Wir können jetzt etliche weitere Beispiele aufführen. Hier im Hohen Haus sitzt jemand, der wegen Trunkenheit am Steuer und wegen fahrlässiger Tötung bestraft wurde; weitere wegen Betrugs.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste! Der vorliegende Antrag, "Angriffe auf Personen des politischen Lebens schärfer bestrafen", ist von einem klassischen Fehlschluss geleitet. Die Ursache für die Begründung dieses Antrags ist ja zunächst nicht von der Hand zu weisen. Nur ist die gewünschte Umsetzung schon längst erfolgt. Der Freistaat ist bereits auf allen Ebenen aktiv und der Antrag daher als untauglicher Versuch abzulehnen.
Zunächst: In der Tat erleben wir bundesweit eine Zunahme an politisch motivierten Straftaten und in der Folge auch tätliche Angriffe gegen in der Politik und für die Gesellschaft engagierte Menschen. Trotz ihres unverzichtbaren Beitrags zum gesellschaftlichen Leben werden Menschen, die für das Gemeinwohl tätig sind, immer wieder zum Ziel von Angriffen sowohl physischer als auch psychischer Natur.
Neben den individuellen Folgen für das Opfer können die Angriffe die Funktionsfähigkeit unseres Gemeinwesens gravierend beeinträchtigen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt erschüttern. Denn dort, wo für das Gemeinwohl tätige Personen zum Ziel von Aggressionen und Angriffen werden, steht zu befürchten, dass sie sich von solchen Tätigkeiten zurückziehen und auch andere Personen vor einem solchen Engagement zurückschrecken.
Die allgemein zu beobachtende Verrohung der Sprache, die aufgeheizte Stimmung in manchen Teilen der Bevölkerung, die sich dann im schlimmsten Fall Bahn bricht in Akten der verbalen und leider auch zunehmend tätlichen Gewalt gegen Personen des öffentlichen Lebens, hat ihren Ursprung aber auch darin, wie wir hier im Parlament uns verhalten, wie und vor allem was wir sagen, hier und auch draußen, auf Social Media. Wenn die Bühne hier vorne am Rednerpult nur noch missbraucht wird, um Hetztiraden loszuwerden, deren Best-of dann von der Social-Media-Abteilung auf 30 Sekunden gekürzt auf TikTok gestellt wird, so legt man doch selbst die Axt an den Baum, auf dem man sitzt.
Nach dem Grundsatz "Aktion gleich Reaktion" muss man sich dann auch nicht wundern. Nein, man nimmt es für den schnellen populistischen Wahlerfolg in Kauf, dass sich die Fronten immer weiter verhärten und der Sturm, den man gesät hat, sich am Ende gegen einen selbst wendet. Anstelle scheinheiligerweise solche Anträge zu stellen, wäre es zielführender, weil sachlich geboten, drei einfache Punkte zu beherzigen:
Punkt eins: Man sollte sich selbst hinterfragen. Es ist nie zu spät, damit anzufangen. Ich habe auch nach meinem ersten Jahrestag hier im Plenum die Hoffnung und den Glauben noch nicht verloren, dass es uns hier gelingen kann, wieder ohne hämische Zwischenrufe ernsthaft und von Sachargumenten geleitet zu debattieren und damit ein Vorbild für eine Diskussions- und Streitkultur abzugeben, die wir einmal hatten, bevor es manch einem nur noch darum ging, den Algorithmus von TikTok zu bespielen.
Punkt zwei: Wir sollten aktiv vorangehen und zügig handeln. Hier gibt es in Ihrem Antrag einen Fehlschluss. Er enthält eine durchaus richtige Zustandsbeschreibung, verschweigt und verkennt aber die wahren Ursachen. Deshalb kommen Sie zu einem völlig falschen Ergebnis. Wir müssen nicht die Staatsregierung auffordern, sich für härtere Strafen und mehr Schutz von Personen des öffentlichen Lebens einzusetzen. In Bayern werden Straftaten zum Nachteil von Mandatsträgern bereits konsequent verfolgt. Um Mandatsträgern den bestmöglichen Schutz zu bieten, hat das Staatsministerium des Innern gemeinsam mit dem Staatsministerium der Justiz bereits im Jahr 2020 ein umfassendes Maßnahmenpaket erarbeitet, das fortlaufend überprüft und bei Bedarf optimiert wird. Einer Aufforderung durch den Landtag bedarf es hierfür nicht.
Das gilt im Übrigen auch für die geforderte Ergänzung des § 304 StGB, bei der es um Gegenstände geht, die der politischen Wahlwerbung dienen. Die vorgeschlagene Änderung ist abzulehnen; denn sie würde dazu führen, dass auch die Beschädigung eines einzelnen Wahlplakats oder eines bloßen Flyers als gemeinschädliche Sachbeschädigung einzuordnen wäre. Das wäre sachwidrig. Die Vorschriften über die Sachbeschädigung bieten für solche Fälle einen ausreichenden und angemessenen Schutz.
Seien Sie sich dessen bewusst: Unsere bayerische Polizei bekämpft Straftaten zum Nachteil von Mandatsträgern unter Ausschöpfung aller rechtlich möglichen und taktisch gebotenen Maßnahmen. Die professionelle Bearbeitung von politisch motivierten Straftaten ist durch die grundsätzliche Zuständigkeit der StaatsschutzDienststellen der bayerischen Polizei gewährleistet.
Zu Punkt drei, dem letzten Punkt: Nach dem Hinterfragen von sich selbst und dem aktiven Handeln sollten wir es auch besser machen, wo dies nötig ist. Auch das tun wir. Tätliche Angriffe auf Mandatsträger sind bereits nach geltendem Recht strafbewehrt. Zur Verbesserung des Schutzes auch ehrenamtlicher kommunaler Mandatsträger hat der Bundesrat auf eine Gesetzesinitiative der Bayerischen Staatsregierung hin Ende 2023 ein Gesetz in den Bundestag eingebracht, wonach die grundlegende und für alle Straftaten gleichermaßen geltende Regelung zur Strafzumessung nach § 46 StGB dahin gehend ergänzt werden soll, dass strafverschärfend berücksichtigt werden soll, wenn die Tat geeignet ist, das gemeinnützige Engagement des Geschädigten nicht unerheblich zu beeinträchtigen.
Meine Damen und Herren, ich war selbst fünf Jahre lang Richter an einer großen Strafkammer und weiß, dass oftmals nicht der Strafrahmen ein Problem für die konkrete Rechtsfolgenanwendung darstellt. Vielmehr sind es die Faktoren der
Strafzumessung, die sauber angewendet werden müssen, die strafverschärfenden und die strafmildernden Merkmale, die den vorgegebenen und so gut wie immer ausreichenden Strafrahmen füllen. Hier geben wir unseren Rechtsanwendern ein weiteres scharfes Schwert an die Hand, um im konkreten Einzelfall eine höhere Strafe gut und vor allem rechtssicher begründen zu können. Die Initiative setzt zugleich im Lichte der aktuellen Entwicklungen ein klares Zeichen gegen gemeinwohlschädliche und demokratiefeindliche Straftaten.
Zudem wird gegenüber denjenigen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, der Rückhalt und die ausdrückliche Anerkennung des Staates für ihre Tätigkeit zum Ausdruck gebracht und ein klares Signal an Täter und potenzielle Täter entsprechender Delikte gesendet.
Wir haben im Freistaat aber nicht nur unsere Mandatsträger und die politisch Verantwortlichen im Blick, uns geht es insgesamt um die Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften. Gerade hier ist eine untragbare und nicht hinzunehmende Gewalt gegen unsere Nothelfer zu beobachten. Aus diesem Grunde stärken wir denjenigen, die unserem Gemeinwohl täglich dienen, den Rücken, indem wir über das Justizministerium einen Beschlussvorschlag eingebracht haben, den Schutz aller gesellschaftlich engagierten Bürgerinnen und Bürger vor tätlichen Angriffen und Behinderungen ihres Engagements zu verbessern. Beide Gesetzesvorhaben wurden von Bayern initiiert und werden derzeit im Bundestag in Erster Lesung behandelt. Wir unterstützen ausdrücklich beide Gesetzesvorhaben.
Alle genannten Verantwortungsträger aus Politik, Rettungsdiensten und Gesellschaft tragen durch ihren Dienst, sei er hauptberuflich oder im Ehrenamt, zur Funktionsfähigkeit von Staat und Gesellschaft bei. Angriffe auf sie, während ihres Dienstes oder in Bezug auf ihren Dienst, richten sich im Regelfall nicht gegen sie als Individualperson, sondern gegen ihre Rolle als Vertreter staatlicher Gewalt oder als Helfer in Notlagen. Solche Angriffe und deren Folgen sind sowohl für die betroffenen Personen als auch für die Gesellschaft schwerwiegend. Jeder dieser Angriffe ist ein Angriff auf die staatliche Autorität, gegen das Gewaltmonopol und damit letztlich gegen uns alle. Diese Angriffe verdienen Entschiedenheit und konsequente Härte als Antwort einer wehrhaften und resilienten Gesellschaft.
Um diese Antwort war, ist und wird der Freistaat Bayern nie verlegen sein. Wir schützen unsere Verantwortungsträger und stehen auf allen Ebenen an deren Seite, als Impulsgeber in Berlin, in unserem Freistaat und insbesondere vor Ort. Sie leisten eine großartige Tätigkeit für unser Gemeinwohl.
Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Toni Schuberl für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD schürt Gewalt und Chaos. Und nun will die AfD Angriffe auf Personen des politischen Lebens schärfer bestrafen. Wie scheinheilig! Ich erinnere an den Mord an Walter Lübcke. Der Mörder hat erst Wahlplakate für die AfD aufgehängt, hörte sich die hasserfüllte Rhetorik der AfD an und hat dann diesen verdienten CDU-Politiker ermordet. Ein Vertreter der AfD-Fraktion hier im Bayerischen Landtag hat sich beim Gedenken an Walter Lübcke demonstrativ nicht erhoben. Heute gibt es in Ihrer Fraktion deutlich mehr Leute, bei denen ich davon ausgehe, dass sie sich ebenfalls nicht erheben würden.
Das Jahr 2024 ist noch nicht vorbei, doch wir steuern auf eine Verdopplung der Angriffe auf Politikerinnen und Politiker im Vergleich zum Jahr 2019 zu. Eine kleine Auswahl aus der ersten Jahreshälfte: Im Januar bedrohte ein wütender Mob Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Okay. – Im Februar wurde auf das Haus des SPD-Politikers Michael Müller ein Brandanschlag verübt und vor dem Wahlkreisbüro des GRÜNEN-Politikers Sebastian Striegel ein Grabstein aufgestellt. Im März wurde der GRÜNEN-Politiker Bèla Mokrys angegriffen. Im April wurden Männer angegriffen, die Wahlplakate der GRÜNEN aufgehängt haben. Im Mai kam es zu gewalttätigen Angriffen gegen die GRÜNEN-Politiker Rolf Fliß und Kai Gehring, die SPD-Politiker Matthias Ecke und Franziska Giffey sowie gegen den AfD-Politiker Holger Kühnlenz. Im Juni gab es einen Angriff gegen den AfD-Politiker Hans-Jürgen Zickler.
Für all diese Angriffe ist auch die feindselige Rhetorik der AfD verantwortlich. Sie rufen direkt und indirekt zu Gewalt auf. Einige Beispiele aus diesem Landtag: Christoph Maier hat im Verfassungsausschuss mit Konsequenzen gedroht, wenn die AfD einmal an der Macht wäre. Martin Böhm möchte Abgeordnete anderer Fraktionen im Landtag wie Karnickeln den Genickschlag verpassen. AfD-Abgeordnete im Parlament werfen anderen Fraktionen ständig vor, Stasi, Sozialisten, Faschisten, Öko-Faschisten, Öko-Sozialisten usw. zu sein. Sie behaupten, es würde eine sozialistische, faschistische oder totalitäre Diktatur errichtet. Sie verwenden die Begriffe, wie Sie sie gerade brauchen. Sie bezeichnen uns als "Volksverräter" und drohen uns mit Konsequenzen. Dabei wird auf gefährliche Verschwörungserzählungen zurückgegriffen und Abscheuliches behauptet.
Aus internen Chats und russischen Strategiepapieren wissen wir, dass dahinter Kalkül steckt. Sie wollen Chaos, und Sie wollen Gewalt, weil Sie wissen, dass der Rechtsstaat Ihnen Ihre menschenverachtende Politik nie erlauben würde. Als Demokraten stehen wir gegen Ihre Destabilisierungsversuche; sie werden nicht erfolgreich sein.
Wir brauchen gerade im Stil eine Besinnung auf Werte. Das erwarten wir auch von der Söder-CSU. – Jetzt ist er gegangen; gerade war er noch da. – Herr Söder, Lügen über politische Mitbewerber zu verbreiten, ist eigentlich der Stil der AfD und einer Volkspartei nicht würdig. Scharfe Kritik ist natürlich legitim. Davon hat sich aber der Ministerpräsident schon lange verabschiedet. Wir brauchen eine CSU mit Anstand, Haltung und einem Wertekompass. Diese CSU scheint mit Markus Söder sehr weit entfernt. Daher können wir nur auf die Besinnung der anderen Parteimitglieder hoffen. Halten wir Demokraten zusammen,
(Prof. Dr. Winfried Bausback (CSU): Sie haben ja gerade gezeigt, wie Sie zusammenhalten! Unglaublich!)
schützen wir unsere Demokratie, und sorgen wir wieder für eine gute politische Kultur in unserem Land! Eine Strafmaßverschärfung brauchen wir nicht.
Mir liegt noch eine Meldung zu einer Zwischenbemerkung des Abgeordneten Martin Huber von der AfD-Fraktion vor. Bitte schön.
Herr Kollege, erstens einmal schürt keiner von der AfD Gewalt. Wir sind gegen jegliche Gewalt, und ich genauso. Jetzt rede ich einmal von meiner Person. Sie können uns das wirklich vorwerfen, aber das stimmt in keiner Weise; aber ich sage noch einmal: Das hat nichts mit der Parteizugehörigkeit zu tun.
Draußen passiert immer mehr Gewalt, und ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: Zwei über 70-jährige Leute haben ein Plakat aufgehängt. Dann sind sie von Jugendlichen geschlagen worden. Sie haben das dann angezeigt. Da hat die Polizei gesagt: Ihr seid selber schuld, weil ihr das vor dem Jugendzentrum aufgehängt habt. – Ich sage es noch einmal: Wir lehnen jegliche Gewalt ab. Da gibt es auch nichts zu relativieren. Sie werfen uns vor, wir schürten Hass oder Gewalt. Im Gegenteil: Die meisten Politiker und Helfer, die angegriffen werden, sind AfDler. Das ist das Fadenscheinige, was Sie hier im Hause sagen. Sie malen ein ganz anderes Bild von uns. Ich bin gegen jegliche Gewalt, und die AfD-Politiker hier im Hause genauso. Das finde ich richtig schäbig, was ihr da macht, weil ihr fachlich nichts dagegenzuhalten habt. Genau so sieht es aus.
Ich bin seit sechs Jahren in diesem Landtag, und seit sechs Jahren ist die AfD-Fraktion in diesem Landtag. Bei fast jeder einzelnen Rede, die hier von Ihnen gehalten wird, schüren Sie Hass und hetzen Sie.
Sie hetzen gegen Minderheiten. Sie hetzen gegen Menschen, die einfach nicht Ihrem Menschenbild entsprechen. Das wirkt sich auf der Straße aus.
Ich habe von Ihnen noch nie gehört, dass Sie sich distanzieren. Haben Sie sich davon distanziert, dass uns "Karnickeln der verdiente Nackenschlag versetzt" werden soll?
Ist denn das gegen Gewalt? Sind Sie da gegen Gewalt? Wann haben Sie sich denn davon distanziert? – Ich habe davon nichts gehört.
Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Martin Scharf für die Fraktion der FREIEN WÄHLER das Wort.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident, Kolleginnen und Kollegen! Bei mir wird es ein bisschen ruhiger. Die AfD fordert mit ihrem Antrag eine Verschärfung des Strafrechts, um politische Akteure und ihre Wahlhelfer besser zu schützen. Es wird argumentiert, dass Angriffe auf politische Personen und deren Unterstützer zugenommen haben und ein besonderer Schutz notwendig sei. Dabei wird im Antrag insbesondere auf Angriffe auf AfD-Politiker verwiesen und gefordert, dass politische Personen ähnlich wie in den Paragrafen 114 und 115 des Strafgesetzbuches genannte Berufsgruppen unter besonderen Schutz gestellt werden sollen.