Protocol of the Session on January 27, 2000

Da sitzt Herr Eckhoff, erst mutig voran, indem er erklärt, dass Herr Schäuble, der in der Pose des Aufklärers auftritt, in Wahrheit aber immer nur dann das eingesteht, von dem er weiß, dass es die Presse weiß, der brav da applaudiert, applaudiert einer Rede Helmut Kohls, die an Peinlichkeit schwer zu überbieten ist, ein Mann, ein Ehrenwort!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ein Gutes hat das doch, in Zukunft wird sich wirklich niemand mehr trauen, Ehrenwörter abzugeben. Ein Mann, ein Ehrenwort, an Gesetze müssen sich leider nur die Bürgerinnen und Bürger ohne Ehrenwörter halten! Ein paar Hiebe gegen Kritikerinnen in den eigenen Reihen und dann fröhliches Rederecycling: Die SPD wollte die Einheit nicht, Rotgrün, wie furchtbar! Das ist sozusagen die Neujahrsrede des ehemaligen Bundeskanzlers.

Unter Freunden wird jemand mit so einer Realitätsverkennung auf den Topf gesetzt. Sie, Herr Eckhoff, klatschen brav. Die Erneuerung der CDU wird doch von Leuten wie Ihnen kommen müssen. Wie wollen Sie das jetzt eigentlich noch glaubwürdig machen?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Bürgermeister Perschau, ich freue mich sehr, dass Sie jetzt bei dieser Debatte hier für den Senat sitzen. Die Zwangsarbeiterentschädigung hat ja den Senat nicht übermäßig interessiert und Sie offensichtlich auch nicht. Gut, ich sage jetzt hier ein offenes Wort zu Ihnen, eine klare Position oder eine Distanzierung von irgendetwas haben wir in der Öffentlichkeit nicht gehört. Sie sind hier immerhin Bürgermeister.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Perschau warnt vor Vorverurteilungen. Eigentlich geht es aber darum, dass Ihnen das in der Bevölkerung vorherrschende Urteil, nämlich dass Personen, die das Parteiengesetz mit Füßen treten, in der Politik nichts mehr zu suchen haben, nicht gefällt.

Herr Teiser, haben Sie das wirklich so gesagt, wie es heute in der „taz“ steht? Ein bisschen bezahlen, und dann ist alles wieder gut?

(Abg. B o r t t s c h e l l e r [CDU]: Lesen Sie doch einmal eine gute Zeitung!)

Haben Sie immer noch nicht verstanden, dass das, was mit Bimbesdemokratie zu tun hat, das ist, was Sie gerade jetzt begreifen sollen? Dann haben Sie wirklich noch einmal die Frechheit, das noch ein

mal zu erzählen, wir bezahlen, und damit ist es erledigt?

Herr Landesvorsitzender Neumann, in Vasallentreue fest zu Helmut Kohl! So ein Neujahrsempfang ist doch eine gute Gelegenheit, in der CDU die Stühle wieder geradezurücken. Die Sache soll in alter Tradition ausgesessen werden. Zu viel Eifer schadet nur, zurück zur Tagesordnung! Der CDU Bremen wurde damit ein ziemlich übler Dienst erwiesen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen — Abg. B o r t t s c h e l l e r [CDU]: Das be- urteilen aber andere!)

Glauben Sie ja nicht, meine Damen und Herren von der CDU, dass Sie ohne präzise Auskünfte über die 370.000 DM Sonderzuwendung an die CDU Bremen so davonkommen! Dass das Geld ordnungsgemäß verbucht wurde, genügt nicht als Auskunft. Entscheidend ist, ob es über die Konten der CDU, über sonstige Konten, über Tüten, Koffer oder Umschläge kam, das ist die Frage.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das ist deshalb entscheidend, weil die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat zu erfahren, mit welchem Geld Sie hier Ihre Wahlkämpfe geführt haben

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

und ob Sie Hinweisen auf eine mögliche unrechtmäßige Herkunft hätten nachgehen müssen.

Auch Sie, Herr Dr. Schrörs, halten sich ja vornehm zurück, das ist schade. Auch Sie haben, ebenso wie Herr Eckhoff, einen Ruf zu verlieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich weiß, Sie werden gleich darauf hinweisen, dass andere auch: in Niedersachsen, Herr Schleußer und natürlich die Grünen mit ihren Abgeordnetenspenden! Das ist Ihr gutes Recht, es ist richtig, auf alle Probleme im Verhältnis Parteien und Staat hinzuweisen. Tun Sie sich aber wenigstens den Gefallen, und bringen Sie nicht die Dimensionen durcheinander! Ein amtierender, auf die Verfassung vereidigter Bundeskanzler, der Geld in Umschlägen von Waffenhändlern nimmt und begüterten Bürgerinnen verspricht, gegen Recht und Gesetz zu verstoßen — —.

(Abg. F o c k e [CDU]: Das können Sie doch gar nicht wissen! — Abg. K n ä p - p e r [CDU]: Woher wissen Sie das über- haupt? Das behaupten Sie!)

Das wollen wir doch einmal sehen, was jetzt noch herauskommt!

(Zurufe von der CDU)

Das wollen Sie jetzt noch abstreiten? Das hat Herr Kohl doch selbst eingeräumt!

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Das ist schlicht gelogen!)

Nun lassen Sie es einmal gut sein, Herr Pflugradt! Dass er Geld von Herrn Schreiber genommen hat, hat er eingeräumt, natürlich! Also, noch einmal von vorn! Sie werden sich das hier anhören müssen, auch wenn es schmerzt!

Ein amtierender, auf die Verfassung vereidigter Bundeskanzler, der Geld in Umschlägen von Waffenhändlern nimmt oder auf anderem Wege und begüterten Bürgerinnen und Bürgern verspricht, gegen Recht und Gesetz zu verstoßen, der dann wie ein bockiges Kind die gesamte CDU und Deutschland in eine furchtbare Lage bringt, das ist das Problem!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Abtauchen oder auf andere zeigen, zeigt vor allem eines, Sie haben immer noch nicht verstanden, welchen immensen Schaden Sie da angerichtet haben. Die vielbeschworene schonungslose Aufklärung und Offenheit nimmt Ihnen jedenfalls hier nach Ihrem Neujahrsempfang so ziemlich keiner mehr ab.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Debatte kann aus unserer Sicht nur der Anfang sein. Jetzt endlich muss auch die SPD hier Farbe bekennen. Ich habe mich schon darüber geärgert, wie zurückhaltend Sie damit umgegangen sind. Klar, Sie haben eigene Probleme!

(Zuruf von der SPD)

Ja, natürlich, die haben wir auch, das ändert aber nichts daran, dass wir eine Verpflichtung haben, Ross und Reiter zu benennen, auch die eigenen Probleme zu nennen, aber auch zu denen der anderen Stellung zu beziehen, und zwar klar und deutlich. Wir müssen gemeinsam die Kraft zur Erneuerung der Demokratie aufbringen. Das setzt aber bei Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, ein Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit und das Eingestehen von Fehlern voraus. Mit einer Strategie der fest geschlossenen Reihen wird es jedenfalls nicht gehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es verwundert mich doch schon sehr, dass ausgerechnet ein solcher Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen gestellt wurde, jener Partei also, bei der es um sage und schreibe 3,5 Millionen DM aufgrund eines Parteibeschlusses, der klar gegen das Gesetz verstößt, geht. Meine Damen und Herren vom Bündnis 90/ Die Grünen, Sie müssen doch zugeben, dass Sie diesbezüglich nicht gerade glaubwürdig sind und keine moralische Instanz darstellen.

(Zuruf von der CDU: Anders als Sie!)

Meine Damen und Herren, täglich und fast stündlich steigen neue Blasen aus dem Spendensumpf an die Oberfläche.

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Waschmaschine, Waschmaschine!)

Die Parteifunktionäre hätten eigentlich Wurstverkäufer werden müssen, denn es wird immer nur scheibchenweise das zugegeben, was beim besten Willen nicht mehr zu leugnen ist beziehungsweise was unmittelbar vor der Aufdeckung steht. Klar ist aber, dass hier doppelter Rechtsbruch begangen wurde. Gesetzwidrige Spenden wurden, wenn überhaupt, gesetzwidrig verbucht und so weiter. Demzufolge stellt die „Bild“-Zeitung richtigerweise fest, Herr Präsident, ich darf zitieren: „Geldwäsche wie bei der Mafia“.

Nun kommt der größte Hohn, da stellt sich die CDU-Generalsekretärin, Frau Merkel, mit einem weinerlichen Gesichtsausdruck hin und sagt, Ehrlichkeit darf nicht bestraft werden, meine Damen und Herren. Das wäre ja genauso, als wenn ein Schwerkrimineller zugibt, dass er Straftaten begangen hat, und nun müsste man ihn wieder laufen lassen, weil er dies zugegeben hat und damit zur Aufklärung beigetragen hätte. Das kann es ja wohl nicht sein, meine Damen und Herren!

Hier wird versucht, mit rhetorischem Eiertanz armseliger Büttenredner das Volk zu verdummen, um einen eindeutigen Verfassungsbruch zu verharmlosen. Immer mehr Bürger fragen sich deshalb besorgt: Bestimmen etwa Verbrecher deutsche Politik? In der Tat stellt sich der Bürger die berechtigte Frage: Mache ich mich wegen der Unterstützung einer kriminellen etablierten Vereinigung strafbar, wenn ich das nächste Mal zur Wahl gehe?

Meine Damen und Herren, in der „Nationalzeitung“ vom 21. Januar,

(Unruhe)

die sollten Sie einmal lesen, dann wären Sie nicht so unwissend, ich darf zitieren: „Es scheint leider so, dass Volksvertreter aller politischen Richtungen in Deutschland über kurz oder lang nur noch an der Selbstbereicherung interessiert sind.“

(Unruhe)

Ich bin noch nicht am Ende, beruhigen Sie sich, meine Damen und Herren!

„Die zum Teil weit überhöhten Diäten, Aufwandsentschädigungen und sonstige Zuwendungen für Abgeordnete sowie die astronomisch hohen Bezüge der Regierungsmitglieder im Bund und in den Ländern wecken offenbar bei vielen den Appetit auf immer mehr. Dies macht sich nach allen Erkenntnissen auch die organisierte Kriminalität zunutze, die dabei ist, Politik, Justiz, Verwaltung und Wirtschaft zu unterwandern und zu korrumpieren. Dass Spenden aus diesem Bereich in keinem Rechenschaftsbericht von Parteien erscheinen, versteht sich doch dann von selbst. Deutschland, so muss man befürchten, ist auf dem Weg zum Verbrecherparadies.“ Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Bei dem ganzen Spendenskandal dürfen wir die Tatsache nicht vergessen, dass sich unser Bundespräsident, Bruder Johannes, als Ministerpräsident seinen fünfundsechzigten Geburtstag mit 150.000 DM von Sponsoren finanzieren ließ oder den Abzockerskandal von SPD-Glogowski aus Niedersachsen oder die Sonderflüge mit Freundin und Vergünstigungen der Westdeutschen Landesbank für SPDPolitiker, ebenso die Spende an die SPD-Genossin Renate Schmidt in Bayern. Sie sehen, meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben keinen Grund, hier die Moralapostel zu spielen!