Protocol of the Session on January 27, 2000

Die zwischen den Opferverbänden und den beteiligten Regierungen einerseits und der Bundesregierung und der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft andererseits erzielte Einigung über die Errichtung und Ausstattung einer Stiftung zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern ist ein wichtiges historisches Datum. Der Senat hofft, dass es sehr

schnell gelingen wird, die vereinbarten Mittel den Opfern auszuzahlen. Wir alle wissen, dass wegen des zum Teil hohen Alters der Berechtigten eine rasche Auszahlung notwendig ist. Der Senat wird alles in seinen Möglichkeiten Stehende tun, die Anerkennung von Ansprüchen zu unterstützen.

Die Frage der finanziellen Unterstützung der Stiftung wird zurzeit zwischen der Bundesregierung und den Ländern diskutiert. Bremen hat schon in der Vergangenheit gezeigt, dass es auch bereit ist, finanzielle Hilfe zu leisten, auch wenn der Bund als Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs für das Kriegsfolgenrecht zuständig ist.

Der Senat nimmt vor diesem Hintergrund die in dem von allen demokratischen Fraktionen dieses Hauses getragenen Antrag an ihn gerichteten Erwartungen gern an. Gleichzeitig sind selbstverständlich die Verbände und Vereinigungen der Wirtschaft gefordert, gegenüber ihren Mitgliedern deutlich zu machen, welchen moralischen und politischen Stellenwert die seit langem überfällige Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern hat. — Danke schön!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/163 ist durch den gemeinsamen Antrag der Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen, der CDU und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 15/184 erledigt.

Ich lasse also über den Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der CDU und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 15/184 abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der CDU und der SPD mit der DrucksachenNummer 15/184 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU und Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Abg. T i t t m a n n [DVU])

Stimmenthaltungen?

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, dass wir nach dieser Debatte die Sitzung für eine oder zwei Minuten unterbrechen sollten.

(Unterbrechung der Sitzung 10.55 Uhr)

Präsident Weber eröffnet die Sitzung wieder um 11.00 Uhr.

Meine Damen und Herren, ich möchte die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) wieder eröffnen.

Kontrolle und Transparenz der Parteienfinanzierung verbessern

Antrag (Entschließung) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 11. Januar 2000 (Drucksache 15/164)

Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet.

Als Erste hat das Wort die Abgeordnete Frau Linnert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bürgerschaftsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat den Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag zur Veränderung des Parteiengesetzes eingebracht, weil auch der Bremer Landtag sich mit dem Thema Parteispenden befassen muss und wir uns hier diesem Thema stellen müssen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wie kein anderes Thema der letzten Jahre beschäftigen die Vorfälle der letzten Wochen die Medien, die Öffentlichkeit und die Parteien selbst. Auch wenn wir die Einschätzung, es handele sich um eine Staatskrise, zurzeit nicht teilen, sicher ist aus unserer Sicht, dass es sich um die größte Vertrauenskrise gegenüber Politik, Parteien und letztlich auch dem Staat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland handelt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Von Ihrem, aber auch von unserem gemeinsamen Umgang mit dieser Krise hängt viel ab, nicht nur für die CDU. Es hängt davon ab, ob es gelingt, Vertrau_______

) Von der Rednerin nicht überprüft.

en in die Demokratie zurückzugewinnen und das Engagement für das Gemeinwohl, das Politik ja ausschließlich sein soll, von seinem schlechten Ansehen in der Bevölkerung und im Ausland zu befreien. Insofern gibt es ein gemeinsames Interesse aller demokratischen Kräfte. Wir, die Grünen, versuchen, uns ohne Häme oder Schadenfreude diesem Problem zu stellen und unseren Anteil zur Bewältigung der Krise beizutragen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Parteien haben in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland eine besondere, hervorgehobene Stellung, es steht darin, dass sie zur politischen Meinungsbildung beitragen. Von einem Monopol, einem weit in gesellschaftliche Gremien, in Institutionen, Vereine, Kirchen, in die Justiz und in die Medienlandschaft und in Unternehmen hineinreichenden Einfluss, so wie er sich heute darstellt, war nie die Rede. Das ist nicht im Sinne der Verfassung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Möglicherweise ist es für uns alle oder Einzelne von uns kurzfristig und machtstrategisch vielleicht richtig. In der Verfassung ist diese Machtstellung der Parteien nicht vorgesehen, und das ist auch gut so.

Als ich als noch sehr junge Frau nach Bremen gekommen bin, da gab es hier den Untersuchungsausschuss Sankt-Jürgen-Straße. Ich habe das ziemlich intensiv verfolgt, und das, was in diesem Zusammenhang passiert ist, hat mich auch stark geprägt. Es hat ein Richter vom Landgericht hier in Bremen bei den Verhandlungen gegen Herrn Galla, nachdem er sich das alles angeschaut hat, was da passiert ist, gesagt, da haben sich die Parteien des Staates bemächtigt. Ich glaube, dass er Recht hatte.

Was ich damit sagen möchte, ist, dieses Problem ist nicht neu. Insofern muss man dieser Krise auch etwas Gutes abgewinnen. Das, was lange unter der Oberfläche war und was für viel Ablehnung von Politik in der Bevölkerung gesorgt hat, kommt jetzt zu einem Ausdruck, der natürlich für alle Beteiligten, insbesondere für die CDU, eine besondere Herausforderung und bestimmt auch schmerzhaft ist.

Unser Politikverständnis ist nach dieser Sache mit der Sankt-Jürgen-Straße ganz stark davon geprägt gewesen, dass so etwas nicht sein darf. Die lange Alleinherrschaft der SPD in Bremen hat das Bewusstsein für die vorgeschriebene und notwendige Trennung zwischen Parteien und Staat zum Teil verkümmern lassen.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Werden Sie man nicht unverschämt!)

Das ist doch nun wirklich Fakt. Seien Sie doch nicht so, das können Sie einfach einräumen, und das würde allen auch gut tun! Im Übrigen regieren Sie auch schon lange nicht mehr allein, und Sie wissen auch, dass das Bremen ganz gut getan hat.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Soweit ich mich erinnere, hat auch die CDU als ein Problem angesehen, dass es, wenn über eine längere Zeit die Macht bei einzelnen Personen oder auch bei Alleinregierungen liegt, dazu kommt, dass die vorgeschriebene Trennung eher in den Hintergrund gerät. An dem, was jetzt diese 17 Jahre Kohl ausgelöst haben, kann man auch sehen, dass niemand davor gefeit ist.

Für die Grünen hat die Kritik am Parteienstaat in ihrer Gründungsphase eine große Rolle gespielt. Schon damals waren Partei- und Machtmissbrauch im Bewusstsein vieler in der Bevölkerung ein Begriffspaar. Wir haben versucht, nicht, wie vielfach unterstellt, aus moralischen Motiven, Moral ist allerdings in der Politik bestimmt nicht überflüssig,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

sondern aus der klaren Erkenntnis, dass Macht geteilt, auf mehrere Schultern verteilt und zeitlich begrenzt werden muss, Regelungen einzuführen wie die Rotation, die Trennung von Amt und Mandat und die viel belächelte Basisdemokratie.

(Abg. B ö h r n s e n [SPD]: Rotation? — Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Wer hat hier zuletzt rotiert?)

Das war sozusagen konstitutiv bei den Grünen, um bestimmte Fehlentwicklungen auch in der eigenen Wahrnehmung zu verhindern. Erst heute, meine Damen und Herren von der CDU, kann ich richtig verstehen, warum gerade Basisdemokratie für viele von Ihnen so eine unheimliche Zumutung gewesen ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie haben einen innerparteilichen Zustand gehabt, bei dem Zustimmung, Loyalität und Parteikarrieren erkauft wurden. Helmut Kohl, der große Feudalherr, belohnt brave Landesverbände, fördert Günstlinge und verstößt unbequeme Geister aus seiner Umgebung. Für einige, und da sind wir dann bei Ihrem bemerkenswerten Neujahrsempfang, hat die Treue Vernunft und Verantwortungsgefühl außer Kraft gesetzt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Da sitzt Herr Eckhoff, erst mutig voran, indem er erklärt, dass Herr Schäuble, der in der Pose des Aufklärers auftritt, in Wahrheit aber immer nur dann das eingesteht, von dem er weiß, dass es die Presse weiß, der brav da applaudiert, applaudiert einer Rede Helmut Kohls, die an Peinlichkeit schwer zu überbieten ist, ein Mann, ein Ehrenwort!