch veränderte Anforderungen der Wirtschaftsstrukturpolitik erfordern das nämlich einfach. Wir müssen heute eine Antwort darauf finden.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Innerhalb der Gesetze!)

Sie haben es doch gemacht, Zuruf Green Card und so weiter! Natürlich innerhalb der Gesetze! Wir werden die Gesetze und die Richtlinien hier beschließen, und die werden wir einhalten, das ist dann innerhalb der Gesetze.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das werden wir dann sehen!)

Wenn Sie das an dieser Stelle nicht mitmachen wollen, dann ist das Ihr Problem, aber nicht unseres. Wir sind da auf jeden Fall auf der sicheren Seite und innerhalb der Gesetze.

Genau diese rasante Entwicklung bedeutet doch, dass wir auch flexibel sein müssen und dass es uns

auch möglich sein muss, gute Ideen, die wir heute erkennen, die wir aber nicht alle auf einmal kameral darstellen können, sondern in einem absehbaren Zeitraum, und auch programmatisch festgeschrieben haben, heute trotzdem schon zu realisieren und die positiven Früchte daraus zu ernten. Herr Schramm hat eben einen Zwischenruf von wegen Evaluierung gemacht, die Wissenschaftler hätten doch bewiesen, es gäbe überhaupt keine Evaluierung. Natürlich ist Evaluierung möglich, da muss man sich auch einmal mit solchen Themen vernünftig auseinander setzen, und da muss man auch einmal genau hinhören, was da gesagt wird. Es ist lediglich dargestellt worden, welche Probleme es da gibt, und die liegen im methodischen Bereich. Die liegen vor allem darin, dass Sie einerseits ex ante Evaluierungen machen müssen, um zu beurteilen, ob sich ein Projekt lohnt oder nicht, und dass das mit dem ex post bei großen Projekten natürlich seine Zeit dauert. Ich kann doch heute noch nicht die Arbeitsplätze auf dem Space-Park zählen, wenn da noch eine Sandwüste ist. Sehen Sie sich das doch an, das wäre doch wirklich vermessen! Ich denke, diese Erwartung kann auch ein Politiker der Grünen eigentlich nicht haben. So viel würde ich dann doch noch an Intelligenz in dieser Frage — —.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das verlangt zwar die Landes- haushaltsordnung, aber das macht ja nichts!)

Die Landeshaushaltsordnung sieht vor, dass es Wirtschaftlichkeitsberechnungen gibt, und natürlich gibt es Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die werden im Voraus angestellt. Da werden nämlich Erwartungsgrößen ausgedrückt. Wenn die Projekte erst fertig wären, dann bräuchten wir darüber gar nicht zu diskutieren, und dann bräuchten wir auch keine Wirtschaftlichkeitsberechnung mehr. Auch in der Evaluierung gibt es verschiedene Methoden. Es gibt keine absolute Wissenschaft, selbst in der Mathematik werden Sie genug Leute finden, die über das gleiche Thema streiten können. Es gibt da keine absolute Wahrheit.

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das ist richtig!)

Es gibt verschiedene Methoden, und es ist legitim, alle diese anzuwenden. Ich finde es zum Beispiel wichtig und richtig, dass wir auch einen Mix an verschiedenen Wissenschaftlern haben, die diese Evaluierungsstudien von uns machen. Das ist eben nicht nur der BAW, und es ist nicht nur der Herr Haller, sondern da finden wir auch noch Prognos und das IKSF, wie sie auch alle heißen. Ich denke, das ist ausgewogen, und die stimmen sich auch untereinander ab.

(Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen)

Natürlich müssen sie sich hinsichtlich Plausibilität untereinander abstimmen, das ist doch klar. Wir müssen ja, das ist die Schwierigkeit bei dieser ganzen Evaluierung, eben auch beurteilen, wie dieser Mix an Maßnahmen wirkt und nicht nur die einzelne Maßnahme. Deshalb auch noch einmal, Herr Zachau, Sie hatten vorhin kritisiert, dass es am Anfang betriebswirtschaftlich hieß und jetzt regionalwirtschaftlich. Ich finde, das ist richtig! Versuchen Sie doch einmal, den betriebswirtschaftlichen Nutzen einer Straße darzustellen! Das werden Sie schlichtweg nicht können. Zum Regionalwirtschaftlichen wird Ihnen aber da vielleicht auch noch eine ganze Menge einfallen.

Dann haben Sie eben behauptet, wir würden hier Wirtschaftspolitik machen und dann feststellen, die Steuereinnahmen steigen sowieso nicht. Wissen Sie, das ist überhaupt nicht das einzig erklärte Ziel, das hinter all diesen Wirtschaftsmaßnahmen steht. Ein ganz entscheidendes Ziel ist zum Beispiel auch die Frage der Arbeitsplätze, die wir generieren.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden vielleicht per saldo, weil es Bundessteuern sind, die wir bekommen, und weil wir noch Nehmerland sind, in einem so genannten Nullsummenspiel sein, was einen großen Anteil unserer Steuern anbelangt. Wir haben dann aber zumindest die positiven Effekte, dass wir auf der anderen Seite bei den konsumtiven Ausgaben Einsparungen haben werden, nämlich in dem Maß, in dem es uns gelingt, den Bürgern unseres Landes hier wieder Arbeit zu vermitteln und sie nicht abhängig von Sozialhilfeleistungen und anderen Leistungen des Staates zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Da zahlt es sich dann aus, und das ist eines der Kriterien, die der Senat extra aufgenommen hat bei der Frage, ob es sich um regionalwirtschaftlich bedeutsame Maßnahmen handelt, die da durchgeführt werden sollen. Ihren Vorwurf, dass wir die LHO hier umgehen und dass wir pausenlos irgendwie intransparent irgendwelche Schattenhaushalte anhäufen, weise ich schlichtweg zurück! Schauen Sie Ihre Haushaltsunterlagen genau an und die Anlagenbände, die es dazu gibt, und schauen Sie in der Gesamtübersicht nach, das sind diese grauen Bände, die wir immer als Parlamentarier bekommen! Dort finden Sie dann auch alles Lesenswerte über unsere Gesellschaften!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Schrörs.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Zachau, ich will nach dem Beitrag von Frau Wiedemeyer nur noch kurz auf zwei Punkte zurückkommen. Es ärgert mich schon ein bisschen, dass Sie Begriffe wie „unredlich“, „unverantwortlich“, „unseriös“ immer einfach en passant hier einstreuen. Sie wollen den Eindruck erwecken, als wenn die große Koalition hier ein Programm macht, welches man so bezeichnen könnte.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie als Kaufmann verhalten sich so!)

Darauf komme ich gleich noch!

Bleiben wir einmal bei dem Bereich Schulden und Vermögen! Wir haben diesen Punkt bei der letzten Debatte schon gehabt. Ich dachte, bei der letzten Debatte hätten Frau Wiedemeyer und ich Ihnen klargemacht, wie sich das mit den Schulden und dem Vermögen darstellt, aber offensichtlich, Herr Zachau, hat es noch nicht gereicht. Wir versuchen es dann noch einmal. Meistens ist es so, wie auch in diesem Fall, wenn man Schulden hat, dass denen auch Vermögen gegenübersteht. Ich sage, es ist nicht immer so, aber meistens. In Bremen ist es Gott sei Dank so.

Nehmen Sie den Flughafen! Wenn Sie in die Bilanz des Flughafens schauen, dann werden Sie erst einmal — o Graus! — erkennen, welche Schulden dieser Flughafen hat, ganz furchtbar und ganz schrecklich. Das ist unter anderem auch ein Grund, warum die Frage der Privatisierung kompliziert ist. Wer will denn eigentlich solch einen Flughafen kaufen? Wenn man aber ein bisschen genauer hinschaut, dann stellt man fest, dass so ein Flughafen ja auch ein gewisses Vermögen hat und er selbst auch ein gewisses Vermögen darstellt. Nun kommt die Diskussion, die wir beim letzten Mal geführt haben, nämlich die Frage der Eröffnungsbilanz. Wenn Sie das bilanzieren, dann werden Sie feststellen, dass wir in Bremen neben den Schulden, die wir ohne Frage haben, Gott sei Dank auch beträchtliche Vermögen haben.

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Die aber nicht realisierbar sind!)