Protocol of the Session on May 10, 2000

Bitte, Herr Bürgermeister!

Das lag damals an vielem. Das lag an der auslaufenden Legislaturperiode und dem Neubeginn der Legislaturperiode. Das lag daran, dass mein Vorgänger, Herr Kröning, nach der ersten Bewerberrunde gesagt hat, er hätte keinen einzigen geeigneten Kandidaten gefunden, und er hat gesagt, unter den Bedingungen müsste neu ausgeschrieben werden. Da haben wir Glück gehabt. Wir haben einen guten Kandidaten gefunden. Das hat sich damals sehr gelohnt.

Zusatzfrage? — Bitte, Herr Teiser!

Herr Bürgermeister, können Sie ausschließen, dass unter möglichen Strukturgesichtspunkten oder auch echten oder vorgeschobenen Spargesichtspunkten die Stadt Bremerhaven ihre einzige Landesbehörde verliert?

Bitte, Herr Bürgermeister!

Wenn Sie wüssten, wie viele Gedanken wir uns von morgens bis abends über Bremerhaven machen, dann würden Sie diese kritische Frage nicht stellen. Ich weiß, dass das hochsensibel ist und dass wir gut beraten sind, das mit Ihnen schön gemeinschaftlich zu machen.

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Gemeinsam!)

Richtig! Gemeinsam zu machen! Man darf doch den Aufgabenzuschnitt bundes-, in diesem Fall sogar EU-richtliniengemäß noch einmal neu schütteln, und da muss man versuchen, eine gute Lösung zu finden, mit Ihnen, nicht gegen Sie, das würde ich mich nicht trauen.

Zusatzfrage? — Bitte sehr!

Herr Bürgermeister, würden Sie denn mit mir einher gehen, wenn ich feststelle, dass es unglaubwürdig werden könnte, wenn dieses Parlament oder andere offizielle Stellen den Bund entgegen Strukturüberlegungen oder Sparmaßnahmen auffordern, Behörden in das Land Bremen zu verlagern oder zu belassen, wenn man innerhalb des Landes dann nicht die gleichen Kriterien anlegen würde?

Bitte, Herr Bürgermeister!

Wenn der Finanzausgleich dieses Landes, dessen einziger Nutznießer die Stadtgemeinde Bremerhaven ist, zum Maßstab gesetzt wird, wie der Bund und die anderen Länder mit der Freien Hansestadt Bremen umgehen, dann müsste ich Vergnügungssteuern für meinen Job zahlen.

(Heiterkeit)

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die elfte und damit letzte Anfrage in der Fragestunde trägt die Überschrift „Einigung zwischen der EU und Südkorea in der Schiffbaupolitik“. Die Anfrage trägt die Unterschriften der Abgeordneten Töpfer, Böhrnsen und Fraktion der SPD.

Bitte, Herr Kollege!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Wie beurteilt der Senat das nun zwischen der Europäischen Union und Südkorea ausgehandelte Abkommen in der Schiffbaupolitik?

Zweitens: Ergeben sich daraus verbesserte Aussichten auch für die Werften im Lande Bremen, und wenn ja, welche?

Zur Beantwortung für den Senat erhält das Wort Herr Staatsrat Dr. Färber.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu eins: Die am 10. 4. 2000 paraphierte Protokollvereinbarung bedarf noch der Unterzeichnung des Rates der EU-Industrieminister und der südkoreanischen Regierung. Kernpunkte sind das Ende staatlicher Beihilfen, auch über das Bankensystem, handelsübliche Preisfestsetzung, finanzielle Transparenz nach internationalen Standards sowie ein neues Schlichtungsverfahren über eventuelle Streitpunkte.

Der europäische Schiffbau begrüßt das Abkommen ebenso wie der Senat. Bei Einhaltung fairer Wettbewerbsbedingungen hat somit auch der deutsche Schiffbau ohne Produktionsbeihilfen auf den Weltmärkten eine Chance. Eine Beurteilung der Wirksamkeit der Protokollvereinbarung, die sich zum Beispiel in einer Preiserhöhung um 15 bis 20 Prozent für koreanische Containerschiffe zeigen müsste, dürfte allerdings erst in vier bis fünf Monaten möglich sein. Die WTO-Klage, als maßgeblich für das Zustandekommen der Vereinbarung gehalten, wird im Auftrag der Schiffbauverbände weiterhin vorbereitet.

Zu zwei: Auch die bremischen Werften profitieren von einer Wiederherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen auf den Weltmärkten. Weitere Produktionsbeihilfen für Akquisitionen ab 2001 sind nach geltender Rechtslage bereits ausgeschlossen.

Zusatzfragen liegen nicht vor.

Meine Damen und Herren, damit ist die Fragestunde beendet.

„Öffentliche Daseinsvorsorge“ und europäische Integration

Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22. Februar 2000 (Drucksache 15/213)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 18. April 2000

(Drucksache 15/292)

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf, ihm beigeordnet Staatsrat Bettermann.

Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Ich gehe davon aus, Herr Bürgermeister, dass Sie davon keinen Gebrauch machen wollen.

Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen. — Dies ist der Fall.

Meine Damen und Herren, die Aussprache ist damit eröffnet.

Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine gemeinsame eigene Europapolitik der deutschen Bundesländer hat es bisher nur selten gegeben. Jetzt aber, vor den bevorstehenden großen Entscheidungen über die Erweiterung nach Osten, über die innere Reform der Europäischen Union, haben die Ministerpräsidenten eine Europapolitik der Länder zu formulieren begonnen.

Um es gleich zu sagen, und das ist der Anlass der Debatte heute, aus unserer Sicht, diese neue Politik schlägt nach unserer Auffassung eine falsche und zu Ende gedacht gefährliche Richtung ein. Sie richtet sich, ernst genommen, gegen die Vertiefung der europäischen Integration. Sie pokert dabei sehr hoch und spielt mit verdeckten Karten. Sie ist nach meiner Auffassung auch gefährlich, wenn dabei wie aus

dem Bremer Rathaus populistische Anti-Brüssel-Begleitmusik gespielt wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Europäische Union muss sich auf der kommenden Regierungskonferenz von Nizza Ende dieses Jahres selbst erweiterungsfähig machen. Die anstehenden Entscheidungen sind schwierig. Sie betreffen nämlich die innere Machtbalance. Der Druck, sich auf der Konferenz zu einigen, ist groß, was auf dem Spiel steht, ist noch größer angesichts der dringenden weiteren Vertiefung der europäischen Integration. Es hängt daran ja inzwischen auch die gemeinsame Währung, wie wir wissen.

Nun haben die deutschen Länderchefs gemeinsam beschlossen, ultimativ zu fordern, dass noch weitere Gegenstände auf die Tagesordnung von Nizza kommen. Das wird schon schwierig genug sein, und dann sollen die natürlich auch in ihrem Sinne beschlossen werden, anderenfalls drohe, so der Beschluss, der Bundesrat sein Veto bei der Ratifizierung neuer Verträge an.

Die Länder fordern, dass der Europäische Rat einen Kompetenzkatalog verabschiedet, in dem abschließend festgelegt ist, welche politischen Entscheidungen auf welcher Ebene getroffen werden, also Europa, Nationalstaaten und Regionen. Diese Forderung nach einer klaren Zuschreibung von Kompetenzen und Zuständigkeiten ist so weit vernünftig, wie sie zu größerer politischer Transparenz und damit auch Verantwortlichkeit führt und dem dient. Wir alle wollen natürlich zu Recht wissen, woran wir im Einzelnen sind.

Das Problem ist nur, meine Damen und Herren, die Länderchefs fordern nicht nur einfach größere Klarheit und Deutlichkeit. Sie fordern in der Sache auf breiter Front einen Stopp von mehr gemeinsamer europäischer Politik, ja noch mehr, sie fordern eine umfangreiche Rückverlagerung von Kompetenzen von der europäischen Ebene auf die nationalstaatliche beziehungsweise im deutschen Fall eben auf die Ebene der Länder, also in der Wirkung eine tatsächliche Desintegration.

In einem Arbeitspapier der Ministerpräsidenten vom März dieses Jahres ist zusammengestellt, dass zum Beispiel regionale Wirtschaftsförderung, Raumplanung, ÖPNV, Bereiche der Daseinsvorsorge wie Wasser- und Abwasserpolitik und vieles mehr der Kompetenz der Länder vorzubehalten beziehungsweise eben zurückzugeben sind. Besonders auf die regionale Wirtschaftsförderung, die sie wieder ganz frei von jeglicher europäischen Subventionskontrolle haben möchten, kommen die Länderchefs immer wieder zurück. Ich frage mich: Wollen die Ministerpräsidenten ernsthaft einen neuen Subventionswettlauf? Das, kann ich nur sagen, ist für Bremen dop

pelt absurd, denn wir jedenfalls würden das immer verlieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auf unsere Frage in der Großen Anfrage, welche Politikfelder der Senat denn allein den Ländern vorbehalten will, über die also weder die Europäische Union noch der Bund etwas dort zu sagen haben soll, hat der Senat eine lange Liste vorgelegt, auf der unter anderem steht: Fragen der Daseinsvorsorge, also auch etwa — mit Fragezeichen — Post, Telekommunikation, Energie, regionaler Strukturausgleich, Raumordnung, Wissenschaft und so weiter, eine lange Liste bis hin zu Finanzen. Weder der Bund noch Europa sollen in all diesen Gebieten irgendetwas zu sagen haben!

Das ist so abenteuerlich, dass man sich nicht vorstellen kann, dass da wirklich neun Mitglieder des Senats, ob nun de Luxe oder ohne de Luxe, dem zugestimmt haben, und es soll ja jemanden geben, der das alles liest. Das kann er nicht im Ernst gelesen haben, oder das ist eine dermaßen abenteuerliche Politik, dass ich mir das wirklich nicht vorstellen kann.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, begründet wird diese Politik mit der Behauptung, dass das Fortschreiten der europäischen Integration den Kern, die Eigenstaatlichkeit der deutschen Länder bedrohe, die, ich darf Bürgermeister Scherf im Bundesrat zitieren, „die ökonomische Verlässlichkeit, kulturelle Vielfalt und soziale Sicherheit in den Bundesländern“. Das ist absurd.