Werte Kollegin, ich komme auf die Lehrerinnen und Lehrer zurück, die an unseren Schulen unterrichten. Da ich selbst Lehrerin bin, ist es mir schon wichtig, die hohe Fachlichkeit und auch das Verantwortungsbewusstsein unserer Kolleginnen und Kollegen in den Mittelpunkt zu stellen.
Ich gehe davon aus, dass die Lehrerinnen und Lehrer, die jetzt an den Schulen arbeiten, das sehr verantwortungsbewusst und auch im Sinne unserer Kinder tun. Ich darf auch den Bayerischen Philologenverband zitieren:
"Es ist wichtig, den Schulen die pädagogischen Freiräume zum sinnvollen Einsatz von unangekündigten Leistungsnachweisen zu lassen, wie sie die Schulordnungen vorsehen."
Wir haben natürlich Lehrkräfte, die pädagogisch verantwortungsvoll handeln, aber wir geben ihnen bestimmte Rahmen vor. Diese Rahmen wollen wir abschaffen, damit eben die Schulen vor Ort eine größere Freiheit bekommen,
dass sie im Schulforum beschließen können, wie viele Leistungsnachweise erhoben werden können, wie was benotet wird und in welcher Taktung benotet wird. Wenn wir das Signal an die Schulen geben "Nein, ihr braucht keine unangekündigten Leistungsnachweise mehr, die benotet werden", ist es ein starkes Zeichen. Wir geben den Schulen damit viel mehr Beinfreiheit.
Frau Kollegin, Sie werden mir bestimmt recht geben, dass wir die Schüler in der Schule für das Berufsleben und die Zukunft vorbereiten. Wenn ich mein Auto in die Werkstatt bringe, muss ich dann einen Tag vorher anrufen und sagen "Ich habe dieses oder jenes Modell, dies oder das ist kaputt", oder kann ich hingehen und sagen "Das Ding geht einfach nicht, bitte helfen Sie mir"? – Kann der Mann dann spontan sein Wissen abrufen? Weiß der Bescheid? Wenn Sie in den Elektroladen gehen und sich einen neuen Fernseher kaufen, sagt der Verkäufer dann "Dann müssen Sie einen Tag vorher anrufen; denn ich muss mich erst darauf vorbereiten, wenn Sie mein Wissen abrufen möchten"?
Genau das bereitet Schüler darauf vor, dass sie das erlernte Wissen später im Berufsleben spontan abrufen und umsetzen können, oder etwa nicht?
Verehrter Kollege, ich glaube, Sie haben meiner Rede nicht gelauscht bzw. sie nicht verstanden. Ich habe genau diese Situation erklärt, was die Kinder bzw. die Schüler:innen in ihrem Arbeitsleben brauchen. Sie brauchen keinen abgeschlossenen Raum, in dem sie keine Informationen mehr generieren können, sondern werden das alles in Teamarbeit machen, und zwar mit ihren Leuten vor Ort, mithilfe des Internets und mit anderen Mitteln.
Vielen Dank, Frau Kollegin Triebel. – Für die CSU-Fraktion hat Frau Kollegin Dr. Ute Eiling-Hütig das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen hier heute über zwei Anträge der SPD-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Thema – ich zitiere –: "Abschaffung von unangekündigten Leistungsnachweisen an allen Schularten" bzw. "Schluss mit Angst und Panik – Zeitgemäße Prüfungsformate für Bayerns Schülerinnen und Schüler!"
Liebe Kollegin von der SPD, Sie argumentieren, unangekündigte Leistungsnachweise seien nicht mehr zeitgemäß, was durch eine Petition – durch eine Petition! –, durch Stellungnahmen von Lehrerverbänden sowie wissenschaftliche Studien belegt werde. Wenn ich mir das genauer anschaue, sehe ich: Zur Petition schreibt der Bayerische Philologenverband – bpv – ich zitiere –:
"Im Schuljahr 2023/2024 besuchten 586.446 Schülerinnen und Schüler ein Gymnasium, eine FOS/BOS oder eine Realschule."
Also Schulen, bei denen wir von diesem Test sprechen. Die im Juni 2024 gestartete Petition hat nach drei Monaten, Stand 16.09., circa 12.000 Unterschriften gesammelt. Das sind wie viel? Wer hat in Mathe aufgepasst? – Das sind zwei Prozent der Schülerschaft in den drei betroffenen Schularten. Zwei Prozent! Aus der Mitte der Schülerschaft scheint es also kein großer Wunsch zu sein. Das zur Petition.
Dann werden die Stellungnahmen der Verbände angegeben. Wenn ich mir die Stellungnahmen der Verbände anschaue – ich schaue mir natürlich auch die Stellungnahmen der Verbände an, die mir vielleicht nicht nach dem Mund reden –, sehe ich allerdings auch Zustimmung zu eben jenen sogenannten Exen, zum Beispiel durch den Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes Stefan Düll, der sich zum Leistungsvergleich der Bundesländer wie folgt äußert – Zitat –:
"Bayern ist ganz vorne mit dabei. Ein Grund dafür ist, dass es in den bayerischen Schulen einen gewissen Leistungsanspruch gibt. Zu diesem Leistungsanspruch gehört auch, dass es in Bayern unangekündigte Leistungskontrollen gibt."
Ich empfehle Ihnen auch ganz dringend, sich das Interview mit Herrn Düll in der "Augsburger Allgemeinen" anzuschauen, wo er sich auch in diesem Sinne sehr deutlich äußert.
Einer neueren Studie von 2022 – ich habe heute wirklich noch mal recherchiert –, die in diesem Zusammenhang des Öfteren genannt wird, entnehme ich, dass ganze 414 Schülerinnen und Schüler befragt wurden. Da stellt sich mir die Frage nach der Repräsentativität. Das muss ich schon in Frage stellen.
Wir sollten also zunächst einmal eines festhalten: dass es durchaus unterschiedliche Ansichten zum Abhalten unangekündigter Leistungsnachweise gibt. Ich glaube, das ist Fakt.
Lassen Sie mich zu einigen Bemerkungen in der Begründung des SPD-Antrags Stellung nehmen. Es wird argumentiert, dass unangekündigte Leistungsnachweise nur zu kurzfristigem Auswendiglernen und nicht zum Verstehen beitragen würden. Ich sehe das in der Tat diametral anders. Wenn ich angehalten bin, mir regelmäßig und kontinuierlich Sachverhalte anzuschauen und zu verinnerlichen und ebenso mit Aufmerksamkeit dem Unterricht zu folgen, tue ich genau eines nicht, nämlich kurzfristig auswendig zu lernen. Zudem haben Lehrkräfte durchaus einen klareren Blick auf die tatsächlichen Kenntnisse ihrer Schülerinnen und Schüler bei unangekündigten Leistungsnachweisen. Ich möchte bitte nur an KI und ChatGPT erinnern. Bei angekündigten Nachweisen, bei Schulaufgaben, kann ich das sicherlich anders nutzen. Das geht da nicht; ich muss spontan, aus dem Stegreif etwas wissen und es erklären können.
Sie behaupten, Schüler lernten bei dieser Art von Tests nur aus Angst. Das sehe ich auch komplett anders. Schüler lernen in der Tat und in der Regel nicht immer aus reiner Freude, aber doch durchaus aus Interesse, meistens – seien wir mal
ganz ehrlich und erinnern uns an unsere Schulzeit – bei guten Lehrern, für gute Lehrer, nämlich für die Lehrkraft, weil man Spaß an der Materie hatte.
Schauen wir uns genauer an, über welchen Umfang wir bei den sogenannten Exen reden. Was wird denn da abgefragt? – Das ist der Inhalt der vorangegangenen Unterrichtsstunde. In angekündigten Leistungsnachweisen wie zum Beispiel Kurzarbeiten sind es die letzte bis letzten sechs Unterrichtsstunden, die Grundlage für die Abfrage sind. Ich glaube, dass da doch eher das Bulimie-Lernen Thema ist. Einen klitzekleinen Vorteil der unangekündigten Leistungsnachweise verschweigen Sie: Diese müssen nicht in der Form nachgeholt werden wie die genannten Kurzarbeiten.
Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen, Sie sprechen in der Begründung des Weiteren davon, dass statt dieser Wissensabfragen das Augenmerk auf Kompetenzen gerichtet werden sollte. Ich weiß nicht, wie oft wir hier schon über die Kompetenzorientierung der neuen Lehrpläne gesprochen haben. Genau das haben wir in diesen neuen Lehrplänen; sie sind auf Kompetenzorientierung ausgerichtet. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich Kompetenzen erst wirklich und wahrhaftig entwickeln können, wenn man über genügend Wissen verfügt. Das gilt vor allem für Fähigkeiten, die Sie nennen, zur Problemlösung, Teamarbeit und Selbstständigkeit. Das gilt aber vor allem für die Vorbereitung auf ein erfolgreiches Berufsleben. Das sind Fähigkeiten, die Sie dafür fordern. Gerade im Berufsleben werden unangekündigte Leistungsnachweise auf unsere jungen Menschen zukommen. Oder glauben Sie, der Unternehmer, der Meister oder der Chef kündigt drei Tage vorher an, abzufragen, wie weit das Projekt ist? Das wird er nicht tun. Darauf wollen wir die jungen Menschen vorbereiten: auf den tatsächlichen Berufsalltag.
Ich muss immer wieder darauf hinweisen, dass wir hier in Bayern in erster Linie auf die Eigenverantwortung setzen. In diesem Sinne ist es schon jetzt jeder Schule freigestellt, wie sie Kontrollen ausübt. Sie können jetzt schon entscheiden, ob sie das machen wollen oder nicht. Einige Schulen tun das bereits. Diese große Freiheit, die Sie verbreiten wollen, haben wir.
Ich komme zu den einzelnen Spiegelstrichen. Sie sprechen von "vielfältigen Prüfungsformaten". Ich hätte schon gedacht, dass Sie da nachgelesen haben. Das gibt es bereits. Wenn man sich den Bericht der Stiftung Bildungspakt Bayern anschaut, die den Schulversuch "Prüfungskultur innovativ" initiiert hat, sieht man – Zitat –:
"Der Schulversuch auf Grundlage von Artikel 81 bis 83 des Bayerischen EuG baut auf Erfahrung aus dem Schulversuch ‚Digitale Schule 2020‘ auf, in dem im Bereich der kleinen Leistungserhebung"
Dieses ganze Projekt läuft über drei Schuljahre. Im vergangenen Schuljahr, dem zweiten, hat man sich die großen Leistungserhebungen vorgenommen, und im aktuellen Jahr widmet sich der Schulversuch auch KI-gestützten Technologien. Seit diesem Schuljahr wurde der Schulversuch zum Beispiel auch um 14 berufliche Schulen erweitert. Die Erfahrungsberichte sind im Übrigen im Netz nachzulesen. Ich finde es gut, dass es diese Schulversuche gibt; denn etwas sofort an allen Schulen zu implementieren, würde heißen, dass unsere Kinder und Jugendlichen eher Versuchskaninchen wären.
Was Projektarbeiten, Präsentation und praktische Aufgaben anbelangt, so gibt es das bereits an den Schulen. Eine Präsentation wird in der Regel gemacht, wenn
Punkt zwei "Kontinuierliches Feedback": Da hatte ich Verständnisprobleme. Sie wollen eine regelmäßige Kompetenzstandserhebung. Verzeihung, was soll das sein, wenn nicht doch ein irgendwie gearteter Leistungsnachweis, und da eben auch unangekündigt? Gerade jetzt, wo wir über den Einsatz von KI und ChatGPT sprechen, ist es doch unglaublich hilfreich, den wahren Erkenntnis- und Verständnisstand einer Schülerin bzw. eines Schülers regelmäßig und tagesaktuell abprüfen zu können.
Dritter Punkt, "Individualisierte Prüfungen": Hier verlangen Sie differenzierte Aufgabenstellungen je nach Lernfortschritt des jeweiligen Schülers. Für mich heißt das im Umkehrschluss, eine Lehrkraft müsste für eine Klasse von 25 Schülern notfalls 25 unterschiedliche Testbögen erstellen. Ich glaube, das macht Freude. Wir haben ein differenziertes Schulsystem, das es jedem Schüler und jeder Schülerin ermöglicht, nach seinen bzw. ihren Fähigkeiten unterrichtet zu werden.
Was ich sehr nett fand, ist der flexible Zeitrahmen, den Sie sich wünschen. Das ist wirklich nett. Den hätte ich in der Schule auch gerne gehabt, vor allem für MatheKlausuren. Aber was hat das mit Vorbereitung auf ein späteres Berufsleben zu tun? Wir sollten unsere Jugendlichen schon darauf vorbereiten, mit Zeitdruck umzugehen. Man kann aus dem Stegreif heraus gefordert sein, vielleicht tagtäglich.
Punkt vier "Integration digitaler Werkzeuge": Dazu verweise ich wieder auf das Projekt "Prüfungskultur innovativ", das sich genau mit diesen Fragen beschäftigt und in Schulversuchen austariert, was umsetzbar ist. Ich kann Ihnen ein schönes Beispiel eines Berufsschullehrers nennen, der per ChatGPT einen Test-Text erstellen lässt und mit Multiple-Choice-Fragen hinterlegt.
Es wäre schon nett, wenn wenigstens diejenigen, die gesprochen haben, zuhören könnten. – Er stellt diesen Text den Schülerinnen und Schülern über die BayernCloud als Selbsttest zur Verfügung.
Punkt fünf "Fokus auf Kompetenzen": Wir haben neue kompetenzorientierte Lehrpläne – ich erwähnte es schon –, die genau dies tun. Ich muss mich wiederholen: Kompetenzen entwickeln sich vor allem auch durch den Erwerb von Wissen. Das ist meines Erachtens untrennbar miteinander verbunden.
Ich komme zur "Stressreduktion". Es verursacht in der Regel Stress, wenn man Leistungsnachweise, egal ob unangekündigt oder angekündigt, erhebt. Sie glauben doch wohl nicht ernsthaft, dass angekündigte Kontrollen grundsätzlich keinen Stress auslösen. Leistungskontrollen sind naturgemäß mit Druck und Stress verbunden. Genau diesen Druck und diesen Stress werden die jungen Menschen aber auch später im Berufsalltag erleben. Darauf müssen wir sie vorbereiten.